European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00559.840.0510.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen. Die Kosten der Rekursbeantwortung der beklagten Partei sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 15./29. Jänner 1981 kaufte die Beklagte von der klagenden Partei 75/2555‑Anteile an der Liegenschaft EZ 1206 KG *****, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr 40 im Hause ***** untrennbar verbunden ist. Der Kaufpreis betrug 1.370.000 S und war in drei gleichen Raten á 456.666,66 S, die erst Rate am 1. Februar 1981, die zweite Rate bei Dachgleiche und die dritte Rate einen Monat vor der Bezugsmöglichkeit der Wohnung zu bezahlen. Für den Fall des Verzugs wurden 15 % Verzugszinsen und eine Wertsicherung des Kaufpreises nach dem Verbraucherpreisindex 1976 vereinbart. Als Basis für die Berechnung der Wertminderung wurde der für den Monat September 1980 verlautbarte Index festgelegt. Die Beklagte leistete folgende Teilzahlungen: 300.000 S am 10. März 1981, S 156.667 am 17. März 1981, 456.666,67 S am 28. September 1981, 330.000 S am 5. Mai 1982 und 126.666,40 S am 28. Mai 1982.
Die klagende Partei begehrt, gestützt auf die vereinbarten Verzugsfolgen und die Behauptung, dass die zweite Rate am 3. 9. 1981 und die dritte Rate am 1. 3. 1982 fällig gewesen seien, 26.027 S an Verzugszinsen und 100.830 S an Wertminderung, abzüglich der von der Beklagten geleisteten Teilzahlung von 41.638 S, sohin 85.219 S sA.
Die Beklagte behauptet, dass die vereinbarten Verzugsfolgen nachträglich im Hinblick auf die Finanzierung des Kaufpreises durch eine Bausparkasse abbedungen worden seien. Die Fälligkeit der letzten Rate sei ungenau bestimmt worden, was die klagende Partei zu vertreten habe. Die Beklagte sei von der Bezugsmöglichkeit der Wohnung nicht rechtzeitig von der klagenden Partei informiert worden. Die Einhaltung dieses Fälligkeitstermins sei ihr daher nicht als Verschulden anzulasten. Im Übrigen sei die Bezugsmöglichkeit auch erst mit der im Juli 1982 erfolgten Kollaudierung eingetreten. Die für den Fall des Verzugs vereinbarten Leistungen seien als Konventionalstrafe anzusehen. Durch die von ihr bereits geleistete Zahlung sei ein der klagenden Partei allenfalls entstandener Schaden bereits weitestgehend abgedeckt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wies lediglich ein Zinsenmehrbegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde die Beklagte vom Klagevertreter mit Schreiben vom 3. Februar 1981 zur Zahlung der ersten Rate aufgefordert. Am 19. August 1981 verständigte die klagende Partei die Beklagte von der Fälligkeit der zweiten Rate. Mit Schreiben vom 2. September 1981 und vom 11. September 1981 mahnte der Klagevertreter unter Hinweis auf die Verzugsfolgen die zweite Rate ein. Schon im Kaufanbot, das der Errichtung des schriftlichen Kaufvertrags voranging, war als Bezugstermin der 31. März 1982 festgelegt worden. Dieser Termin war auch auf der Baustellentafel vermerkt und musste der Beklagten bekannt sein. Die schriftliche Verständigung vom Bezugstermin erfolgte 14 Tage vorher durch die klagende Partei. Die Beklagte fand diese Verständigung einen Tag vor der Schlüsselübergabe vor ihrer Wohnungstür im Neubau. Sie bestätigte am 31. März 1982 die Übernahme der Wohnung ohne Feststellung von Mängeln. Die Wohnung war ab diesem Zeitpunkt benützbar. Im Zeitpunkt der Schlüsselübergabe lag noch keine formelle Benützungsbewilligung vor. Eine mündliche Vereinbarung über die Abänderung der vereinbarten Fälligkeiten nahm das Erstgericht nicht als erwiesen an.
Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, dass der Zahlungsverzug der Beklagten auf auffallender Sorglosigkeit beruhe. Für den Verzug mit der ersten Rate habe sie überhaupt keine Erklärung geben können. Hinsichtlich der zweiten Rate könne sie sich nicht auf die Finanzierung durch die Bausparkasse berufen, weil sie das Risiko einer Vermögensdisposition zu tragen habe. Der dritte Fälligkeitstermin sei von vornherein festgestanden und der Beklagten bekannt gewesen. Unerheblich sei, ob im Zeitpunkt der Wohnungsübergabe ein Container vorhanden gewesen sei. Auch der Zeitpunkt der Kollaudierung sei bedeutungslos, da es nach der Vereinbarung auf die tatsächliche Benützungsmöglichkeit ankomme, die aber im Zeitpunkt der Schlüsselübergabe am 31. März 1982 gegeben gewesen sei. Eine Mäßigung im Sinne des § 1336 ABGB sei nicht gerechtfertigt. Die vereinbarte Wertsicherung diene der Abdeckung des Kaufkraftverlustes der verspätet entrichteten Kaufpreissummen. Die Verzugszinsen dienten unabhängig davon zur Abdeckung des Schadens, der der klagenden Partei durch Inanspruchnahme von Bankkrediten entstehe. Stelle man dem Kaufpreis die begehrten Verzugszinsen gegenüber, scheine keine Unverhältnismäßigkeit zum wirtschaftlichen Schaden der klagenden Partei gegeben. Eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn geradezu von einer ungerechtfertigten Bereicherung der klagenden Partei gesprochen werden könnte.
Das Berufungsgericht hob das nur in seinem stattgebenden Teil angefochtene Ersturteil auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Es sprach aus, dass das Verfahren in erster Instanz erst nach eingetretener Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. Es teilte auch die Auffassung des Erstgerichts über den Verzug der Beklagten und deren Verschulden am Zahlungsverzug, nicht aber auch die Auffassung des Erstgerichts über das Fehlen der Voraussetzungen für die Anwendung des Mäßigungsrechts. Die Vereinbarung über die Verzugszinsen und die Wertsicherung sei als Konventionalstrafe anzusehen, die nach § 1336 Abs 2 ABGB der richterlichen Mäßigung unterliege. Ob die Voraussetzungen für eine Mäßigung gegeben seien und auf welchen Betrag allenfalls die Konventionalstrafe herabzusetzen sei, könne aber aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Insbesondere stehe nicht fest, welche Zinsenbelastung der klagenden Partei durch den Verzug der Beklagten entstanden sei und ob der klagenden Partei über einen Zinsenaufwand hinaus ein weiterer Schaden erwachsen sei. Die Frage der Mäßigung könne nicht allein mit dem Hinweis auf den wirtschaftlichen Zweck der vereinbarten Verzugsfolgen beantwortet werden. Es komme vielmehr auf eine Gegenüberstellung der Konventionalstrafe mit dem tatsächlichen Schaden der klagenden Partei an. Die Beweispflicht für die Unbilligkeit der Konventionalstrafe treffe zwar die Beklagte. Da diese aber eine Mäßigung begehrt habe, sei nach § 182 Abs 1 ZPO vorzugehen und auf ein entsprechendes Sachvorbringen sowie auf die Angabe von Beweismitteln hinzuwirken.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt.
Die Vertrags‑ oder Konventionalstrafe ist eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung verspricht. Sie hat den Zweck, Nachteile auszugleichen, die dem Gläubiger aus der Vertragsverletzung entstehen können. Die Vertragsstrafe ist somit pauschalierter Schadenersatz, der an die Stelle des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung tritt ( Koziol‑Welser , Grundriss 6 I 167; EvBl 1979/170; RZ 1976/90). Die versprochene Leistung des Schuldners muss nicht ein pauschalierter Geldbetrag sein. Sie muss nur einen Vermögenswert haben ( Wolff in Klang 2 VI 184).
In der Rechtsprechung wurde auch einer Vereinbarung von Verzugszinsen mit einem die üblichen Zinsen erheblich übersteigenden Zinssatz der Charakter einer Vertragsstrafe zuerkannt (SZ 26/296; GlU 6933). Nach der Höhe des vereinbarten Zinssatzes ist es aber im vorliegenden Fall fraglich, ob die Verzugszinsenvereinbarung unter den Begriff der Vertragsstrafe fällt. Eine nähere Erörterung dieser Frage erübrigt sich jedoch, weil eine Mäßigung des von den üblichen Bankzinsen nicht erheblich abweichenden Zinssatzes nicht in Betracht kommen wird. Beizupflichten ist der klagenden Partei darin, dass eine Wertsicherung in der Regel einem anderen als dem mit einer Konventionalstrafenvereinbarung verfolgten Zweck dient. Wie aber bereits das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, ergibt sich aus dem Wortlaut des Punktes IV des Kaufvertrags in Verbindung mit der Wahl eines Monats vor dem Abschluss des Kaufvertrags gelegenen Zeitpunkts als Ausgangsbasis für die Berechnung der Wertminderung, dass diese nur die Nachteile ausgleichen solle, die der klagenden Partei durch eine nicht zeitgerechte und somit nicht gehörige Erfüllung entstehen. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht im vorliegenden Fall die Wertsicherungsvereinbarung als Vertragsstrafe qualifiziert. Eine Vertragsstrafe ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung – mangels einer abweichenden Vereinbarung – nur dann zu entrichten, wenn den Schuldner an der Nichterfüllung bzw Schlechterfüllung ein Verschulden trifft ( Koziol‑Welser aaO; Wolff aaO 186 f; Ehrenzweig II/1 191; Gschnitzer , Schuldrecht, Allgemeiner Teil 27; SZ 54/4; EvBl 1977/83; JBl 1950, 241 ua). Die Beweispflicht für das mangelnde Verschulden trifft den Schuldner (SZ 54/4). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte diesen Beweis hinsichtlich der ersten und zweiten Rate des Kaufpreises nicht einmal angetreten. Hinsichtlich der dritten Rate ist ihr dieser Beweis nicht gelungen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war als Bezugstermin der Wohnung, der ihre Benützungsmöglichkeit voraussetzt, der 31. März 1982 vereinbart und die Fälligkeit der dritten Rate mit einem Monat vor der Bezugsmöglichkeit festgelegt. Der Zahlungstag war demnach kalendermäßig bestimmbar (vgl SZ 50/15), sodass es einer Benachrichtigung oder Information der Beklagten durch die klagende Partei nicht bedurfte. Andere Umstände hat die Beklagte aber nicht geltend gemacht. Sie hat sich allerdings darauf berufen, dass der der klagenden Partei durch die Zahlungsverzögerung entstandene Schaden durch den von ihr bereits geleisteten Betrag bei weitem abgedeckt sei und damit eine Mäßigung der Konventionalstrafe begehrt. Insoweit das Berufungsgericht, ausgehend von einer zutreffenden Rechtsansicht, den Sachverhalt in dieser Richtung noch für ergänzungsbedürftig erachtet, kann dem durch den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegengetreten werden (SZ 50/15; SZ 49/74 ua). Demgemäß ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 bzw 52 ZPO. Der Rekurs war erfolglos, die Ersatzpflicht für die Kosten der Rekursbeantwortung ist aber mangels eines Zwischenstreits und einer vollständigen Erledigung der Streitsache für die Instanz vom Ausgang des Rechtsstreits abhängig (7 Ob 2/84).
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