OGH 3Ob532/83 (3Ob533/83, 3Ob534/83, 3Ob535/83, 3Ob536/83, 3Ob537/83, 3Ob538/83

OGH3Ob532/83 (3Ob533/83, 3Ob534/83, 3Ob535/83, 3Ob536/83, 3Ob537/83, 3Ob538/8325.1.1984

SZ 57/23

Normen

ABGB §1112
ABGB §1120
EisbEG §19
JN §1
ABGB §1112
ABGB §1120
EisbEG §19
JN §1

 

Spruch:

Der Räumungsklage gegen den nach dem Bundesstraßengesetz 1971 Enteigneten steht die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen, weil die Räumung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen ist. Gegen die Bestandnehmer kann der Enteigner nach Zahlung oder gerichtlichem Erlag der im Enteignungsbescheid festgesetzten Entschädigungssumme auch dann mit Räumungsklage vorgehen, wenn er die Entscheidung des Bezirksgerichtes über die Höhe der Entschädigung begehrt hat

OGH 25. 1. 1984, 3 Ob 532 - 538/83 (LGZ Wien 41 R 561/82; BG Schwechat C 381/81 )

Text

Mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ als Bundesstraßenbehörde erster Instanz vom 30. 5. 1980, Z II/2-E-2/27, wurde unter Berufung auf die §§ 17, 18 und 20 Abs. 1 BStG 1971 und auf die sinngemäße Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 für den Ausbau der B 10 Budapester Straße im Baulos "Ortsdurchfahrt S" die auf dem dem Bescheid beiliegenden Enteignungsplan mit gelber Farbe abgegrenzte Teilfläche des Grundstückes 76 Baufläche KG S im Ausmaß von 275 m2 "samt dem darauf befindlichen Objekt W-Straße 20" aus dem Alleineigentum des Johann K (Erstbeklagter) dauernd und lastenfrei zugunsten der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) enteignet. Die Höhe der Entschädigungssumme wurde nach den §§ 18 und 20 Abs. 2 BStG 1971 mit 10 347 871 S bestimmt. Darin sind folgende, durch den Enteigneten an die Mieter der auf der Liegenschaft S, W-Straße 20 bestehenden Wohnungen und Geschäftslokale zu leistenden Entschädigungsbeträge enthalten: Für Josef A (Zweitbeklagter) (Wohnung und Geschäftslokal) 1 735 150 S, für Helene R (Fünftbeklagte) (Geschäftslokal) 390 700 S, für Rudolf und Katharina D (Dritt- und Viertbeklagte) (Wohnung) 101 450 S und für L (Wohnung) 61 850 S. In der Bescheidbegründung heißt es, daß bei der Bemessung der Entschädigungssumme auch auf die Nachteile Bedacht genommen worden sei, welche die Bestandnehmer durch die Enteignung erleiden würden und deren Vergütung nach § 5 EisbEntG 1954 dem Enteigneten obliege. Bei der Bemessung des Entschädigungsbetrages für die beanspruchte Grundfläche einschließlich der verbleibenden Restliegenschaft und der Gebäudewerte bzw. der Kosten des Abbruchs sämtlicher Gebäude und Baulichkeiten sei davon auszugehen gewesen, daß bedingt durch die mit dem Ausbau der B 10 erforderliche Grundinanspruchnahme nicht nur das Hauptgebäude entlang der W-Straße, sondern auch die sonstigen Baulichkeiten (Nebengebäude etc.), die allein nicht mehr verwendbar seien, abgerissen werden müßten. Deshalb würden der Gebäudewert des Hauptgebäudes und der Nebentrakte und die Abbruchkosten für Hauptgebäude und Nebentrakte berücksichtigt.

Mit rechtskräftigem Bescheid derselben Behörde vom 1. 9. 1980, Z II/2-E-2/35, wurde unter Berufung auf dieselben gesetzlichen Bestimmungen und für denselben Zweck die auf dem dem Bescheid beiliegenden Enteignungsplan mit gelber Farbe abgegrenzte Teilfläche des Grundstücks 73 Baufläche KG S im Ausmaß von 92 m2 samt dem darauf befindlichen Objekt W-Straße 18 aus dem Alleineigentum des römisch-katholischen Pfarramtes S dauernd und lastenfrei zugunsten der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) enteignet. Die Höhe der Entschädigungssumme wurde nach den §§ 18 und 20 Abs. 2 BStG 1971 mit 1 854 790 S bestimmt. Darin sind folgende, durch die Enteignete an die Mieter der auf der Liegenschaft S, W-Straße 18, bestehenden Wohnungen und Geschäftslokale sowie die Eigentümerin des Superädifikates zu leistenden Entschädigungsbeträge enthalten: Für Berta B (Sechstbeklagte) (Wohnung) 193 850 S, für Gottfried E (Siebentbeklagter) (Geschäftslokal) 411 774 S, für Gertrude S (Geschäftslokal) 533 652 S und für Stadtgemeinde S (Superädifikat) 41 400 S. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, daß bei der Bemessung der Entschädigungssumme auch auf die Nachteile Bedacht genommen worden sei, welche die Bestandnehmer durch die Enteignung erleiden würden und deren Vergütung nach § 5 EisbEntG 1954 der Enteigneten obliege. Bei der Bemessung des Entschädigungsbetrages für die beanspruchte Grundfläche einschließlich der verbleibenden Restliegenschaft, der Gebäudewerte und der Kosten des Abbruchs sämtlicher Gebäude und Baulichkeiten sei davon auszugehen gewesen, daß durch die mit dem Ausbau der B 10 erforderliche Grundinanspruchnahme infolge der überwiegenden Bebauung dieses Grundstücks über die Beanspruchung hinaus aus technischen Gründen auch der Abbruch von Gebäuden, die allein nicht mehr verwendbar seien, erfolgen müsse. Deshalb würden der Gebäudewert und die Abbruchkosten berücksichtigt.

Die Republik Österreich hat die in den beiden Bescheiden festgesetzten Entschädigungssummen den Enteigneten gezahlt, allerdings innerhalb der Jahresfrist des § 20 Abs. 3 BStG 1971 beim Bezirksgericht S die Entscheidung über die Höhe der Entschädigungen begehrt; diese Verfahren waren im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz in den vorliegenden Rechtsstreiten anhängig.

Unter Berufung darauf, daß sie die ihr mit den zitierten Enteignungsbescheiden auferlegten Verpflichtungen erfüllt und damit originäres Eigentum an den Enteignungsgegenständen erworben habe, wodurch alle daran allenfalls bestehenden obligatorischen und dinglichen Rechte untergegangen seien, klagte die Republik Österreich den Enteigneten Johann K (zu C 381/81 ) sowie die Mieter des Objektes W-Straße 20 Josef A (zu C 379/81 ), Rudolf und Katharina D (zu C 380/81 ), Helene R (zu C 382/81 ) und die Mieter des Objektes W-Straße 18 Berta B (zu C 660/81 ) und Gottfried E (zu C 661/81 ) auf Räumung und Übergabe der von ihnen benützten Räume in den jeweiligen Objekten. Alle Verfahren, in denen die Beklagten die Abweisung der Klagebegehren beantragten, wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht wies alle Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß sich auf dem teilweise enteigneten Grundstück 76 ein zusammenhängender Gebäudekomplex mit der Objektbezeichnung Nr. 20 befinde, der über die enteignete Teilfläche hinausreiche. Während sich die Grenzen der enteigneten Teilfläche an den beiden Straßenfronten mit den Gebäudefronten deckten, durchschnitten sie an den beiden Hofseiten den Gebäudekomplex derart, daß sie durch einzelne Räume der Erst- bis Fünftbeklagten gingen. Auch die Grenzen der enteigneten Teilfläche des Grundstücks 73 seien an der Straßenfront und an beiden Seitenfronten mit der Begrenzung des auf dieser Grundfläche gelegenen Gebäudekomplexes ident. Während der vom Siebentbeklagten benützte Gebäudeteil zur Gänze innerhalb der enteigneten Teilfläche liege, werde der von der Sechstbeklagten benützte Gebäudeteil durch die Enteignungslinie quer durchtrennt, wobei diese Linie durch Bad und Küche verlaufe. In den Enteignungsbescheiden sei weder eine Frist zur Vornahme der Abbrucharbeiten vorgesehen noch eine ausdrückliche Verpflichtung der Enteigneten zum Abbruch jener Gebäudeteile, die sich außerhalb der enteigneten Grundflächen befänden.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß beide Enteignungsbescheide absolut nichtig seien und daher die Gerichte nicht binden könnten, weil die entscheidende Verwaltungsbehörde darin Gestaltungsrechte wahrgenommen habe, die gegen elementare Grundsätze des österreichischen Sachenrechts verstießen, und unvollziehbare Rechtsfolgen geschaffen würden. Damit habe die Verwaltungsbehörde ihre gesetzliche Kompetenz weit überschritten. Die beiden Bescheide ließen nicht klar erkennen, in welchem Umfang in das Eigentum der Enteigneten eingegriffen werde. Neben der jeweils enteigneten Teilfläche sollte auch das jeweilige "darauf befindliche Objekt" enteignet werden. Damit könnte nur der von der enteigneten Grundflächen umschlossene Gebäudeteil, aber auch das gesamte Gebäude mit der entsprechenden Objektnummer gemeint sein. Letzteres würde an den sachenrechtlichen Bestimmungen scheitern, weil an unselbständigen Liegenschaftsbestandteilen, also an Gebäuden, die nicht Bauwerke iS des § 435 ABGB seien, im Wege der Enteignung kein Eigentumsrecht zugunsten des Enteigners begrundet werden könne, da mangels Durchführbarkeit im Grundbuch der Publizitätsgrundsatz und damit die Rechtssicherheit erheblich beeinträchtigt wären. Mit der Enteignung unselbständiger Gebäudeteile wäre auch der unter ihnen befindliche Grund und Boden für den Enteigneten unbenützbar und der Enteignete wäre hinsichtlich der Freimachung der Willkür der Behörde ausgesetzt. Zweifelhafte behördliche Verfügungen wie die vorliegenden Enteignungsbescheide seien, soweit sie in Grundrechte der Staatsbürger eingriffen, einschränkend auszulegen. Selbst bei dieser Interpretation würde die Enteignungswerberin mit den Enteigneten an den Gebäuden reales Miteigentum erwerben. Mit Ausnahme des Objekts des Gottfried E sei jedoch eine Realteilung, dh. eine vertikale Gebäudeteilung nicht möglich, weshalb ein solches Ergebnis den sachenrechtlichen Normen widersprechen würde. Der Enteignete würde über den Wert der enteigneten Grundfläche und über den Wert des Gesamtgebäudes hinaus in seinen Rechten verkürzt. Letztlich lasse sich auch die in diesen Verfahren maßgebliche Frage, welches Schicksal die Bestandrechte erlitten, die untrennbar das gesamte Gebäude umfaßten, nicht beurteilen. Aus all diesen Gründen seien die beiden Enteignungsbescheide nicht wirksam, die Klägerin nicht Eigentümerin geworden und daher auch nicht zu den Räumungsklagen legitimiert.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung das Urteil hinsichtlich des Erstbeklagten mit Beschluß auf, erklärte das gesamte bisherige Verfahren einschließlich der Berufungsverhandlung hinsichtlich dieses Beklagten für nichtig und wies die gegen diesen Beklagten gerichtete Klage C 381/81 zurück. Im übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung Folge und änderte das Urteil der ersten Instanz hinsichtlich der übrigen Beklagten dahin ab, daß es den Räumungsbegehren stattgab. Dabei sprach es aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes hinsichtlich jedes einzelnen Beklagten 2 000 S übersteige.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, daß es sich bei den beiden Enteignungsbescheiden um keine absolut nichtigen Verwaltungsakte handle. Sie seien von der zuständigen Behörde auf Grund des Bundesstraßengesetzes 1971 erlassen worden, in Rechtskraft erwachsen und könnten sich hinsichtlich der Enteignung der Baulichkeiten auf § 17 BStG 1971 stützen, der im Gegensatz zu den Bestimmungen des ABGB die Begründung von Eigentum an unselbständigen Bestandteilen von Liegenschaften zulasse. Durch die beiden Enteignungsbescheide seien nicht nur Teile der beiden Grundflächen, sondern auch die auf den nicht enteigneten Restflächen befindlichen Gebäudeteile in Anspruch genommen und enteignet worden, sodaß die Klägerin auch an diesen originäres Eigentum erworben habe. Damit seien nicht nur das Eigentum der Enteigneten, sondern seien auch die Rechte der Bestandnehmer erloschen. Deshalb seien die gegen die ehemaligen Bestandnehmer gerichteten Räumungsklagen begrundet. Dadurch, daß die Republik Österreich fristgerecht die Entscheidungen über die Höhe der gezahlten Entschädigungen bei Gericht begehrt habe, seien zwar die verwaltungsbehördlichen Entscheidungen über die Höhe der Entschädigungen außer Kraft getreten, doch könne dies den Vollzug der rechtskräftigen Enteignungsbescheide nach § 20 Abs. 4 BStG 1971 nicht hindern. Die Räumungsbegehren seien daher weder verfassungswidrig noch verstießen sie gegen die guten Sitten. Auch die grundsätzliche Möglichkeit einer Rückübereignung lasse die Räumungsansprüche der derzeitigen Eigentümerin unberührt. Nach dem auf den Vollzug der Enteignung subsidiär anzuwendenden § 35 Abs. 1 EisbEntG 1954 stehe der zwangsweise Vollzug der Enteignung gegenüber dem Enteigneten der Bezirksverwaltungsbehörde zu, sodaß die gegen den Erstbeklagten gerichtete Räumungsklage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Erstbeklagten und den Revisionen der übrigen Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Zum Rekurs des Erstbeklagten:

Der im § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO für statthaft erklärte Rekurs ist zulässig, weil der Rechtsmittelwerber durch den angefochtenen Beschluß, mit dem die vom Erstgericht abgewiesene Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen wurde, beschwert erscheint (Fasching IV 379, SZ 8/97; JBl. 1951, 574; vgl. auch JBl. 1978, 155).

Falls sich der Enteignete der Besitzergreifung durch den Enteigner widersetzt, bedarf es des Vollzugs durch Zwangsvollstreckung. Voraussetzung für den Vollzug durch Besitzergreifung oder im Wege der Zwangsvollstreckung ist - außer der Rechtskraft des Enteignungsbescheides und dem Ablauf der etwa gesetzten Räumungsfrist -, daß der Entschädigungsbetrag gezahlt oder gerichtlich erlegt wurde. Für die Zwangsvollstreckung des Enteignungsbescheides gegen den Enteigneten ist die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig. Der Grundsatz, daß der Enteignete zu keiner Übergabe verpflichtet ist, sondern nur die Besitzergreifung durch den Enteigner dulden muß, gilt dann nicht, wenn diese ein vorheriges Handeln des Enteigneten voraussetzt, wie bei der Enteignung eines von ihm benützten Gebäudes. In diesem Fall würde ein rein passives Verhalten des Enteigneten einen Widerstand gegen die Besitzergreifung bedeuten. Die Pflicht des Enteigneten zur Besitzaufgabe erfordert es in solchen Fällen, daß er sich, seine Angehörigen und seine Fahrnisse vom Enteignungsobjekt entfernt. Soweit er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist gegen ihn die Räumungsexekution zulässig. Die Räumung ist ihm unter Setzung einer angemessenen Frist bereits im Enteignungsbescheid aufzutragen (Jesch, Der Vollzug von Enteignungsbescheiden, ÖJZ 1969, 387).

Die Räumungspflicht des Enteigneten und damit die Zulässigkeit der Räumungsexekution gegen ihn geht allerdings nicht weiter, als die Räumung zur Aufgabe seines Besitzes erforderlich ist. Seine Bestandnehmer braucht er nicht zu entfernen. Vielmehr ist es Sache des Eigentümer gewordenen Enteigners, gegen jene mit Räumungsklage vorzugehen (EvBl. 1976/141; Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 75 ff.).

Strittig ist, ob gegen den Enteigneten anstelle der Verwaltungsvollstreckung auch mit Räumungsklage und gerichtlicher Räumungsexekution vorgegangen werden kann. Der OGH hat die von Jesch aaO und Krzizek, Das öffentliche Wegerecht 255, vertretene Ansicht, daß eine solche Räumungsklage zulässig sei, in SZ 48/3 mit der Begründung abgelehnt, daß § 35 Abs. 1 EisbEntG 1954 ausdrücklich eine Vollstreckung durch die Bezirksverwaltungsbehörde anordne. Auch wenn man dieser Entscheidung - wie Brunner aaO 64 f. und 77 - insoweit nicht folgen will, als sie die Anwendbarkeit der zitierten Bestimmung für den Bereich der Enteignung nach dem BStG 1971 schlechthin bejaht, ändert dies am Ergebnis nichts, weil dann zur Vollstreckung der Enteignungsbescheide nach dem BStG 1971 - zwar nicht nach § 35 Abs. 1 EisbEntG 1954, aber nach § 1 Abs. 1 VVG 1950 ebenfalls die Bezirksverwaltungsbehörde berufen ist. Da die Räumung gegen den Enteigneten im Weg der Verwaltungsvollstreckung bewirkt werden kann, würde es dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widersprechen, dafür einen weiteren Titel auf dem ordentlichen Rechtsweg schaffen zu lassen (Brunner aaO 77 f.).

Die Republik Österreich braucht gegen den Enteigneten entgegen der Meinung des Rekurswerbers keinen dem § 7 EO entsprechenden Räumungstitel, sondern kann von der Bezirksverwaltungsbehörde auf Grund des rechtskräftigen Enteignungsbescheides den Vollzug der Enteignung, die Einführung in den Besitz des enteigneten Grundstücksteiles samt Zubehör, verlangen. Es handelt sich dabei um einen der Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher nach § 156 Abs. 2 EO ähnlichen Vorgang. Für diese Übergabe fehlt, obwohl sie nach § 349 EO zu vollziehen ist, ein formeller Exekutionstitel (Ehrenzweig, System[2] I/2, 229). So wie der Ersteher gegen den Willen des Verpflichteten nur auf dem im § 156 Abs. 2 EO vorgezeichneten Weg in den Besitz der erstandenen Liegenschaft gelangen kann, weshalb einer Räumungsklage Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegenstehen würde (SZ 8/252; RZ 1936, 22; Heller-Berger-Stix 1254), ist dies auch bei der Räumungsklage des Enteigners gegen den Enteigneten der Fall.

2. Zu den Revisionen:

Das Eigentumsrecht des Enteigners wird nicht vom Enteigneten abgeleitet, sondern entsteht nach einhelliger Auffassung originär (SZ 40/110; EvBl. 1976/141; SZ 53/51; Klang in Klang[2] II 201; Ehrenzweig, System[2] I/2, 228; Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 69 f.). Der Enteigner erwirbt das Eigentum grundsätzlich lastenfrei, was nicht nur für die dinglichen, sondern auch für alle obligatorischen Rechte hinsichtlich des Enteignungsgegenstandes, also auch für Bestandrechte, gilt (GlU 15 334; SZ 40/110; MietSlg. 20 191; EvBl. 1976/141; SZ 53/51; Brunner, Rechtsfolgen der Enteignung hinsichtlich der Bestandrechte am Enteignungsgegenstand, ÖJZ 1966, 88; derselbe, Enteignung für Bundesstraßen 69 f.). Daraus folgt, daß der Enteigner keinerlei Pflichten gegenüber den Bestandnehmern des Enteigneten übernimmt und gegen diese, die sich ausschließlich an ihren Vertragspartner halten können, mit Räumungsklage vorgehen kann, ohne damit gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zu verstoßen.

Völlig unverständlich ist die Argumentation der Revisionswerber, daß der Enteigner ihnen gegenüber gesetz- und sittenwidrig handeln würde, wenn er nach vollständiger Zahlung der Entschädigungssummen von dem ihm durch § 20 Abs. 3 zweiter Satz BStG 1971 eingeräumten Recht, binnen einem Jahr nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Entscheidung des Bezirksgerichtes über die Höhe der Entschädigung zu begehren, Gebrauch gemacht hat. Da die Bestandnehmer nicht enteignet wurden, steht ihnen auch gegen den Enteigner keine Enteignungsentschädigung zu; vielmehr sind sie mit ihren Ersatzansprüchen auf ihren Vertragspartner verwiesen.

Voraussetzung für die Räumungsklagen des Enteigners gegen die früheren Bestandnehmer ist selbstverständlich, daß er Eigentümer geworden ist. Dies ist nach herrschender Lehre und überwiegender Rechtsprechung nicht schon bei Rechtskraft des Enteignungsbescheides der Fall, sondern erst bei Zahlung oder gerichtlichem Erlag der Entschädigungssumme (zB Klang in Klang[2] II 202; Ehrenzweig, System I/2, 228 f.; Brunner aaO 65 f.; GlUNF 4309; ZVR 1960/46; EvBl. 1976/141). Der erkennende Senat schließt sich dieser Meinung an.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EisbEntG 1954 setzt der zwangsweise Vollzug der Enteignung einen rechtskräftigen oder nach § 40 Abs. 2 EisbEntG erlassenen Enteignungsbescheid oder eine nach § 26 EisbEntG getroffene Vereinbarung voraus und ist nach Abs. 2 der erstzitierten Gesetzesstelle auf Ansuchen des Eisenbahnunternehmens zu bewilligen, wenn dieses nachweist, daß es den ihn betreffend die Leistung oder die Sicherstellung der Entschädigung obliegenden und vor der Enteignung zu erfüllenden Verbindlichkeiten nachgekommen ist. Auch nach § 20 Abs. 4 BStG 1971 kann der Vollzug des rechtskräftigen Enteignungsbescheides nicht gehindert werden, sobald der vom Landeshauptmann ermittelte Entschädigungsbetrag oder eine Sicherheit für die erst nach Vollzug der Enteignung zu leistende Entschädigung gerichtlich erlegt ist.

Der Vollzug der Enteignung setzt den originären Eigentumserwerb durch den Enteigner voraus und vermittelt diesem daher nicht das Eigentum, sondern den Besitz des enteigneten Gegenstandes, der aber entgegen der Meinung Spielbüchlers in Rummel, ABGB, Rdz. 5 zu § 365 hier zum Eigentumserwerb nicht erforderlich ist. Krzizek, Das öffentliche Wegerecht 253, sowie die Entscheidungen SZ 47/152 = JBl. 1975, 321 (im Fall dieser Entscheidung war eine Besitzeinweisung erfolgt), EvBl. 1975/17 und VwGH 12. 5. 1980, ÖJZ 1981, 408, setzen sich weder mit der dargestellten gegenteiligen Lehre und Judikatur auseinander noch begrunden sie ihre Auffassung.

Die von Krzizek aaO 254 und in der Entscheidung VwSlgNF 8984 A/1976 vertretene, mit § 34 Abs. 3 EisbEntG 1954 begrundete Auffassung, daß das Eigentum des Enteigners an verbücherten Enteignungsobjekten mit der Anmerkung des Erlages der Entschädigung (oder der Sicherheitsleistung) entstehe, weil dieser Anmerkung die mit der Anmerkung der Erteilung des Zuschlages verbundenen Wirkungen zukommen, übersieht, daß das - wenn auch auflösend bedingte - Eigentum des Erstehers nach § 237 EO bereits mit dem Zuschlag selbst erworben wird und die in § 183 Abs. 3 EO vorgeschriebene Anmerkung nach § 72 Abs. 2 GBG 1955 nur zur Folge hat, daß weitere Eintragungen gegen den bisherigen Eigentümer nur für den Fall ein Recht bewirken, als die Versteigerung für unwirksam erklärt wird (Heller-Berger-Stix 1242 f.; SZ 6/233; JBl. 1966, 255).

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH sind die Gerichte an rechtskräftige Bescheide - um solche handelt es sich bei den diesen Verfahren zugrundeliegenden Enteignungsbescheiden - der Verwaltungsbehörden grundsätzlich gebunden, sofern es sich nicht um absolut nichtige Verwaltungsakte handelt (MietSlg. 15 301; SZ 45/17; MietSlg. 32 659). Absolut nichtig ist ein Verwaltungsakt, wenn die Verwaltungsbehörde offenkundig unzuständig war oder ihren Wirkungskreis überschritt oder einen offenkundig und zweifellos unzulässigen Verwaltungsakt gesetzt hat. Daß ein Bescheid unvollständig oder sonst fehlerhaft ist, reicht für seine Nichtbeachtung durch die Gerichte, die keine inhaltliche Überprüfung vorzunehmen haben, nicht aus (SZ 23/176; EvBl. 1959/291; SZ 45/17; SZ 45/56; SZ 51/64; JBl. 1980, 320).

Die die Grundlage dieser Räumungsverfahren bildenden Enteignungsbescheide wurden von dem nach den §§ 20 Abs. 1 und 32 Abs. 1 BStG 1971 in erster Instanz zweifellos zuständigen Landeshauptmann von NÖ im Rahmen des ihm in den genannten Gesetzesstellen in Enteignungsverfahren zugewiesenen Wirkungskreises erlassen. Sie betreffen die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung und enthalten Bestimmungen über die Höhe der Entschädigungen und sind damit auch deshalb nicht offenkundig und zweifellos unzulässig. Die Gerichte sind daher an diese beiden rechtskräftigen Enteignungsbescheide gebunden, nach deren Spruch und Begründung nicht nur die mit gelber Farbe abgegrenzten Teilflächen der Grundstücke 76 und 73 je KG S, sondern auch die (gesamten) darauf befindlichen Objekte W-Straße 20 und W-Straße 18 enteignet wurden. Bescheide von Verwaltungsbehörden sind nämlich als Ganzes zu beurteilen. Für die Lösung der Frage, inwieweit die Behörde beabsichtigte, über individuelle Rechtsverhältnisse in einer der Rechtskraft zugänglichen Weise abzusprechen, ist daher nicht nur vom Spruch, sondern auch von der Begründung des Bescheides auszugehen (VwGH 11. 2. 1971, EvBl. 1971, 642; OGH 2 Ob 592/53). Daß die gesamten auf den beiden Grundstücken befindlichen Gebäude enteignet wurden, ergibt sich vor allem daraus, daß in den Entscheidungen die Gebäudewerte und Abbruchkosten sämtlicher Gebäude berücksichtigt und entschädigt wurden.

Daß nach § 17 Abs. 1 BStG 1971 auch "Baulichkeiten und sonstige Anlagen, deren Entfernung sich aus Gründen der Verkehrssicherheit als notwendig erweist", Enteignungsgegenstand sein können, kann in diesem Zusammenhang nur bedeuten, daß das Eigentum und sonstige dingliche Rechte an Baulichkeiten und sonstigen Anlagen auch für sich allein ohne Enteignung der Grundfläche, auf der sie errichtet sind, entzogen werden

önnen, und zwar nicht nur an Überbauten iS des § 435 ABGB, an denen selbständiges Eigentum möglich ist, sondern nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes an allen Baulichkeiten und Anlagen, also auch an solchen, die Zubehör von Grund und Boden sind (§ 297 ABGB). Da an diesen Baulichkeiten und Anlagen kein Eigentum der Republik Österreich begrundet werden soll, sondern die Enteignung nur zum Zweck der Entfernung der Baulichkeiten und sonstigen Anlagen ausgesprochen werden darf, ist die gesetzliche Anordnung mit der geltenden Eigentumsordnung vereinbar. Wird von einer verbauten Fläche nur ein Teil für das Straßenprojekt benötigt, dann ist die Grundfläche nur im benötigten Umfang, das Bauwerk aber im allgemeinen ganz zu enteignen. Eine Enteignung in der Weise, daß dem Enteigneten nur ein Teil eines einheitlichen Bauwerkes verbleibt, ist dagegen grundsätzlich nicht zulässig, weil der Vollzug eines solchen Enteignungsbescheides einen Teilabbruch des Gebäudes und die Verschließung des auf der Restfläche verbleibenden Gebäudeteiles erfordern würde, die Enteignungsbehörde aber nicht berechtigt ist, den Eigentümer zu irgendwelchen Baumaßnahmen an den ihm verbleibenden Gebäudeteilen zu ermächtigen oder ihm solche aufzutragen, ein Teilabbruch ohne Verschließung der restlichen Gebäudeteile aber nach den baurechtlichen Vorschriften unzulässig ist (vgl. Brunner, aaO 2 f., 16 f.; VfGH 14. 5. 1981, JBl. 1982, 368). Der zitierte Spruch der gegenständlichen Enteignungsbescheide kann somit nur iS der vorstehenden Ausführungen - Enteignung der Grundfläche (unbestritten) nur im benötigten Umfang, Enteignung der Gebäude zur Gänze - verstanden werden.

Die behauptete Zusage des seinerzeitigen Bundesministers für Bauten und Technik, so lange von Enteignungstiteln keinen Gebrauch zu machen, bis die Rechte der Betroffenen geklärt seien, Ersatzwohnungen bzw. -lokale zur Verfügung gestellt würden und die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen in keiner Weise gefährdet sei, könnte lediglich eine Exekutionsstundung darstellen, die nach § 36 Abs. 1 Z 3 EO (erst) im Exekutionsverfahren einzuwenden wäre. Im Verfahren zur Schaffung der Räumungstitel waren daher bezüglich dieser Einwendungen weder Beweisaufnahmen noch Feststellungen erforderlich.

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