Spruch:
Da bei einer Zahnbrücke nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, wie lange sie zu verwenden ist, ist bei ihrem Ersatz ein Abzug "neu für alt" nur gerechtfertigt, wenn die neue Brücke dem Geschädigten mit Sicherheit eine längere Gebrauchsmöglichkeit bietet als die beschädigte
OGH 12. 4. 1983, 2 Ob 56/83 (OLG Linz 5 R 232/82; KG Wels 7 Cg 351/81)
Text
Die Klägerin wurde am 30. 11. 1980 bei einem Verkehrsunfall auf der Westautobahn im Gemeindegebiet Vorchdorf schwer verletzt.
Sie begehrte aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes ua. den Zuspruch eines Betrages von 38 905.82 S für die Erneuerung einer bei dem Unfall beschädigen Zahnbrücke.
Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Betrag von 20 000 S zu und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest, daß die Beschädigung der sieben Jahre alten, eine Haltbarkeit von insgesamt 15 Jahren aufweisenden Zahnbrücke der Klägerin unfallskausal und aus medizinischer Sicht eine Neuanfertigung und Neueinzementierung erforderlich war. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat es die Ansicht, daß der Klägerin im Hinblick auf die im Verhältnis zur ursprünglichen Zahnbrücke an sich etwas teurere Neuausführung - anteilsmäßig 4440 S - und unter Bedachtnahme auf die Tatsache, daß von der 15 jährigen Tragdauer der ursprünglichen Zahnbrücke zum Unfallszeitpunkt bereits acht Jahre abgelaufen waren, nicht der volle Kostenbetrag von 38 905.82 S zuerkannt werden könne, da sie sonst bereichert wäre. Ausgehend von der Haltbarkeit der neuen Zahnbrücke von wiederum 15 Jahren müsse daher ein Abzug "neu für alt" vorgenommen werden, der unter Berücksichtigung des Betrages von 4440 S schließlich einen nach § 273 ZPO zu bestimmenden Ersatzbetrag von 20 000 S angemessen erscheinen lasse.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und sprach der Klägerin den gesamten verlangten Betrag von 38 905.82 S zu. Es vertrat auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen die Rechtsansicht, daß es sich bei der vom Erstgericht angenommenen Bereicherung der Klägerin um ein Problem der Vorteilsausgleichung handle, auf welches nicht von Amts wegen, sondern nur über Einwendung eingegangen werden könne. Die beklagten Parteien hätten diesbezüglich aber keinerlei Behauptungen aufgestellt. Dem Gericht sei es in einem solchen Fall verwehrt, Beweisergebnisse zu berücksichtigen, die nicht in den Rahmen eines geltend gemachten Klagsgrundes oder einer bestimmten Einwendung fielen. Somit seien die unfallskausalen Zahnsanierungskosten von 38 905.82 S ungekürzt zuzusprechen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens hat, durch die Ersatzleistung also weder schlechter noch besser als vor dem Schadensereignis gestellt werden darf. Der Ersatz ist ihm gemäß § 1323 ABGB in erster Linie im Wege der Naturalrestitution, im Falle der Untunlichkeit aber durch Vergütung des Schätzwertes zu leisten. Beruht das schädigende Verhalten auf leichter Fahrlässigkeit, so ist nach der Bestimmung des § 1332 ABGB der gemeine Wert der beschädigten Sache zu ersetzen. Dieser besteht iS des § 305 ABGB in dem zu schätzenden Nutzen, den die Sache mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, also dem Verkehrswert.
Bei einer ausschließlich für den individuellem Gebrauch geeigneten, niemandem anderen als dem Geschädigten dienlichen Sache mangelt es zwangsläufig an einem Verkehrswert. In diesem Falle bestimmt sich der gemeine Wert zwar grundsätzlich nach den Herstellungskosten; in der Frage ihres Ersatzes durch den Schädiger ist aber die Judikatur, wonach bei der Berechnung des gemeinen Wertes einer gebrauchten Sache für die vor ihrer Beschädigung erfolgte Abnützung - und somit im Verhältnis zu jener der neuen Sache nur noch kürzeren zukünftigen Benützungsmöglichkeit - ein angemessener Abzug von den Kosten ihrer Neuherstellung vorzunehmen ist (SZ 35/87; SZ 37/165; JBl. 1982, 601 ua.), nicht allgemein anwendbar. Es kommt nämlich darauf an, ob die neue Sache dem Beschädigten tatsächlich mit Sicherheit eine längere Brauchbarkeit bietet als die beschädigte gebrauchte Sache noch geboten hätte und ihr nur für ihn gegebener Wert aus diesem Gründe jedenfalls entsprechend größer ist als jener der gebrauchten Sache im Zeitpunkt ihrer Beschädigung. Nur in diesem Fall wäre der Beschädigte iS des eingangs zitierten Grundsatzes durch die Ersatzleistung sodann bessergestellt als vor dem Schadensereignis.
Unter diesem Gesichtspunkt kommt aber im vorliegenden besonderen Falle der von den beklagten Parteien begehrte Abzug von den Herstellungskosten - gleichgültig ob im Wege der Schadensberechnung oder der Vorteilsausgleichung - nicht in Betracht. Bei einem teilweisen Zahnersatzstück, wie es eine Zahnbrücke darstellt, ist erfahrungsgemäß nicht allein die Haltbarkeit dieser Sache als solcher, sondern ihre Verwendbarkeit im Zusammenhang mit dem verbliebenen natürlichen Zahnbestand des Trägers von erheblicher Bedeutung. Es kommt also ganz wesentlich auf die besonderen, kaum vorhersehbaren subjektiven - wenngleich nicht iS des Interesseersatzes nach den §§ 1324, 1331 ABGB zu verstehenden - Umstände an. In dieser Hinsicht kann aber hier nicht von vornherein gesagt werden, daß die neue Zahnbrücke der Klägerin jedenfalls länger als acht Jahre, das ist die restliche Gebrauchsdauer der ursprünglichen Zahnbrücke, dienlich sein wird. Somit ist aber eine von den Revisionswerbern behauptete Besserstellung und damit Bereicherung der Klägerin nicht zugrunde zu legen.
Hinsichtlich der anteiligen Mehrkosten von 4440 S für die verbesserte Ausführung der neuen Zahnbrücke ist schließlich auf folgendes zu verweisen: Nach den oben dargelegten allgemeinen Grundsätzen besteht bei Sachen ohne Verkehrswert gemäß § 1332 ABGB der Anspruch auf Ersatz der Herstellungskosten (allenfalls unter Vornahme eines dem Gebrauch angemessenen Abschlages). Die Klägerin hat vorliegendenfalls nachgewiesen, daß sie für die Herstellungskosten der neuen Zahnbrücke tatsächlich Kosten in der Höhe von 38 905.82 S aufwendete. Es wäre an den beklagten Parteien gelegen gewesen, demgegenüber zu behaupten, daß mit diesen nicht bloß ein Ersatz für die unbrauchbar gewordene Sache, sondern eine bessere Sache hergestellt worden sei. Lediglich auf Grund eines solchen Vorbringens wären hiezu Beweise aufzunehmen gewesen bzw. hätten diesbezügliche Beweisergebnisse berücksichtigt werden können. Wenn das Berufungsgericht mangels einer solchen erforderlichen Einwendung die überschießenden erstgerichtlichen Feststellungen als unbeachtlich bezeichnete und der Klägerin in dieser Hinsicht die gesamten Herstellungskosten zusprach, so steht dies im Einklang mit der ständigen Judikatur (5 Ob 217/75; 8 Ob 200/80; 7 Ob 736/82 uva.).
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