Spruch:
Ein Adoptionsvertrag, in dem das Wahlkind auf alle Unterhaltsansprüche gegen die Wahlmutter verzichtet, ist nicht zu bewilligen
OGH 21. Dezember 1982, 2 Ob 517/81 (LG Innsbruck 4 R 49/81; BG Silz 1 Nc 83/79)
Text
Dietmar stellte am 5. 9. 1979 den Antrag, den zwischen ihm als Wahlkind und seiner Tante Emma R, geborene J, als Wahlmutter am 4. 7. 1978 geschlossenen Adoptionsvertrag gerichtlich zu bewilligen.
Das Erstgericht bewilligte die Annahme an Kindesstatt. Es vertrat auf der ermittelten Sachverhaltsgrundlage die Rechtsansicht, daß sämtliche Voraussetzungen für die Annahme an Kindesstatt vorlägen. Der Umstand, daß die Wahlmutter nicht mehr zum Vertrag stehe und sich gegen dessen Bewilligung ausgesprochen habe, erscheine unerheblich, da ein einseitiger Rücktritt vom Adoptionsvertrag ausgeschlossen sei. Auch die Tatsache des mittlerweiligen Abbruches jeglichen Kontaktes zwischen der Wahlmutter und dem Wahlkind schließe die Bewilligung der Adoption nicht aus, da hiefür lediglich die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend sein könnten.
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Annahme an Kindesstatt die Bewilligung versagte. Es führte aus, die materiellen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Adoption müßten im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlußfassung gegeben sein. In diesem Zeitpunkt habe es vorliegendenfalls aber an dem nach der Bestimmung des § 180a ABGB geforderten gerechtfertigten Anliegen gefehlt. Die Antragsgegnerin habe wegen der aufgetretenen Unstimmigkeiten in der Zwischenzeit ihren nach der Absicht der Vertragsteile im Wege eines Ausgedinges oder Leibrentenvertrages an das Wahlkind zu übergebenden Besitz (Pensionsbetrieb) an fremde Personen verkauft und jeden Kontakt zum Antragsteller eingestellt. Damit sei aber die bei diesem gewiß im Vordergrund gestandene wirtschaftliche Verbesserung als gerechtfertigtes Anliegen weggefallen und auch die Herstellung eines dem Verhältnis zwischen leiblicher Mutter und Kind entsprechenden persönlichen Kontaktes und Naheverhältnisses im Sinne des § 180a ABGB sei nicht mehr möglich.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Wahlkindes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Revisionsrekurs wird ausgeführt, es könne iS der erstgerichtlichen Rechtsansicht nur darauf ankommen, ob bei Vertragsabschluß die für eine Adoption erforderlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. In diesem allein maßgebenden Zeitpunkt habe aber auch das im § 180a ABGB vorausgesetzte gerechtfertigte Anliegen jedenfalls bestanden, so daß der Vertrag vom Gericht bewilligt werden müsse.
Auf die von den Vorinstanzen unterschiedlich gelöste vorgenannte Rechtsfrage ist nicht einzugehen, weil eine Bewilligung des gegenständlichen Vertrages wegen des Inhaltes seines Punktes VIII von vornherein ausgeschlossen ist. Dieser Punkt lautet wie folgt:
"Die leiblichen Eltern des Wahlkindes und das Wahlkind erklären hiemit ausdrücklich und unwiderruflich, daß er (offenbar gemeint: das Wahlkind) auf die ihm allenfalls zustehende Berechtigung zur Forderung eines Unterhaltes für die Zukunft auch für den Fall der Not und der geänderten Verhältnisse verzichtet und Frau Emma R, geborene J, nimmt diese Verzichtserklärung an. Herr Dietmar J erklärt ferner, Frau Emma R, geborene J, schad- und klaglos zu halten für alle allfälligen Unterhaltsforderungen und Ansprüche, die von seinen leiblichen Eltern gegen seine Wahlmutter geltend gemacht werden könnten".
Nach dem Inhalte dieses Vertragspunktes verzichtet somit das Wahlkind gegenüber der Wahlmutter auf sämtliche Unterhaltsansprüche und verpflichtet sich, die Wahlmutter für allfällige, von seinen leiblichen Eltern gegenüber dieser erhobene Unterhaltsrückforderungsansprüche (vgl. § 182a letzter Absatz ABGB) schad- und klaglos zu halten.
Gemäß § 182 Abs. 1 ABGB idF des Adoptionsgesetzes BGBl. 1960/58 hat die Annahme an Kindesstatt die Wirkung, daß zwischen Wahleltern und Wahlkind mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kindesannahme die gleichen Rechte entstehen, wie sie durch die eheliche Abstammung begrundet werden. Zu den aus dieser Abstammung hervorgehenden Rechten (vgl. EB zu § 182 Abs. 1 RV 107 BlgNR, IX. GP) zählt insbesondere gemäß § 140 ABGB der Anspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern auf Unterhalt. Dem Wahlkind wird er nach der Anordnung des § 182a ABGB in der geltenden Fassung primär von den Wahleltern geschuldet.
Im Unterschied zur früheren Regelung des § 184 ABGB aF, nach welcher im wesentlichen mit der die Namensführung (§ 182 ABGB aF) betreffenden Ausnahme die Rechte zwischen Wahleltern und Wahlkindern durch Vertrag anders bestimmt werden konnten (vgl. Wentzel - Plessl in Klang[2] I/2, 279), enthält das Adoptionsgesetz, BGBl. 1960/58, das sich die möglichst weitgehende Verwirklichung des Grundsatzes der "vollen" oder "starken" Adoption, bei welcher das Wahlkind als vollwertiges Mitglied in die neue Familie eintritt, zum Ziel gesetzt hat (vgl. EB zu §§ 182, 182 a, 182 b, RV 107 BlgNR IX. GP), diese Vertragsfreiheit nicht mehr. Es ist daher eine vertragsmäßige Änderung der gesetzlichen Wirkungen der Adoption, wie es das Abbedingen der gesetzlichen Unterhaltspflicht der Wahleltern gegenüber dem die Rechte eines ehelichen Kindes genießenden Wahlkind darstellt, nunmehr ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung sind Unterhaltsansprüche für die Zukunft, zumindest soweit sie den notwendigen Unterhalt betreffen, aber auch jedenfalls unverzichtbar (ZBl. 1933/327; GlUNF 827, 7402; SZ 26/12; SZ 49/28; RZ 1978/16; EFSlg. 12.783, 26.171; 4 Ob 545/81 ua.).
Der vorgenannte Vertragspunkt schließt somit aber eine in dem vor Vertragsabschluß neu geregelten Rechtsinstitut der Annahme an Kindesstatt ausdrücklich vorausgesetzte familienrechtliche Wirkung ausdrücklich aus. Damit erfüllt das von den Vertragsteilen vereinbarte Vertragsverhältnis nicht die für einen Vertrag über die Annahme an Kindesstatt geforderten gesetzlichen Voraussetzungen. Ist der Inhalt des zur Bewilligung vorgelegten Adoptionsvertrages oder auch nur eine einzelne seiner Bestimmungen solcherart gesetzwidrig, kann die Bewilligung nicht erteilt werden (Jud 29 neu; SZ 26/106, SZ 34/66; NZ 1965, 105; NZ 1966, 85 ua.).
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