Spruch:
Für seine unrichtige Erklärung, daß das gesamte erhöhte Stammkapital bar einbezahlt sei und zu seiner Verfügung stehe, haftet der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH nicht, wenn wegen voller Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft mit einer Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aufgerechnet werden durfte
OGH 9. 3. 1983, 1 Ob 515/83 (OLG Linz 2 R 130/82; LG Salzburg 14 Cg 44/82)
Text
Der Beklagte war Geschäftsführer der Firma B GesmbH (im folgenden Gesellschaft). In der Generalversammlung vom 16. 7. 1980 beschlossen die Gesellschafter, die Kurt L GesmbH, die B Kommanditgesellschaft und Dipl.-Ing. Wolf Dieter L, das Stammkapital von 3 auf 30 Mio. S zu erhöhen und die Gesellschafterin Firma Kurt L GesmbH zur Übernahme des gesamten erhöhten Stammkapitals zuzulassen. Die Kurt L GesmbH übernahm das gesamte erhöhte Stammkapital und verpflichtete sich, diese auf sie entfallende neue Stammeinlage sogleich bar an die Gesellschaftskasse zur Einzahlung zu bringen. Obwohl eine Bareinzahlung nicht erfolgte, vielmehr anstelle der Einzahlung eine Forderung der Gesellschafterin, B KG in der Höhe von 27 Mio. S, die im Zeitpunkt der Erhöhung des Stammkapitals richtig und fällig war, zur Verrechnung herangezogen wurde, meldete ua. der Beklagte am 13. 8. 1980 dem Landes- als Handelsgericht Salzburg die Erhöhung des Stammkapitals mit der Erklärung an, daß das gesamte erhöhte Stammkapital bar einbezahlt worden sei und zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehe. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 7. 11. 1980 das Ausgleichsverfahren und mit Beschluß vom 4. 12. 1980 der Anschlußkonkurs eröffnet. Die klagende Partei, der der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft die Forderung auf "Einzahlung des Stammkapitals" abgetreten hat, begehrt vorläufig den Zuspruch eines Betrages von 500 000 S sA. Sei die Erklärung der Geschäftsführer, daß das gesamte erhöhte Stammkapital bar einbezahlt worden sei, wissentlich falsch, so seien die Geschäftsführer aus dem Titel des Schadenersatzes verpflichtet, die der Gesellschaft entgangene Stammeinlage einzuzahlen. Der der Gesellschaft durch die unrichtige Erklärung entstandene Schaden betrage 27 Mio. S. Im Zeitpunkt der behaupteten Aufrechnung sei die Gesellschaft überschuldet und zahlungsunfähig gewesen.
Der Beklagte wendete ein, zwischen der Kurt L GesmbH, der B KG und der Gesellschaft sei vereinbart worden, daß die Forderung der B KG an die Kurt L GesmbH abgetreten und von dieser mit der Forderung der Gesellschaft auf Einzahlung der Erhöhung des Stammkapitals verrechnet werde. Der Sinn dieser Vorgangsweise sei gewesen, die Gesellschaft mit einer entsprechenden Eigenkapitalbasis auszustatten und sinnlose und kostspielige Geldtransfers zu vermeiden. Durch die Einzahlung der Stammkapitalerhöhung im Verrechnungsweg sei daher kein Schaden entstanden. Die Aktiva und Passiva des Unternehmens hätten keine Veränderungen erfahren, ihre Situation sei dadurch verbessert worden, daß aus einer unbedenklichen und fälligen Forderung risikotragendes Eigenkapital geschaffen worden sei. Richtig sei allerdings, daß im Juli und August 1980 und in der Folge das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichend gewesen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Stehe fest, daß das Gesellschaftsvermögen der späteren Gemeinschuldnerin im Juli und August 1980 und in der Folge zur Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger nicht ausreichte, habe der Pflicht der Gesellschafterin Kurt L GesmbH zur Einzahlung der Stammeinlage von 27 Mio. S durch Aufrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft nicht nachgekommen werden können. Damit hafte der Beklagte gemäß § 10 Abs. 4 GmbHG für den durch seine falschen Angaben der Gesellschaft verursachten Schaden. Der Schaden der Gesellschaft bestehe grundsätzlich in der Höhe der ihr entgangenen Einlage, sohin in der Höhe von 27 Mio. S.
Das Berufungsgericht änderte über die Berufung des Beklagten das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Ob ein Schaden entstanden sei, sei nach der Differenzrechnung zu ermitteln. Es sei zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis festzustellen und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögensstand abzuziehen. Durch die Verrechnung der erhöhten Kapitaleinlage habe sich die Vermögensbilanz der Gesellschaft nur insofern geändert, als um die Höhe des Erhöhungskapitals eine fällige Forderung gegen die Gesellschaft reduziert worden sei. Das Aufrechnungsverbot gemäß § 63 GmbHG habe keine absolute Wirkung. Es werde nur dem durch die unzulässige Aufrechnung Geschädigten gegenüber wirksam, etwa durch Anfechtung, doch gehe es in diesem Rechtsstreit nicht darum, ob Gläubiger der Gesellschaft geschädigt worden seien, sondern nach Maßgabe der Haftungsbestimmung des § 10 Abs. 4 GmbHG lediglich darum, welchen Schaden die Gesellschaft selbst durch die unrichtige Anmeldung zum Handelsregister erlitten habe. Sei es jedoch für die Vermögensbilanz im Ergebnis gleichgültig gewesen, ob das Stammkapital bar einbezahlt worden sei oder ob in der Höhe des Stammkapitals Verbindlichkeiten verringert worden seien, dann könne der Schaden der Gesellschaft allenfalls nur darin gelegen sein, daß die Geschäftsführer, wäre ihnen das erhöhte Stammkapital frei zur Verfügung gestanden, andere Forderungen von Gläubigern hätten berichtigen können, die vielleicht drückender gewesen seien als jene der Mitgesellschafterin, und auf diese Weise den Ausgleich oder den Anschlußkonkurs hintanhalten hätten können. In dieser Richtung sei aber in erster Instanz kein Vorbringen erstattet worden.
Über Revision der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 53 Abs. 1 GmbHG ist der Beschluß auf Erhöhung des Stammkapitals zum Handelsregister anzumelden, sobald das erhöhte Stammkapital durch Übernahme der Stammeinlagen gedeckt und deren Einzahlung erfolgt ist. Nach § 52 Abs. 6 GmbHG ist die Vorschrift des § 10 GmbHG auf die Erhöhung des Stammkapitals sinngemäß anzuwenden. Nach § 10 Abs. 3 GmbHG ist in der Anmeldung ua. die Erklärung abzugeben, daß die bar zu leistenden Stammeinlagen bar einbezahlt sind und daß die eingezahlten Beträge sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden.
Nach § 10 Abs. 4 GmbHG haften die Geschäftsführer der Gesellschaft für einen durch falsche Angaben verursachten Schaden persönlich zur ungeteilten Hand. Diese Ersatzpflicht soll vor allem dazu dienen, den Ausfall zu decken, den die Gesellschaft dadurch an ihrem Stammkapital erleidet (RV 236 BlgHH XVII. Session 62). Die Geschäftsführer haben als Ersatz jedenfalls den auf die Stammeinlagen fehlenden Betrag zu leisten und nach nunmehr vorherrschender Meinung auch einen darüber hinausgehenden Schaden zu ersetzen (Kastner, Gesellschaftsrecht[3] 253; vgl. zum dGmbHG § 9 Abs. 1 aF Hachenberg - Ulmer, GmbHG[7] Rdz. 11; Scholz - Winter, GmbHG[6] Anm. 5; Baumbach - Hueck[13] 57; nunmehr verdeutlicht § 9a Abs. 1 dGmbHG idF BGBl. I 1980, 836). Der Ersatzanspruch steht der Gesellschaft zu und dient nur auch dem Gläubigerschutz, der vor allem im Konkurs der Gesellschaft zum Tragen kommt (s. auch dazu schon RV aaO). Für die Ersatzpflicht der Geschäftsführer ist es demnach ohne Belang, ob neue Gläubiger im Vertrauen auf die Bareinzahlungserklärung des Beklagten getäuscht wurden. Ein grundsätzlicher Haftungsunterschied für falsche Erklärungen bei Anmeldung der Gesellschaft und bei Anmeldung einer Erhöhung des Stammkapitals besteht also nicht.
Im Konkurs der Gesellschaft sind Ansprüche aus dieser Haftung der Geschäftsführer vom Masseverwalter geltend zu machen (vgl. SZ 45/46). Die Erklärung des Beklagten in der Anmeldung der Erhöhung des Stammkapitals, "daß das gesamte erhöhte Stammkapital bar einbezahlt ist und zur freien Verfügung der Geschäftsführer steht", entsprach insofern nicht den Tatsachen, als das erhöhte Stammkapital nicht bar eingezahlt war und der Barbetrag nie in der freien Verfügung der Geschäftsführer stand. Dies wäre aber dann unschädlich, wenn trotz des Verbotes des § 63 Abs. 3 GmbHG dadurch bloß ein sinnloses Hin- und Herschieben von Geldbeträgen vermieden worden wäre; Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufrechnung ist aber die Vollwertigkeit der Forderung des Gesellschafters, da nur dann gesagt werden kann, daß die Aufrechnung der Barzahlung gleichsteht. Reicht hingegen das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller Gesellschaftsschulden nicht aus, ist die Gesellschaft überschuldet oder gar zahlungsunfähig, so ist die Vollwertigkeit der Forderung des Gesellschafters nicht gegeben, und eine Aufrechnung auch durch die Gesellschaft ausgeschlossen (GesRZ 1981, 230; GesRZ 1981, 184; EvBl. 1978/172; SZ 42/6; SZ 40/168 ua.; Kostner, GmbHG[3] 115; Kastner aaO 230 f.). Der Beklagte gestand ausdrücklich zu, daß im Juli und August 1980 und in der Folge das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichte. Dem Berufungsgericht kann dann aber nicht gefolgt werden, daß durch den Abschluß eines solchen Aufrechnungsvertrages der Gesellschaft kein Schaden entstanden sein könne, weil sich die Summe der Passiven nicht geändert habe. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Geschäftsführer, wäre das erhöhte Stammkapital zu seiner freien Verfügung gestanden, ohne Verletzung von zum Schutze der Gesellschaft oder der Gesellschaftsgläubiger erlassener Vorschriften berechtigt gewesen wäre, die Forderung des Gesellschafters voll oder teilweise zu befriedigen. Über das Vermögen einer GesmbH ist im Falle der Überschuldung der Konkurs zu eröffnen (§ 69 Abs. 1 KO aF; ab 1. 1. 1983 § 67 Abs. 1 KO nF). Überschuldet ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung dann, wenn das Aktivvermögen der Gesellschaft unter Berücksichtigung etwaiger stiller Reserven und ihrer voraussichtlichen Verwertungsmöglichkeit nicht mehr die echten Verbindlichkeiten - also ohne Stammkapital und Rücklagen - deckt (SZ 51/88 mwN). Nur wenn bei Bareinzahlung die vorher bestandene Überschuldung entfallen wäre, eine Verpflichtung der Geschäftsführer, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen, also nicht mehr bestanden hätte, hätten die neuen Stammeinlagen zur Tilgung der Forderung des Gesellschafters verwendet und daher von der Gesellschaft auch gleich aufgerechnet werden dürfen. Blieb aber ungeachtet der Zuführung neuer Barmittel das Gesellschaftsvermögen nicht ausreichend, alle Verbindlichkeiten zu decken, hätte eine dennoch erfolgte Zahlung das Gesellschaftsvermögen geschmälert, mit der Aufrechnung der nicht vollwertigen Forderung wäre der Gesellschaft ein Schaden entstanden.
Aus dem die Überschuldung betreffenden Vorbringen des Beklagten ergibt sich nicht ganz eindeutig, ob der Beklagte damit zum Ausdruck bringen wollte, auch ungeachtet einer Bareinzahlung von 27 Mio. S wäre eine vorher bestehende Überschuldung der Gesellschaft nicht beseitigt worden. Träfe dies zu, erfolgte die Stattgebung des Klagebegehrens durch das Erstgericht zu Recht. Es bedarf einer Verfahrensergänzung in erster Instanz, sodaß gemäß § 510 Abs. 1 ZPO die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben sind.
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