Normen
ABGB §879 Abs1
ImmMV §4 Abs1 Z7
ABGB §879 Abs1
ImmMV §4 Abs1 Z7
Spruch:
Ein mündlicher Vermittlungsauftrag des ursprünglichen Förderungsnehmers eines unter Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsmittel errichteten Objektes ist ungeachtet des Verstoßes gegen die Standesvorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmMV gültig
OGH 3. Dezember 1981, 7 Ob 657/81 (OLG Wien 13 R 47/81; LGZ Wien 3 Cg 384/80
Text
Die Beklagten verkauften ihre Eigentumswohnung in W, T-Gasse 12, an die Ehegatten W. Die Eigentumswohnung wurde unter Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsmittel errichtet, die noch nicht vollständig zurückgezahlt wurden. Ein schriftlicher Vermittlungsauftrag wurde der Klägerin von den Beklagten nicht erteilt.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung einer Vermittlungsprovision von 50 000 S zuzüglich 18% Umsatzsteuer, insgesamt daher 59 000 S samt Anhang. Die Klägerin habe den Verkauf der Eigentumswohnung an die Ehegatten W auf Grund eines von den Beklagten mündlich erteilten Auftrages vermittelt.
Die Beklagten bestreiten, der Klägerin einen Vermittlungsauftrag erteilt zu haben. Die von der Klägerin behauptete mündliche Auftragserteilung würde außerdem gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen und wäre daher nichtig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Nach seiner Ansicht verstoße der von der Klägerin behauptete mündliche Vermittlungsauftrag gegen die Regelung des § 4 Abs. 1 Z. 7 der Verordnung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom 16. Juni 1978, BGBl. 323/1978 (ImmMV), nach der sich ein Immobilienmakler standeswidrig verhalte, der Vermittlungen betreffend Häuser, Wohnungen oder sonstige Räumlichkeiten, die unter Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsmittel errichtet wurden, ohne ausdrücklichen schriftlichen Auftrag des ursprünglichen Förderungsnehmers anbiete oder durchführe, es sei denn, daß die Förderungsmittel zur Gänze zurückbezahlt worden sind. Dieses standeswidrige Verhalten der Klägerin verstoße auch gegen die guten Sitten. Der behauptete mündliche Vermittlungsvertrag sei daher nichtig.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Es war der Ansicht, daß der Immobilienmakler nach § 2 ImmMV wohl verpflichtet sei, jedes standeswidrige Verhalten zu unterlassen. Ein Verbot der Vermittlung von geförderten Wohnungen durch Immobilienmakler ohne schriftlichen Auftrag ergebe sich jedoch aus § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmMV nicht. Der ohne Schriftform zustande gekommene Vermittlungsauftrag sei auch nicht sittenwidrig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege nämlich nur dann vor, wenn etwas offenbar geradezu rechtswidrig sei, ohne gegen ein ausdrückliches gesetzliches Verbot zu verstoßen. Ein bloß standeswidriges Verhalten verstoße nicht generell gegen die guten Sitten. Es sei vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob eine Sittenwidrigkeit vorliege. Dies sei hier schon deshalb zu verneinen, weil sich das vorerwähnte Gebot der Schriftform für Vermittlungsaufträge über geförderte Wohnungen nur an den Immobilienmakler richte. Selbst ein nur gegen einen Vertragspartner gerichtetes gesetzliches Verbot mache das dennoch abgeschlossene Rechtsgeschäft nicht ungültig. Das gleiche müsse daher für einen Verstoß gegen die nur an eine Partei gerichteten Standesregeln gelten. Die in der Immobilienmaklerverordnung erlassenen Bestimmungen über das standesgemäße Verhalten im Verkehr mit den Auftraggebern seien auch nicht zum Schutze der Kunden vor Vermögensschäden erlassen worden. Der von der Klägerin behauptete mündliche Vermittlungsauftrag sei somit entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht von vornherein ungültig. Die Rechtssache sei somit noch nicht spruchreif.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rekurswerber beharren auf ihrer Ansicht, daß es sich bei der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmMV um eine Verbotsnorm handle und daher der von der Klägerin behauptete mündliche Vermittlungsauftrag nichtig sei.
Den Rekurswerbern ist jedoch entgegenzuhalten, daß nicht jedes Rechtsgeschäft, das mit einer Norm des positiven Rechtes im Widerspruch steht, nichtig ist. Nichtigkeit ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn dies das Gesetz ausdrücklich anordnet oder der Verbotszweck der Norm die Ungültigkeit des Rechtsgeschäftes verlangt (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 179; Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 121; SZ 36/78; SZ 42/49; JBl. 1968, 624; MietSlg. 31 090). Nach § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmMV verhält sich aber der Immobilienmakler nur standeswidrig, wenn er Vermittlungen über geförderte Wohnungen ohne ausdrücklichen schriftlichen Auftrag des ursprünglichen Förderungsnehmers durchführt. Der Realitätenvermittler verstößt daher gegen seine Standespflichten, wenn er mit dem ursprünglichen Förderungsnehmer einer geförderten Wohnung bloß mündlich eine Verkäuferprovision vereinbart. Die ausdrückliche Anordnung der Nichtigkeit des vom Immobilienmakler mit dem ersten Förderungsnehmer einer geförderten Wohnung abgeschlossenen mündlichen Vermittlungsauftrages kann somit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmVO nicht entnommen werden.
Es ist daher zu untersuchen, ob der Verbotszweck dieser Norm die Ungültigkeit eines bloß mündlich abgeschlossenen Vermittlungsvertrages verlangt. Bei dieser Prüfung ist von der Gültigkeit des Rechtsgeschäftes in der Regel dann auszugehen, wenn sich das Gesetz mit der Verhängung anderer Rechtsfolgen als der Nichtigkeit (z. B. einer Bestrafung der Beteiligten) begnügt (Koziol - Welser[5] I, 121; MietSlg. 31 090). Dies ist jedoch hier der Fall, weil der Immobilienmakler, der mit dem ursprünglichen Förderungsnehmer einer geförderten Wohnung einen bloß mündlichen Vermittlungsauftrag abschließt, nur gegen seine Standespflichten verstößt. Die Verbotsnorm begnügt sich daher mit einer bloßen Ahndung des disziplinwidrigen Verhaltens des Immobilienmaklers durch seine Standesbehörde. Dieser Normzweck ergibt sich überdies auch aus der Gegenüberstellung des § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmMV mit der Regelung des § 8 Abs. 10 ImmMV. Nach dieser Bestimmung darf der Immobilienmakler mit dem Käufer, Bestandnehmer oder sonstigem Nutzungsberechtigten einer geförderten Wohnung die Zahlung einer Provision oder sonstigen überhaupt nicht vereinbaren. Mit dem ursprünglichen Förderungsnehmer, der ihm einen ausdrücklichen schriftlichen Vermittlungsauftrag erteilt hat, darf hingegen der Immobilienmakler auch vereinbaren, daß er die Provision oder sonstige Vergütung für den Käufer, Bestandnehmer oder sonstigen Nutzungsberechtigten zu zahlen hat. Der Umstand, daß in diesen beiden Fällen ein ausdrückliches Verbot normiert wird (darf keine ... darf nur, wenn ihm der ursprüngliche Förderungsnehmer einen schriftlichen Vermittlungsauftrag erteilt hat), hingegen die mündliche Vereinbarung einer Verkäuferprovision mit dem ersten Förderungsnehmer einer geförderten Wohnung nur einen Verstoß des Immobilienmaklers darstellt, läßt nur den Schluß zu, daß eine Verletzung der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmMV lediglich die disziplinäre Verantwortlichkeit des Maklers zur Folge haben soll.
Entgegen den Rekursausführungen enthält § 4 Abs. 1 Z. 7 ImmMV auch keine Konsumentenschutzbestimmung. Die Immobilienmaklerverordnung wurde, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, auf Grund der §§ 69 Abs. 2, 261 GewO erlassen. Diese unterscheiden schon zwischen dem Schutz der Kunden vor Vermögensschäden (§ 69 Abs. 2 GewO) und den bei der Gewerbeausübung zu beachtenden Verhaltensweisen im Sinne des § 261 GewO. Letztere haben u. a. (§ 261 Abs. 2 Z. 2 GewO) das standesgemäße Verhalten im Geschäftsverkehr mit dem Auftraggeber zum Gegenstand. In diesem Umfang enthält daher die Immobilienmaklerverordnung keine Konsumentenschutzbestimmungen. Anders verhält es sich hingegen mit den auf Grund des § 261 Abs. 2 Z. 1 GewO festgelegten Höchstbeträgen für die dem Immobilienmakler gebührenden Provisionssätze und sonstigen Vergütungen, die als Konsumentenschutzbestimmung zu betrachten sind. Die von den Beklagten eingewendete Nichtigkeit des behaupteten mündlichen Vermittlungsvertrages wegen Verstoßes gegen eine Verbotsnorm liegt daher nicht vor.
Auch die behauptete Sittenwidrigkeit ist zu verneinen. Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn die Interessenabwägung eine gröbliche Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei einer Interessenkollision ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 183; Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 124; JBl. 1956, 121; JBl. 1972, 200; EvBl. 1976/9; MietSlg. 31 090 u. a.). Hier entfernte sich jedoch die von der Klägerin behauptete Vermittlungstätigkeit von der sonst üblichen Tätigkeit eines Immobilienmaklers nur dadurch, daß es sich bei der vermittelten Wohnung um eine mit öffentlichen, noch nicht zur Gänze zurückgezahlten Förderungsmitteln errichtete Eigentumswohnung handelt. Der OGH hält daher an seiner bereits in der Entscheidung MietSlg. 31 090 vertretenen Rechtsansicht auch in der vorliegenden Rechtssache fest.
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