Spruch:
Das eheliche Gebrauchsvermögen unterliegt auch bei Gütergemeinschaft der Aufteilung nach den Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG
OGH 9. 6. 1983, 8 Ob 502/83 (LG Eisenstadt R 277/82; BG Oberpullendorf F 2/82)
Text
Die Ehe der Streitteile wurde rechtskräftig aus dem Verschulden der Antragstellerin geschieden. Der Ehe entstammen zwei Kinder, die 1967 geborene mj. Ingeborg und die 1969 geborene mj. Michaela, die sich in Pflege und Erziehung der Antragstellerin befinden.
Innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG stellte die Antragstellerin den Antrag, ihr die gesamte bisherige Ehewohnung, bestehend aus der Liegenschaft EZ 1301 KG A, Grundstück 1407/1 Baufläche mit dem Wohnhaus R-Gasse 17, in der Weise zur Alleinbenützung zuzuweisen, daß ihr gegen Festsetzung einer angemessenen Gegenleistung der ideelle Hälfteanteil des Antragsgegners an dieser Liegenschaft ins Eigentum übertragen und dem Antragsgegner untersagt werde, diese Liegenschaft weiter zu benützen. Im Zuge des Verfahrens schlug die Antragstellerin eine Benützungsregelung in der Weise vor, daß dem Antragsgegner die beiden derzeit noch im Rohbau befindlichen Räume zur ebenen Erde zur alleinigen Benützung zugewiesen werden; hingegen seien alle übrigen Räume, insbesondere auch Einfahrt, Garten, Keller, Dachboden und 1. Stock, der Antragstellerin zuzuweisen. Die Antragstellerin brachte im wesentlichen vor, daß die Liegenschaft ursprünglich in ihrem Alleineigentum gestanden sei und der Antragsgegner seinen Hälfteanteil an dieser Liegenschaft nur durch Ehepakt (Gütergemeinschaft unter Lebenden) erworben habe. In der Folge sei von den Ehegatten ein Haus auf dieser Liegenschaft errichtet worden, wofür die Mittel im wesentlichen von der Antragstellerin (bzw. deren Eltern) aufgebracht worden seien. Die Antragstellerin benötige das Haus R-Gasse 17, das als Ehewohnung gedient habe, für sich und die beiden bei ihr befindlichen ehelichen Kinder.
Der Antragsgegner sprach sich gegen die Anträge der Antragstellerin aus und erklärte, daß er seinerseits keine Anregung für eine Benützungsregelung geben könne. Eine räumliche Trennung der Streitteile sei nur dadurch möglich, daß die Antragstellerin in das ihr gehörige Haus in A H-Straße 63, übersiedle, während er im Haus R-Gasse 17 bleibe; derzeit könne er nur vorübergehend bei seiner Mutter in F wohnen. Der Antragsgegner habe wesentliche Beiträge zum Bau und zur Erhaltung des Hauses R-Gasse 17 geleistet. Die Übertragung dieser Liegenschaft an die Antragstellerin verstoße gegen § 1266 ABGB, zumal den Antragsgegner kein Verschulden an der Scheidung treffe.
Die Parteien haben außer Streit gestellt, daß nach der Ehescheidung das Verhältnis der Streitteile zueinander so gestört ist, daß jede Begegnung zu einem Streit führt. Die Liegenschaft EZ 1301 KG A stand ursprünglich im Eigentum der Antragstellerin. Das Hälfteeigentum des Antragsgegners an dieser Liegenschaft wurde nach der im Jahre 1967 erfolgen Eheschließung im Jahre 1969 auf Grund eines Ehepaktes (Gütergemeinschaft unter Lebenden) begrundet, wobei dieser Ehepakt schon bei Eheschließung geplant, jedoch erst nach erreichter Volljährigkeit der Antragstellerin geschlossen wurde. Auf dieser Liegenschaft wurde Ende 1968 oder Anfang 1969 mit der Errichtung eines Wohnhauses begonnen. Dabei waren für den Rohbau 200 000 S zu bezahlen, wovon je 100 000 S von der Antragstellerin und vom Antragsgegner aus deren Ersparnissen bezahlt wurden. In der Folge mußten für die Fertigstellung des Hauses noch rund 350 000 S bis 400 000 S aufgewendet werden. Der Antragsgegner führte alle Bautischlerarbeiten an diesem Haus selbst durch und besorgte auch das hiefür nötige Material selbst.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner, binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses ein Drittel seines Hälfteanteiles, daher ein Sechstel an der ganzen Liegenschaft EZ 1301 KG A, ohne jede Gegenleistung an die Antragstellerin zu übertragen und einzuwilligen, daß ob einem Drittelanteil seines Hälfteanteiles an dieser Liegenschaft das Eigentumsrecht für die Antragstellerin einverleibt werde. Das Mehrbegehren der Antragstellerin, den Antragsgegner zur Überlassung seiner gesamten Liegenschaftshälfte zu verpflichten, wies es ab. Gleichzeitig traf es eine Benützungsregelung hinsichtlich dieser Liegenschaft dahin, daß der Antragstellerin die alleinige Benützung des 1. Stockes und des Dachbodens sowie des Stiegenhauses und des Gartens zugewiesen wurde. Hinsichtlich der Hauseinfahrt wurde dem Antragsgegner eine Mitbenützung nur in dem Ausmaß eingeräumt, als er diese Einfahrt benützen muß, um die zu ebener Erde befindlichen und noch nicht fertiggestellten Räume zum Zweck der Fertigstellung zu betreten. Eine Benützungsregelung hinsichtlich dieser beiden zu ebener Erde gelegenen und noch nicht fertiggestellten Räume unterbleibe derzeit; es werde Sache der Parteien sein, die Fertigstellung dieser Räume im Wege der §§ 829 ff. ABGB zu erreichen und dann entsprechende Benützungsregelungsanträge zu stellen. Das Erstgericht verpflichtete die Antragstellerin, rückwirkend ab 1. 2. 1982 ein monatliches Benützungsentgelt von 700 S an den Antragsgegner zu bezahlen.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß der Wert des Grundstückes derzeit 260 000 S beträgt und der Wert des darauf errichteten Hauses derzeit mit rund 1 300 000 S in Anschlag zu bringen ist. Die vom Antragsgegner durchgeführten Bautischlerarbeiten repräsentieren, bezogen auf die Preise im Jahre 1970/1971 (Fertigstellung des Hauses) einen Wert von rund 95 000 S wovon rund 67 000 S auf das Material und rund 27 000 S auf die Arbeitsleistung entfallen. Daraus ergebe sich zusammenfassend, daß den beiden Streitteilen die Errichtung des Hauses insgesamt rund 700 000 S gekostet habe (einschließlich Arbeitswert), wozu der Antragsgegner einen Wert von knapp 200 000 S also knapp 30%, beigetragen habe, wogegen die übrigen 70% von seiten der Antragstellerin stammten. Dieses Verhältnis, übertragen auf den derzeitigen Gebäudewert, ergebe für den Antragsgegner einen Betrag von knapp 400 000 S und für die Antragstellerin einen Wert von etwas über 900 000 S. Zusammen mit je der Hälfte des derzeitigen Grundstückwertes ergebe sich sohin ein Betrag von 530 000 S für den Antragsgegner und von 1 030 000 S für die Antragstellerin und somit ein Verhältnis von 1/3 zu 2/3.
Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß die Vorschrift des § 1266 ABGB die Anwendung der §§ 81 ff. EheG nicht hindere. Der Antragsgegner habe selbst erklärt, daß ihm eine auch nur annähernd angemessene Ausgleichszahlung, bei der es sich um einen Betrag von 200 000 S oder noch mehr handeln müßte, in absehbarer Zeit nicht zumutbar wäre. Es könne daher der berechtigte Ausgleich nur durch Übertragung eines Teiles des Eigentums des Antragsgegners erreicht werden. Für die volle Übertragung des Eigentumsrechtes des Antragsgegners an die Antragstellerin fehle jede Voraussetzung, weil die Absicht des § 84 EheG durch die gleichzeitig vorgenommene Benützungsregelung ebenfalls erreicht werde. Eine Benützungsregelung hinsichtlich der beiden ebenerdigen noch nicht fertiggestellten Räume erscheine derzeit zwecklos, weil diese Räume noch keinen Nutzwert hätten. Es werde Sache der Parteien sein, die Fertigstellung dieser Räume im Wege der §§ 829 ff. ABGB zu erwirken; nach Fertigstellung der Räume könnten dann entsprechende Benützungsregelungsanträge gestellt werden. Die Antragstellerin genieße damit praktisch derzeit die volle Nutzung der Liegenschaft, wobei dieser Nutzen in Anlehnung an die Erfahrungswerte betreffend in A gängige Mietzinssätze mit monatlich 2100 S zu bewerten sei. Da sie nur zu zwei Dritteln Liegenschaftseigentümerin werde, ergebe sich eine dem Antragsgegner zu leistende Benützungsentschädigung von monatlich 700 S.
Das Rekursgericht gab dem gegen die Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs des Antragsgegners keine Folge. Es erklärte den Rekurs an den OGH für zulässig. Der Antragsgegner verkenne mit seiner Rechtsansicht, der erstgerichtliche Beschluß stehe im Widerspruch zur Bestimmung des § 1266 ABGB, das Verhältnis der Bestimmungen über die Ehepakte zu denen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse der §§ 81 ff. EheG. Die Bestimmungen des Ehegesetzes gingen denen über die Ehepakte vor, weil sie leges speciales seien. Damit sei allen Überlegungen über die Anwendung der §§ 1265 f. ABGB die Grundlage entzogen, wie auch auf den Anspruch auf Aufteilung des Gebrauchsvermögens nach § 97 Abs. 1 EheG nicht im voraus verzichtet werden könne. Es handle sich hier um keine gesetzliche Neuheit, weil auch nach dem früheren Recht des § 8 der 6. DVzEheG die Hausratsaufteilung ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Gütergemeinschaft zu erfolgen gehabt habe. Da die neue Regelung noch mehr in das Ermessen des Familiengerichtes gestellt werden sollte, sei die Aufteilung der Vermögenswerte zwingend nach den Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG vorzunehmen. Die Vermögensauseinandersetzung zwischen vormaligen Ehegatten sie nicht streng rechnerisch nach dem Wert des aufzuteilenden Vermögens, sondern nach Billigkeit vorzunehmen. Das Gericht sei nicht streng an die Anträge der Parteien gebunden, sodaß auch eine von keiner Partei vorgeschlagene Regelung getroffen werden könne. Nach § 82 Abs. 2 EheG sei die Ehewohnung in die Aufteilung unabhängig davon einzubeziehen, wann, von wem und unter welchen Umständen sie in die Ehe eingebracht worden sei. Somit könne das Gericht auch Eigentumsübertragungen an Ehewohnungen grundsätzlich anordnen. Davon dürfe allerdings nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn eine andere Regelung nicht erzielt werden könne, da jedem Ehegatten sein Eigentum an Grund und Boden nach Möglichkeit erhalten bleiben solle. Im Beschluß des Erstgerichtes seien hinreichende Gründe dafür angeführt, daß eine andere Regelung, die den Grundsätzen der §§ 81 ff. EheG entspreche, nicht möglich sei. Auch der Antragsgegner sei in seinem Rechtsmittel nicht in der Lage, eine andere diesen Gesetzesintentionen entsprechende Regelung vorzuschlagen. Die Korrektur der Miteigentumsanteile zu Lasten des Antragsgegners entspreche den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Sie erscheine daher notwendig und im vorgenommenen Ausmaß auch gerechtfertigt. Was die Benützungsregelung des weiterhin im gemeinsamen Eigentum stehenden Hauses, das praktisch ausschließlich als Ehewohnung benützt worden sei, betreffe, sei wesentlich, daß die Regelung den vormaligen Ehegatten die bisherigen Lebensgrundlagen möglichst bewahren und den Beginn eines neuen Lebensabschnittes möglichst erleichtern solle. Insbesondere sei auf das Wohl vorhandener minderjähriger Kinder entsprechend Bedacht zu nehmen. Die Ehewohnung werde von den beiden Kindern der Parteien mit der Antragstellerin bewohnt, wobei sich die Kinder nach pflegschaftsbehördlicher Genehmigung in Pflege und Erziehung der Antragstellerin befinden. Der Antragsgegner habe bereits auf Grund eines Vergleiches vom 30. 11. 1978 die Wohnung der Antragstellerin im Rahmen einer Benützungsregelung überlassen, sodaß er zumindest seither sein regelmäßiges Wohnbedürfnis an anderer Stelle decken müsse, was er um so leichter könne, als er nur für sich allein eine Unterkunft benötige.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Vorwegzunehmen ist, daß der erkennende Senat die im Revisionsrekurs geäußerte Ansicht, § 86 EheG sei verfassungswidrig, weil er gegen die Verfassungsbestimmungen der Art. 4 und 5 Staatsgrundgesetz, RGBl. 1867/142, verstoße, nicht teilt. Der OGH hat bereits zur Zeit der Geltung der 6. DVzEheG wiederholt ausgesprochen, daß durch die Einführung eines besonderen, den Umständen zweckentsprechend angepaßten Verfahrens über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrates nach der Scheidung keineswegs eine willkürliche Verletzung des staatsgrundgesetzlich geschützten Eigentumsrechtes ermöglicht wurde und hat sich aus diesem Grund nicht zu einer Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlaßt gesehen (MietSlg. 15555; 7 Ob 309/65). Die gleichen Überlegungen gelten für die derzeitige, nunmehr durch die §§ 81 ff. EheG bestimmte Rechtslage. Für eine Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof wegen Überprüfung des § 86 EheG besteht daher kein Anlaß.
Die im Zuge der Eherechtsreform geschaffene Regelung über die Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG nimmt auf die Vorschriften der §§ 1265, 1266 ABGB keine Rücksicht. Diese Vorschriften wurden weder aufgehoben noch wurde eine Norm geschaffen, die sich speziell mit Ehepakten, insbesondere mit einer Gütergemeinschaft, beschäftigt.
Im Abschluß einer Gütergemeinschaft liegt stets auch eine Regelung über die Verteilung des Vermögens bei der Scheidung der Ehe. Denn wenn auch die Ehegatten darüber keine ausdrückliche Vereinbarung treffen, wollen sie eben die gesetzliche Regelung des § 1266 ABGB gelten lassen. Daraus ist aber kein Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, daß die Aufteilungsgrundsätze der §§ 81 ff. EheG bezüglich des ehelichen Gebrauchsvermögens nicht anzuwenden wären, wenn zwischen den Ehegatten eine Gütergemeinschaft vereinbart wurde.
Schon nach dem früher geltenden Recht, nämlich nach § 8 der 6. DVzEheG, erfolgte die Hausratsaufteilung ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Gütergemeinschaft; dies sah die zitierte Vorschrift ausdrücklich vor. Auch die Ehewohnung unterlag ungeachtet einer Gütergemeinschaft den Regeln der 6. DVzEheG (vgl. Weiß in Klang[2] V 981). Daß durch die neue gesetzliche Regelung, die die 6. DVzEheG abgelöst hat, daran etwas geändert werden sollte, ist weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien ersichtlich und daher nicht anzunehmen. Dazu kommt, daß nach § 97 Abs. 1 EheG auf den Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im voraus nicht verzichtet werden kann. Die Aufteilung dieser Gegenstände soll also zwingend nach den §§ 81 ff. EheG erfolgen. Deshalb ist für das eheliche Gebrauchsvermögen auch bei Vorliegen einer Gütergemeinschaft jedenfalls die Regelung der §§ 81 ff. EheG anzuwenden (Grillberger, Eheliche Gütergemeinschaft 172; ähnlich auch Koziol - Welser, Grundriß[6] II 195 f.; 3 Ob 657/81).
Da es sich im vorliegenden Fall um die Aufteilung ehelichem Gebrauchsvermögens handelt, haben somit die Vorinstanzen mit Recht ungeachtet der zwischen den Streitteilen vereinbarten Gütergemeinschaft die Vorschriften der §§ 81 ff. EheG angewendet. Daß ihnen dabei, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, ein materiellrechtlicher Verstoß gegen diese Bestimmungen unterlaufen wäre und daß insbesondere die getroffene Entscheidung den in den §§ 83 und 84 EheG normierten Aufteilungsgrundsätzen nicht entspreche, wird im Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht dargetan.
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