OGH 12Os167/80

OGH12Os167/8018.12.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Dezember 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach § 15, 207 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Oktober 1980, GZ 28 Vr 3967/79-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnitzky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. Oktober 1953 geborene Handelsvertreter Robert A des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach § 15, 207 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 9. Oktober 1979 in Innsbruck die am 9. Juni 1968 geborene Hauptschülerin Michaela B dadurch anders als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versuchte, daß er die Genannte nach Vorzeigen von zwei Sex-Magazinen aufforderte, sein entblößtes Glied anzugreifen.

Den Urteilsfeststellungen zufolge hatte der Angeklagte die (damals) elfjährige Michaela B allein in der Wohnung ihrer Eltern angetroffen, wohin er sich bei einem geschäftlichen Hausbesuch begeben hatte. Der Angeklagte, der das ungefähre Alter des Mädchens erkannt hatte, zeigte Michaela B in einem (mitgebrachten) Sexmagazin erotische Abbildungen (so ein männliches Glied in Großaufnahme und eine nackte Frau mit weit gespreizten Beinen) und fragte das Mädchen, ob es so etwas schon gesehen habe. Michaela B forderte den Angeklagten daraufhin auf, die Wohnung zu verlassen, dieser bat jedoch, die Toilette aufsuchen zu dürfen, was ihm das Mädchen gestattete. In der Toilette begann der Angeklagte zu onanieren und begab sich sodann mit entblößtem und erigiertem Geschlechtsteil zu dem Mädchen, das er nun fragte, ob es sein Glied angreifen wolle, was der Angeklagte, der neugierig war, ob sich das Mädchen dazu verleiten ließe, mit dieser in eine Frage gekleideten Aufforderung auch erreichen wollte. Michaela B forderte den Angeklagten jedoch (wiederum) auf, sie in Ruhe zu lassen; angesichts dieser Weigerung des Mädchens, seiner Aufforderung nachzukommen, verließ der Angeklagte die Wohnung.

Gegen die rechtliche Beurteilung dieses Tatverhaltens als (strafbaren) Versuch des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 15, 207 Abs. 1 (erster Deliktsfall) StGB wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen die erstgerichtliche Annahme einer (im Sinne des § 15 Abs. 2 StGB) ausführungsnahen (und daher bereits strafbaren) Versuchshandlung des Angeklagten aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund mit dem Hinweis auf den 'bloßen Fragecharakter' der in Rede stehenden Aufforderung an Michaela B gerichteten Beschwerdevorbringen ist folgendes entgegenzuhalten:

Strafbarer Versuch erfordert, daß der auf den strafgesetzwidrigen Erfolg gerichtete Vorsatz des Täters in seinem - nicht isoliert für sich allein, sondern unter Bedachtnahme auf sämtliche Begleitumstände und im Rahmen des Handlungsplanes des Täters zu betrachtenden - äußeren Verhalten bereits eine klar erkennbare Darstellung gefunden hat und daß das betreffende (Gesamt)Verhalten nicht nur in zeitlicher und örtlicher Beziehung ausführungsnah, sondern auch spezifisch tatbildbezogen ist. Das Verhalten muß - objektiv gesehen - den Beginn der Ausführung des Deliktes bilden oder doch der eigentlichen Tatausführung unmittelbar vorangehen, wobei dieser Ausführungsnähe nicht entgegensteht, daß nach dem Tatplan zur Deliktsausführung selbst auch eine bestimmte, noch nicht vorliegende Reaktion des bereits kontaktierten Opfers erforderlich wäre;

allerdings muß - was das subjektive Moment anlangt - der Täter stets auch die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung bereits überwunden haben (vgl. SSt 46/24, 37;

12 Os 2/80 ua; Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2 RN 19 zu § 15 und RN 23 zu § 207).

Diese Kriterien eines strafbaren Versuches treffen aber auf die vom Schöffengericht festgestellte Tat des Angeklagten zu. Seine an das Mädchen gerichtete Frage, ob es sein Glied angreifen wolle, hatte den Urteilskonstatierungen zufolge eindeutigen Aufforderungscharakter und war darauf gerichtet, das Mädchen, das der Angeklagte durch gezieltes Vorzeigen erotischer Abbildungen sexuell motivieren wollte, zu veranlassen, sein erregtes und bereits entblößtes Glied - ersichtlich sogleich, an Ort und Stelle - anzugreifen.

Damit war aber entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung nach dem Obengesagten dem Erfordernis der Ausführungsnähe in zeitlicher und örtlicher Beziehung angesichts des deliktsspezifischen Unzuchtscharakters (:Berühren seines Geschlechtsteiles durch die Unmündige) des vom Angeklagten angestrebten Verhaltens des Mädchens - auf ihn bezogen - im Sinne des ersten Deliktsfalles des § 207 Abs. 1 StGB gegeben und die inkriminierte Handlungsweise des Angeklagten als eine der Ausführung dieses Deliktes - bei entsprechender Bereitschaft des Mädchens auf Grund seiner Aufforderung unmittelbar vorangehende Betätigung zu beurteilen (vgl. EvBl. 1978/213; Leukauf-Steininger aaO RN 24 zu § 207), zumal der erste Deliktsfall des § 207 Abs. 1 StGB (im Gegensatz zu § 128 StG) keine auf 'Befriedigung der Lüste' gerichtete Täterabsicht voraussetzt und es daher bei diesem Deliktsfall auch genügt, wenn der Täter - worauf der Beschwerdeführer bezug nimmt - 'nur die Reaktion des unmündigen Opfers erproben wollte' (siehe Pallin im Wiener Kommentar, RN 12 zu § 207 StGB).

Schließlich unterblieb die Tatausführung nach den bindenden tatsächlichen Urteilsfeststellungen auf Seite des Angeklagten nicht freiwillig, sondern wegen der ablehnenden Haltung des Mädchens und dessen Weigerung, der Aufforderung des Angeklagten nachzukommen, seinen Geschlechtsteil anzugreifen, weshalb das Erstgericht dem Angeklagten den um ihm mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO reklamierten Strafaufhebungsgrund eines freiwilligen (strafbefreienden) Rücktrittes im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB (vgl. neuerlich SSt 46/37 am Ende und EvBl. 1978/213 am Ende) vom Versuch des Verbrechens des § 207 Abs. 1 (erster Deliktsfall) StGB mit Recht versagte. Daß für dieses Delikt der Einsatz von Mitteln der Drohung oder Gewalt zur Willensbrechung oder Willensbeugung (anders als bei den Tatbeständen nach den § 203 und 204 StGB) nicht essentiell ist und vom Angeklagten ein solcher Einsatz auch nie geplant war, läßt gleichfalls klar erkennen, daß nur die Weigerung seines Opfers, sich zur Unzucht mißbrauchen zu lassen, die Vollendung der von ihm gewollten Straftat scheitern ließ und es daher an der Freiwilligkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB mangelt.

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war demnach ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 207 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend keinen Umstand, als mildernd das Geständnis und die Tatsache an, daß es beim Versuch geblieben ist.

Die Berufung des Angeklagten, die Strafminderung und Anwendung der

bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB begehrt, ist unbegründet.

Unabhängig von der Tatsache, daß der Angeklagte wiederholt, wenn auch nicht einschlägig vorbestraft ist, erweist sein Tatverhalten besondere Gefährlichkeit, sodaß weder eine Herabsetzung des Strafausmaßes, geschweige denn eine bedingte Nachsicht dem Schuld- und Unrechtsgehalt gerecht werden könnte. Allein die vom Erstgericht verhängte unbedingte, überdies an der Untergrenze des Strafrahmens verhängte Freiheitsstrafe erscheint geeignet, dem Angeklagten das Unrechtsmäßige seines Verhaltens vor Augen zu führen und eine allfällige Wiederholung (die schon aus der Mitführung sexualorientierter Publikationen) zu befürchten ist, vorzubeugen. Es war demgemäß spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO

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