Spruch:
Der Käufer von Kommissionsware kann seine Kaufpreisschuld mit einer Forderung gegen den Kommissionär aufrechnen
OGH 20. 12. 1983, 5 Ob 551/82 (OLG Wien 3 R 242/81; HG Wien 17 Cg 4/80)
Text
Die Klägerin führt vorwiegend aus Griechenland und der Türkei Obst und Gemüse ein, der Beklagte befaßt sich mit dem Großhandel mit diesen Gütern. Die Klägerin vereinbarte im Sommer 1975 mit Exporteuren aus Griechenland, daß sie in Wien deren Waren auf Kommissionsbasis verkaufe. Sie bot dem Beklagten, der wußte, daß die Klägerin nur Kommissionär war, die Ware in Kommission an. Der Beklagte nahm das Anbot an und leistete an die Klägerin Akontozahlungen von 1 070 000 S. Nach Abwicklung dieser Liefergeschäfte ergab sich, daß der Klägerin nur Erlöse von 481 286.98 S zustanden. Der Geschäftsführer der Klägerin, die Zahlungen an die Händler in Griechenland getätigt hatte, versprach dem Beklagten, sich um weitere Warenlieferungen zu bemühen. Der Beklagte forderte die Klägerin am 18. 11. 1975 auf, den offenen Saldo aus den Überzahlungen abzudecken. Die Klägerin weigerte sich, Zahlung zu leisten. Im September 1976 erhielt die Klägerin die Zusage eines Händlers aus der Türkei, ihr Mandarinen in Kommission zu geben. Die Klägerin vereinbarte mit dem Beklagten, ihm diese Mandarinen kommissionsweise zum Weiterverkauf zu liefern. Ab Oktober 1976 erfolgten Lieferungen des türkischen Händlers, der einen Mitarbeiter zum Stand des Beklagten entsandte, dem Einsicht in die Verkaufsunterlagen gewährt wurde. Der Beklagte mußte daraus und aus den Gesprächen erkennen, daß die Klägerin Kommissionär der vom türkischen Händler angelieferten Waren war. Aus den in den Jahren 1976/I 977 abgewickelten Kommissionsgeschäften ergab sich eine Saldoforderung der Klägerin von 843 688.34 S.
Die Klägerin begehrte in ihrer am 8. 4. 1977 erhobenen Klage vom Beklagten Zahlung ihrer Saldoforderung von 1 342 915.06 S samt Zinsen und änderte ihr Begehren am 2. 6. 1981 dahin, daß sie die Zahlung von 958 960.43 S und Rechnungslegung über bestimmte Verkäufe verlange.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Begehrens und machte vor allem geltend, er habe mit seiner Forderung gegen die Klägerin von 588 714.02 S aus den Überzahlungen für die Lieferungen aus Griechenland außergerichtlich aufgerechnet. Er sei berechtigt, den Saldo von nur 66 355.84 S bis zur Übergabe von Schriftstücken zurückzuhalten.
Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Zahlung von 843 688.34 S samt Zinsen und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von 124 272.09 S samt Zinsen und Rechnungslegung - unangefochten - ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Beklagte, der wußte, daß die Klägerin nur Kommissionär mehrere Kommittenten war, mit seinem Rückforderungsanspruch aus den im Jahr 1975 abgewickelten Geschäften nicht aufrechnen könne. Nach dem § 392 Abs. 2 HGB sei die Aufrechnung des Dritten mit einer Forderung gegen den Kommissionär aus anderen Geschäften unzulässig. Der Abzug von 588 673.02 S sei unberechtigt. Der Beklagte habe der Klägerin den Saldo von 843 688.34 S zu bezahlen.
Das vom Beklagten angerufene Gericht zweiter Instanz änderte das Urteil des Erstgerichtes ab und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von nur 255 005.32 S samt Zinsen; ein Begehren auf Zahlung weiterer 579 682.02 S wies es ab. Die Klägerin habe vom Beklagten nach den vom Beklagten nicht bekämpften Feststellungen 843 688.34 S zu fordern. Es gehe nur mehr darum, ob der Beklagte mit seiner Forderung gegen die Klägerin im Betrage von 588 673.02 S Aufrechnung geltend machen konnte und daher nur mehr eine Forderung von 255 005.32 S unberechtigt aushafte. Das Berufungsgericht führte zu der umstrittenen Frage, ob der Schutz des § 392 Abs. 2 HGB dem Kommittenten auch im Verhältnis zum Schuldner der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft zugute komme und ob dieser Schuldner mit einer nicht konnexen Forderung gegen den Kommissionär aufrechnen dürfe, nach eingehender Gegenüberstellung aller dazu vertretenen Ansichten aus, es schließe sich der Judikatur des Bundesgerichtshofes und der überzeugenden Lehrmeinung von Canaris, FS Flume 409 FN 176, und Koller in GroßkommHGB 3, V/1 Anm. 20 zu § 392 an. Das Gesetz gehe davon aus, daß die Forderung aus dem Ausführungsgeschäft dem Kommissionär zustehe. § 392 Abs. 2 HGB treffe nur das Verhältnis des Kommittenten zu den Gläubigern des Kommissionärs, nur er könne die Abtretung der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft anfechten und im Konkurs des Kommissionärs die Forderung aussondern, solange sie ausständig sei. Ist die Forderung gegen den Schuldner des Ausführungsgeschäftes durch Erfüllung erloschen, lasse sich § 392 Abs. 2 HGB nicht mehr anwenden. Die Aufrechnung gegen den Kommissionär habe die gleiche Wirkung. Sie erfolge im Verhältnis zwischen Kommissionär und seinem Schuldner. Würde das "Verhältnis zwischen Kommittent und Gläubiger des Kommissionärs" nach § 392 Abs. 2 HGB auch auf die Beziehung zwischen Kommissionär und Schuldner des Ausführungsgeschäftes ausgedehnt, so könnte der Kommissionär diesen Schutz für sich selbst dann in Anspruch nehmen, wenn er sich mit dem Kommittenten über die gegenseitigen Ansprüche bereits abgefunden habe. Für den Schuldner des Ausführungsgeschäftes sei dies nicht durchschaubar. Der Kommissionär könne seine Kosten und Spesen vom Ertrag abziehen, wenn er die Forderung einziehe und genieße darin sogar nach § 399 HGB Vorrang vor dem Kommittenten. Der Beklagte habe daher die Forderung der Klägerin durch Aufrechnung mit der gegen sie gerichteten wenn auch nicht konnexen Gegenforderung tilgen können.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kommissionär übernimmt es gewerbsmäßig, Waren für Rechnung eines anderen in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen (§ 383 HGB). Die Forderungen aus einem Ausführungsgeschäft, das der Kommissionär abgeschlossen hat, kann der Kommittent dem Schuldner gegenüber erst nach der Abtretung geltend machen (§ 392 Abs. 1 HGB). Es gelten jedoch solche Forderungen, auch wenn sie nicht abgetreten sind, im Verhältnis zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten (§ 392 Abs. 2 HGB). Aus dieser angeführten Bestimmung, die auf die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beklagten anzuwenden ist, weil nichts dafür spricht, daß die Verträge über den kommissionweisen Weiterverkauf der von der Klägerin als Kommissionär übernommenen, aus dem Ausland importierten Ware außerhalb des Gebietes der Republik Österreich zustande kamen (§ 37 ABGB idF vor Inkrafttreten des IPR-Gesetzes), will die Klägerin ableiten, der Beklagte sei zur Aufrechnung mit der gegen sie bestehenden Forderung aus dem zuvor abgewickelten Geschäft nicht berechtigt.
Der Beklagte als Schuldner des Ausführungsgeschäftes konnte und mußte die ihm daraus entstandenen Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber erfüllen. Sobald die Forderung des Kommissionärs durch Zahlung getilgt war, war der Beklagte auch von jeder Zahlungspflicht gegenüber dem Kommittenten frei, der seine Forderung erst nach Abtretung geltend machen konnte. Die Aufrechnung ist die Aufhebung einer Forderung durch eine Gegenforderung. Sie wirkt nach § 1438 ABGB als Zahlung und führt, soweit sich Forderungen deckend gegenüberstanden, die richtig, gleichartig und gegenseitig waren, zur Tilgung beider. Der Aufrechnende muß zugleich Gläubiger und Schuldner des Aufrechnungsgegners sein und dieser wieder Schuldner und Gläubiger des Aufrechnenden (Koziol - Welser, I 219). Dies trifft auch im Verhältnis zwischen dem Kommissionär und seinem Schuldner aus dem Ausführungsgeschäft zu, der zur Tilgung der Forderung des Kommissionärs eine gegen diesen bestehende fällige Forderung verwendet. § 392 Abs. 2 HGB enthält kein dieses Vorgehen ausschließendes Kompensationsverbot. Die vom Revisionswerber gegen diese Auslegung geäußerten, um die Rechte des Kommittenten besorgten Bedenken gelten gleicherweise für den Fall, daß der Schuldner des Ausführungsgeschäftes den Kommissionär durch Zahlung befriedigt, dieser das erhaltene Geld mit eigenem vermengt oder darüber anders als durch Befriedigung der Ansprüche des Kommittenten verfügt und diesem dadurch den Fonds entzieht, aus dem sich der Kommittent Befriedigung erhoffte. Es ist daher gegen die erhobenen kritischen Stimmen der Ansicht zu folgen, daß der Schuldner aus dem Kauf von Kommissionsware gegen seine Kaufpreisschuld mit einer Forderung gegen den Kommissionär aufrechnen kann (BGH NJW 1969, 276). Es darf nicht übersehen werden, daß zunächst eine Vertragsbeziehung zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär entstanden sein muß, bevor es zum Ausführungsgeschäft zwischen dem Kommissionär und dem Dritten kommen kann. Aus dieser vorausgesetzten vertraglichen Bindung bestehen gegenseitige Rechte und Pflichten, deren Gestaltung weitgehend der Vertragsfreiheit unterliegt. Der Kommittent, der eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegen den Kommissionär ausschließen will, kann diesen verhalten, Ausführungsgeschäfte nur mit Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes zu schließen. Dies ist hier nicht geschehen, obwohl der Klägerin bekannt war, daß sie dem Beklagten einen Betrag von 588 710 S schuldete. Es wäre an ihr gelegen, mit dem Beklagten bei Abschluß des nächsten Geschäftes im Jahr 1976 vertraglich festzulegen, daß ihm eine Kompensation nicht zustehe, und dadurch Klarheit in der Rechtsbeziehung mit dem Schuldner des Ausführungsgeschäftes, der zugleich ihr Gläubiger war, zu schaffen. Es gehen auch die Ausführungen der Klägerin ins Leere, der Beklagte habe sich die Aufrechnungslage verschafft, um sich wegen seiner Forderung gegen den Kommissionär materiell zu Lasten des Kommittenten zu befriedigen. Seine Aufrechnungserklärung kann nicht als Rechtsmißbrauch wirkungslos bleiben. Es bedurfte nicht etwa einer vertraglichen Zulassung der Aufrechnung, sondern diese war nicht versagt, solange nicht ausdrücklich - und das konnte nur im Verhältnis zwischen Kommissionär und seinem Vertragspartner, der zum Kommittenten in keine unmittelbare Rechtsbeziehung trat, geschehen - die Kompensation mit Gegenforderungen ausgeschlossen ist. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die sich auch auf eine beachtliche Lehrmeinung (Koller in GroßkommHGB 3, V/1 Anm. 20 zu § 392) stützen kann, ist daher beizutreten.
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