OGH 4Ob542/81

OGH4Ob542/8114.7.1981

SZ 54/106

Normen

ABGB §179
ABGB §180a
ABGB §179
ABGB §180a

 

Spruch:

Die gemeinschaftliche Adoption eines unehelichen Kindes durch die Mutter und deren Ehegatten ist zulässig

Ein von beiden Ehegatten als Wahleltern abgeschlossener Adoptionsvertrag kann nicht in Ansehung des einen Elternteils bewilligt werden, während ihm in Ansehung des anderen Elternteils die Bewilligung versagt wird

OGH 14. Juli 1981, 4 Ob 542/81 (LG Innsbruck 2 R 34/81; BG Kufstein P 32/65)

Text

Mit Adoptionsvertrag vom 20. Oktober 1980 nahmen die Ehegatten Hans-Jürgen D als Wahlvater und Anna D als Wahlmutter den mj. Helmut D an Kindes Statt an. Der mj. Helmut D ist der uneheliche Sohn der Wahlmutter. Der Wahlvater ist Deutscher, die Wahlmutter und das Wahlkind sind österreichische Staatsbürger.

Das Erstgericht wies den Antrag, den Adoptionsvertrag bezüglich der Adoption durch die Kindesmutter zu genehmigen, mit der Begründung ab, daß die Adoption eines Kindes durch die eigene uneheliche Mutter dem österreichischen Recht fremd sei und dem Wesen dieses Rechtsinstitutes widerspreche, bei dem ein Wahlkind anstelle eines leiblichen Kindes in die Verwandtschaft treten solle. Es bestehe weder die gesetzliche Möglichkeit noch die praktische Notwendigkeit, ein eigenes Kind noch zusätzlich "an Kindes Statt" anzunehmen. § 179 ABGB sehe ausnahmsweise die Adoption nur durch einen Ehegatten vor, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden solle.

Das Rekursgericht bestätigte auf Rekurs des Amtsvormundes diese Entscheidung. Es war der Ansicht, daß die Prüfung der Voraussetzungen für die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt nach österreichischem Recht vorzunehmen sei. Aus der Bestimmung des § 179 ABGB ergebe sich, daß Ehegatten nicht gemeinsam adoptieren müßten, wenn ein Ehegatte das leibliche Kind des anderen annehme. In diesem Fall blieben die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kind und dem leiblichen Elternteil aufrecht. Das Elternrecht der Mutter bleibe nach der Adoption ihres eigenen Kindes durch ihren Ehegatten erhalten, wenn auch geteilt mit dem Wahlvater.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Amtsvormundes, den er für zulässig hielt (§ 257 Abs. 1 AußStrG), Folge, hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag des Amtsvormundes auf Genehmigung der Adoption "insoweit ab, als die Genehmigung auch durch die Kindesmutter Anna D begehrt werde", und behielt die Entscheidung hinsichtlich der Genehmigung der Adoption durch den Ehemann der Kindesmutter vor.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht nicht berechtigt, eine Änderung eines Adoptionsvertrages vorzunehmen. Es hat sich darauf zu beschränken, dem vorgelegten Adoptionsvertrag die Bestätigung (jetzt: Bewilligung) zu erteilen, oder, falls es den Inhalt des Vertrages oder einzelne Bestimmungen desselben für gesetzlich unzulässig erklärt, sie zu verweigern (SZ 9/170 = JB 29 neu; SZ 26/ 106; SZ 34/66; NZ 1966, 85 u. a.). Durch die Neuordnung des Rechts der Annahme an Kindes Statt hat sich an diesem Grundsatz nichts geändert (SZ 34/66). Gemäß § 179a Abs. 1 ABGB kommt die Annahme an Kindes Statt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem (bzw. den) Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteiles zustande. Gegenstand der Entscheidung ist daher die Bewilligung des Adoptionsvertrages, so wie dieser vorliegt, bzw. die Versagung dieser Bewilligung. Eine Teilentscheidung über die Zulässigkeit der Adoption bezüglich eines von zwei annehmenden Ehegatten ist im Gesetz nicht vorgesehen. Eine abweisende Teilentscheidung bezüglich eines Wahlelternteils unter Vorbehalt der Entscheidung bezüglich des anderen Wahlelternteils ist gar nicht möglich. Es kann nicht derselbe Adoptionsvertrag in Ansehung eines Wahlelternteils bewilligt, in Ansehung des anderen aber dessen Genehmigung versagt werden, da der Adoptionsvertrag, der die Adoption durch einen Wahlelternteil vorsieht, etwas anderes als jener ist, mit dem Ehegatten gemeinsam ein Kind annehmen. Der Entscheidungsgegenstand ist daher nach der Teilentscheidung nicht mehr derselbe. Die Bewilligung würde eine neue vertragliche Einigung der nunmehr noch beteiligten Vertragspartner voraussetzen, die im vorliegenden Fall jedenfalls von seiten des durch den Amtsvormund vertretenen Wahlkindes nicht vorliegt. Die vorliegende Teilentscheidung wird daher dem klaren Gesetzesbefehl, daß die Adoption durch den schriftlichen Vertrag und dessen gerichtliche Bewilligung zustande kommt, nicht gerecht. Über die Eignung der Beteiligten zum Vertragsabschluß ist daher im Rahmen der einheitlichen Entscheidung über die Bewilligung des Adoptionsvertrages als Ganzes abzusprechen. Eine Teilentscheidung ist somit offenbar gesetzwidrig.

Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Erstgericht folgendes zu beachten haben:

Die Voraussetzungen der Annahme an Kindes Statt sind nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen (§ 26 Abs. 1 IPRG). Für die Zulässigkeit der Annahme des Wahlkindes durch die uneheliche Mutter ist daher österreichisches Recht, hinsichtlich des Vaters aber deutsches Recht maßgebend. Hinsichtlich der Möglichkeit einer Annahme an Kindes Statt durch die uneheliche Mutter des anzunehmenden Kindes ist davon auszugehen, daß nach dem HfD vom 28. Jänner 1816, JGS 1206, "unehelich gezeugte Kinder von ihren Eltern in keinem Fall adoptiert werden" konnten. Diese Bestimmung wurde durch § 20 der I. TN aufgehoben, nachdem sie schon längst als überholt, ungerechtfertigt und zweckverfehlend empfunden worden war (vgl. Bericht der Komm. f. Justizgegenstände, 78 BlgHH, 21 Sess., 28; Ehrenzweig[2] II/2, 227 f., Mayrhofer, Gemeinschaftliche Adoption eines unehelichen Kindes durch die Kindesmutter und deren Ehemann?, RZ 1975, 61 ff.). Das somit ohne Einschränkung aufgehobene Adoptionsverbot wurde durch das Bundesgesetz vom 17. Feber 1960, BGBl. 58, nicht wieder eingeführt, wie sich insbesondere aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (107 BlgNR, XI. GP, 19 f.) zu § 181a Abs. 1 und 4 ABGB ergibt (EvBl. 1961/290). Trotz dieser klaren Regelung wurde die Zulässigkeit der Adoption des unehelichen Kindes durch seine Mutter im Schrifttum - wenn auch nur vereinzelt (Steininger, Kritische Studien zum Adoptionsrecht, JBl. 1963, 511) - bezweifelt, weil in den Materialien zur Aufhebung des zitierten Hofdekretes nur der Fall der Adoption des unehelichen Kindes durch seinen Vater erwogen worden sei und ein rechtliches Interesse der unehelichen Mutter an der Adoption ihres eigenen Kindes fehle, weil ihre Rechtsstellung im wesentlichen der einer ehelichen Mutter entspräche.

Da durch die Adoption zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind die gleichen Rechte, wie sie durch die eheliche Abstammung begrundet werden, entstehen (§ 128 Abs. 1 ABGB), der Gesetzgeber also nicht nur die leibliche, sondern die eheliche Abstammung fingiert, wäre die Adoption durch die uneheliche Mutter aber nur dann überflüssig, wenn die rechtlichen Beziehungen zwischen Mutter und Kind dadurch nicht geändert würden.

Die diesbezüglichen Ausführungen Steiningers, die schon vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. 403/1977 über die Neuordnung der Rechtsstellung des ehelichen Kindes (KindG) nicht der herrschenden Lehre entsprachen (Mayr, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts IV, 102; Bartsch in Klang[1] I/1 965; Wentzel - Plessl in Klang[2] I/2, 261; Ehrenzweig[2] a.a.O., 227; Gschnitzer, Familienrecht, 91; Sperl in Maultaschl - Schuppich - Stagel, Rechtslexikon "Adoption" 1; neuerdings auch Koizol - Welser[5] II, 224 und Gschnitzer - Faistenberger[2], 119 f.) und auf Kritik stießen (Schwimann, Das österreichische Adoptionsrecht nach seiner Reform, FamRZ 1973 347 FN 15; Mayerhofer a.a.O.), sind jedenfalls durch die mit dem KindG eingetretenen gesetzlichen Änderungen überholt. Seither kann kein Zweifel daran bestehen, daß sich die Rechtsstellung der unehelichen Mutter, der nur die Pflege und Erziehung des unehelichen Kindes zukommt (§ 170 ABGB), während dessen Vertretung und Vermögensverwaltung primär einem von ihr verschiedenen Vormund obliegt (§ 17 Abs. 1 JWG) und der Mutter nur unter bestimmten Voraussetzungen (§ 198 Abs. 2 ABGB) ein Anspruch auf Bestellung zum Vormund zusteht, vor der einer ehelichen Mutter, die gemeinsam mit dem Ehemann das Recht hat, auch das Vermögen des minderjährigen Kindes zu verwalten und es zu vertreten, wesentlich unterscheidet. Die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten der ehelichen Eltern (vgl. § 176 Abs. 1, § 177 Abs. 1, § 144 ABGB) sind daher umfassender als jene der unehelichen Mutter. Die dem Gesetz überhaupt nicht zu entnehmende These von der Überflüssigkeit der Adoption des unehelichen Kindes durch seine Mutter ist daher nicht haltbar.

Der Gesetzgeber sprach zwar aus, daß Ehegatten in der Regel nur gemeinsam ein Wahlkind annehmen dürfen (§ 179 Abs. 2 ABGB). Die von diesem Grundsatz als zulässig erklärte Ausnahme "wenn das leibliche Kind" (ohne Unterschied ob ehelich oder unehelich) "des anderen Ehegatten angenommen werden soll" - enthält aber kein Verbot, das uneheliche Kind des anderen mitanzunehmen.

Die Verweigerung der gemeinschaftlichen Adoption eines unehelichen Kindes durch die Kindesmutter und deren Ehemann wegen Unzulässigkeit würde den herrschenden Grundprinzipien des österreichischen Familienrechtes zuwiderlaufen. Es ist mit den Grundgedanken des geltenden Eherechtes und Familienrechtes, wonach die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander und ihre Rechte und Pflichten als Vater und Mutter gleich sind, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist (§§ 89, 137 Abs. 3 ABGB), unvereinbar, der Mutter die Adoption ihres unehelichen Kindes gemeinschaftlich mit ihrem Ehegatten zu verweigern und damit die paradoxe Situation bewirken, daß das Kind als Wahlkind des Ehemannes dessen eheliches Kind wird, aber uneheliches Kind der Mutter bleibt, was auch dem Wohl des Kindes widerspräche (Mayerhofer a.a.O., 62). Es widerspräche auch der prinzipiellen Gleichstellung der Ehepartner, wenn nur möglich wäre (was von niemandem bezweifelt wird), daß die Ehefrau gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann dessen uneheliches Kind annimmt, die gemeinschaftliche Adoption eines unehelichen Kindes durch die Kindesmutter und deren Ehemann aber unzulässig wäre.

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