OGH 7Ob711/82

OGH7Ob711/8213.1.1983

SZ 56/7

Normen

HGB §54
IPRG §49
HGB §54
IPRG §49

 

Spruch:

In den Anwendungsbereich des Stellvertretungsstatuts nach § 49 IPRG fällt die Frage, ob eine Vollmacht besteht, welchen Umfang sie hat, ob sie überschritten und ob eine Überschreitung nachträglich genehmigt wurde. Wenn der Machthaber erkennbar im Inland tätig werden sollte und auch tätig wurde, ist für diese Fragen der Stellvertretung österreichisches Recht anzuwenden

Eine Handlungsvollmacht nach § 54 HGB kann durch schlüssiges Handeln erteilt werden. Maßgebend ist dabei der Erklärungswert des Verhaltens des Inhabers gegenüber Dritten

OGH 13. 1. 1983, 7 Ob 711/82 (OLG Linz 1 R 89/82; LG Salzburg 8 Cg 73/82)

Text

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 5180.80 DM sA, zahlbar in österreichischen Schilling zum Kurs der Wiener Börse Devise-Ware-Frankfurt am Main am Zahlungstag, und bringt vor, der Beklagte schulde ihr diesen Betrag für einen am 14. 8. 1980 gemieteten Stand für die 12. Internationale Bootsausstellung in Düsseldorf vom 24. 1. bis 1. 2. 1981 und für die mit demselben Auftrag bestellten Installationen.

Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, es fehle ihm die passive Klagelegitimation. Der Mietvertrag vom 14. 8. 1980 sei nicht mit dem Beklagten, sondern mit der Firma Bootswerft Erich S abgeschlossen worden. Der Beklagte sei nur Angestellter dieser Firma gewesen und habe als solcher den Vertrag im Auftrag der Firma Bootswerft Erich S unterschrieben.

Die Klägerin bringt dagegen vor, Erich S, der Alleininhaber des nicht protokollierten Unternehmens, sei am 18. 3. 1980 gestorben. Zur Verlassenschaftskuratorin sei Maria S bestellt worden. Maria S habe den Beklagten nicht bevollmächtigt, für die Verlassenschaft Verträge abzuschließen oder Aufträge zu erteilen. Der Beklagte hafte der Klägerin, da diese von der mangelnden Vertretungsbefugnis des Beklagten keine Kenntnis gehabt habe.

Der Beklagte behauptet demgegenüber, er sei von Maria S generell ermächtigt worden, die Geschäfte der Firma weiterzuführen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende Feststellungen: Am 18. 3. 1980 verstarb Erich S, Bootsbauer, zuletzt Alleininhaber der nicht protokollierten Einzelfirma "Bootswerft Yachting und Sport Erich S" mit dem Sitz in W. Mit Beschluß des BG St. Gilgen vom 3. 4. 1980 wurde die Witwe nach Erich S, Maria S, gemäß § 145 AußStrG zum Verlassenschaftskurator bestellt; es wurde ihr über ihren Antrag die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft übertragen. Über ihren weiteren Antrag erfolgte am 9. 4. 1981 die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Verlassenschaft. Die Klägerin hat ihre Forderung in diesem Konkursverfahren nicht angemeldet. Maria S war nach dem Tod ihres Ehegatten mit der Führung der Bootswerft nicht so gut vertraut und beschäftigte daher den Beklagten als Angestellten mit einem Monatsgehalt von 7000 S um ihr behilflich zu sein. Zum Geschäftsführer wurde der Beklagte jedoch nicht bestellt. Maria S und der Beklagte vereinbarten die Zusammenarbeit in der Art, daß der Beklagte kleinere Angelegenheiten wie zB die Bestellung von Material und Beschlägen und die tägliche Korrespondenz allein erledigen konnte und größere Angelegenheiten wie zB der Verkauf von Booten ab etwa 10 000 S aufwärts gemeinsam besprochen wurden. Nach Einlangen von Bestellformularen für die 12. Internationale Bootsausstellung Düsseldorf vom 24. 1. bis 1. 2. 1981 "Boot 81" bestellte der Beklagte ohne Wissen der Maria S am 14. 8. 1980 bei der Klägerin einen Blockstand von zirka 56 m2 zu 94 DM/m2. In der Anmeldung verwendete er den Firmenstempel und bezeichnete Maria S als Firmeninhaberin und sich selbst als Geschäftsführer und führte weiter an, die Firma sei im Handelsregister eingetragen. Erich S hatte bereits früher einmal auf der Internationalen Bootsausstellung in Düsseldorf ausgestellt, jedoch nicht als Bootswerft, sondern als Segelschule. Die Bootsausstellung beschickte Erich S in Friedrichshafen. Maria S erfuhr von der Anmeldung für die Ausstellung im Jänner 1981 erstmals anläßlich von Verkaufsverhandlungen im Dezember 1980, wobei der Kaufinteressent erklärte, er wolle die Ausstellung auch beschicken. Tatsächlich wurde die Ausstellung aber nicht beschickt und die Klägerin stellte mit den Rechnungen vom 3. 2. 1981 und 10. 2. 1981 die vereinbarte Stornogebühr von 5076 DM und die zu bezahlenden Aufwendungen für Stromanschluß und dergleichen mit 104.80 DM in Rechnung. Die Rechnungen sind gerichtet an "Yachting-Sport S", Bootswerft, W. Mit Klage vom 24. 6. 1981, 7 Cg 347/81 des Kreisgerichtes Wels, machte die Klägerin den Klagebetrag gegen Maria S geltend. In der Klagebeantwortung wurde das Begehren mit der Begründung bestritten, daß Maria S vom Auftrag nichts gewußt und nur die Verlassenschaft nach Erich S passiv legitimiert wäre. In dem Verfahren trat am 1. 12. 1981 Ruhe ein.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Beklagte habe die ihm von Maria S für kleinere Geschäfte eingeräumte Vertretungsmacht überschritten; er hafte daher nach Abs. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes führte es in seiner rechtlichen Beurteilung aus, der Erblasser sei Kaufmann iS des § 1 Abs. 2 Z 1 HGB gewesen, da aus der Bootswerft auch Schiffe verkauft worden seien und auch die Teilnahme an einer Ausstellung mit dem Betrieb einer bloßen Reparaturwerkstätte nichts zu tun habe. Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB sei aber nicht nur aus diesem Grund sondern auch deshalb anwendbar, weil diese Bestimmung inhaltsgleich mit § 179 dBGB sei und im vorliegenden Fall gemäß § 36 IPRG deutsches Recht Anwendung zu finden habe. Die Klägerin als Gläubigerin der Geldforderung habe nämlich ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte habe offensichtlich den Betrieb geführt und nur in wichtigen Angelegenheiten im Innenverhältnis die Zustimmung der Maria S einzuholen gehabt. Die von ihm getätigte Bestellung sei unter diesen Voraussetzungen von vornherein wirksam und der Verlassenschaft zuzurechnen gewesen, sodaß im Dezember 1980 gar nicht mehr jener Schwebezustand bestanden habe, der eine Stellungnahme der Verlassenschaftskuratorin erheischt hätte. Sollte Maria S bei wichtigeren Geschäften aber doch federführend nach außen in Erscheinung getreten sein, habe ihr, als sie von der Bestellung des Beklagten im Dezember 1980 Kenntnis erlangt habe, geläufig sein müssen, daß mangels ihrer Zustimmung eine schwebende Geschäftsbeziehung vorliege und daß sie es einem der Streitteile gegenüber zum Ausdruck bringen müsse, wenn sie - als Kuratorin - die Bestellung nicht aufrechterhalten wolle. Das Verhalten der Maria S könne nicht anders gewürdigt werden, als daß sie der vom Beklagten begrundeten Geschäftsbeziehung zugestimmt habe. Eine Haftung des Beklagten sei daher nicht gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nicht zu folgen ist der Ansicht des Berufungsgerichtes, es sei bei der Entscheidung der hier relevanten Fragen gemäß § 36 IPRG deutsches Recht anzuwenden. Wesentlich für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites ist es, ob der Beklagte als Vertreter ohne Vertretungsmacht tätig geworden ist, ob er demnach zur Bestellung mit Wirkung für die Verlassenschaft nach Erich S berechtigt war oder ob die Bestellung des Beklagten doch durch die Verlassenschaftskuratorin Maria S genehmigt wurde. Nach welchem Recht die Voraussetzungen und die Wirkungen der gewillkürten Stellvertretung im Verhältnis des Geschäftsherrn und des Stellvertreters zum Dritten zu beurteilen sind, wird im § 49 IPRG geregelt. In den Anwendungsbereich des Stellvertretungsstatuts fällt die Frage, ob eine Vollmacht besteht und welchen Umfang sie hat, ob sie durch Zeitablauf oder durch Tod erlischt, ihre Widerruflichkeit, die Zulässigkeit der Erteilung einer Untervollmacht, Vollmachtsüberschreitung, Vollmachtsmißbrauch, die Voraussetzungen und die Wirkungen einer nachträglichen Genehmigung einer durch Vollmacht nicht gedeckten Vertretungshandlung durch den Geschäftsherrn und dergleichen mehr (Duchek - Schwind, Internationales Privatrecht, 112 und 114 f.). Da der Beklagte erkennbar im Inland tätig werden sollte und auch tätig geworden ist, ist für die Beurteilung der in diesem Verfahren maßgebenden Fragen gemäß § 49 Abs. 2 und 3 IPRG österreichisches Recht anzuwenden.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß Erich S Kaufmann nach § 1 Abs. 2 Z 1 HGB war. Abgesehen davon, daß in seinem Gewerbebetrieb auch Boote angekauft und weiterverkauft wurden, wurde auch die Bootserzeugung und -reparatur mit angeschafften Materialien (deren Einkauf in den selbständigen Wirkungsbereich des Beklagten fiel) durchgeführt. Bei Beurteilung eines Gewerbes nach § 1 Abs. 2 Z 2 HGB ist wesentlich, daß der Gewerbetreibende den Stoff weder selbst produziert noch anschafft; schafft er denn Stoff an, so fällt sein Gewerbe unter die Z 1 (Brüggemann in GroßKomm HGB[3] I 126).

Wurde deshalb dem Beklagten in diesem Gewerbebetrieb Vollmacht erteilt, ist deren Umfang nach § 54 HGB zu beurteilen. Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehörigen Geschäft ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht (Handlungsvollmacht) gemäß § 54 Abs. 1 HGB auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringen. Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozeßführung ist der Handlungsbevollmächtigte nach Abs. 2 dieser Bestimmung nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist. Sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht braucht ein Dritter gemäß Abs. 3 nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen mußte. Eine Handlungsvollmacht nach § 54 HGB braucht nicht ausdrücklich erteilt zu werden; die Erteilung durch schlüssiges Handeln reicht aus (Schlegelberger, HGB[5] II 68; Würdinger in GroßKomm HGB[3] I 565). Entscheidend ist hiefür, ob die Übertragung von Aufgaben an einen Mitarbeiter des Inhabers des Handelsgewerbes durch diesen nach den Anschauungen des Verkehrs als objektiver Ausdruck des Willens auf Übertragung der entsprechenden Handlungsvollmacht zu werten ist. Gegen die Annahme der Erteilung einer Handlungsvollmacht durch schlüssiges Handeln spricht nicht, daß der Inhaber des Handelsgewerbes seinem Mitarbeiter im Innenverhältnis verboten hat, als Vertreter aufzutreten oder jedenfalls eine Einschränkung für eine solche Vertretung gemacht hat. Maßgebend ist insoweit nicht das Innenverhältnis, sondern der Erklärungswert des Verhaltens des Inhabers Dritten gegenüber. Hierauf haben aber interne, nach außen hin nicht verlautbarte Weisungen keinen Einfluß (Schlegelberger aaO 69). Was der konkrete Gewerbebetrieb "gewöhnlich" mit sich bringt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (Würdinger aaO 560). Ein "ungewöhnliches" Geschäft liegt dann vor, wenn mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Unternehmens ungewöhnlich große Verpflichtungen eingegangen oder besondere Bedingungen, wie sie im betreffenden Geschäftszweig nicht üblich sind, gewährt werden (HS 1163).

Daß dem Beklagten konkludent Handlungsvollmacht iS des § 54 HGB zumindest in Form einer Duldungsvollmacht (vgl. hiezu Würdinger aaO 565), erteilt wurde, wird von keiner Seite und auch nicht in der Revision in Frage gestellt. Die interne Beschränkung dieser Vollmacht dahin, daß der Beklagte (nur) "kleinere Angelegenheiten" wie die Bestellung von Material und Beschlägen und die tägliche Korrespondenz allein erledigen konnte, daß aber "größere Sachen" wie der Verkauf von Booten ab etwa 10 000 S aufwärts gemeinsam besprochen werden sollten, braucht die Klägerin deshalb, weil der Gewerbebetrieb des Erich S die Teilnahme an einer Bootsausstellung "gewöhnlich" mit sich brachte, nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn sie diese Beschränkung kannte oder kennen mußte.

Ob die Anmeldung zur Ausstellung der Klägerin eine "kleinere Angelegenheit" war, kann wegen des üblichen Ersatzes der Ausstellungskosten durch die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft nicht sicher gesagt werden; keinesfalls aber ging diese Anmeldung über jene Geschäfte hinaus, die der Betrieb des Handelsgewerbes des Erich S gewöhnlich mit sich brachte. Dies ergibt sich schon daraus, daß Erich S Bootsausstellungen regelmäßig beschickte und daß er auch schon bei der Klägerin - wenn auch mit seiner Segelschule - ausgestellt hatte. Ein beim konkreten Betrieb sich im Rahmen des üblichen haltender Reklameaufwand kann nicht als ein außergewöhnliches Geschäft bezeichnet werden. Er brachte auch ohne den erwähnten Kostenersatz durch die Bundeskammer keine mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Unternehmens ungewöhnlich große Verpflichtungen mit sich.

Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin eine Beschränkung der Handelsvollmacht des Beklagten zumindest hätte kennen müssen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Eine Erörterung der Frage, ob Maria S den Auftrag des Beklagten im Dezember 1980 stillschweigend genehmigt hat, erübrigt sich bei der gegebenen Sachlage. Eine Verantwortlichkeit des Beklagten iS des Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB ist daher nicht gegeben; denn eine Haftung des Scheinvertreters nach dieser Bestimmung entsteht nur, wenn der Vertretungsakt unwirksam und die Unwirksamkeit endgültig ist (Welser, GesRZ 1975, 3)

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