OGH 7Ob655/82

OGH7Ob655/8214.10.1982

SZ 55/152

Normen

ABGB §879
ABGB §1063
ABGB §879
ABGB §1063

 

Spruch:

Durch einen Ratenvergleich über die Kaufpreisschuld wird im Zweifel weder der Eigentumsvorbehalt noch die Geltung vereinbarter AGB berührt

Eine Vereinbarung, daß dem Vorbehaltseigentümer das Recht auf Verwertung der Sache ohne Kontrolle und ohne Wahrung der Interessen des Schuldners zukommen soll, ist unwirksam. Dagegen ist eine Vereinbarung, daß der Vorbehaltsverkäufer bei Verzug und Terminsverlust des Käufers die Sache ohne Rücktritt vom Vertrag zurückverlangen kann, grundsätzlich zulässig. Der Verkäufer hat die Sache erst Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreisrestes neuerlich an den Käufer herauszugeben

OGH 14. Oktober 1982, 7 Ob 655/82 (OLG Wien 1 R 24/82; HG Wien 13 Cg 101/81)

Text

Die Klägerin verkaufte im Mai 1977 der protokollierten Firma Granitwerke E Matthias N drei LKW gegen Eigentumsvorbehalt um 2 190 000 S zuzüglich 18% Umsatzsteuer. Vom Kaufpreis waren 394 200 S bei Lieferung bar zu bezahlen, der Kaufpreisrest sollte in 36 gleichen aufeinanderfolgenden Monatsraten, beginnend zwei Monate nach der Lieferung, entrichtet werden. Dem Kauf wurden die Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei zugrunde gelegt. Nach Punkt IV/8 dieser Bedingungen tritt Terminverlust insbesondere ein, wenn der Käufer auch nur eine der vereinbarten Ratenzahlungen nicht termingerecht leistet. Bei Eintritt des Terminverlustes wird die einschließlich aller Nebenforderungen und Nebengebühren aushaftende Gesamtschuld sofort zur Zahlung fällig. Nach Punkt IV/9 ist bei Eintritt des Terminverlustes die Verkäuferin außerdem berechtigt, dem Käufer das Recht zur Benützung des Kaufgegenstandes jederzeit zu widerrufen; der Käufer ist verpflichtet, den Kaufgegenstand über Aufforderung der Verkäuferin einschließlich der zugehörigen Kraftfahrzeugpapiere unter Verzicht auf jedes Zurückbehaltungsrecht sowie unter Verzicht auf jedwede Einwendung gegen den Herausgabeanspruch, zur Verkäuferin zu überstellen. Bei Nichtentsprechung ist die Verkäuferin berechtigt, die Einziehung auf Kosten und Gefahr des Käufers zu veranlassen und den Kaufgegenstand, wo immer dieser angetroffen wird, auch ohne behördliche Intervention in ihre Gewahrsame zu überführen. Eine solche Maßnahme bedeutet keinen Rücktritt vom Vertrag und keine Übernahme des Kaufgegenstandes an Zahlungs Statt, sondern dient lediglich der Sicherstellung und Verwertung desselben.

Laut Registereintragung vom 19. 7. 1979 wurde die Firma Granitwerke E Matthias N gelöscht und als Sacheinlage in die beklagte Gesellschaft mbH eingebracht.

Die Beklagte kam ihren Ratenzahlungsverpflichtungen in der Folge nicht vereinbarungsgemäß nach. Die Kaufpreisrestforderung wurde daher von der Klägerin zu 13 Cg 91/80 des Handelsgerichtes Wien gerichtlich geltend gemacht. In diesem Verfahren schlossen die Streitteile am 19. 12. 1980 einen Vergleich, wonach sich die Beklagte zu weiteren Ratenzahlungen verpflichtete. Sie kam jedoch ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nach, sodaß neuerlich Terminverlust eintrat. Per 30. 9. 1981 haftet eine restliche Kaufpreisforderung samt Nebengebühren in Höhe von 1 241 460.95 S unberichtigt aus.

Gestützt auf den Verzug der Beklagten, den eingetretenen Terminsverlust und den vereinbarten Eigentumsvorbehalt begehrt die Klägerin die Herausgabe der drei LKW, je samt Einzelgenehmigung, Zulassungsschein und Kraftfahrzeugsteuerkarte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In der Anbringung der Klage auf Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sachen sei grundsätzlich ein Rücktritt vom Vertrag zu erblicken. Dies habe zur Folge, daß der Verpflichtete zur Herausgabe der Sache Zug um Zug gegen Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreisteilbetrages gehalten sei. Wer die Zurückgabe der unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache fordere, müsse daher zumindest die Rückgabe des Empfangenen anbieten. Anders sei die Rechtslage aber, wenn besonders vereinbart worden sei, daß dem Vorbehaltsverkäufer auch bei Aufrechterhaltung des Kaufvertrages das Recht zustehe, die Sache zurückzunehmen. Im vorliegenden Fall sei eine solche Vereinbarung im Sinne der Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei getroffen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteigt. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen liege, entgegen der Meinung der Beklagten, kein Verzicht der Klägerin auf den Eigentumsvorbehalt vor.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge:

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Ein Vergleich ist entgegen dem Wortlaut des § 1380 ABGB nicht unter allen Umständen ein Neuerungsvertrag (SZ 42/2; EvBl. 1955/23). Ein Neuerungsvertrag liegt nur dann vor, wenn nach dem Willen der Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes durch ein neues ersetzt wird. Die Absicht der Parteien muß dahin gehen, durch die Konstituierung der neuen Verbindlichkeit die alte zu tilgen, sodaß auf das alte Schuldverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden soll. Diese Absicht wird nicht vermutet, sondern muß nachgewiesen werden (RZ 1978/88; SZ 44/179). Eine Änderung des Rechtsgrundes ist unter diesen Voraussetzungen dann anzunehmen, wenn jene rechtserzeugende Tatsache, aus der die Obligation entspringt, somit der Entstehungsgrund des Anspruches, geändert wird. Eine Änderung des Hauptgegenstandes tritt hingegen ein, wenn ein wesentlich anderer an seine Stelle tritt; es muß eine artliche Verschiedenheit sein, eine bloß maßliche genügt nicht (SZ 44/179).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht einmal den Versuch unternommen, die Neuerungsabsicht der Parteien iS dieser Grundsätze nachzuweisen. In dem geschlossenen Ratenvergleich nach Einklagung des Kaufpreisrestes kann nach den dargelegten Grundsätzen ein Neuerungsvertrag nicht erblickt werden. Es kann daher der Beklagten nicht darin gefolgt werden, daß sich die Klägerin nicht mehr auf die Verkaufs- und Lieferbedingungen berufen könne.

Unberechtigt ist auch der Standpunkt der Beklagten, die Klägerin hätte durch den Vergleichsabschluß auf den Eigentumsvorbehalt verzichtet. Der Zweck des Eigentumsvorbehaltes ist die Sicherstellung des Gläubigers gegen Eigentumsverlust ohne Erhalt der Gegenleistung. Die Erhebung des Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises bildet daher, wie die Beklagte selbst einräumt, noch keinen Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt (SZ 12/1; HS 5389 uva.). Es kann daher auch in der Regel einem nach einer solchen Anspruchserhebung abgeschlossenen Ratenvergleich die Wirkung eines Verzichtes auf den Eigentumsvorbehalt nicht zukommen, wenn ein solcher Vergleich über das mit der Anspruchserhebung verfolgte Ziel nicht hinausgeht. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich in dem Vergleich kein Zusatz befindet, wonach die Allgemeinen Liefer- und Verkaufsbedingungen unberührt bleiben oder noch gelten sollen. Auch im Falle einer urteilsmäßigen Erledigung des Anspruches würde ein solcher Zusatz nicht aufscheinen, ohne daß hiedurch die Anspruchsverfolgung einen Verlust des Eigentumsvorbehaltes zur Folge hätte.

Auch der Hinweis der Beklagten darauf, daß sie nunmehr sowohl zur Zahlung des Kaufpreises als auch zur Herausgabe der Kaufgegenstände verpflichtet sei, ist nicht zielführend. Eine Vereinbarung, daß der Vorbehaltsverkäufer bei Verzug und Terminsverlust des Käufers die Kaufsache ohne Rücktritt vom Vertrag zurückverlangen könne, ist grundsätzlich zulässig (JBl. 1966, 471; EvBl. 1955/412; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 503). Eine solche Vereinbarung hat zur Folge, daß sich der ursprüngliche Kreditkauf in einen Kauf Zug um Zug bzw. in einen Kauf mit (teilweiser) Vorauszahlungspflicht des Käufers verwandelt. Der Verkäufer braucht die Sache erst Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreisrestes neuerlich an den Käufer herauszugeben (Bydlinski aaO.). Unwirksam ist allerdings eine Vereinbarung, wonach dem Gläubiger das Recht auf Verwertung (Verkauf) der Sache ohne Kontrolle und ohne Wahrung der Interessen des Schuldners zukommen soll (JBl. 1966, 471; Bydlinski aaO 504). Nur wenn und insoweit der Klägerin auch das Recht der freien Verwertung zukommen sollte (vgl. Punkt IV/9 Abs. 3 der Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen, nach dessen Wortlaut ein solches Recht der Klägerin aber zweifelhaft erscheint), läge eine unwirksame Vereinbarung vor. Dies hätte aber auf die Gültigkeit der Herausgabeklausel keinen Einfluß.

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