OGH 5Ob628/81

OGH5Ob628/8123.6.1981

SZ 54/98

Normen

ABGB §805
ABGB §806
ABGB §1299
AußstrG §4
AußstrG §116 Abs1
AußstrG §122
ABGB §805
ABGB §806
ABGB §1299
AußstrG §4
AußstrG §116 Abs1
AußstrG §122

 

Spruch:

Die im Verlassenschaftsverfahren vor dem Abhandlungsgericht oder vor dem Gerichtskommissär mündlich erklärte Erbsentschlagung wird ebenso wie die Erbserklärung erst mit der eigenhändigen Unterfertigung des hierüber aufgenommenen Protokolls durch den Erben oder dessen ausgewiesenen Vertreter rechtswirksam

Ein Rechtsanwalt hat dafür, daß der Oberste Gerichtshof einen vertretbaren, in Lehre und Rechtsprechung bisher nicht eindeutig geklärten Rechtsstandpunkt nicht teilt, nicht einzustehen

OGH 23. Juni 1981, 5 Ob 628/81 (OLG Wien 11 R 6/81; KG St. Pölten 2 Cg 319/79)

Text

Am 9. September 1975 starb Johanna D, am 3. Juni 1976 deren Ehemann Rupert D sen. Keiner von beiden hinterließ ein Testament. Sie hatten drei Kinder, und zwar die Klägerin, eine weitere Tochter namens Marianne St. und einen Sohn Rupert D jun. Wesentlicher Bestandteil der beiden Verlassenschaften war die Liegenschaft EZ 379 KG M mit dem Haus H-Weg 3. Am 15. November 1976 gab die beklagte Rechtsanwältin als bevollmächtigte Vertreterin der Klägerin in den Verlassenschaftsabhandlungen nach den Ehegatten D gegenüber dem Notar Dr. Iwo H als Gerichtskommissär die Erklärung ab, die Klägerin entschlage sich gegen einen Abfindungsbetrag von je 35 000 S ihres gesetzlichen Erbrechtes sowie ihres Pflichtteilsrechtes.

Mit der am 7. August 1979 beim Kreisgericht L eingelangten und in der Folge gemäß § 261 Abs. 6 ZPO an das Erstgericht überwiesenen Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes 52 935 S samt 4% Zinsen seit 11. Oktober 1978. Sie habe die Beklagte lediglich beauftragt zu erreichen, daß sie für ihren Anteil am elterlichen Anwesen in M den Betrag von 70 000 S erhalte. Einen Auftrag, ohne Rücksicht darauf, was allenfalls aus der Erbschaft nach Barbara S noch in den Nachlaß nach Rupert D sen. falle, gegen einen Abfindungsbetrag von 35 000 S sich des gesetzlichen Erbrechtes nach ihrem Vater zu entschlagen, habe sie der Beklagten niemals erteilt. Obgleich sie die Beklagte darauf hingewiesen habe, daß Rupert D sen. vor seinem Tod noch seine Tante Barbara S beerbt habe und aus deren Nachlaß etwas in seine Verlassenschaft fließen könne, habe die Beklagte die Erbsentschlagungserklärung der Klägerin voreilig, bevor noch festgestanden sei, welche Vermögenswerte die Verlassenschaft nach Barbara S umfasse, abgegeben. Sie (Klägerin) habe infolgedessen keinen Anteil am Verkaufserlös einer zur Verlassenschaft nach Barbara S gehörenden Baurechtseinlage erhalten, die im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens um 400 000 S verkauft worden sei, und dadurch einen Ausfall in der Höhe des Klagebetrages erlitten.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein: Sie habe die Erbsausschlagungserklärung, die sich auf die Nachlässe nach den Eltern der Klägerin und nach Barbara S bezogen habe, über ausdrücklichen Auftrag der Klägerin abgegeben, ohne daß ihr dabei ein Kunstfehler unterlaufen wäre. Im übrigen sei der Nachlaß nach Barbara S ohnehin passiv gewesen, so daß die Klägerin keinen Schaden erlitten habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:

Bereits zu Lebzeiten der Ehegatten Johanna und Rupert D besprachen deren Kinder, daß der Sohn R nach dem Tod der Eltern die Liegenschaft EZ 379 KG M bekommen und seine beiden Schwestern mit Geld abfinden solle. Beim Begräbnis des Rupert D sen. bekräftigten sie, daß diese Absprache nach wie vor aufrecht sei. Da der Klägerin die Anreise zu den Tagsatzungen in den Verlassenschaftsabhandlungen nach ihren Eltern zu aufwendig war, beauftragte ihr Ehemann Heinz W die Beklagte namens der Klägerin telefonisch mit deren Vertretung in den Verlassenschaftsabhandlungen. Die Beklagte übersandte der Klägerin ein Vollmachtsformular, das die Klägerin am 4. August 1976 unterfertigte und an die Beklagte zurücksandte. Mit Schreiben vom 9. Oktober 1976 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie habe sich mit ihren Geschwistern dahin geeinigt, daß Rupert D jun. den Grundbesitz erhalten und an seine beiden Schwestern je 10 000 DM auszahlen solle.

Die Beklagte solle sie in diesem Sinne vertreten. Wieso die Klägerin gerade 10 000 DM als Abfindung verlangte, wurde nicht erörtert. Vom Tod der Barbara S und einer nach ihr zu erwartenden Erbschaft war weder bei den Telefonaten noch im Schreiben vom 9. Oktober 1976 die Rede, weil die Klägerin und ihr Ehegatte davon noch nichts wußten.

Am 15. November 1976 hielt der in den Verlassenschaftssachen nach den Ehegatten D zum Gerichtskommissär bestellte Notar Dr. Iwo H in beiden Verfahren Tagsatzungen ab, zu denen die Beklagte als Vertreterin der Klägerin, Marianne St. und Rupert D jun. erschienen. In beiden Tagsatzungen erklärte die Beklagte namens der Klägerin, sich des Erbrechtes und Pflichtteiles gegen Bezahlung von je 35 000 S zu entschlagen. Marianne St. gab Entschlagungserklärungen gegen Zahlung von je 7500 S ab. Rupert D jun. wunderte sich zwar, daß die Klägerin so viel und Marianne St. so wenig verlangte, war jedoch mit beiden Beträgen einverstanden und gab in beiden Verfahren Erbserklärungen zum gesamten Nachlaß ab. Nach Abgabe dieser Erklärungen teilte der Gerichtskommissär an Hand eines Schreibens des Notars Dr. Josef I vom 14. September 1976 mit, daß der Erblasser Rupert D sen. vor seinem Tod noch seine am 9. Mai 1976 verstorbene Tante Barbara S beerbt habe.

Durch diese Mitteilung erfuhren die Beklagte, Marianne St. und Rupert D jun. erstmals vom Tod Barbara S, erörterten diese Information aber nicht weiter. In dem erwähnten Schreiben vom 14. September 1976 sowie in einem weiteren Schreiben vom 8. November 1976 fragte Notar Dr. Josef I den Notar Dr. Iwo H, ob in der Verlassenschaft nach Rupert D sen. bereits Erbserklärungen abgegeben worden seien. Ein Hinweis darauf, ob die Verlassenschaft nach Barbara S aktiv oder passiv sein werde, ist in diesem Schreiben nicht enthalten, so daß Dr. H am 15. November 1976 diesbezüglich weder Informationen besaß noch eine Erklärung abgeben konnte. Hingegen bemerkte Rupert D jun., Barbara S habe eine Menge Schulden gehabt, so daß ihre Verlassenschaft vermutlich passiv sein werde. Nachdem der Gerichtskommissär die Verlassenschaftsabhandlung nach Rupert D sen. bis zur Beendigung der Verlassenschaftsabhandlung nach Barbara S unterbrochen hatte, unterfertigten die Beklagte und Marianne St. sowie Rupert D jun. die in den Verlassenschaften nach den Ehegatten D angefertigten Niederschriften ohne jeden Vorbehalt. Erst durch die Übersendung der an diesem Tag angefertigten Protokolle erfuhr die Klägerin vom Tod der Barbara S. Mit Beschluß vom 18. Jänner 1977 wurde Rupert D jun. in den Nachlaß nach seiner Mutter Johanna D eingeantwortet. In der Verlassenschaft nach Barbara S gab Rupert D jun. namens der Verlassenschaft nach Rupert D sen. in einer vom Gerichtskommissär Notar Dr. Josef I am 17. Jänner 1977 abgehaltenen Tagsatzung eine Erbserklärung zur Hälfte des Nachlasses ab. Am 1. Juni 1977 errichtete Dr. Josef I ein Inventar, das Aktiven von 159 358.81 S und Passiven von 150 941.40 S aufwies. Unter den Aktiven schien die Baurechtseinlage BREZ 2810 an der EZ 2173 KG H mit dem steuerlichen Einheitswert von 78 100 S auf. Mit Kaufvertrag vom 18. August 1977 wurde sie um 400 000 S verkauft. In dieser Verlassenschaftsabhandlung liefen Schätzungskosten von 832.48 S und Kosten des Gerichtskommissärs von 11 649 S auf. Mit Schreiben vom 18. August 1977 übersandte Notar Dr. Josef I dem Notar Dr. Iwo H das Protokoll der Verlassenschaftsabhandlung nach Barbara S vom 1. Juni 1977 ohne Hinweis darauf, ob das Baurecht schon verkauft und welcher Erlös dafür erzielt wurde. Am 27. August 1977 setzte Notar Dr. Iwo H in der Verlassenschaftssache nach Rupert D sen. die am 15. November 1976 unterbrochene Tagsatzung fort und protokollierte zu deren Beginn die Mitteilung des Rupert D jun., die Verlassenschaft nach Rupert D sen. habe nach Barbara S nichts geerbt. Mit Beschluß vom 22. September 1977 wurde Rupert D jun. in den Nachlaß nach seinem Vater eingeantwortet.

Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung: Einer ausdrücklichen Weisung der Klägerin, bei der Abgabe der Erbsentschlagungserklärung auf einen möglichen Nachlaß nach Barbara S zu achten, habe die Beklagte zwar entgegen den Klagebehauptungen nicht zuwidergehandelt. Zu prüfen sei jedoch die Frage, ob die Beklagte nicht verpflichtet gewesen wäre, die in der Verlassenschaftsabhandlung nach Rupert D sen. auftragsgemäß abgegebene Erbsentschlagungserklärung zu widerrufen, nachdem sie erfahren gehabt hatte, daß diesem Nachlaß vielleicht noch ein Teil eines anderen Nachlasses, von dem allerdings nicht sicher festgestanden sei, ob er aktiv oder passiv sei, zufließen werde.

Diese Prüfung führe zu dem Ergebnis, daß ein solcher Widerruf im Hinblick darauf, daß die Entschlagungserklärung ohne Kenntnis vom Tod der Barbara S abgegeben worden sei, trotz des im § 806 ABGB normierten Widerrufsverbotes möglich und überdies notwendig gewesen wäre. Die Beklagte habe wohl vermuten können, daß die Klägerin bei der Auftragserteilung und Vollmachtsunterfertigung von dem bereits mehrere Monate vorher eingetretenen Tod der Barbara S Kenntnis gehabt habe und ihre Ansprüche gegen deren Nachlaß in dem der Beklagten bekanntgegebenen Abfindungsbetrag berücksichtigt habe. Sie habe aber auch mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die Klägerin vom Tod der Barbara S nichts gewußt habe und ihre Ansprüche auf deren Nachlaß bei der Berechnung des Abfindungsbetrages nicht berücksichtigt habe. Hätte die Beklagte in der Tagsatzung am 15. November 1976 die anwesenden Marianne St. und Rupert D jun. befragt, so wäre herausgekommen, daß diese vom Tod der Barbara S erst durch die Mitteilung des Gerichtskommissärs erfahren hätten, woraus die Beklagte den Schluß hätte ziehen müssen, daß die in der Bundesrepublik Deutschland wohnende Klägerin umso weniger davon Kenntnis haben würde. Die Beklagte hätte die in Unkenntnis des Todes der Barbara S für die Klägerin abgegebene Erbsentschlagungserklärung zurückziehen, die Klägerin vom Tod ihrer Großtante informieren und Weisungen für ihr weiteres Verhalten einholen müssen. Falls die Klägerin weitere Ansprüche gestellt hätte - was im Hinblick auf die gegenständliche Klagsführung anzunehmen sei -, hätte die Beklagte in der Tagsatzung am 27. August 1977 dem am 1. Juni 1977 in der Verlassenschaftssache nach Barbara S aufgenommenen Protokoll entnehmen können, daß der Verkauf der Baurechtseinlage geplant sei. Rupert D jun. hätte nach entsprechender Befragung den Erlös angeben müssen - widrigenfalls er sich strafbar und schadenersatzpflichtig gemacht hätte - und die Beklagte hätte im Rahmen der ihr mittlerweile von der Klägerin erteilten Aufträge einen höheren Abfindungsbetrag verlangen oder keine Erbsentschlagungserklärung abgeben können. Die Unterlassung dieser Vorsichtsmaßnahmen sei der Beklagten im Hinblick darauf, daß ein Rechtsanwalt in Angelegenheiten seiner Mandanten dieselbe Sorgfalt anzuwenden habe wie in eigenen Sachen, als Verschulden anzurechnen. Sie habe der Klägerin daher den durch ihr Fehlverhalten entstandenen Schaden zu ersetzen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Klageabweisung ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und nahm zur Rechtsrüge wie folgt Stellung: Es stehe fest, daß die Beklagte die Erbsentschlagung auf Grund einer ausdrücklichen Weisung der Klägerin erklärt und nach Abgabe dieser Erklärung erfahren habe, daß der Verlassenschaft nach Rupert D sen. noch der Nachlaß der verstorbenen Barbara S angefallen sei. Die gegenteiligen Ausführungen in der Berufungsmitteilung seien in den Feststellungen des Erstgerichtes und in den Beweisergebnissen nicht gedeckt. Der Beklagten könnte daher nur vorgeworfen werden, die bereits abgegebenen Erbsentschlagungserklärungen nicht widerrufen zu haben. Die Erklärung, eine Erbschaft auszuschlagen (§ 805 ABGB), könne ebenso wie eine Erbserklärung (§ 806 ABGB) nicht mehr widerrufen werden, sobald das Abhandlungsgericht sie zur Kenntnis genommen habe; die Kenntnisnahme durch den Gerichtskommissär stehe dabei jener durch das Gericht gleich. Einer förmlichen Beschlußfassung bedürfe es nicht; zur Kenntnis genommen sei die Entschlagung jedenfalls dann, wenn sie zur Grundlage des Verfahrens genommen worden sei (Weiß in Klang[2] III, 1000; Stanzl in Klang[2] IV/1, 595; Koziol - Welser[5] II, 316; SZ 22/30; JBl. 1961, 278; NZ 1978, 159). Zur Kenntnis genommen habe der Gerichtskommissär Dr. Iwo H die Erbsentschlagungen der Klägerin jedenfalls dadurch, daß er die in den Abhandlungstagsatzungen vom 15. November 1976 mündlich abgegebenen Erklärungen entgegengenommen habe. Diese Erklärungen seien dem Verfahren dadurch zugrunde gelegt worden, daß Rupert D jun. im Hinblick auf die Erbsentschlagungen der Klägerin seinerseits Erbserklärungen zum ganzen Nachlaß abgegeben habe. Damit seien die Erbsentschlagungen unwiderruflich geworden. Dies sei nach den getroffenen Feststellungen geschehen, bevor der Gerichtskommissär bekanntgegeben habe, daß Rupert D sen. noch Barbara S beerbt habe. Ob die Protokollierung der bereits abgegebenen Erbsentschlagungen nach der erwähnten Bekanntgabe erfolgt sei, wofür die Verfahrensergebnisse keine Anhaltspunkte lieferten, oder ob die Protokollierung bereits vorher stattgefunden gehabt habe, wie die Beklagte in ihrer Parteienaussage deponiert habe, sei deshalb unerheblich. Der Beklagten könne daher nicht als Kunstfehler vorgeworfen werden, eine bereits unwiderruflich abgegebene Erklärung nicht widerrufen zu haben. Bei diesem Ergebnis brauche auf die weitere Frage, ob die Klägerin einen Schaden durch Anfechtung ihrer Erbsentschlagungen nach §§ 869 ff ABGB innerhalb der hiefür zu Gebote stehenden dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1487 ABGB) hätte verhindern können (vgl. hiezu SZ 22/30; JBl. 1954, 174; SZ 44/72; NZ 1970, 26), nicht eingegangen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausschlagung der Erbschaft (Erbsentschlagung) ist die Erklärung, eine Erbschaft nicht anzunehmen (negative Erbserklärung). Auf sie finden grundsätzlich die Regeln über die (positive) Erbserklärung Anwendung; sie ist vor allem unwiderruflich (Koziol - Welser[5] II, 316 mwN in FN 9). Das ergibt sich daraus, daß die Ausschlagung eine Verfügung über die angefallene Erbschaft und eine Zuwendung an einen anderen darstellt, so daß durch den Widerruf dessen wohlerworbenes Recht verletzt werden würde (Weiß in Klang[2] III, 1000; 1 Ob 616, 704/76). Bei der Erbsentschlagung handelt es sich um eine im Verlassenschaftsverfahren dem Abhandlungsgericht gegenüber abgegebene einseitige Parteienerklärung mit materiellrechtlichen Wirkungen (Ehrenzweig[2] II/2, 501; Schell in Klang[1] II/1, 786; Weiß in Klang[2] III, 997; Müller, Rechtslexikon, Erbsentschlagung, Blatt 1; Feil, Verfahren außer Streitsache, 358 f.).

Zur Frage, in welchem Zeitpunkt die Erbsentschlagungserklärung unwiderruflich wird, vertreten Lehre und Rechtsprechung - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - den Standpunkt, daß darauf abzustellen ist, wann das Abhandlungsgericht die Erbsentschlagungserklärung - wenn auch ohne förmliche Beschlußfassung - zur Kenntnis genommen hat, d. h., wann es von dieser Erklärung Kenntnis erlangt und sie zur Grundlage des weiteren Abhandlungsverfahrens gemacht hat (Ehrenzweig[2] II/2, 501 f.; Schell in Klang[1] II/1, 789; Weiß in Klang[2] III, 1000; Koziol - Welser[5] II, 316; GlU 14 731; SZ 19/189; JBl. 1961, 278; 6 Ob 343/68; NZ 1978, 159; 8 Ob 527/78) wobei dem Abhandlungsgericht der Notar als Gerichtskommissär gleichsteht (GlU 12 924; GlUNF 6552; in dieser Entscheidung werden die Überreichung der Ausschlagungserklärung beim Gerichtskommissär und die Verständigung der Beteiligten hievon für das Inkrafttreten der Ausschlagungserklärung als vollkommen ausreichend erachtet; 3 Ob 302/59; 1 Ob 374/59; JBl. 1961, 278; in dieser Entscheidung wird die Kenntnisnahme der Ausschlagungserklärung darin erblickt, daß der Gerichtskommissär diese Erklärung in dem mit den Erbinteressenten aufgenommenen Tagsatzungsprotokoll festhält; 6 Ob 343/68; 5 Ob 218/69 u. a.).

Mit der Frage, ob die im Verlassenschaftsverfahren vor dem Abhandlungsgericht oder vor dem Gerichtskommissär mündlich abgegebene Erbsentschlagserklärung sogleich rechtswirksam wird oder es hiezu - wie gemäß § 122 AußStrG bei der (positiven) Erbserklärung (Müller, Rechtslexikon, Erbserklärung, Blatt 1 Verso; Feil, Verfahren außer Streitsachen, 364) - der eigenhändigen Unterfertigung des hierüber aufgenommenen Protokolls durch den Erben oder dessen ausgewiesenen Vertreter bedarf, haben sich Lehre und Rechtsprechung bisher - soweit ersichtlich - noch nicht ausdrücklich befaßt. Wenn verschiedentlich hervorgehoben wird, die Erbsentschlagung bedürfe keiner besonderen Form, sie sei vielmehr formfrei (Müller, Rechtslexikon, Erbsentschlagung, Blatt 1 Verso und 2; Feil, Verfahren außer Streitsachen, 385 f.; Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 63), geht es dabei bloß um die Abgrenzung gegenüber der Formbedürftigkeit des Erbschaftskaufes und der Erbschaftsschenkung (§ 1278 ABGB; vgl. dazu Koziol - Welser[5] II, 316 unten sowie 325). Der OGH ist in Übereinstimmung mit der Klägerin der Auffassung, daß § 122 AußStrG auch für die Erbsentschlagung gilt. Das folgt aus der eingangs angestellten Erwägung, daß die Erbsentschlagung eine negative Erbserklärung darstellt, die ebenso wie die positive Erbserklärung nicht nur verfahrensrechtliche, sondern auch materiellrechtliche Wirkungen entfaltet, so daß wegen der Bedeutung dieser Erklärung die Anwendung der für die (positive) Erbserklärung erlassenen Norm des § 122 AußStrG auch auf die Erbsentschlagung geboten erscheint (vgl. auch Rintelen a.a.O., 62). In dieselbe Richtung weist § 4 AußStrG, der hinsichtlich der Form der schriftlichen Gesuche im außerstreitigen Verfahren ausdrücklich auf die Vorschriften der Prozeßordnung Bezug nimmt und nach Rintelen (a.a.O., 25) die analoge Anwendung der in der ZPO für den Inhalt der Schriftsätze geltenden Bestimmungen auf den Inhalt des protokollarischen Anbringens der Parteien im Außerstreitverfahren nahelegt (§ 79 in Verbindung mit § 75 Z 3 ZPO; vgl. dazu Fasching II, 540 f.).

Geht man von diesen rechtlichen Erwägungen aus, dann gelangt man auf Grund des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhaltes zu dem Ergebnis, daß die Beklagte - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes - sehr wohl in der Lage gewesen wäre, das Rechtswirksamwerden und damit auch das Unwiderruflichwerden ihrer namens der Klägerin im Verlassenschaftsverfahren nach ihrem Vater abgegebenen Erklärung, die Klägerin entschlage sich gegen einen Abfindungsbetrag von 35 000 S ihres gesetzlichen Erbrechtes sowie ihres Pflichtteilsrechtes, dadurch zu verhindern, daß sie die Unterfertigung der in diesem Verfahren vom Gerichtskommissär aufgenommenen Niederschrift verweigert hätte. Auch nach der Rechtsansicht des OGH kommt es daher nicht darauf an, ob die Protokollierung dieser Erklärung vor oder nach der Bekanntgabe durch den Gerichtskommissär Dr. Iwo H erfolgte, daß Rupert D sen. vor seinem Tod noch Barbara S beerbt habe.

Die Berechtigung der Schadenersatzforderung der Klägerin hängt somit davon ab, ob es die Beklagte nach § 1299 ABGB - wonach sie die Kenntnisse und den Fleiß zu prästieren hat, die bzw. den ihre Fachgenossen gewöhnlich haben (SZ 34/153 u. a., zuletzt etwa 1 Ob 775/80) - zu vertreten hat, daß sie die Niederschrift vom 15. November 1976 vorbehaltlos unterfertigte, obgleich sie vorher erfahren hatte, daß Rupert D sen. vor seinem Tod noch seine Tante Barbara S beerbt habe. Dies ist zu verneinen. Die Beklagte durfte sich zwar bei der gegebenen Sachlage - die Klägerin hatte ihr gegenüber bis dahin nur vom Grundbesitz ihrer Eltern, nicht aber von der Verlassenschaft nach Barbara S gesprochen - nicht ohne weiteres auf die Bemerkung des Rupert D jun., Barbara S habe eine Menge Schulden gehabt, so daß ihre Verlassenschaft vermutlich passiv sein werde, sowie darauf verlassen, daß sich die Einigung der Klägerin mit ihren Geschwistern auch auf das ihrem Vater angefallene Erbe nach der Tante bezogen habe. Ihr Rechtsstandpunkt, sie habe die namens der Klägerin bereits abgegebene Erbsentschlagungserklärung nicht mehr widerrufen können, als sie von der Rupert D sen. angefallenen Erbschaft erfahren habe, war aber auf Grund des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhaltes im Hinblick auf die in Lehre und Rechtsprechung herrschende Ansicht über die Unwiderruflichkeit der Erbsentschlagungserklärung einerseits und auf die in Lehre und Rechtsprechung bisher noch nicht eindeutig beantwortete Frage, ob die im Verlassenschaftsverfahren vor dem Abhandlungsgericht oder vor dem Gerichtskommissär mündlich abgegebene Erbsentschlagungserklärung sogleich rechtswirksam wird oder ob es hiezu - wie bei der Erbserklärung - der eigenhändigen Unterfertigung des hierüber aufgenommenen Protokolls durch den Erben oder dessen ausgewiesenen Vertreter bedarf, andererseits durchaus vertretbar. Dafür, daß der OGH diesen Rechtsstandpunkt nunmehr nicht teilt, hat die Beklagte nicht einzustehen (vgl. EvBl 1971/238; EvBl 1963/336 u. a.).

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