OGH 4Ob506/81

OGH4Ob506/8128.4.1981

SZ 54/60

Normen

ABGB §932
ABGB §932

 

Spruch:

Wenn einer Sache zwar besonders zugesicherte und als wesentlich vereinbarte, nicht jedoch die im allgemeinen Verkehr geforderten Eigenschaften fehlen, kann der Käufer auch bei unbehebbaren Mängeln statt Wandlung Preisminderung auf den Verkehrswert verlangen

OGH 28. April 1981, 4 Ob 506/81 (OLG Innsbruck 5 R 252/80; LG Innsbruck 6 Cg 156/80)

Text

Der Kläger erwarb über seinen Sohn Gerhard D vom Beklagten alte Bauernmöbel (Südtiroler Renaissance) zum Kaufpreis von 170 000 S. Der Kläger brachte vor, daß sein Sohn bei dem fernmündlich abschlossenen Rechtsgeschäft die Zusage verlangt habe, daß die Bauernmöbel "Zentimeter für Zentimeter" echt seien. Bei einer Überprüfung der Möbel nach Bezahlung des Kaufpreises habe sich jedoch herausgestellt, daß diese nicht die vereinbarten Eigenschaften aufwiesen und nicht "echt im Sinne der Zusage" waren. Der Kläger begehrte zuletzt - nachdem er das ursprünglich gestellte Wandlungsbegehren fallengelassen hatte - aus dem Titel der Preisminderung Zahlung von 77 000 S samt Anhang.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete u.

a. ein, der Beklagte habe bei den Verhandlungen darauf hingewiesen, daß die Möbel restauriert worden seien. Sie entsprächen vollinhaltlich der getroffenen Vereinbarung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte im wesentlichen fest:

Der Beklagte bot dem Kläger die Bauernmöbel an und übersandte ihm, da dieser zu einer persönlichen Besichtigung in Baden keine Zeit fand, Lichtbilder. Nach deren Erhalt fragte Gerhard D den Beklagten fernmündlich, ob die Möbel wirklich "Zentimeter für Zentimeter" echt und original und ohne Ergänzung seien. Der Beklagte bejahte die Frage mit "selbstverständlich" und fügte hinzu, daß die Möbel einige Altersschäden hätten. Gerhard D und der Beklagte einigten sich auf einen Kaufpreis von 170 000 S, der erst nach dem Eintreffen der Möbel in Innsbruck bezahlt werden sollte. Der Kläger beauftragte dann ein Transportunternehmen aus Amstetten, die Möbel beim Beklagten abzuholen und nach Innsbruck zu bringen. Die Möbel wurden am 29. Juni 1978 in Baden abgeholt und am 7. Juli 1978 in Innsbruck entladen. Schon am 23. Juni 1978 hatte der Kläger über seine Bank 170 000 S an die Filiale Baden der X-Bank zugunsten des Beklagten mit dem Auftrag überwiesen, daß die Kaufpreissumme erst nach fernschriftlicher Anzeige des Warenerhaltes ausbezahlt werden dürfe. Der Beklagte rief beim Kläger an, der ihm mitteilte, daß das Geld nach Einlangen der Ware freigegeben werde. Als am 6. Juli 1978 die Freigabe des Kaufpreises erfolgte, hatte der Kläger die Möbel noch nicht übernommen. Sie wurden dann im Lager des Gerhard D abgestellt. Gerhard D nahm nach Besichtigung der Möbel zunächst an, daß es sich um Fälschungen aus dem 20. Jahrhundert handle und teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 14. Juli 1978 mit, verlangte Wandlung und kundigte die Übersendung eines Sachverständigengutachtens an. Mit Schreiben vom 19. Juli 1978 teilte der Klagevertreter dem Beklagten mit, daß die Möbel nicht als "echt im Sinne des Kaufvertrages" anzusehen seien und verlangte unter Hinweis auf die rechtzeitige Rüge neuerlich Wandlung.

Gegenstand des Kaufvertrages waren ein zweitüriger und ein eintüriger Bauernschrank sowie eine zweitürige bäuerliche Anrichte. Die beiden Schränke sind intarsierte Weichholzschränke im Stil der Spätrenaissance, die aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammen. Der Kranz und der Sockel des zweitürigen Schrankes sowie der Sockel und einige unwesentliche Teile des eintürigen Schrankes wurden 1870 bis 1880 aus alten Hölzern und Bauelementen von einem Kunsttischler ergänzt. Auch die Schlüsselschilder des zweitürigen Schrankes stammen nicht aus der Ursprungszeit. Die Anrichte aus Weichholz wurde 1870 bis 1880, wahrscheinlich als Ergänzung zu den Schränken, von demselben Kunsttischler aus antiken Möbelbestandteilen mit alten Hölzern und Gesimsen angefertigt. Der Verkehrswert der Möbel, die der Kläger inzwischen um 15 000 DM an einen deutschen Käufer weiterverkaufte, beträgt zusammen 93 000 S. Das Erstgericht war der Ansicht, der Beklagte habe dafür garantiert, daß die Möbel Zentimeter für Zentimeter echt seien. Diese Zusicherung habe sich als unrichtig herausgestellt. Das Fehlen dieser bedungenen Eigenschaft sei der Unbrauchbarkeit gleichzusetzen und bilde damit einen wesentlichen Mangel, der, weil er auch unbehebbar sei, den Kläger zu der - ursprünglich auch verlangten - Wandlung berechtigt habe. Der Kläger könne aber auch bei voller Unbrauchbarkeit statt der Wandlung Preisminderung verlangen. Der Kläger habe den Mangel rechtzeitig gerügt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte zur Rechtsrüge insbesondere aus:

Nach § 923 ABGB bestehe ein Gewährleistungsanspruch u. a. dann, wenn der Verkäufer der Sache Eigenschaften beilege, die sie nicht habe und die ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäfts stillschweigend bedungen worden seien. Im vorliegenden Fall habe sich die ausdrückliche Zusage der vollen Echtheit der Möbel als unrichtig erwiesen; darin liege ein wesentlicher unbehebbarer Mangel, weshalb der Übernehmer in der Regel nur die gänzliche Aufhebung des Vertrages, nicht aber Preisminderung fordern könne. Eine Ausnahme bestehe aber dann, wenn nur besonders zugesicherte und als wesentlich vereinbarte Eigenschaften fehlten, die Sache jedoch die im allgemeinen Verkehrsleben geforderten Eigenschaften habe. Diesfalls könne der Preis auf den üblichen Preis für derartige Waren herabgesetzt werden. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben, da die Möbel, auch wenn sie nicht zur Gänze original seien, immer noch einen Wert als Antiquitäten hätten. Die Preisminderung wäre zwar an sich nach der sogenannten relativen Berechnungsmethode vorzunehmen gewesen. Eine solche Berechnung sei aber hier nicht möglich gewesen, weil der Sachverständige erklärt habe, zumindest für einen Teil der Möbel jenen Preis, der für ein Originalstück gerechtfertigt wäre, nicht nennen zu können.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht gelangte zutreffend zum Ergebnis, daß der Kläger wegen der vorliegenden wesentlichen und unbehebbaren Mängel des Kaufobjektes an Stelle der Wandlung Preisminderung begehren könne.

Die Frage, ob dem Gewährleistungsberechtigten diese Wahlmöglichkeit zusteht, wurde im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Gschnitzer verneint das Wahlrecht. Der Erwerber könne nicht einfach die Sache, die mit einem unbehebbaren gebrauchshindernden Mangel behaftet sei, gegen den Willen des Veräußerers behalten und das Entgelt verhältnismäßig mindern (Klang[2] IV/1, 535); es sei nicht folgerichtig, bei unbehebbarer Unbrauchbarkeit Minderung zu verlangen, die zum Grenzwert "Null" führen müßte (Schuldrecht, Allgemeiner Teil 82). Auch Pisko (Klang[1] II/2, 560) lehnt das Wahlrecht grundsätzlich ab, anerkennt es aber unter der besonderen Voraussetzung, daß "der Mangel neben der Gebrauchshinderung auch eine von dieser unabhängige Wertminderung zur Folge hat". Ehrenzweig (System[2] II/2, 223 f.) ist hingegen der Ansicht, daß trotz Unbrauchbarkeit Preisminderung verlangt werden kann, wenn der Käufer die Sache behalten will; dann müsse aber der Minderung die Annahme zugrunde gelegt werden, daß die Sache für den Käufer doch noch brauchbar sei. Dieser Ansicht folgte auch der OGH in der Entscheidung SZ 26/120 und billigte einem Käufer, der eine Kuh als Nutzkuh gekauft hatte, eine Preisminderung zu, weil sie nur als Schlachtkuh oder als Zugtier verwendet werden könne. Ehrenzweig führt allerdings auch noch aus, daß dein Verkäufer nicht zugemutet werden soll, dem Käufer den größten Teil des Kaufpreises zurückzustellen und außerdem die Ware zu belassen. Swoboda (ABGB[2] III, 56) tritt ganz allgemein für die Zulässigkeit der Minderung bei wesentlichen unbehebbaren Mängeln mit der Begründung ein, daß das Gesetz der Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Vertrages stets den Vorzug gebe. Kramer (JBl. 1972, 406) sprach sich gegen eine solche Wahlmöglichkeit des Käufers aus, weil damit dem Verkäufer ein nicht gewollter Vertragsinhalt aufgezwungen werde, was der Privatautonomie widerspreche. Mit all diesen Lehrmeinungen setzte sich Jabornegg (Minderung bei wesentlichen unbehebbaren Mängeln? JBl. 1976, 184 ff.) ausführlich mit dem Ergebnis auseinander, daß dem Käufer grundsätzlich ein solches Wahlrecht einzuräumen sei, daß er sich aber, wenn er es in Anspruch nehme, auch die bloß subjektive Brauchbarkeit der Sache bei der Feststellung der Wertminderung entgegenhalten lassen müsse, da es nicht angehe, den Preis praktisch auf "Null" zu reduzieren und dem Verkäufer auch noch den Kaufgegenstand zu nehmen. Jabornegg verweist zu Recht darauf, daß § 1167 ABGB für den Werkvertrag vorsehe, daß bei wesentlichen unbehebbaren Mängeln zwischen Wandlung und Minderung gewählt werden könne und daß ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Verschiedenheit der Rechtsfolgen bei Kauf- und Werkvertrag nicht erkennbar sei. Überzeugend sind auch seine Ausführungen, wonach die Gestaltungsrechte der Wandlung und der Minderung keineswegs davon abhängen, wie sich die Parteien verhalten hätten, wenn ihnen schon bei Vertragsabschluß die Mangelhaftigkeit der Sache bekannt gewesen wäre (Jabornegg a.a.O., 193).

Die von einem Teil der Lehre gerade wegen der Gefahr der Benachteiligung des Verkäufers gegen das Wahlrecht des Käufers erhobenen Bedenken treffen jedenfalls für den vorliegenden, auch von Koziol - Welser[5] I, 216 f. anerkannten Ausnahmsfall nicht zu, in dem nur besonders zugesicherte und als wesentlich vereinbarte Eigenschaften fehlen, die Sache jedoch die allgemeinen im Verkehrsleben geforderten Eigenschaften hat. In diesen Fällen versagt das Argument der Gegner des Wahlrechtes, Minderung müsse bei unbehebbarer Unbrauchbarkeit zum Grenzwert "Null" führen.

Im vorliegenden Fall genügten zwar die verkauften Möbel den vereinbarten, besonders strengen Echtheitsbedingungen nicht, sodaß der Käufer zur Wandlung berechtigt war. Die verkauften Möbelstücke besitzen aber als entsprechend restaurierte und ergänzte Antiquitäten einen vom Sachverständigen festgestellten und damit objektivierbaren beträchtlichen Verkehrswert, sodaß ein Recht des Klägers, an Stelle der Wandlung Preisminderung bis zu jenem Verkehrswert zu verlangen, anzuerkennen ist. Das Argument des Revisionswerbers, der Kläger wäre dann auch berechtigt gewesen, die antiken Möbel als bloße Gebrauchsgegenstände zu behandeln und eine viel höhere Preisminderung zu begehren, geht ins Leere, weil der Kläger ein solches Verlangen nicht gestellt hat und mit Recht bei der Berechnung der Preisminderung von jenem Wert ausgegangen wurde, den die Möbel immer noch als Antiquitäten besitzen. Damit wurde bei der Ermittlung des Wertes jedenfalls von dem (höchsten) Nutzen ausgegangen, den sie gewöhnlich und allgemein noch leisten können (vgl. § 305 ABGB). Ein sittenwidriges Vorgehen des Klägers ist daher nicht gegeben.

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