OGH 4Ob95/81 (4Ob93/81, 4Ob94/81)

OGH4Ob95/81 (4Ob93/81, 4Ob94/81)20.10.1981

SZ 54/146

Normen

ABGB §154 Abs3
ABGB §154a
ABGB §1162b
BAG §15 Abs1
KO §25
ABGB §154 Abs3
ABGB §154a
ABGB §1162b
BAG §15 Abs1
KO §25

 

Spruch:

Das außerordentliche Kündigungsrecht des Masseverwalters nach § 25 Abs. 1 KO erstreckt sich nicht auf Lehrverhältnisse

Wenn ein mj. Lehrling Ansprüche aus dem Lehrverhältnis geltend macht, deren Größenordnung in keinem Mißverhältnis zu seinem Einkommen steht, gehört die Angelegenheit zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb; zur Vertretung des Lehrlings ist daher ein Elternteil allein ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung berechtigt

OGH 20. Oktober 1981, 4 Ob 93 - 95/81 (DRdA 1983, 30 (mit Aufsatzpfeil DRdA 1983, 10))(KG Ried im Innkreis 5 Cg 15-17/80; ArbG Braunau am Inn Cr 40-42/79)

Text

Mit Beschluß vom 10. April 1979 hat das KG Ried im Innkreis über das Vermögen des Georg P den Konkurs eröffnet und den Beklagten zum Masseverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 18. April 1979 kundigte der Beklagte unter Berufung auf den § 25 KO die Lehrverhältnisse der Kläger "unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist". Die Kläger und ihre gesetzlichen Vertreter erklärten ihrerseits den vorzeitigen Austritt im Sinne des § 15 Abs. 4 lit. d BAG und des § 25 KO, der Erstkläger mit Schreiben vom 24. April 1979, der Zweitkläger mit Schreiben vom 6. Mai 1979 und der Drittkläger mit Schreiben vom 22. April 1979.

Der Erstkläger, dessen Lehrzeit am 31. Juli 1981 geendet hätte, hatte als Maurerlehrling einen Stundenlohn von 18.90 S. Der Gemeinschuldner zahlte nicht mehr die Lehrlingsentschädigung an den Erstkläger für die Zeit vom 1. April bis 17. April 1979 und ebensowenig die anteilige Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. Jänner bis 24. April 1979. Der Erstkläger meldete daher seine Forderung beim Insolvenzausgleichsfonds an, worauf ihm als Lehrlingsentschädigung für die Zeit vom 1. bis 17. April 1979 ein Betrag von 1 665.22 S netto und eine anteilige Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. Jänner bis 24. April 1979 in der Höhe von 1 326.78 S netto am 3. Dezember 1979 ausgezahlt wurde. Die von ihm im Sinne des § 1162b ABGB in der Klage geltend gemachten Schadenersatzansprüche stehen der Höhe nach mit 10 945.94 S außer Streit.

Der Zweitkläger, dessen Lehrzeit am 19. September 1979 geendet hätte, hatte als Maurerlehrling bis 31. März 1979 einen Stundenlohn von 37.75 S und ab 1. April 1979 einen solchen von 41.25 S. Der Gemeinschuldner zahlte ihm die Lehrlingsentschädigung für die Zeit vom 1. April bis 17. April und die anteilige Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. Jänner bis 6. Mai 1979 nicht mehr aus. Der Zweitkläger meldete daher seine Ansprüche gegenüber dem Insolvenzausgleichsfonds an, worauf ihm als Lehrlingsentschädigung für den vorgenannten Zeitraum ein Betrag von 1 665.22 S netto und als anteilige Weihnachtsremuneration ein Betrag vom 1 326.78 S netto für den geltend gemachten Zeitraum am 3. Dezember 1979 ausgezahlt wurde. Die im Sinne des § 1162b ABGB in der Klage geltend gemachten Schadenersatzansprüche stehen der Höhe nach mit einem Betrag von 23 682.68 S außer Streit.

Der Drittkläger, dessen Lehrzeit am 4. September 1980 geendet hätte, hatte als Maurerlehrling einen Stundenlohn von 28.30 S. Der Gemeinschuldner zahlte die Lehrlingsentschädigung für die Zeit vom 21. März bis 17. April und die anteilige Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. Jänner bis 22. April 1979 an den Drittkläger nicht mehr aus. Dieser meldete daher seine Ansprüche gegenüber dem Insolvenzausgleichsfonds an, worauf ihm als Lehrlingsentschädigung für die Zeit vom 21. März bis 17. April 1979 ein Betrag von 3136.57 S netto und als anteilige Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. Jänner bis 6. Mai 1979 ein Betrag von 2675.54 S netto am 3. Dezember 1979 ausgezahlt wurde. Die in der Klage geltend gemachten Schadenersatzansprüche gemäß dem § 1162b ABGB stehen der Höhe nach mit 16 389.15 S außer Streit.

Die Kläger behaupten, es stehe ihnen noch ein Anspruch auf restliche Lehrlingsentschädigung einschließlich anteiliger Weihnachtsremuneration für die Zeit bis zu ihrem Austritt aus dem Lehrverhältnis sowie eine weitere Lehrlingsentschädigung einschließlich anteiliger Weihnachtsremuneration für die den Austritt folgenden drei Monate als Schadenersatz im Sinne des § 1162b ABGB zu. Der Erstkläger verlangt vom Beklagten die Zahlung eines Gesamtbruttobetrages von zuletzt 14 222.26 S, der Zweitkläger einen solchen von 30 398 S und der Drittkläger von 22 878.19 S, jeweils samt Anhang.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Er habe die im Konkursverfahren angemeldeten Beträge an restlicher Lehrlingsentschädigung und anteiliger Weihnachtsremuneration als Masseforderungen anerkannt; ein Schadenersatzanspruch stehe den Klägern nicht zu, weil sie bereits am 20. April 1979 wieder beschäftigt gewesen seien. Die Konkursmasse reiche zur Deckung der geltend gemachten Forderungen nicht aus.

Das Erstgericht sprach dem Erstkläger einen Betrag von 4898.47 S, dem Zweitkläger einen solchen von 10 078.93 S und dem Drittkläger 9 009.77 S, jeweils brutto samt Anhang, zu und wies die darüber hinausreichenden Mehrbegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, ein Lehrverhältnis werde durch die Eröffnung des Konkursverfahrens zwar nicht von selbst beendet, doch stehe dem Lehrling ein Austrittsrecht nach § 15 Abs. 4 lit. d BAG sowie nach § 25 Abs. 1 KO zu. Auf Grund eines solchen Austrittes sei der Lehrling berechtigt, gemäß § 1162b ABGB Schadenersatz in Höhe der vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für jenen Zeitraum zu fordern, der bis zur Beendigung des Lehrverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen, soweit dieser Anspruch den Zeitraum von drei Monaten nicht übersteige. Dem Masseverwalter stehe aber gemäß § 25 Abs. 1 KO ein begünstigtes Kündigungsrecht zu, nach welchem er an eine vereinbarte längere Kündigungsfrist oder an eine vereinbarte Unkundbarkeit des Dienstvertrages nicht gebunden sei. Im Fall der Aufkündigung eines Lehrverhältnisses brauche er, weil im BAG eine Kündigungsfrist nicht vorgesehen sei, nur die 14 tägige Kündigungsfrist des § 77 GewO einzuhalten, die somit der Berechnung der dem Kläger zustehenden Beträge zugrunde zu legen sei.

Der Beklagte brachte im Berufungsverfahren neu vor, die Kläger seien "durch den Insolvenzausgleichsfonds teilweise befriedigt worden" und seien schon ab 17. April 1979 bei anderen Bauunternehmen zu gleichen Bedingungen wie beim Gemeinschuldner weiterbeschäftigt worden.

Das Berufungsgericht verwarf mit Beschluß die vom Beklagten wegen Nichtigkeit erhobene Berufung und änderte mit Urteil die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß es dem Erstkläger einen Betrag von 10 945.94 S, dem Zweitkläger einen solchen von 23 682.68 S und dem Drittkläger einen Betrag von 16 389.15 S, jeweils brutto samt Anhang, zusprach und die sich im Verhältnis zu den Klageforderungen ergebenden Differenzbeträge als Mehrbegehren abwies.

Eine Nichtigkeit liege nicht vor, weil der Prozeß nur das zum Gegenstand habe, worüber die mj. Kläger gemäß § 151 ABGB frei verfügen dürfen. Davon abgesehen, hätten sie die Vollmachten ihrer gesetzlichen Vertreter nachgebracht. Ebensowenig liege der vom Beklagten geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO vor, weil alle in der Klage geltend gemachten Forderungen Masseforderungen seien, sodaß die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes gegeben sei.

Der Masseverwalter sei hingegen nicht berechtigt, ein Lehrverhältnis nach der Bestimmung des § 25 Abs. 1 KO aufzulösen. Den berechtigt ausgetretenen Klägern stehe somit ein Schadenersatzanspruch im Sinne des § 1162b ABGB zu. Da das Gesetz für eine Auflösung des Lehrverhältnisses Kündigungsfristen nicht vorsehe, stehe dem Lehrling im Fall eines gerechtfertigten vorzeitigen Austrittes ein Anspruch auf das vertragsgemäße Entgelt für den Zeitraum zu, der bis zum Ablauf der vertraglich bedungenen Lehrzeit noch verstreichen müßte. Da die Kläger nur drei Monatsentgelte verlangten, komme eine Anrechnung des Ersparten oder anderweitig Verdienten nicht in Betracht. Sie müßten sich allerdings die vom Insolvenzausgleichsfonds erhaltenen Beträge anrechnen lassen. Diese Beträge entsprächen den von den Klägern für die Zeit bis zu ihrem Austritt begehrten Beträgen, so daß ihnen nur die als Kündigungsentschädigung verlangten Beträge im Ausmaß von je drei Monatsentgelten zuzusprechen seien. Im Titelprozeß habe das Gericht den vom Masseverwalter erhobenen Einwand der Unzulänglichkeit der Masse bei der Entscheidung über Masseforderungen nicht zu prüfen. Mangels Zahlung der vom Beklagten im Konkursverfahren anerkannten Beträge seien die Kläger berechtigt gewesen, diese Masseforderungen - auch als Bruttobeträge - einzuklagen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit der Beklagte eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des § 477 Abs. 1 Z. 5 ZPO mit der Begründung geltend macht, daß die von den Klägern vorgelegten Prozeßvollmachten neben den Unterschriften der mj. Kläger nur die Unterschriften ihrer Väter und nicht auch jene der Mütter aufweisen, und die Prozeßführung überdies nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt worden sei, so daß ein Vertretungsmangel im Berufungsverfahren vorliege, ist er auf die Bestimmungen der § 154 Abs. 3, § 154a ABGB zu verweisen. Danach ist im zivilgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nur ein Elternteil zur Vertretung des Kindes berechtigt. Nur wenn die den Gegenstand des Verfahrens bildende Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, ist die Zustimmung des anderen Elternteiles und die Genehmigung durch das Gericht erforderlich. Da die Kläger Ansprüche aus ihren Lehrverhältnissen geltend machen, deren Größenordnung mit ihrem Einkommen in keinem Mißverhältnis stehen, und sich auch aus dem Berufsausbildungsgesetz eine derartige Einschränkung nicht ergibt, gehört die den Gegenstand des Verfahrens bildende Vermögensangelegenheit zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb, so daß der behauptete Vertretungsmangel nicht vorliegt.

Die entscheidende Frage ist die Berechtigung des von den Klägern geltend gemachten Ersatzanspruches im Sinne des § 1162b ABGB. Die Kläger gehen hiebei davon aus, daß die vom Beklagten gemäß § 25 Abs. 1 KO vorgenommene Kündigung ihrer Lehrverhältnisse unwirksam sei, weil ein Lehrverhältnis nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes, die eine Kündigung jedoch nicht vorsehen, aufgelöst werden könne. Diese Auflösung hätten sie durch ihre Austrittserklärungen, die sie nach dem Ausspruch der (unwirksamen) Aufkündigung abgegeben hätten, herbeigeführt. Gemäß § 1162b ABGB stunden ihnen Ersatzansprüche in der Höhe der für die restliche Zeit des Lehrverhältnisses gebührenden Entgelts zu, das sie im Ausmaß von drei Monatsentgelten begehren.

Der OGH hat zu der somit entscheidenden Frage, ob ein Lehrverhältnis vom Masseverwalter gemäß § 25 Abs. 1 KO gekundigt werden kann, bisher nicht Stellung genommen. In der Entscheidung 4 Ob 29/80 hat er zum Ausdruck gebracht, daß ein Lehrling, der gemäß § 25 Abs. 1 KO oder § 15 Abs. 4 lit. d BAG gerechtfertigt vorzeitig ausgetreten ist, im Sinne des § 1162b ABGB Anspruch auf das vertragsgemäße Entgelt für den Zeitraum hat, der bis zur Beendigung des Lehrverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Aufkündigung seitens des anderen Vertragspartners hätte verstreichen müssen. Die letzterwähnte Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Aufkündigung scheide, so führte der OGH weiter aus, bei dem kraft Gesetzes unkundbaren Lehrverhältnis von vornherein aus, so daß dem Lehrling das vertragsgemäße Entgelt bis zum Ablauf der vertraglich bedungenen Lehrzeit unter Anrechnung des ab dem vierten Monat Ersparten oder durch anderweitige Verwendung Erworbenen oder zu erwerben absichtlich Versäumten zustehe. Auf die Frage, ob sich das außerordentliche Kündigungsrecht des Masseverwalters nach § 25 Abs. 1 KO auch auf das Lehrverhältnis erstrecke, mußte damals nicht eingegangen werden, weil im Zeitpunkt der Austrittserklärung die Monatsfrist dieser Gesetzesstelle bereits verstrichen war.

In der Literatur wird die Frage der vorerwähnten Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 KO auf Lehrverhältnisse unterschiedlich beantwortet. Schwarz - Holzer - Holler, Das Arbeitsverhältnis bei Konkurs- und Ausgleich, vertreten die Auffassung, die begünstigte Lösungsform komme für den Masseverwalter im Hinblick auf das Fehlen eines ordentlichen Kündigungsrechtes und einer gesetzlichen Kündigungsfrist nicht in Betracht (a.a.O., 247). Winkler (ZAS 1979, 123 ff.) bejaht eine solche Auflösungsmöglichkeit für den Masseverwalter. Er geht hiebei von der Anwendungsmöglichkeit dieses Auflösungsrechtes auf befristete Dienstverhältnisse aus und meint, es gehe nicht an, innerhalb befristeter Dienstverhältnisse zu differenzieren, ob die Möglichkeit einer Kündigung vereinbart (so bei befristeten Arbeitsverträgen) oder nicht vereinbart (so bei Lehrverhältnissen) werden könne. § 25 Abs. 1 KO gewähre dem Masseverwalter eine allgemeine und umfassende Lösungsmöglichkeit im Hinblick auf die besondere Zielsetzung des Konkursverfahrens. Da ein Lehrverhältnis ein befristetes Dienstverhältnis sei, komme die gegenständliche Bestimmung auch hier zur Anwendung. Mangels einer im Berufsausbildungsgesetz oder in einem für das Lehrverhältnis maßgebenden Kollektivvertrag enthaltenen Kündigungsfrist müsse auf die 14 tägige Kündigungsfrist des § 77 GewO 1859 zurückgegriffen werden.

Diesen Auffassungen Winklers ist jedoch entgegenzuhalten, daß die außerordentliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter gemäß § 25 Abs. 1 KO "unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen" zu erfolgen hat. Diese Bedachtnahme besagt, daß das ao. Kündigungsrecht des Masseverwalters in gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen seine Grenze findet. Eine solche Grenze wird aber im Berufsausbildungsgesetz in der Form gezogen, daß eine Kündigung des Lehrverhältnisses nicht vorgesehen und daher, wie sich aus § 15 Abs. 1 BAG ergibt, gesetzlich ausgeschlossen ist. Es liegt daher ein über eine gesetzliche Kündigungsbeschränkung sogar hinausreichender gesetzlicher Kündigungsausschluß vor. Das Lehrverhältnis hat wohl den Charakter eines befristeten Arbeitsverhältnisses, weil es vom Lehrberechtigten und vom Lehrling auf bestimmte Zeit abzuschließen ist. Die Möglichkeit einer Kündigung fehlt hier aber auf Grund des gesetzlichen Kündigungsausschlusses und nicht auf Grund einer Vereinbarung wie beim befristeten Arbeitsverhältnis, dem im übrigen eine Kündigungsmöglichkeit, wie auch Winkler hervorhebt, im Falle einer entsprechenden Vereinbarung oder nach Maßgabe des § 21 AngG nicht fremd ist. Das auf Grund einer Vereinbarung befristete Arbeitsverhältnis erlaubt jedenfalls im Falle einer außerordentlichen Kündigung durch den Masseverwalter einen Durchgriff auf die an sich vorhandenen Kündigungsfristen. Für den Bereich des Lehrverhältnisses fehlt es aber an Kündigungsfristen, weil eben der Gesetzgeber eine Kündigung ausschließen wollte. Aus diesem Grund ist der von Winkler vorgeschlagene Rückgriff auf die l 4tägige (subsidiäre) Kündigungsfrist des § 77 GewO auch im Wege der Analogie nicht möglich, zumal diese Frist nur für gewerbliche Hilfsarbeiter gilt und daher für Lehrlinge, deren Arbeitsverhältnis im Berufsausbildungsgesetz unter Ausschluß einer Kündigungsmöglichkeit geregelt wird, nicht zulässig ist.

Wesentlich erscheint auch, daß der (gesetzliche) Kündigungsausschluß beim Lehrverhältnis seine Grundlage darin hat, daß der Ausbildungszweck durch die möglichst große Sicherung des Vertragsbestandes erreicht werden soll; dieser Kündigungsausschluß hat daher eine den Kündigungsbeschränkungen zur Sicherung des Arbeitsplatzes (z. B. nach dem ArbVG, dem Mutterschutzgesetz u. a.) durchaus vergleichbare Funktion, so daß er dem Begriff einer "gesetzlichen Kündigungsbeschränkung" im Sinne des § 25 KO zu unterstellen ist.

Gegen die Auffassung Winklers spricht daher auch der Umstand, daß im Falle einer Bejahung des ao. Kündigungsrechtes des Masseverwalters für den Bereich des Lehrverhältnisses die auf der Sicherung des Ausbildungszweckes beruhende Bestimmung des § 15 Abs. 4 lit. d BAG über das Austrittsrecht des Lehrlings weitgehend ihre Bedeutung verlöre. Da der Masseverwalter das Vertragsverhältnis jedenfalls auflösen könnte, widerspräche das Ergebnis der Auffassung Winklers der aus § 15 Abs. 4 lit. d BAG erkennbaren, auf den Ausbildungszweck Rücksicht nehmenden Absicht des Gesetzgebers. Dem entspricht auch, daß gemäß § 14 Abs. 2 lit. d BAG das Lehrverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit ex lege endet, wenn der Lehrberechtigte zur Ausübung der Tätigkeit nicht mehr befugt ist, in deren Rahmen der Lehrling ausgebildet wird; es ist somit auch nicht zu besorgen, daß ein dem Ausbildungszweck nicht mehr dienendes Lehrverhältnis mangels Abgabe einer Austrittserklärung des Lehrlings aufrecht bleibt.

Es ist somit eine Auflösungsmöglichkeit des Lehrverhältnisses durch den Masseverwalter im Wege einer Kündigung im Sinne des § 25 Abs. 1 KO zu verneinen.

Die vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen sind daher unwirksam geblieben. Die gerechtfertigten vorzeitigen Austritte der Lehrlinge berechtigen diese, Ersatzansprüche im Sinne des § 1162b ABGB in der Höhe der Lehrlingsentschädigung samt anteiligen Sonderzahlungen für die restliche Zeit der vertraglich bedungenen Lehrzeit zu stellen. Da ihnen nach dieser Vorschrift der Ersatzanspruch für die ersten drei Monate ohne jede Anrechnung ihres in diesem Zeitraum anderweitig erzielten oder zu erzielen verabsäumten Arbeitseinkommens zusteht und die Kläger nur für diesen Zeitraum die Lehrlingsentschädigung samt anteiliger Weihnachtsremuneration begehren, hat das Berufungsgericht diese Beträge den Klägern mit Recht - und zwar auch als Bruttobeträge (Arb. 7580, 7519 u. a.) - zugesprochen.

Der Einwand des Beklagten, es handle sich bei diesem Ersatzanspruch nicht um eine Masseforderung, geht an der eindeutigen Bestimmung des § 46 Abs. 1 Z. 4 KO vorbei, wonach Ansprüche der Dienstnehmer, die sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergeben, soweit sie nach der Konkurseröffnung fällig werden, auch wenn das Dienstverhältnis vor der Konkurseröffnung aufgekundigt oder aufgelöst wurde, Masseforderungen sind. Diese Voraussetzungen treffen auf Ersatzansprüche im Sinne des § 1162b ABGB, wie angesichts des klaren Gesetzeswortlautes keiner weiteren Begründung bedarf, zu. Der Austritt der Kläger erfolgte nach der Konkurseröffnung, so daß ihre sich aus der Beendigung des Lehrverhältnisses ergebenden Ersatzansprüche nach diesem Zeitpunkt fällig wurden.

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