OGH 5Ob559/84

OGH5Ob559/8419.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Rosa L*****, 2.) Richard L*****, beide vertreten durch Dr. Arno Figl, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Anton L*****, vertreten durch Dr. Peter Keul, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 80.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Februar 1984, GZ 3 b R 15/84‑18, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 23. November 1983, GZ 10 Cg 291/82‑13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00559.840.0619.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Streitteile haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Begründung

Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 76 KG *****, bestehend aus den Grundstücken 15/1, 15/2 und 92/2. Der Beklagte ist Eigentümer der benachbarten Liegenschaft EZ 67 KG *****, bestehend aus den Grundstücken 92/1 und 92/3. Hinsichtlich des letztangeführten Grundstücks 92/3 im Ausmaß von 28 m 2 ist im Lastenblatt der Liegenschaft der Kläger unter COZ 8 aufgrund des Vertrags vom 30. 8. 1905 zugunsten des Beklagten die Dienstbarkeit des Zugangs und der Zufahrt über den zwischen den Bauparzellen 92/1 und 92/3 (Haus *****) einerseits und den Grundstücken 15/2 und 92/2 (Haus *****) andererseits befindlichen Teil des Grundstücks 15/1 einverleibt. Der bezughabende Vertragspunkt VI des Vertrags vom 30. 8. 1905 lautet wie folgt:

„Bei dieser Gelegenheit (ge)stehe ich, endesgefertigte Ernestine L*****, für mich und meine Rechtsnachfolger (Besitznachfolger) vom Hause ***** der Josefa F***** und deren Nachfolgern vom Hause ***** für immerwährende Zeiten und ohne jegliches Entgelt das Zugangs‑ und Zufahrtsrecht über den zwischen den beiden Bauparzellen 92/1 und 92/3 des Hauses ***** einerseits, dann der Grundparzelle 15/2 Wiese und der Bauparzelle 92/2 des Hauses ***** andererseits befindlichen Teil der Parzelle 15/1 Wiese in dem Umfange zu, dass der Berechtigte nicht nur von der Straße aus zu der nunmehrigen Bauparzelle 92/3 nach Belieben hinzu und wieder zurückgehen, sondern auch mit Holz und anderweitigen Fuhren zu‑ eben Bauparzelle zu und von dieser wieder zurückfahren kann.“

Im Jahre 1981 erwarb der Beklagte an das Grundstück 92/3 anschließend ein Grundstück im Ausmaß von 62 m 2 und reichte beim Marktgemeindeamt ***** ein Bauansuchen um Errichtung einer Garage auf dieser Grundfläche ein. Der geplante Zubau wurde zwar nicht als Garage, jedoch als Zubau eines Holzlagers bewilligt und ausgeführt. Im Anschluss daran wurde der Zaun, mit welchem das Grundstück 92/3 zur Liegenschaft der Kläger hin abgegrenzt war, entfernt und das Grundstück asphaltiert.

Mit der am 18. 11. 1982 beim Erstgericht überreichten Klage begehrten die Kläger die Verurteilung des Beklagten, mit Ausnahme von Wirtschaftsfuhren das Befahren des Grundstücks 15/1 der den Klägern gehörigen Liegenschaft EZ 76 KG ***** auf dem zwischen den Bauparzellen 92/1 und 92/3 einerseits und den Grundstreifen 15/2 und 92/2 andererseits gelegenen Grundstücke zu unterlassen. Sie brachten vor, dass das Grundstück 92/3 bis zum Jahre 1981 zu dem erwähnten Grundstreifen hin durch einen Drahtzaun auf einem Betonsockel abgezäunt gewesen sei, in welchem sich unmittelbar neben dem Haus des Beklagten ***** ein kleines Gartentürl befunden habe, durch welches die Bauparzelle betreten worden sei und durch welches in Ausübung der Dienstbarkeit vorerst Holz in die auf dem Grundstück befindliche Holzlage getragen worden sei. Späterhin sei, nachdem die Holzlage durch einen Öltank ersetzt worden sei, Öl in diesen Tank gepumpt worden. Nach dem Entfernen des Zaunes und dem Asphaltieren des Grundstücks sei letzteres zu einem Parkplatz gemacht und sehr stark von verschiedenen Personenkraftwagen frequentiert worden, die von der ***** über den Grundstreifen der Kläger auf diesen Parkplatz gelangt seien. Es handle sich vorwiegend um Fahrzeuge der Mieter im Hause des Beklagten, insbesondere des dort untergebrachten Versicherungsbüros. Der Beklagte dürfe die Grundstückszufahrt aufgrund des Dienstbarkeitsvertrags nur mit Holz‑ und anderweitigen Fuhren ‑ gemeint seien zweifellos Wirtschaftsfuhren ‑ benützen, nicht aber mit Personenkraftwagen.

Der Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte Klageabweisung und wendete ein, er sei berechtigt, das belastete Grundstück mit Fahrzeugen jeder Art zu befahren. Im Jahre 1905 habe es zwar noch keinerlei einspurige oder mehrspurige Kraftfahrzeuge gegeben, man habe aber bereits damals auf den gesamten Fahrzeugverkehr Rücksicht genommen, der zu dieser Zeit üblich gewesen sei. In eventu werde die Ersitzung des erweiterten Fahrtrechts mit Kraftfahrzeugen behauptet.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf über den eingangs wiedergegebenen außer Streit stehenden Sachverhalt hinaus folgende wesentliche Feststellungen:

Der Beklagte erbte das Haus ***** im Jahre 1981 von seinen Schwestern. Er hat seit 1956 ein Auto, mit dem er häufig, meist um Milch zu bringen, unbeanstandet in die Einfahrt zwischen diesem Haus und dem Haus der Kläger ***** fuhr, nicht aber auf die Bauparzelle 92/3. Seit 1955 oder 1956 besitzt der Beklagte einen Traktor; vorher fuhr er mit Pferdefuhrwerken. Mit Fuhrwerken und Traktor führte er über das Grundstück der Kläger Holz und Kohle und ab und zu Möbel zum Grundstück 92/3. Es kann nicht festgestellt werden, dass im Jahre 1905 ein Zufahren mit Pferdefuhrwerken über die streitgegenständliche Einfahrt auf das Grundstück 92/3 möglich war.

Bis zum Jahre 1981 wurde das Grundstück 92/3 von der Liegenschaft der Kläger durch einen Drahtgitterzaun von rund 1,5 m Höhe abgetrennt, der auf einem Sockel aufgesetzt war. Es handelte sich damals bei diesem Grundstück um eine Wiese mit Sträuchern. Zwischen dem Zaun und dem Eck des Hauses ***** befand sich entlang der Grundgrenze ein zweiflügeliges, mindestens 2 m breites Gittertor über einer Steinstufe mit nicht mehr genau feststellbarer Höhe. Es kann nicht festgestellt werden, dass jemals ein mehrspuriges Fahrzeug durch dieses Tor auf das Grundstück des Beklagten gefahren wäre. Etwa im Jahre 1973 oder 1974 wurde die gegenständliche Einfahrt, die vorher nicht befestigt war, asphaltiert.

Der Beklagte hatte zunächst beabsichtigt, auf dem von ihm dazugekauften Grundstück eine Garage zu bauen, wozu aber die Erstklägerin ihre Zustimmung verweigerte, weshalb um den Bau eines Holzlagers angesucht wurde, der dann genehmigt wurde. Dieses Holzlager wurde auch errichtet.

Wenn zum Grundstück 92/3 Holz und Kohle zugestellt wurden, wurde mit Pferdefuhrwerk bzw Traktor zu dem bereits beschriebenen Zaun gefahren und Holz und Kohle über den Zaun auf das Grundstück geworfen. Überdies wurden auch Möbeltransporte von Mietern in der Form durchgeführt, dass das Lastfahrzeug zu diesem Zaun fuhr. Es kann nicht festgestellt werden, dass früher als 1956 Rechtsvorgänger des Beklagten oder sonst jemand die gegenständliche Einfahrt zum Zweck des Zufahrens zum Grundstück 92/3 mit einem Personenkraftwagen benützt hätten. Seit der Asphaltierung sind neben anderen PKW‑Lenkern auch der Beklagte und dessen Sohn mit ihren Autos auf die nunmehr asphaltierte Fläche auf dem Grundstück 92/3 zugefahren.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass das Unterlassungsbegehren, soweit es sich auf das Verhalten Dritter stütze, deshalb verfehlt sei, weil es denkunmöglich sei, das Verhalten Dritter zu unterlassen. Der Beklagte hätte allenfalls mit Klage nur verhalten werden können, dafür zu sorgen, dass bestimmte Dritte das Eigentum der Kläger respektierten, deren Eingriffe er zu hindern befugt und imstande wäre. Was das Verhalten des Beklagten selbst angehe, scheide eine Ersitzung der erweiterten Servitut deshalb aus, weil nicht bewiesen sei, dass der Beklagte oder dessen Rechtsvorgänger seit mehr als 30 Jahren mit Personenkraftwagen über den Servitutsweg gefahren wären. Bei der vorliegenden Dienstbarkeit handle es sich um eine sogenannte ungemessene Dienstbarkeit. Der verwendete Ausdruck „anderweitige Fuhren“ sei nach der Wortauslegung ‑ andere Hilfsmittel außer dem Vertragstext stünden zur Auslegung nicht zur Verfügung ‑ auch in der Bedeutung „Fahren“ zu verstehen, sodass die Servitutsberechtigung nicht nur auf Wirtschaftsfuhren beschränkt sei. Es sei davon auszugehen, dass der Einsatz von motorisierten Fahrzeugen statt Pferdefuhrwerken aufgrund der inzwischen vorgefallenen technischen Entwicklung keine Erweiterung der Servitut sei. Daher ergebe sich, dass der Beklagte durchaus berechtigt sei, mit einem PKW den gegenständlichen Servitutsweg zu benützen. Dieses Recht sei ihm auch nicht dadurch verlorengegangen, dass während vieler Jahrzehnte offenbar eine Zufahrtsmöglichkeit auf das Grundstück selbst nur sehr eingeschränkt oder überhaupt nicht gegeben gewesen und von diesem Zufahrtsrecht auf das Grundstück nicht Gebrauch gemacht worden sei. Eine Freiheitsersitzung habe nämlich deshalb nicht erfolgen können, weil ein Zufahren offenbar nur faktisch nicht möglich gewesen sei, keineswegs aber deshalb, weil der verpflichtete Teil sich der Ausübung der Servitut durch mehr als drei Jahre erfolgreich widersetzt hätte.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt und sprach aus, dass der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige; die Revision sei gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil insbesondere der Frage der Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme. Das Berufungsgericht führte aus:

Der Ansicht des Erstgerichts, bereits aufgrund der wörtlichen Auslegung sei dem Dienstbarkeitsvertrag aus dem Jahre 1905 eine Einschränkung der Servitut bloß auf Wirtschaftsfuhren nicht zu entnehmen, sodass bereits der Vertrag ein unbeschränktes Zufahren gestatte, könne nicht gefolgt werden. Aufgrund der sogenannten „einfachen“ Auslegung könne, wie auch das Erstgericht ausführe, das Wort „Fuhre“ ohne weiteres, wenn nicht sogar überwiegend als „Ladung eines Wagens mit Gütern“ verstanden werden. Wiewohl diesem Wort auch die Bedeutung von „Personenbeförderung“ oder „Fahren“ beigemessen werden könne, sei doch das eigentliche Ziel der „einfachen“ Auslegung die Feststellung der Absicht der damaligen Vertragsparteien (vgl Rummel in Rummel , ABGB, Rdz 4 zu § 914). Diese Parteienabsicht könne zwar im konkreten Fall durch Befragung der damaligen Vertragsparteien nicht mehr festgestellt werden, es könne aber andererseits nicht davon ausgegangen werden, dass man unter „Fuhre“ auch das bloße Befahren oder die Personenbeförderung verstehen könne und schon daraus der Schluss zu ziehen wäre, ein derartiger Umfang der Dienstbarkeit wäre damals von den Parteien vereinbart gewesen. Es müssten nämlich bei der Auslegung des Vertrags insbesondere die Zeit, in der der Vertrag geschlossen worden sei, sowie die örtlichen Verhältnisse, wie sie damals gegeben gewesen seien, berücksichtigt werden. Beurteile man unter diesem Gesichtspunkt den Vertrag aus dem Jahre 1905, dann müsse man wohl davon ausgehen, dass zu dieser Zeit im Gebiet von ***** die Personenbeförderung offenbar nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt habe und ein „Fuhrwerksverkehr“ in bestimmte Grundstückszufahrten hinein wohl nur zu dem Zweck stattgefunden habe, um gewisse sperrige Güter des Wirtschaftsbedarfs zuzustellen. Die überwiegende Verkehrsform innerhalb einer Ortschaft sei aber sicherlich damals der Fußgängerverkehr gewesen. Im vorliegenden Dienstbarkeitsvertrag sei dem dadurch Rechnung getragen worden, dass das „Hinzu‑ und Zurückgehen“ nach Belieben sowie das „Zu‑ und Zurückfahren mit Holz und anderweitigen Fuhren“ vereinbart worden sei. Die Verwendung des Ausdrucks „anderweitige Fuhren“ müsse aber offenbar, ausgehend von den damaligen Verhältnissen, im Zusammenhang mit den ausdrücklich erwähnten „Holzfuhren“ verstanden werden und es deute schon die Satzzusammenstellung daraufhin, dass unter diesen „anderweitigen Fuhren“ ebenfalls nur Wirtschaftsfuhren, wie zB der Transport von Einrichtungsgegenständen, von anderen Wirtschaftsgütern oder auch anderen Brennmaterialien als Holz zu verstehen seien. Nicht könne aber darauf geschlossen werden, es wäre auch das bloße Zufahren zum Abstellen von Fahrzeugen oder zum Personentransport gestattet gewesen, zumal auch keinerlei Behauptungen aufgestellt worden seien, dass damals im Haus der Rechtsvorgänger des Beklagten ein Gewerbebetrieb (zB ein Gasthaus oder ein Transportgewerbe) etabliert gewesen wäre, bei welchem das Abstellen von Fahrzeugen oder der Personentransport eine Rolle gespielt hätte. Laut Vertragsinhalt sei daher lediglich einerseits der Fußgängerverkehr, andererseits aber das Zufahren mit Wirtschaftsfuhren jeder Art gestattet worden, nicht aber das Zufahren bloß zu dem Zweck, um beim Grundstück des beklagten Personen abzusetzen oder dort Fahrzeuge abzustellen.

Eine Ersitzung derartiger erweiterter Rechte sei, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt habe, mangels Nachweises des Ablaufs der 30‑jährigen Ersitzungzeit nicht gefolgt.

Gehe man vom vereinbarten Inhalt der Dienstbarkeit aus, dann sei aber in der nunmehr festgestellten Benützung der Zufahrt, insbesondere im Zufahren zum Zweck des Abstellens von Fahrzeugen auf dem vom Beklagten geschaffenen asphaltierten Vorplatz vor der gemauerten Holzlage auf dem Grundstück 92/3 eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit im Sinne des § 484 ABGB zu erblicken. Auch bei einer „ungemessenen“ Dienstbarkeit, deren Inhalt durch den Titel nicht eindeutig bestimmt sei, dürfe die Servitut nämlich nicht über die durch den Erwerbstitel gezogenen Grenzen ausgedehnt werden. Bei ungemessenen Dienstbarkeiten entscheide zwar das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes, was konkret heiße, das nunmehr vielleicht andere Wirtschaftsgüter benötigt würden als im Jahre 1905 und nunmehr die Güter gegenüber früher mit motorisierter Transportmitteln zugebracht werden dürften. Jedoch dürfe dadurch das dienende Gut nicht erheblich schwerer belastet werden und es bestünden auch hier die Schranken aufgrund der ursprünglichen Bewirtschaftungsart des herrschenden Gutes (vgl Petrasch in Rummel , ABGB, Rdz 1 zu § 484; Klang in Klang 2 II 564; MietSlg 34.055, SZ 52/99, SZ 42/10, SZ 41/179, 7 Ob 613/82, RZ 1983/26 ua). So sei in der Rechtsprechung insbesondere dargelegt worden, dass eine unzulässige Erweiterung einer Servitut vorliege, wenn ein für Wirtschaftsfuhren eingeräumtes Wegerecht nunmehr mit Motorrädern oder im Rahmen des Berufs eines Tierarztes ausgeübt werde oder ein für landwirtschaftliche Zwecke vorgesehenes Wegerecht nun von Mietern und Gästen des Eigentümers des herrschenden Gutes benützt werde (SZ 31/35, SZ 34/81, MietSlg 32.033, 30.054, 29.064). Die gleiche Sachlage sei hier gegeben, wenn das Befahren des dienenden Gutes zu dem Zweck erfolge, damit nunmehr auf dem Grundstück des beklagten Kraftfahrzeuge zum Parken abgestellt würden, ohne dass damit Wirtschaftsgüter für den Bedarf des herrschenden Gutes zugestellt würden.

Insoweit das Erstgericht vermeine, bezüglich des Zufahrens Dritter sei das Unterlassungsbegehren gegen den Beklagten verfehlt, sei auf die jüngere Rechtsprechung zu verweisen, wonach mit der Klage nach § 523 ABGB gegen jeden vorgegangen werden könne, der Vorkehrungen zur Verhinderung von Störungen treffen könne, sie aber unterlassen oder nur unzureichend getroffen habe. Die Unterlassungspflicht schließe die Verpflichtung in sich, auf Dritte im Sinne der Unterlassung einzuwirken. Eine derartige Verpflichtung bestehe insbesondere dann, wenn der Dienstbarkeitsweg von Familienangehörigen oder Mietern und deren Gästen bzw Kunden unzulässigerweise benützt werde (MietSlg 33.048, 30.054, 29.064; JBl 1978, 592). Dass der Beklagte diesbezüglich offenbar nur unzureichende Vorkehrungen getroffen habe, ergebe sich daraus, dass seit der Asphaltierung nicht nur er, sondern auch sein Sohn und andere PKW‑Lenker die Einfahrt benützten.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist die Revision, sofern sie nicht schon nach § 502 Abs 2 oder 3 ZPO jedenfalls unzulässig oder nach § 502 Abs 4 Z 2 oder § 502 Abs 5 ZPO jedenfalls zulässig ist, nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist der Oberste Gerichtshof an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Im gegenständlichen Fall hielt das Berufungsgericht die Revision für nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil insbesondere der Frage der Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme. Diese Auffassung vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen:

Die Vorinstanzen haben die hier für den Umfang des Zufahrtsrechts des Beklagten maßgebende Vertragsbestimmung, wonach der Beklagte zu der nunmehrigen Bauparzelle 92/3 „mit Holz und anderweitigen Fuhren“ zu‑ und von dieser wieder zurückfahren kann, aufgrund des Vertragswortlauts unter Bedachtnahme auf die besonderen Gegebenheiten des Falles ‑ das Berufungsgericht vor allem unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Gebiet von ***** im Jahre 1905 und in dem Bestreben, die Absicht der damaligen Vertragsparteien festzustellen ‑ ausgelegt. Dass das Berufungsgericht dabei von den allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen und der hiezu ergangenen einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt und ist auch aus der angefochtenen Entscheidung nicht ableitbar (8 Ob 527/84). Die vom Beklagten in der Revision zitierte Entscheidung EvBl 1963/480, in der ausgesprochen wurde, dass gegenüber dem im Besitz der Servitut befindlichen Eigentümer des herrschenden Gutes der nach § 523 ABGB klagende Eigentümer des dienenden Gutes die von ihm behauptete Einschränkung der Servitut zu beweisen habe, betraf einen vom gegenständlichen verschiedenen Fall, in dem der (seinem Wortlaut nach unbekannte) Dienstbarkeitsbestellungsvertrag aus den Jahre 1884, aufgrund dessen im Grundbuch ein Fahrtrecht ohne Beschränkung einverleibt worden war, nicht mehr aufgefunden werden konnte und der Beklagte das Fahrtrecht seit mindestens 50 Jahren unbeschränkt ausgeübt hatte.

Die vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung dargelegten Grundsätze über die Unzulässigkeit der Erweiterung von Dienstbarkeiten (§ 484 ABGB) werden in der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Die vom Beklagten ‑ ohne Anführung überzeugender Argumente ‑ bekämpfte Auffassung des Berufungsgerichts, dass er auch wegen des Zufahrens Dritter auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könne, ist gleichfalls durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt (siehe insbesondere MietSlg 33.048, wonach der Eigentümer des herrschenden Gutes durch Unterlassungsklage gezwungen werden kann, seiner Pflicht nachzukommen, das rechtsverletzende Tun seiner Mieter zu hindern).

Da hier somit keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu lösen ist, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Da die Kläger die Unzulässigkeit der Revision nicht geltend gemacht haben, gebühren ihnen keine Kosten für die Revisionsbeantwortung (1 Ob 795/83).

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