Spruch:
Auch die Schadenersatzpflicht des grundlos ausgetretenen Arbeitnehmers (§ 1162 a ABGB; § 28 Ang) kann durch eine Konventionalstrafe gesichert werden; in einer solchen Vereinbarung kann eine unzulässige Benachteiligung des wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmers auch dann nicht gesehen werden, wenn eine gleichartige Verpflichtung des Arbeitgebers fehlt
OGH 10. 5. 1983, 4 Ob 45/83 (LG Salzburg 31 Cg 2/83; ArbG Tamsweg Cr 11/82) = ZAS 1984, 107 (Kohlmaier)
Text
Mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 26. 4. 1982 wurde zwischen den Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 29. 5. bis 9. 10. 1982 begrundet. Punkt III dieses Vertrages ("Besondere Ansprüche bei Beendigung des Dienstverhältnisses") hatte folgenden Wortlaut:
"Bei unbegrundeter Entlassung oder bei begrundetem Austritt stehen dem Dienstnehmer die gesetzlichen und kollektivvertraglichen Ansprüche zu.
Wird der Dienstnehmer aus seinem Verschulden fristlos entlassen oder tritt er ohne wichtigen Grund vorzeitig aus, wird ungeachtet eventueller Schadenersatzansprüche eine Konventionalstrafe vereinbart. Diese beträgt bei unbefristetem Dienstverhältnis einen halben Monatsbezug, bei befristetem Dienstverhältnis einen ganzen Monatsbezug" ...
Mit der Behauptung, daß der Beklagte das Arbeitsverhältnis ohne Grund vorzeitig aufgelöst habe und deshalb zur Zahlung der vereinbarten Konventionalstrafe in der Höhe eines Brutto-Monatsbezuges verpflichtet sei, verlangt die Klägerin vom Beklagten 22 000 brutto sA. Der Beklagte hat dieses Begehren dem Gründe und der Höhe nach bestritten. Er sei von der Klägerin vertragswidrig zu nicht branchenüblichen Dienstleistungen herangezogen worden und deshalb mit Grund ausgetreten. Die vereinbarte Konventionalstrafe in der Höhe eines monatlichen Nettobezuges von 14 000 S sei - insbesondere wegen der einseitigen Belastung des Arbeitnehmers - ungesetzlich und sittenwidrig; sie wäre im übrigen, weil die Klägerin keinen Schaden erlitten habe, entsprechend zu mäßigen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahme ab. Es sei zwar gesicherte Rechtsprechung, daß die Verpflichtung zur Zahlung einer Konventionalstrafe nicht vom Eintritt oder vom Nachweis eines Schadens abhängt; eine Vereinbarung, mit der - wie hier - dem Vertragspartner das Recht eingeräumt wird, die Konventionalstrafe neben dem Ersatz seines Schadens zu verlangen, verstoße aber gegen § 879 Abs. 1 ABGB und sei deshalb unwirksam.
Infolge Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; zugleich sprach es aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu folgenden rechtlichen Schlußfolgerungen: Ob die Klägerin nach Punkt III des Arbeitsvertrages vollen Schadenersatz oder nur den Ersatz eines die Konventionalstrafe übersteigenden Schadens verlangen könne, brauche nicht weiter geprüft zu werden, weil mit der vorliegenden Klage lediglich die Konventionalstrafe geltend gemacht werde; im übrigen wäre eine Vereinbarung, die neben der Konventionalstrafe (als pauschaliertem Schadenersatz) noch einen vollen Schadenersatzanspruch vorsieht, keineswegs zur Gänze nichtig, sondern nur insoweit rechtsunwirksam, als damit das zulässige Ausmaß einer solchen Vereinbarung überschritten werde. Da gegen die Rechtswirksamkeit der hier vereinbarten Konventionalstrafe auch unter dem Gesichtspunkt der einseitigen Belastung (nur) des Arbeitnehmers keine rechtlichen Bedenken bestunden, das Erstgericht aber - von seiner unrichtigen Rechtsansicht ausgehend - über den sonstigen Prozeßstoff weder Beweise aufgenommen noch Feststellungen getroffen habe, bedürfe es noch einer ergänzenden Verhandlung in erster Instanz. Dabei werde nicht nur der vom Beklagten ins Treffen geführte Austrittsgrund, sondern auch die Frage zu prüfen sein, ob die Parteien einen Brutto- oder einen Netto-Monatsbezug des Beklagten als Konventionalstrafe vereinbart haben. Zur Beurteilung der Voraussetzungen des vom Beklagten in Anspruch genommenen richterlichen Mäßigungsrechtes bedürfe es überdies noch weiterer Feststellungen über den Schaden der Klägerin und deren Interesse an der Vertragserfüllung durch den Beklagten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rechtsmittelwerber ist einzuräumen, daß § 1336 Abs. 1 Satz 1 ABGB die Vereinbarung eines "Vergütungsbetrages" (einer "Konventionalstrafe") nicht neben dem Ersatz des durch Nichterfüllung oder Schlechterfüllung des Vertrages erlittenen Schadens, sondern - als pauschalierten Schadenersatz anstatt des zu vergütenden Nachteils" zuläßt (EvBl. 1976/194; EvBl. 1977/83; EvBl. 1979/170 uva.; ebenso Wolff in Klang[2] VI 186; Ehrenzweig[2] II/1, 191; Koziol - Welser[6] I 167; Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 27). Etwas anderes kann aber auch dem Arbeitsvertrag nicht entnommen werden. Wenn die Parteien hier (ua.) für den Fall eines grundlosen vorzeitigen Austritts des Beklagten ungeachtet eventueller Schadenersatzansprüche eine Konventionalstrafe vereinbart haben, dann kann dies bei ungezwungener Auslegung nur dahin verstanden werden, daß die hier vorgesehene Zahlungsverpflichtung des Beklagten ohne Rücksicht darauf entstehen sollte, ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin durch die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses einen Schaden erleiden würde. Gerade das entspricht aber dem Wesen der Konventionalstrafe, welche nach herrschender Auffassung im Zweifel wohl ein Verschulden des Leistungspflichtigen an der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung des Vertrages voraussetzt, dann aber als pauschalierter Schadenersatz von der Höhe des tatsächlichen Schadens unabhängig ist und demgemäß dem Gläubiger selbst dann gebührt, wenn überhaupt kein Schaden eingetreten ist (SZ 25/272; SZ 42/57; JBl. 1950, 241; EvBl. 1962/307; JBl. 1968, 567; JBl. 1974, 368; EvBl. 1976/194; EvBl. 1977/83; ebenso Ehrenzweig aaO; Gschnitzer aaO; Koziol - Welser aaO).
Gegen die Gültigkeit der in Punkt III Abs. 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten Konventionalstrafe bestehen aber auch sonst keine rechtlichen Bedenken. Schon das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß die im Gesetz begrundete Schadenersatzpflicht des grundlos ausgetretenen Arbeitnehmers (s. insbesondere § 1162a ABGB; § 28 AngG) im Einzelfall auch durch eine Konventionalstrafe gesichert werden kann (vgl. dazu auch Martinek - Schwarz, AngG[5] 553 ff. zu § 38); dem Beklagten kann aber auch insoweit nicht gefolgt werden, als er die Rechtswirksamkeit der hier in Rede stehenden Vereinbarung wegen Fehlens einer gleichartigen Abmachung zu Lasten der Klägerin in Zweifel zieht. Daß auch die Klägerin bei unberechtigter Entlassung oder begrundetem Austritt des Beklagten zum Schadenersatz verpflichtet wäre, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 1162b ABGB; § 29 AngG ua.) und wird überdies in Punkt III Abs. 1 des Arbeitsvertrages ausdrücklich bekräftigt. Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht darauf verwiesen, daß solche Ersatzansprüche des Arbeitnehmers - welcher nach den angeführten Bestimmungen seine vertraglichen Entgeltansprüche bis zum Ende der vereinbarten Vertragszeit oder bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist behält - regelmäßig viel leichter ermittelt werden können als jene Nachteile, die dem Arbeitgeber aus einer Vertragsverletzung des Arbeitnehmers drohen. Unter Bedachtnahme auf diesen Umstand kann aber auch nach Ansicht des OGH in einer nur zu Lasten des Arbeitnehmers getroffenen Konventionalstrafvereinbarung, wie sie hier vorliegt, keine einseitige und daher unzulässige Benachteiligung des wirtschaftlich schwächeren Vertragspartners gesehen werden, dies um so weniger, als ja das dem Richter in § 1336 Abs. 2 ABGB (vgl. auch § 38 AngG) eingeräumte Mäßigungsrecht in jedem Fall eine ausreichende Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen des Arbeitnehmers gewährleistet.
Schließlich versagt auch die Berufung des Beklagten auf § 879 Abs. 1 ABGB. Zwar könnte an sich auch in der Vereinbarung einer unverhältnismäßig hohen, den tatsächlichen Schaden weit übersteigenden und damit die Existenz des Verpflichteten bedrohenden Konventionalstrafe im Einzelfall ein Verstoß gegen die guten Sitten gesehen werden (Arb. 8909 = SozM I A e 929; EvBl. 1976/194; JBl. 1976, 487 ua.); abgesehen davon aber, daß eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Schuldners auch hier durch entsprechende Ausübung des richterlichen Mäßigungsrechtes weitgehend vermieden werden könnte, kann eine Konventionalstrafe in der Höhe eines Monatsbezuges, wie sie die Parteien für den vorliegenden Fall vereinbart haben, gewiß nicht als an sich übermäßig und damit sittenwidrig beanstandet werden. Soweit aber der Beklagte die Auffassung vertritt, ein Begehren auf Zahlung von "22 200 S brutto" sei unbestimmt, nicht vollstreckbar und schon deshalb abzuweisen, ist ihm zu erwidern, daß nach ständiger Rechtsprechung des OGH auch Bruttobeträge eingeklagt werden können (vgl. dazu insbesondere SZ 28/187; Arb. 6351, 7519, 7580 uva.).
Geht man aber mit dem Berufungsgericht von der Rechtswirksamkeit der Konventionalstrafvereinbarung in Punkt III des Arbeitsvertrages aus, dann erweist sich die im angefochtenen Beschluß angeordnete Ergänzung des erstgerichtlichen Verfahrens als unumgänglich.
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