OGH 10Os81/81

OGH10Os81/8114.7.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Juli 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie der Richteramtsanwärterin Dr. Reissig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ernst Anton A wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.März 1981, GZ. 3 d Vr 2005/81-11, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Maurer und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z. 3

StPO. in der Sache selbst erkannt:

Ernst A ist schuldig, am 31.Jänner 1981 in Wien mit dem am 21.April 1965 geborenen, mithin jugendlichen Wolfgang B gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben gesucht zu haben, indem er ihn zur Durchführung eines Mundverkehrs in einem nahegelegenen WC aufforderte und ihm hiefür einen Betrag von 400 S anbot.

Er hat hiedurch das Verbrechen der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209

StGB. begangen und wird hiefür nach § 209 StGB. zu 8 (acht) Monaten Freiheitsstrafe sowie gemäß § 389 StPO. zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1

StGB. wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.September 1944 geborene Malergeselle Ernst A vom obbezeichneten Anklagevorwurf gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen sprach der Angeklagte den genannten Jugendlichen in der (als 'Homosexuellenstrich' bekannten) Opernpassage mit den Worten an, 'ob er sich geschwind Geld verdienen wolle', die er über die Gegenfrage 'womit' dahin präzisierte, daß B 'aufs WC mitgehen und sich dort zusammenblasen lassen solle'.

Als Gegenleistung offerierte er zunächst einen Betrag von 100 S, den er aber im Verlaufe des kurzen Gespräches zunächst auf 200 S und letztlich auf 400 S hinauflizierte.

Nach Annahme des Schöffengerichtes hatte der Angeklagte das Gespräch mit dem Jugendlichen, dessen jugendliches Alter ihm auf Grund seines Aussehens bewußt war, in der Absicht geführt, ihn zum Mitgehen in ein WC in der Opernpassage und zur Duldung eines Mundverkehres zu bestimmen.

Den (dennoch gefällten) Freispruch begründete das Gericht damit, daß das festgestellte Verhalten des Angeklagten noch eine (straflose) Vorbereitungshandlung darstelle und das Stadium eines strafbaren Versuches nach § 15 StGB. noch nicht erreicht hatte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer (nur) auf die Z. 9 lit a des § 281 Abs 1

StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde mit der Argumentation, auf das Tatverhalten des Angeklagten träfen sämtliche Kriterien eines strafbaren Versuches zu.

Dem ist beizupflichten. Das Erstgericht geht zwar an sich richtig davon aus, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes für die Annahme eines Versuchs das Täterverhalten mit der geplanten Tat in einem derart sinnfälligen Zusammenhang stehen muß, daß es direkt auf diese ausgerichtet ist und nach den Zielvorstellungen des Täters in unmittelbarer Folge (ohne ins Gewicht fallende Zwischenstufen) in die Ausführung übergehen soll, letzterer mithin aktionsmäßig unmittelbar vorgelagert und aucn zeitlich nahe sein muß, wobei nach dem jeweiligen Deliktstypus zu beurteilen ist, ob die Tathandlung - objektiv - bereits den Beginn der Deliktsausführung bildet oder zumindest im unmittelbaren Vorfeld der Tatbildverwirklichung liegt und ob - subjektiv - das verbrecherische Tätervorhaben schon in ein Stadium trat, in dem anzunehmen ist, daß der Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung überwunden hat.

Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsauffassung sind indes durch das konstatierte Vorgehen des Angeklagten alle diese Voraussetzungen erfüllt. Die unmißverständliche Aufforderung des Angeklagten an den betroffenen Jugendlichen, mit ihm gleichgeschlechtliche Unzuchtshandlungen vorzunehmen, stellt sich im Sinne des Dargelegten bereits als eine unmittelbare Vorstufe der Deliktsverwirklichung dar, die dem Erfordernis der Ausführungsnähe in zeitlicher und örtlicher Beziehung entspricht; denn die Tatausführung sollte in unmittelbarer zeitlicher Folge (sogleich) in dem nur wenige Meter entfernt gelegenen WC der Opernpassage erfolgen. Unter diesen Umständen war die Handlungsweise des Angeklagten als eine ausführungsnahe Betätigung des auf gleichgeschlechtliche Unzucht mit einem Jugendlichen gerichteten Tatentschlusses zu werten, in dem der Täterwille in seinem - nicht isoliert für sich allein, sondern unter Bedachtnahme auf sämtliche Begleitumstände und im Rahmen des Handlungsplanes des Täters zu betrachtenden - äußeren Verhaltens bereits eine klar erkennbare Darstellung gefunden hat und die angesichts des deliktsspezifischen Unzuchtscharakters des vom Angeklagten angestrebten Verhaltens auch spezifisch tatbezogen war (vgl. SSt 46/24 und 37; 12 Os 167/80 u.v.a.).

Bei der gegebenen Saehlage kann sohin keine Rede davon sein, daß die inkriminierte Tathandlung von der Tatbildverwirklichung noch durch mehrere zeitliche, örtliche und manipulative Etappen getrennt gewesen wäre. Daß der Tatausführung noch die Einwilligung des Jugendlichen vorausgehen sollte, vermag die Ausführungsnähe einer Aufforderung, sogleich und in nächster Umgebung Unzuchtshandlungen vorzunehmen, nicht zu beeinträchtigen; dem Erfordernis einer Einwilligung des Unzuchtspartners kann nicht die Bedeutung eines die Ausführungsnähe hemmenden Zwischenstadiums beigemessen werden (vgl. ÖJZ-LSK 1979/113; EvBl.

1978/213).

Einzuräumen ist dem Erstgericht schließlich, daß die Versuchsbestimmungen des Strafgesetzbuches - verglichen mit jenen des Strafgesetzes - die Grenze des strafbaren Versuches näher an die Deliktsvollendung heranrücken.

Gleichwohl soll damit nach dem Willen des Gesetzgebers die Strafbarkeit von Versuchshandlungen nicht in einem kriminalpolitisch unerwünschten Ausmaß eingeengt werden (vgl. abermals SSt 46/37 und EvBl. 1978/213).

So gesehen war das Tatverhalten des Angeklagten nicht, wie das Erstgericht rechtsirrig (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO.) vermeinte, als straflose Vorbereitungshandlung zu beurteilen, sondern bereits in das Stadium eines strafbaren Versuches getreten. Der Angeklagte hat daher - zumal Straflosigkeit wegen freiwilligen Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB.) im Hinblick darauf, daß eine Tatvollendung nur wegen der Ablehnung des angesprochenen Jugendlichen unterblieb, nach Lage des Falles nicht in Betracht kommt - unter Zugrundelegung der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen den Tatbestand der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB. zu verantworten.

Es war sohin der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und der Angeklagte des in Rede stehenden Verbrechens schuldig zu sprechen.

Bei der Strafbemessung waren mehrere Verurteilungen, die, soweit ihnen an Jugendlichen verübte Unzuchtshandlungen zu Grunde lagen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, erschwerend, das auffällige Verhalten des Tatopfers am Tatort (das nach der Aktenlage als verlockend bezeichnet werden kann), der Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist und das vom Angeklagten abgelegte Teilgeständnis hingegen mildernd.

Da der Unrechtsgehalt der vorliegenden Straftat nicht allzu groß ist, konnte eine Freiheitsstrafe im unteren Bereich des Strafrahmens des § 209 StGB. (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) ausgemessen werden.

Weiters erachtete der Oberste Gerichtshof auch die Voraussetzungen für die Gewährung der bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB. als gegeben. Nicht zuletzt angesichts dessen, daß die einschlägigen Vorstrafen mehr als 1 Jahrzehnt zurückliegen, erscheint die Annahme vertretbar, daß die bloße Androhung der Freiheitsstrafe genügen werde, den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

Die Verfällung des Angeklagten in die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz ist in den bezogenen Gesetzesstellen begründet. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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