OGH 4Ob543/83

OGH4Ob543/8326.6.1984

SZ 57/116

Normen

HGB §15 Abs2
HGB §15 Abs2

 

Spruch:

Die Berufung auf eine im Handelsregister eingetragene Haftungsbeschränkung ist rechtsmißbräuchlich, wenn bei gleichbleibendem Auftreten eines bisher persönlich haftenden Kaufmanns innerhalb einer bestehenden Geschäftsverbindung der Rechtsschein des unveränderten Fortbestehens der bisherigen Unternehmensverhältnisse so stark ist, daß das Nichteinsehen des Handelsregisters und damit die Unkenntnis, daß das Unternehmen des Geschäftspartners inzwischen - ohne Änderung seiner Firma - in eine Kommanditgesellschaft eingebracht worden ist, nicht als Fahrlässigkeit iS des § 15 Abs. 2 HGB angesehen werden kann

OGH 26. 6. 1984, 4 Ob 543/83 (OLG Linz 1 R 233/82; LG Salzburg 8 Cg 62/82) = RdW 1985, 34 (Hügel)

Text

Im Handelsregister Sbg. wurde am 16. 2. 1968 zu HRA 2148 die Firma "Peter S, Handel mit Bürobedarf, Büromaschinen und Buchhaltungseinrichtungen" eingetragen, deren Alleininhaber der Beklagte war. Am 6. 7. 1972 wurde in dasselbe Handelsregister zu HRB 1361 die "Peter S Gesellschaft mbH" mit dem Beklagten als Geschäftsführer eingetragen. Diese GesmbH trat mit 28. 1. 1974 in die zu HRA 2148 protokollierte Einzelfirma als persönlich haftende Gesellschafterin ein, sodaß dieses Unternehmen seither eine KG (GesmbH & Co KG) mit der GesmbH als Geschäftsführerin und dem Beklagten als Kommanditisten war. Der - vorerst unverändert gebliebene - Firmenwortlaut der KG wurde mit 5. 1. 1981 in "B Büroorganisation GesmbH & Co" und mit 5. 2. 1981 in "C Büroorganisation GesmbH & Co" geändert.

Am 5. 1. 1981 wurde in das Handelsregister Sbg. zu HRB 4363 die Firma "Peter S Gesellschaft mbH" eingetragen;

einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführer dieser Gesellschaft sind Gudrun S, Petra S und der Beklagte. Gleichzeitig wurde zu HRA 3669 auch die Einzelfirma "Peter S" eingetragen, in welche noch am selben Tag die zu HRB 4363 protokollierte GesmbH als persönlich haftende Gesellschafterin eintrat; das Unternehmen ist seither eine KG (GesmbH & Co KG) mit den Kommanditisten Gudrun S und Peter S.

Über das Vermögen der "C Büroorganisation GesmbH & Co" wurde am 9. 3. 1981 zu Sa 3/81 des Landesgerichtes Sbg. das Ausgleichsverfahren und am 26. 3. 1981 zu S 25, 26/81 der Anschlußkonkurs - dieser auch über das Vermögen ihrer Komplementär-GesmbH - eröffnet. Die Klägerin meldete in diesem Insolvenzverfahren am 23. 3. 1981 eine Forderung von 259 228.30 S an; nach einer Teilzahlung schränkte sie diesen Betrag auf 231 762.76 S ein. Sie hat - ebenso wie die anderen Konkursgläubiger dritter Klasse - keine Quote erhalten.

Die Klägerin stand mit dem Beklagten seit 1962 in geschäftlichem Kontakt; der Beklagte hatte seit damals - zum Teil in größeren Zeitabständen - bei der Klägerin Büromöbel udgl. gekauft. Zwischen dem 14. 5. 1980 und dem 12. 12. 1980 bestellte der Beklagte - persönlich oder durch einen Bediensteten - bei der Klägerin verschiedene Büromöbel und ähnliche Artikel. Dabei wurde in den Bestellscheinen bzw. bei mündlichen Bestellungen sowie in Auftragsbestätigungen, Rechnungen und Überweisungsbelegen als Besteller und Zahler jeweils "Peter S, Büroorganisation", "Firma Peter S" oder "Firma Peter S, Handel mit Bürobedarf, Büromaschinen und Buchhaltungseinrichtungen" angeführt und der Klägerin bekanntgegeben. Die Klägerin hatte bis zur Konkurseröffnung nie nach der Rechtsform des Unternehmens des Beklagten gefragt und auch keine Erkündigungen in dieser Richtung eingeholt; auch der Beklagte selbst hatte dies nie zur Sprache gebracht. Daß der Beklagte auf Verrechnungsschecks mit dem Zusatz "ppa" gezeichnet hätte, ist nicht erwiesen; meist wurden derartige Schecks von anderen zeichnungsberechtigten Personen ausgestellt. Vermutlich am 27. 2. 1981 änderte die Klägerin bei zwei Rechnungen über 5 841 S und 8 794.54 S auf Ersuchen des Beklagten die Bezeichnung des Adressaten dieser Rechnungen in "C GesmbH & Co".

Am 2. 12. 1981 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung eines noch offenen Restsaldos von 299 052.12 S auf. In diesem Schreiben hieß es ua.:

"Ihrerseits wurde teilweise erst nach Auslieferung der bestellten Möbel der Wunsch an uns herangetragen, die Fakturen auf die Firma C auszustellen. Da diese Firma jedoch nunmehr im Konkurs ist und daher diese Forderung voraussichtlich uneinbringlich ist, richten wir nun unsere Forderung an Sie als für die Firma S persönlich haftender Geschäftsführer. Wir verweisen dabei nochmals auf den Umstand, daß Sie unter der Firma Peter S als Besteller aufgetreten sind."

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Peter S die Zahlung einer noch offenen Kaufpreisforderung von 250 433.76 S sA. Soweit der Beklagte behaupte, Käuferin der Waren sei eine GesmbH & Co KG gewesen, und deshalb seine Aktivlegitimation bestreite, werde das Klagebegehren hilfsweise auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt, weil der Beklagte als Geschäftsführer dieser KG die in Rede stehenden Aufträge in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft erteilt und es im übrigen versäumt habe, zeitgerecht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.

Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Vertragspartner der Klägerin sei nicht er selbst gewesen, sondern die Firma Peter S, Handel mit Bürobedarf, Büromaschinen und Buchhaltungseinrichtungen, sowie die B Büroorganisation GesmbH & Co. und die C Büroorganisation GesmbH & Co. Eine Verpflichtung zum Schadenersatz bestehe schon deshalb nicht, weil die Gesellschaft beim Abschluß der Kaufverträge noch nicht zahlungsunfähig gewesen sei; im übrigen wäre hier nur der Masseverwalter klageberechtigt; der eingeklagte Betrag wäre bei weitem überhöht; die Klägerin müßte sich zumindest ein Mitverschulden anlasten lassen.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 231 762.26 S sA und wies das Mehrbegehren von 18 671.50 S sA - insoweit rechtskräftig - ab. Der Beklagte wäre angesichts seiner langjährigen Geschäftsverbindung mit der Klägerin verpflichtet gewesen, nach der Umwandlung seines Unternehmens in eine KG die damit verbundene, aus dem unverändert gebliebenen Firmenwortlaut nicht erkennbare Haftungsbeschränkung auch der Klägerin gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Da er diese Offenlegungspflicht verletzt habe, verstoße seine nunmehrige Berufung auf § 15 Abs. 2 HGB gegen Treu und Glauben. An dieser Rechtslage könne die - auf Ersuchen des Beklagten vorgenommene - Umschreibung einzelner Rechnungen auf die Gesellschaft ebensowenig etwas ändern wie die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG oder eine allfällige Unterfertigung einzelner Verrechnungsschecks mit einem auf eine Prokura hindeutenden Zusatz; all dies sei nämlich erst nach Abschluß der Kaufverträge geschehen und könne - zumindest im Zweifel - auch nicht als schlüssiger Verzicht auf die Forderungen gegen den Beklagten gewertet werden. Das Zahlungsbegehren der Klägerin erweise sich deshalb im Umfang des noch offenen Kaufpreisrestes von 231 762.26 S als berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Bis zur Gründung der GesmbH & Co. KG im Jahr 1974 sei jedenfalls der Beklagte selbst Vertragspartner der Klägerin gewesen. Allfällige Nachforschungen im Handelsregister hätten bis zum Jahr 1968 überhaupt nichts ergeben und in den folgenden Jahren bis 1974 lediglich bekräftigt, daß Rechtsträger der nunmehr protokollierten Einzelfirma allein der Beklagte als physische Person war. Als dann im Jahr 1974 aus dem Unternehmen eines Einzelkaufmannes eine GesmbH & Co. KG wurde, sich aber am Firmenwortlaut nichts änderte und zufolge Unterbleibens jedweder Änderungen im äußeren Sachverhalt nach dem Rechtsschein der Beklagte grundsätzlich weiterhin als Einzelkaufmann mit der gleichgebliebenen Firma habe erscheinen müssen, wäre es Sache des Beklagten als Geschäftsführer der Komplementär-GesmbH gewesen, diese Änderung der Haftungsgrundlage auch gegenüber der Klägerin offenzulegen, um das Fortbestehen seiner seit rund 12 Jahren von der Klägerin zu Recht in Anspruch genommenen persönlichen Haftung im Rahmen dieser Geschäftsbeziehungen zu vermeiden. Alle hier in Rede stehenden Rechtsgeschäfte seien zu einer Zeit abgeschlossen worden, in der sich zwar die Rechtsform des Unternehmens bereits in eine GesmbH & Co. KG geändert hatte, die Firma Peter S, Handel mit Bürobedarf, Büromaschinen und Buchhaltungseinrichtungen, aber unverändert fortgeführt wurde. Die späteren Firmenänderungen vom 5. 1. und vom 5. 2. 1981 seien deshalb hier ohne rechtliche Bedeutung. Die von der Klägerin gefälligkeitshalber vorgenommene Umschreibung einzelner, relativ niedrige Beträge betreffender Rechnungen sei erst nach dem Abschluß der hier maßgebenden Rechtsgeschäfte vorgenommen worden, ebenso die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft. Daß sich in der Folge bezüglich der fraglichen Rechtsgeschäfte die GesmbH & Co. KG als Bestellerin bekannt hat, ändere nichts daran, daß kraft Rechtsscheins der Beklagte von der Klägerin zu Recht als Besteller im eigenen Namen in Anspruch genommen werde. Unter diesen Umständen könne auch die Berufung auf § 15 Abs. 2 HGB dem Beklagten nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Klägerin im Hinblick auf ihre langjährigen Geschäftsbeziehungen zum Beklagten die tatsächliche rechtliche Gestaltung seines Unternehmens nicht habe erkennen müssen und wegen dieses verstärkten und gefestigten Rechtsscheins von ihr auch keine besonderen Nachforschungen in dieser Richtung zu verlangen gewesen seien. Auf den hilfsweise geltend gemachten Rechtsgrund des Schadenersatzes brauche bei dieser Sachlage nicht weiter eingegangen zu werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte hält es für irreführend, im vorliegenden Fall und im Zusammenhang mit der in § 15 Abs. 2 HGB geregelten Publizität des Handelsregisters von einem Rechtsschein zu sprechen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes führe im Ergebnis dazu, daß jeder, der - wie die 1974 gegrundete GesmbH & Co. KG - eine abgeleitete Firma führt, einen solchen Rechtsschein erzeugen würde und dafür persönlich haftbar gemacht werden könnte. Von einer Aufklärungspflicht, wie sie hier verlangt werde, könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn sich die mit einer Haftungsbeschränkung verbundene Gesellschaftsgrundung zeitlich in einen aktuellen Kontakt mit einem Geschäftspartner einschiebt; sie könne aber nicht so weit ausgedehnt werden, daß die Publizitätswirkung des Handelsregisters mehr als sechs Jahre lang völlig ignoriert werde. Wenngleich von keinem interessierten Geschäftsmann verlangt werden könne, daß er sich laufend durch Einsichtnahme in das Register Informationen beschafft, müsse er doch wenigstens die Bekanntmachungen der Registereintragungen in den verschiedenen Medien verfolgen. Gerade der Klägerin, welche mit dem Beklagten als dem Alleininhaber der Einzelfirma Peter S schon vorher in Geschäftsverbindung gestanden war, hätte die Bekanntmachung jener Registereintragungen auffallen müssen, die zur Gründung der Kommanditgesellschaft unter Weiterführung der bisherigen (abgeleiteten) Firma geführt hatten.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, kann die Berufung auf eine im Handelsregister eingetragene Haftungsbeschränkung im Zusammenhang mit § 15 Abs. 2 HGB im Einzelfall aus besonderen Gründen rechtsmißbräuchlich sein, dies insbesondere dann, wenn bei gleichbleibendem Auftreten eines bisher persönlich haftenden Gesellschafters innerhalb einer bestehenden Geschäftsverbindung der Rechtsschein des unveränderten Fortbestehens der bisherigen Unternehmensverhältnisse so stark ist, daß das Nichteinsehen des Handelsregisters nicht als Fahrlässigkeit iS des § 15 Abs. 2 HGB angesehen werden kann (in diesem Sinn bereits SZ 55/88; vgl. dazu insbesondere Baumbach-Duden-Hopt, HGB[25], 71 § 15 Anm. 3 D; Hüffer im GroßKommentar zum HGB[4] I § 15 RN 39; Schlegelberger-Hildebrandt HGB[5] I 66 § 5 RN 16 b, 164 § 15 RN 17 c; BGHZ 62, 216 ff.; BGHZ 71, 354 ff., 357 f.); wer selbst im Laufe einer ständigen Geschäftsverbindung seine Haftung beschränkt, trotzdem aber seinem Geschäftspartner gegenüber auch weiterhin so auftritt, als habe sich auf seiner Seite nichts geändert, verhindert es geradezu, daß der Geschäftspartner auf den Gedanken kommt, es bedürfe zum Schutz seiner Interessen auch hier noch einer Nachprüfung im Handelsregister (NJW 1972, 1418). Ein solcher Fall liegt auch diesmal vor. Die Klägerin war mit dem Beklagten - als dem Inhaber der zunächst nicht protokollierten, dann aber 1968 in das Handelsregister eingetragenen Einzelfirma Peter S, Handel mit Bürobedarf, Büromaschinen und Buchhaltungseinrichtung - schon seit 1962, also bis zur Gründung der KG im Jahr 1974 nicht weniger als 12 Jahre lang, in ständiger Geschäftsverbindung gestanden. Als dann im Jahr 1974 aus der angeführten Einzelfirma eine GesmbH & Co. KG wurde, ohne daß sich am bisherigen Firmenwortlaut etwas geändert hätte oder die eingetretene Rechtsänderung aus sonstigen Umständen nach außen erkennbar gewesen war, wäre es Sache des Beklagten gewesen, diese neue Rechtslage auch gegenüber der Klägerin offenzulegen, um auf diese Weise ein Fortbestehen seiner bisher von der Klägerin (zu Recht) in Anspruch genommenen persönlichen Haftung im Rahmen der ständigen geschäftlichen Beziehungen mit ihr zu vermeiden. Das Unterbleiben einer derartigen Offenlegung, verbunden mit der jahrelangen Aufrechterhaltung des durch die unveränderte Firmenfortführung geschaffenen Rechtsscheins, schließt die Annahme, die Klägerin habe durch die jahrelange Nichtbeachtung der Registereintragungen fahrlässig gehandelt, aus und läßt die Berufung des Beklagten auf § 15 Abs. 2 HGB iS der zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils rechtsmißbräuchlich erscheinen. Für den gegenteiligen Prozeßstandpunkt des Beklagten ist entgegen der Meinung der Revision auch daraus nichts zu gewinnen, daß § 15 Abs. 2 HGB in der seit 1969 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Fassung einen Gegenbeweis des Dritten, daß er die eingetragene Tatsache weder gekannt habe noch habe kennen müssen, nur noch für eine Übergangszeit von 15 Tagen zuläßt; gerade auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung haben, wie bereits erwähnt, in besonderen Ausnahmefällen einen speziellen Vertrauensschutz gegenüber dem Inhalt des Handelsregisters bejaht und eine Berufung auf die Registereintragung nach § 15 Abs. 2 HGB als rechtsmißbräuchlich und deshalb unbeachtlich erklärt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte