OGH 5Ob530/84

OGH5Ob530/843.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Hannes Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Ing. Hans Günther J*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Franz Kodolitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen 19.367.956,31 ATS sA infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Dezember 1983, GZ 3 R 274/83‑36, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. September 1983, GZ 15 Cg 90/82‑30, teilweise unter Rechtskraftsvorbehalt aufgehoben wurde folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00530.840.0403.000

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Kosten des Rekurses der beklagten Partei sowie der Rekursbeantwortung der klagenden Partei sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Im Jahre 1977 planten der Beklagte Ing. Hans Günther J*****, Ing. Hans N***** und Direktor Rudolf A. B*****, letzterer damaliger Geschäftsführer der Firma V***** Gesellschaft mbH (VZ), gemeinsam die Errichtung einer Ziegelfabrik auf der Insel Kreta, die unter der Firma B***** in der Geschäftsform einer Aktiengesellschaft geführt werden sollte. Zur Finanzierung dieses Vorhabens wandten sie sich an die damalige R*****, registrierte Genossenschaft mbH (R*****), die Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Klägerin. Über deren Vermittlung wurde der VZ seitens der Genossenschaftlichen Zentralbank AG (GZB) zur Durchführung des geplanten Vorhabens ein Ausfuhrförderungs‑ und Starthilfekredit von 18.170.000 ATS gewährt. Die R***** verbürgte sich der GZB gegenüber als Bürgin und Zahlerin für die Rückzahlung dieses Kredits samt Zinsen und Nebengebühren durch die VZ.

Diese wiederum erhielt seitens der R***** deren Haftungsübernahme gegenüber der GZB mit Kreditvertrag eingeräumt und verpflichtete sich zur Zahlung von Haftungsprovision und für den Fall der Inanspruchnahme der Kreditgeberin aus der Haftung auch zur Zahlung von Verzugszinsen in der Höhe des jeweils für Kontokorrentkredite festgesetzten Verzugszinssatzes. Diesem Kreditvertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen zugrunde gelegt. Des weiteren verpflichtete sich die VZ in dem Kreditvertrag unter anderem, der Kreditgeberin genehme Bürgen zu stellen. Mit den gestellten Bürgen Rudolf A. B*****, Ing. Hans N*****, Dr. Matthäus V***** und Ing. Hans Günther J*****, dem heutigen Beklagten, schloss die R***** sodann einen Bürgschaftsvertrag ab.

Mit der am 5. 2. 1982 beim Erstgericht eingelangten Klage nahm die Klägerin den Beklagten aus seiner Bürgschaftserklärung auf Zahlung von 18.170.000 ATS an Kapital und 1.197.956,31 ATS an Verzugszinsen samt 13,5 % Zinsen aus Kapital und kapitalisierten Verzugszinsen seit 31. 10. 1981 in Anspruch. Sie brachte vor, über das Vermögen der VZ sei das Konkursverfahren eröffnet worden, diese Gesellschaft habe den Kredit an die GZB nicht zurückzahlen können, weshalb die R***** in Erfüllung ihrer Bürgschaftsübernahme an die GZB den Betrag von 19.367.956,31 ATS einschließlich vereinbarter Verzugszinsen bezahlt habe, welcher Betrag samt vereinbarten 13,5 % Zinsen vom Beklagten aus der übernommenen Bürgschaft geschuldet werde.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und wendete – soweit dies für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch von Bedeutung ist – ein (AS 12 und 131 ff): Dem damaligen Geschäftsführer der R***** T***** sei bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags mit dem Beklagten die schon damals bestehende Zahlungsunfähigkeit oder zumindest Überschuldung der Hauptschuldnerin VZ bekannt gewesen, doch habe er dies dem Beklagten verschwiegen und ihm auf dessen diesbezügliche Frage sogar die Auskunft erteilt, dass das Unternehmen ausgezeichnet stehe. Er habe dadurch den Beklagten über die Bonität der VZ im Zusammenwirken mit deren Gesellschaftern wissentlich in Irrtum geführt, weshalb (ein Bürgschaftsvertrag nicht wirksam zustande gekommen bzw) ein Regressanspruch der R***** verwirkt sei. (Auch) Durch diese Irreführung sei dem Beklagten ein Vermögensschaden zumindest in der Höhe des Klagebetrags entstanden, welcher der Klageforderung gegenüber aufrechnungsweise eingewendet werde.

Das Erstgericht bejahte den Bestand der Klageforderung, verneinte den Bestand der Gegenforderungen und verurteilte den Beklagten im Sinne der Klage. Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die R***** hat gegenüber der GZB für einen der VZ zu gewährenden Ausfuhrförderungskredit von 18.170.000 ATS samt Zinsen und Nebengebühren die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen. Zu dieser zwecks Sicherstellung eines Kredits bis zur Höhe von insgesamt 18.170.000 ATS vorgenommenen Haftungsübernahme hatte sich die R***** gegenüber der VZ in einem „Kreditvertrag für die Übernahme von Haftungen“ am 15. 2. 1978 dagegen verpflichtet, dass die Kreditnehmerin (VZ) der Kreditgeberin und Haftungsübernehmerin (R*****) genehme Bürgen stelle, eine Haftungsprovision bezahle, im Falle der Inanspruchnahme der Kreditgeberin aus der Haftungsübernahme vom Anspruchsbetrag Verzugszinsen in der Höhe des jeweils für Kontokorrentkredite von der Kreditgeberin festgesetzten Zinssatzes leiste und der Kreditgeberin bei deren Inanspruchnahme aus der Haftung sämtliche Auslagen und Kosten bar ersetze. Dem Vertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen in der jeweils gültigen Fassung zugrundegelegt.

Mit Bürgschaftsvertrag vom 15. 2. 1978 hat sich unter anderem auch der Beklagte gegenüber der R***** als Bürge und Zahler für die Bezahlung aller aus dem vorgenannten Haftungskredit im Höchstbetrag von 18.170.000 ATS gegenüber der VZ entstandenen und künftig entstehendenForderungen der Kreditgeberin R*****verbürgt. In diesem Bürgschaftsvertrag hat der Beklagte auf die Erhebung der ihm als Bürgen nach dem Gesetz zustehenden Einreden und auf die Einrede der Aufrechnung verzichtet. Von der Auszahlung des Kreditbetrags wurde der Beklagte seitens der R***** schriftlich in Kenntnis gesetzt. Es wurde ihm mitgeteilt, dass sich seine Bürgschaft auf den Haftungskreditbetrag von 18.170.000 ATS erstrecke und dass er im Haftungsfalle zur Zahlung herangezogen werden werde. Der Kreditbetrag ist zur Gänze der B***** AG zugekommen.

Die „Schwierigkeiten“ mit der VZ haben im Jahre 1979 begonnen und waren insbesondere darauf zurückzuführen, dass in den Geschäftsfällen zwischen der VZ und der B***** AG eine Vermengung eingetreten ist, sodass man praktisch nie unterscheiden konnte, ob ein Geschäft seitens der VZ oder seitens der B***** AG gemacht wurde. Der Beklagte wurde von T***** laufend über die finanzielle Situation der VZ, und zwar telefonisch, schriftlich und persönlich, informiert und ab dem Zeitpunkt, als es sich herausstellte, dass die finanzielle Situation angespannt ist, auch auf diese gefährliche Entwicklung hingewiesen.

Der Haftungsfall ist dann im Jahre 1981 eingetreten. Die R***** hat als Haftungsübernehmerin am 30. 10. 1981 an die GZB den Betrag von 19.367.956,31 ATS bezahlt. Der der R***** gegenüber geltend gemachte Haftungsbetrag war einer Verzugsverzinsung mit 13,5 % pa unterworfen worden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Beklagte für die Summe von 18.170.000 ATS die Solidarbürgschaft übernommen habe und sein Haupteinwand, dass der Kreditbetrag nicht der B***** AG zugekommen sei, widerlegt worden sei. Auch habe er auf sämtliche einem Bürgen nach dem Gesetz zustehenden Einwendungen und die Einrede der Aufrechnung Verzicht geleistet. Die Höhe der Klageforderung und der Verzinsungsprozentsatz ergäben sich aus den von der Klägerin vorgelegten Urkunden.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil, das es hinsichtlich eines Zinsenteilbegehrens mit in Rechtskraft erwachsenem Teilurteil im Sinne der Klageabweisung abänderte, im Übrigen auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung unter Rechtskraftvorbehalt zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte – soweit dies für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch von Bedeutung ist – aus:

Berechtigte Kritik übe der Beklagte daran, dass das Erstgericht seine Behauptung, der damalige Geschäftsführer der R***** T***** habe dem Beklagten vor Abschluss des Bürgschaftsvertrags bewusst wahrheitswidrig die Wirtschaftslage der Hauptschuldnerin VZ als ausgezeichnet beschrieben, übergangen habe. Diese Einwendung richte sich insofern gegen den Bestand des Bürgschaftsvertrags, als damit eine betrügerische Irreführung des Beklagten durch den Vertragspartner und somit die Anfechtbarkeit des Vertrags geltend gemacht werde. Besonders auf diese Einwendung habe auch im voraus nicht verzichtet werden können (EvBl 1968/395 ua). Sie bewirke bei Erweislichkeit die Unwirksamkeit des Vertrags, weil bei listiger Irreführung des Vertragspartners auch der bloße (hier geltend gemachte) Motivirrtum beachtlich sei. Übereinstimmend hätten die Streitteile vorgebracht, dass T***** im Februar 1978 Leiter der R***** gewesen sei. Als solcher sei er zur Erteilung von Bonitätsauskünften mit Wirkung für die vertretene Genossenschaft ermächtigt gewesen, auch wenn er nicht deren organschaftlicher Vertreter gewesen sein sollte. Eine allfällige Beschränkung dieser Vollmacht müsste der Beklagte nur dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie zumindest hätte kennen müssen (§§ 13, 26 Satz 2 GenG; § 54 HGB; SZ 43/209; JBl 1974, 261). Dergleichen sei nicht behauptet worden. Das erstgerichtliche Verfahren sei daher insoweit mangelhaft geblieben, als nicht geprüft worden sei, ob T***** dem Beklagten vor Abschluss des Bürgschaftsvertrags Auskunft über die Bonität der Hauptschuldnerin VZ gegeben habe, welchen Inhalt eine allenfalls gegebene Auskunft gehabt habe, ob sie den Tatsachen entsprochen habe und ob, falls dies nicht der Fall gewesen sei, der Auskunftgeber die Tatsachenwidrigkeit gekannt habe. Der Beklagte werfe im Rahmen der gesetzmäßig erhobenen Rechtsrüge auch diese Frage auf, sodass die wegen unrichtiger Rechtsbeurteilung der Sache durch das Erstgericht eingeflossene Mangelhaftigkeit des Verfahrens wahrzunehmen und das Ersturteil gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO insoweit aufzuheben und die Sache aus Kostenersparnisgründen an das Erstgericht zurückzuverweisen sei, als nicht – wie nachstehend noch auszuführen sei – bereits Entscheidungsreife vorliege.

Im fortgesetzten Verfahren bleibe es den erstrichterlichen Zweckmäßigkeitserwägungen überlassen, welche der Fragen an Hand der vom beweispflichtigen Beklagten angebotenen Beweismittel zuerst geklärt werde. Hingewiesen sei nur darauf, dass das Beweisanbot der Einsichtnahme in einen Strafakt kein hinreichend bestimmt bezeichneter Beweis im Sinne der ZPO sei. Der diesbezüglich wohl angesprochene Urkundenbeweis könne nur dadurch geführt werden, dass die einzelnen Urkunden, also die Aktenstücke des Strafakts, aus denen sich der behauptete Umstand ergeben solle, detailliert nach Aktenseite, Ordnungszahl oder Beilagenbezeichnung angeführt würden.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass der Beklagte nach der Bonität der Hauptschuldnerin weder gefragt habe noch darüber informiert worden sei, so wäre der Beweis als misslungen anzusehen. Sollte sich herausstellen, dass der Beklagte ohne oder mit Offenlegung seiner diesbezüglichen Unwissenheit zwar gefragt, aber keine Information erhalten habe, so wäre der Beweis ebenfalls als nicht erbracht anzusehen, weil die Bank auch dem Bürgen gegenüber grundsätzlich zur Verschwiegenheit über die Verhältnisse des Hauptschuldners verpflichtet sei und damit ihr objektiv möglicherweise listiges Schweigen subjektiv gerechtfertigt gewesen wäre ( Sichtermann , Bankgeheimnis und Bankauskunft², 162). Auch der Umstand, dass der Bürge vom Schuldner gestellt worden sei, würde diese Verschwiegenheitspflicht nicht aufheben, weil eine Verpflichtung zur Solidarbürgschaft den Bürgen aus der Sicht des Gläubigers zum Mitschuldner mache, dessen Interesse an der Offenlegung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners als ungleich geringer eingestuft werden müsste als das Interesse des Hauptschuldners an der Wahrung seines Kredits. Bei dieser Interessenabwägung hätte sich die Bank im Zweifel zugunsten der zuerst begründeten Verbindlichkeit gegenüber dem Hauptschuldner zu entscheiden und dessen Zustimmung zur Offenlegung einzuholen. Auch sei nicht zu übersehen, dass die Bürgenstellung in erster Linie Schuldnerinteressen und erst danach Gläubigerinteressen diene, welchen Gesichtspunkt auch der Gläubiger bei Entgegennahme der Bürgschaftserkärung berücksichtigen müsse. Schließlich spreche auch die im Bürgschaftsvertrag enthaltene Klausel (Punkt 7), dass die Bank nicht verpflichtet sei, dem Bürgen Aufschluss über den jeweiligen Stand der Hauptschuld zu geben, sich der Bürge vielmehr diesbezüglich an den Hauptschuldner halten müsse, dafür, dass im konkreten Fall die Verschwiegenheitspflicht eher strikt zu handhaben gewesen wäre. Sollte die VZ im Februar 1978 noch in guten wirtschaftlichen Verhältnissen gewesen sein oder ihre schlechte wirtschaftliche Lage von den maßgeblichen Leuten der R***** noch nicht erkannt worden sein, so wäre der Beweis ebenfalls misslungen, da im ersteren Fall eine (günstige) Auskunft nicht unrichtig, im letzteren Fall nur fahrlässig unrichtig erteilt gewesen wäre; weil der Irrtum des Beklagten nicht Geschäftsirrtum, sondern nur Motivirrtum gewesen wäre, bestünde wegen bloß fahrlässiger Verursachung eines solchen Irrtums keine Anfechtungsmöglichkeit.

Nur in dem verbleibenden Fall, dass der Auskunftgeber von sich aus oder auf Befragen durch den Beklagten wissentlich die tatsächlich schlechte Lage und Bonität der VZ als gut oder gar ausgezeichnet geschildert und der Beklagte von der tatsächlichen Lage der VZ nicht ohnedies von anderer Seite her Kenntnis besessen haben sollte, damit also listig hierüber in Irrtum geführt worden wäre, könnte der Bürgschaftsvertrag als betrügerisch veranlasst unwirksam sein. Nur zu diesen Fragen würden im weiteren Verfahren bezüglich des Bestehens einer wirksamen Verbürgung für die Kreditschuld von 18.170.000 ATS Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen sein.

Sollte im fortgesetzten Verfahren eine Entscheidung über die Aufrechnungseinrede des Beklagten erforderlich werden, so werde das Erstgericht schließlich zu beachten haben, dass im Falle des vereinbarten Aufrechnungsausschlusses die Gegenforderung nicht zu prüfen, sondern im Urteil auszusprechen sei, dass die Aufrechnungseinrede abgewiesen werde ( Fasching III 582; Klang² VI 511; SZ 5/106, SZ 27/197, JBl 1978,266 ua).

Gegen den unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Streitteile. Die Klägerin macht Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt – abgesehen von der rechtskräftigen Abweisung eines Zinsenteilbegehrens durch das Teilurteil des Berufungsgerichts – die Wiederherstellung des Ersturteils. Der Beklagte strebt aus rechtlichen Erwägungen eine teilweise Korrektur der vom Berufungsgericht im angefochtenen Aufhebungsbeschluss zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht an.

Während der Beklagte zum Rekurs der Klägerin eine Rekursbeantwortung nicht erstattet hat, beantragt die Klägerin, dem Rekurs des Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

Die Klägerin meint, die Auffassung des Berufungsgerichts, das Erstgericht habe den Einwand des Beklagten, er sei von T***** über die Wirtschaftslage der VZ bewusst wahrheitswidrig unterrichtet worden, übergangen, sei aktenwidrig. Das Erstgericht habe ohnehin festgestellt, dass T***** den Beklagten laufend über die finanzielle Situation der VZ informiert und ab dem Zeitpunkt, als sich die Anspannung dieser Situation herausgestellt habe, auf diese Entwicklung hingewiesen habe. Diese Feststellung habe der Beklagte unbekämpft gelassen. In rechtlicher Hinsicht sei maßgebend, dass die Klägerin niemals berechtigt gewesen wäre, ohne ausdrückliche Ermächtigung durch die Hauptschuldnerin VZ dem Beklagten als Bürgen detaillierte Auskünfte deren Vermögenslage zu erteilen; das Vorliegen einer derartigen Ermächtigung sei vom Beklagten nicht einmal behauptet worden.

Der Beklagte wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass das ihm gegenüber erfolgte objektiv möglicherweise listige Verschweigen der schlechten Vermögenslage der VZ seitens der R***** durch die einer Bank auch dem Bürgen gegenüber bestehende Pflicht zur Verschwiegenheit über die Verhältnisse des Hauptschuldners subjektiv gerechtfertigt gewesen wäre. Der Umstand, so führt der Beklagte aus, dass er von der Hauptschuldnerin selbst als Bürge und Zahler gestellt worden sei, schränke die Verschwiegenheitspflicht der Klägerin als der kreditgebenden Bank ein oder hebe sie sogar auf, weil ihn die Übernahme einer Solidarbürgschaft zum Mitschuldner mache, der hinsichtlich der geschäftlichen Gesamtinteressen dem Hauptschuldner im Verhältnis zum Kreditgeber völlig gleichzustellen sei. Im gegenständlichen Falle sei die Offenlegung grundsätzlich geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen im gleichrangigen Interesse des Bürgen als Mitschuldners geboten, zumal wegen des unaufhebbaren Bedingungszusammenhangs zwischen der Bereitschaft des Bekalgten, sich als Bürge zu stellen, und der weiteren Kreditwürdigkeit und ‑fähigkeit der Hauptschuldnerin das mutmaßliche Einverständnis der Hauptschuldnerin als Bankkundin angenommen werden müsse. Das Interesse des Hauptschuldners an der Wahrung seines Kredits müsse gegenüber dem Interesse des Solidarbürgen an der Offenlegung der ihn betreffenden Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners zurückstehen. Andernfalls würde die Verschwiegenheitspflicht der Bank rechtswidrigerweise zum Instrument einer für den Bürgen nicht erkennbaren grundsätzlichen Risikoverlagerung zu Lasten des Bürgen gemacht werden und diese geradezu als sittenwidrig anzusehende einseitige Interessenverlagerung den neu gewonnenen Mitschuldner schädigen. Dazu komme im vorliegenden Falle das der Rechtsvorgängerin der Klägerin bekannte Naheverhältnis zwischen dem Beklagten und der VZ einerseits und das der Wahrung des Kredits der Hauptschuldnerin zumindest gleichrangige Interesse der Bank an der Erlangung eines zahlungsfähigen Bürgen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beklagte die erstgerichtlichen Feststellungen über die die Bonität der VZ betreffenden Mitteilungen T***** an ihn in seiner Berufung sehr wohl bekämpft hat und dass das Erstgericht die dazu vom Beklagten in erster Instanz angebotenen Beweise nicht zur Gänze ausgeschöpft hat. Da der Oberste Gerichtshof nur Rechts‑ und nicht auch Tatsacheninstanz ist, kann er im Übrigen dem Berufungsgericht nicht entgegentreten, wenn dieses – von einer richtigen Rechtsansicht ausgehend – den entscheidungserheblichen Sachverhalt in von ihm bestimmt bezeichneten Richtungen noch nicht für ausreichend geklärt erachtet.

Was nun die in Ansehung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners diesem gegenüber bestehende Verschwiegenheitspflicht und die in Ansehung dieser Verhältnisse gegenüber dem (Solidar‑)Bürgen bestehende Aufklärungspflicht einer Bank betrifft, so hatte sich der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit mit den Fragen der Verschwiegenheits‑ bzw Aufklärungspflicht einer Bank in den Entscheidungen SZ 53/13 und EvBl 1983/128 auseinanderzusetzen, in denen er unter Hinweis auf die einschlägige Lehre nachstehende Grundsätze entwickelte:

In der Entscheidung SZ 53/13 (der ein Sachverhalt zugrundelag, der sich vor dem Inkrafttreten des Kreditwesengesetzes BGBl 1979/63 am 1. 3. 1979 verwirklicht hatte) wurde ausgeführt, dass das Geschäftsverhältnis zwischen Kreditunternehmung und Kunden ein Vertrauensverhältnis ist ( Schinnerer‑Avancini , Bankverträge³ I 22; Canaris im Großkommentar zum HGB³ III/2, 553 Rn 9), das auch Grundlage für eine Aufklärungspflicht der Kreditunternehmung sein kann. Im Rahmen der Geschäftsverbindung kann sich auch die Verpflichtung ergeben, bei drohendem wirtschaftlichem Zusammenbruch eines Dritten in banküblicher Weise, dh vorsichtig und alle Interessen schonend, Bedenken zu äußern oder auf sonstige Bedenken aufmerksam zu machen ( Schinnerer‑Avancini aaO 22; in diesem Sinne auch Canaris aaO 588 Rn 55; Schlegelberger‑Hefermehl , HGB 5 IV 445 Rn 22). Diese Anforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden. Es sind Geschäfte des Kunden, die über die Bank abgewickelt werden, sodass primär er selbst seine Interessen zu wahren hat. Außerdem muss die Kreditunternehmung bei Verwertung von Tatsachen, die für die Entscheidung des Kunden von Bedeutung sein können, das Bankgeheimnis wahren. Sie darf daher grundsätzlich die geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, die einen anderen Kunden betreffen, nicht offenbaren. Für die Bank besteht damit ein Interessenkonflikt, bei dessen Lösung nicht übersehen werden darf, dass Diskretion für das Bankgeschäft als solches lebenswichtig ist ( Schinnerer‑Avancini aaO 23). Eine allfällige Aufklärungspflicht der Bank hat insbesondere in dem nunmehr in § 23 KWG normierten Bankgeheimnis, das vor diesem Gesetz gesetzlich nicht geregelt war, aber als Bestandteil des bankgeschäftlichen Verkehrs und eine der Grundlagen, auf denen die vertragsmäßigen Übereinkünfte zwischen den Kreditunternehmungen und ihren Kunden aufbauen, anerkannt war ( Schinnerer‑Avancini aaO 166 f), ihre Grenzen. In aller Regel braucht daher die Kreditunternehmung ohne besonderes Verlangen nach Auskunft ihren Kunden nicht über die Vermögensverhältnisse eines anderen Kunden unterrichten und ihm etwaige Bedenken gegen dessen Kreditwürdigkeit mitteilen (vgl Schinnerer‑Avancini aaO 173; Canaris aaO 571 und 588 Rn 38 und 55; Schlegelberger‑Hefermehl aaO). Eine besondere Aufklärungspflicht über die Bonität des Akzeptanten eines Wechsels wird daher die Kreditunternehmung in der Regel auch bei Ankauf eines Wechsels nicht treffen. Jeder Aussteller oder Indossant eines Wechsels muss vielmehr damit rechnen, dass der spätere Inhaber des Wechsels bei Nichtzahlung der Wechselsumme durch den Akzeptanten Rückgriff bei ihm nimmt (Art 43 Abs 1 WG). Es obliegt also vor allem ihm, vor Diskontierung eines Wechsels, mit der besondere Nachteile oder Risken für ihn verbunden sein können, indem er etwa damit die Aufgabe von Sicherheiten wie die eines Eigentumsvorbehalts verbinden will, sich selbst über die Bonität des Akzeptanten Gewissheit zu verschaffen. Es steht ihm insbesondere frei, vor Diskontierung des Wechsels eine allgemein gehaltene bankübliche Auskunft über den Akzeptanten zu verlangen. Grundsätzlich muss die Bank hingegen, wenn ihr besondere Umstände auf Seiten des Wechselausstellers, die eine außergewöhnliche Wahrung von dessen Interessen gefordert hätten, nicht bekannt waren, nicht tätig werden (vgl Canaris aaO 588 Rn 54). Dies gilt insbesondere einem Kaufmann gegenüber, bei dem die Kenntnis der Bestimmungen des Wechselrechts, aber auch ein weitgehendes Maß an Wahrung eigener Interessen vorausgesetzt werden kann.

In der Entscheidung EvBl 1983/128 (der ein Sachverhalt zugrundelag, der sich nach dem Inkrafttreten des Kreditwesengesetzes BGBl 1979/63 abgespielt hatte) wurde ausgesprochen, dass es ebenso, wie die Bank nicht verpflichtet ist, einen Bürgen vor dem Abschluss eines Bürgschaftsvertrags über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären ( Schinnerer‑Avancini aaO II 159), nicht üblich ist, dass die Bank demjenigen, der ein Pfand beistellt, Auskünfte über die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers erteilt ( Schinnerer‑Avancini aaO II 179). Es ist grundsätzlich nicht Sache einer Kreditunternehmung, einem ihrer Kunden, der mit einem anderen Kunden Geschäfte abschließt, die ein Risiko enthalten, Mitteilungen über die Vermögensverhältnisse des letzteren zu machen ( Schinnerer‑Avancini aaO I 22). Der Pfandbesteller muss zwar einerseits aus dem Verlangen der Bank, dass er als Dritter für den Kredit des Hauptschuldners ein Pfand bestelle, noch nicht schließen, dass die Bank dem Hauptschuldner kein Vertrauen entgegenbringe oder dass dessen Kreditwürdigkeit beeinträchtigt sei ( Schinnerer‑Avancini aaO II 179), er darf aber andererseits nicht erwarten, dass ihn die Bank über die wirtschaftliche Situation des Hauptschuldners aufklären werde oder dass sie diese in einer Weise prüfen werde, dass ihm aus der Pfandbestellung kein Risiko entstehen könne. Eine Warnpflicht der Bank wird nur dann ausnahmsweise und mit entsprechenden Vorbehalten angenommen, wenn die Bank schon Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Kreditnehmers hat, diesem wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit aber trotzdem noch einen Kredit gewährt ( Canaris im Großkommentar zum HGB³ III/3, 61, Rn 110; Schinnerer‑Avancini aaO I 22).

Geht man von den in diesen Entscheidungen, insbesondere im EvBl 1983/128 dargelegten Erwägungen aus, so ist dem Berufungsgericht zwar darin beizupflichten, dass die Bank grundsätzlich nicht verpflichtet ist, einen Bürgen vor dem Abschluss eines Bürgschaftsvertrags über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners aufzuklären; sie kann es vielmehr in der Regel dem künftigen Bürgen überlassen, sich über die Bonität des Hauptschuldners in geeigneter Weise Gewissheit zu verschaffen. Nichts anderes gilt für den Bürgen und Zahler. Auch wenn der Hauptschuldner mit der Bürgschaftsübernahme einverstanden ist und selbst den Bürgen der Bank namhaft macht, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, er sei mit einer Offenbarung seiner (ungünstigen) Vermögensverhältnisse gegenüber diesem Bürgen einverstanden ( Sichtermann , Bankgeheimnis und Bankauskunft², 162 f). In besonderen Ausnahmefällen hat jedoch die Verschwiegenheitspflicht der Bank gegenüber dem Hauptschuldner hinter die Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen zurückzutreten, etwa wenn die Bank bereits vor Abschluss des Bürgschaftsvertrags Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners hat (zur allgemeinen Güter‑ und Interessenabwägung im Falle einer Kollision zwischen der Schutzpflicht zugunsten des einen Bankkunden und der Warn‑ und Aufklärungspflicht zugunsten eines anderen Bankkunden vgl Canaris aaO III/3, 37 Rn 63; zur Warn‑ und Aufklärungspflicht gegenüber einem Bürgen siehe auch Canaris aaO 62 Rn 112). Ein derartiger Ausnahmefall wird auch schon dann anzunehmen sein, wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vorneherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur seinerzeitigen Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Bürgen allein – abweichend von der (bank‑)üblichen Funktion einer Bürgschaft – wird in Anspruch nehmen müssen vgl Canaris aaO 794 Rn 1540 für den Fall des Wechseldiskonts). Ist der Hauptschuldner in solchen Fällen nach Rückfrage der Bank mit einer entsprechenden Auskunft über seine Vermögensverhältnisse an den Bürgen nicht einverstanden, so hat die Bank überdies die Möglichkeit, die durch die Bürgschaft zu besichernde Kreditgewährung an den Hauptschuldner abzulehnen.

Bei entsprechenden Ergebnissen des fortgesetzten Verfahrens (dem die durch die vorstehenden Ausführungen modifizierte Rechtsansicht des Berufungsgerichts zugrunde zu legen sein wird) könnten also durchaus die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit des Bürgschaftsvertrags wegen listiger Irreführung des Beklagten seitens der zur Aufklärung verpflichteten R***** durch Schweigen vorliegen (vgl Koziol‑Welser 6 I 108 ff, insbesondere 109 bei und in FN 68 sowie Rummel in Rummel , ABGB, Rdz 4 zu § 870; siehe auch SZ 53/13, wonach die arglistige Unterlassung einer nach der Verkehrsanschauung erforderlichen Aufklärung den als Folge dieser Handlungsweise geschlossenen Vertrag nach § 870 ABGB anfechtbar macht).

Mangels Spruchreife war daher beiden Rekursen, dem Rekurs des Beklagten allerdings nur im Ergebnis, ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten der Klägerin beruht auf den §§ 40, 50 ZPO, jene über die Kosten des Rekurses des Beklagten und der Rekursbeantwortung der Klägerin auf § 52 ZPO.

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