OGH 1Ob506/81

OGH1Ob506/814.3.1981

SZ 54/28

Normen

ABGB §1400
ABGB §1431
ABGB §1400
ABGB §1431

 

Spruch:

Erfolgte die irrtümliche Bezahlung einer Nichtschuld durch Überweisung und Gutschrift auf einem Girokonto des vermeintlichen Gläubigers, besteht auch dann, wenn mit der Buchung durch kontokorrentmäßige Verrechnung gleichzeitig eine Schuld des Kontoinhabers an die Bank abgegolten wurde, ein Bereicherungsanspruch nur gegen den Kontoinhaber, nicht aber gegen die kontoführende Bank. Siehe dazu Nr. 2, 162, 187

OGH 4. März 1981, 1 Ob 506/81 (OLG Graz 7 R 135/80; LG Klagenfurt 16 Cg 29/80)

Text

Siegfried T stand gegen die Klägerin eine Vermittlungsprovision von 47 200 S zu. Am 13. Juni 1977 zedierte er diese Forderung an seine Stieftochter Anneheide R. Die Klägerin wurde von der Zession verständigt. Nach dem Tod des Siegfried T am 21. Feber 1978 überwies die Klägerin irrtümlich in zwei Teilbeträgen ihre Schuld statt an Anneheide R auf ein Kontokorrentkonto des Siegfried T, Konto-Nr. 78- 139-716/00/000, bei der beklagten Partei, einer Bank. Im Verlassenschaftsverfahren nach Siegfried T, 1 A 250/78 des Bezirksgerichtes Klagenfurt, wurde bisher eine Erbserklärung nicht abgegeben. Über Antrag der Klägerin wurde die beklagte Partei mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 18. Jänner 1979, 1 A 250/78-25, ersucht, den Betrag von 47 200 S an Anneheide R zu überweisen. Ein dagegen von der beklagten Partei erhobener Rekurs wurde mit Beschluß des OGH vom 19. Juli 1979, 3 Ob 561/79, zurückgewiesen. Da die Befolgung des Ausfolgebeschlusses der beklagten Partei völlig freigestellt sei, greife der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt nicht in die geschützte Rechtssphäre der beklagten Partei ein. Ihr stehe daher ein Rekursrecht nicht zu.

Die Klägerin begehrt den Zuspruch des Betrages von 47 200 S samt Anhang. Ihr stehe auf Grund der irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld an die beklagte Partei ein Rückforderungsanspruch zu. Im Ausfolgeverfahren sei bereits rechtskräftig die Vorfrage entschieden worden, daß der Klägerin ein Ausfolgeanspruch zustehe. Wenn die Verlassenschaft überschuldet sei, würde eine Zahlung nach dem Tod des Siegfried T an die beklagte Partei eine Gläubigerbevorzugung darstellen.

Die beklagte Partei wendete mangelnde passive Klagslegitimation ein. Sie sei durch die Zahlung der Klägerin nicht bereichert worden. Auf Grund des zwischen ihr und Siegfried T abgeschlossenen Giro- und Kontokorrentvertrages sei sie unwiderruflich befugt, Geldbeträge für Siefried T entgegenzunehmen und seinem Konto gutzubringen. Neuerliche Dispositionen zu Lasten des Kontos des Siegfried T sei die beklagte Partei nicht bereit durchzuführen, da das Konto einen Saldo zu Lasten der Verlassenschaft über 27 000 S ausweise.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Durch die irrtümliche Zahlung der Nichtschuld sei die beklagte Partei bereichert. Auf ihre Vereinbarungen mit Siegfried T könne sie sich nicht berufen, da die Klägerin zu ihr in keinen Rechtsbeziehungen gestanden sei.

Der Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht Folge. Es änderte das Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Die Klägerin habe weder behauptet noch bewiesen, daß sie eine Zahlung an die beklagte Partei erbracht habe. Die strittige Zahlung der Klägerin sei vielmehr durch die Gutschrift seitens der beklagten Partei in das Vermögen der Verlassenschaft nach Siegfried T übergegangen; somit sei diese und nicht die beklagte Partei ohne Rechtsgrund bereichert worden. Zwischen der kontoführenden Stelle und dem Inhaber des Kontokorrentkontos bestehe keine Identität.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wer ein Konto bei einer Bank unterhält, hat jedenfalls dann, wenn er Dritten gegenüber bekanntgemacht hat, daß diese Zahlungen auf sein Konto leisten können, was für das Konto des Siegfried T nicht strittig ist, wollte die Klägerin doch eine (vermeintliche) Verbindlichkeit erfüllen, eingelangte Zahlungen Dritter als für sich erfolgt anzusehen (SZ 51/103; HS 6288; SZ 25/199; SZ 23/59; vgl. Gschnitzer in Klang[2]IV/1, 368 f.; Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] I, 71). Aus dem Wesen des Girovertrages ergibt sich auch das Recht des Kontoinhabers, daß die bei der kontoführenden Stelle eingehenden Beträge durch Buchung auf seinem Konto entgegengenommen werden. Der Tod des Kontoinhabers bringt das Giroverhältnis nicht zur Auflösung (Schinnerer - Avancini a.a.O., 162; Canaris in GroßkommHGB[3] III, 704). Sobald ein Überweisungsauftrag durch die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers durchgeführt worden ist, entstehen Verbindlichkeiten der Bank und Rechte des Kontoinhabers. Der Kunde erlangt im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Konto einen unmittelbaren Anspruch gegen die Bank. Dies bedeutet aber auch, daß spätestens mit der Buchung auf das Konto der Überweisende einerseits seine Verbindlichkeit erfüllt, aber auch Verfügungsmöglichkeiten über den Betrag verliert. Ein Auftraggeber kann also seinen Auftrag nur so lange widerrufen, als der überwiesene Betrag noch nicht auf dem Konto des Empfängers gutgeschrieben wurde (Schinnerer - Avancini a.a.O., 91, 98, 100, 104). Einen rechtzeitigen Widerruf behauptet die Klägerin nicht. Mit der Gutschrift der irrtümlich erfolgten Zahlung der Klägerin auf dem Girokonto des Siegfried T bei der beklagten Partei gelangte daher diese Zahlung in das Vermögen des Kontoinhabers. Nur dieser und nicht die Bank kann daher bereichert sein (Schinnerer - Avancini a. a.O.,92). Dies gilt auch dann, wenn der Kontoinhaber mit dem überwiesenen Betrag seine Schulden bei der Bank abdeckte oder die Bank auf Grund ihrer Vertragsbeziehung zum Kontoinhaber zu einer entsprechenden den Kontoinhaber belastenden gleichzeitigen Buchung des eingegangenen Betrages durch kontokorrentmäßige Verrechnung einer eigenen Forderung berechtigt war. Ein Leistungsausgleich wegen irrtümlicher Zahlung ist nur zwischen den Parteien des Leistungsverhältnisses vorzunehmen, hier also zwischen der Klägerin und der Verlassenschaft nach Siegfried T, nicht aber zwischen der Klägerin und der beklagten Partei als Zahlstelle für die Verlassenschaft (vgl. Wilburg in Klang[2] VI, 460; Schinnerer - Avancini a.a.O., 103; Canaris a.a.O., 702 f.). Die Klägerin kann daher gegen die beklagte Partei kraft eigenen Rechtes aus der irrtümlich erfolgten Zahlung keine Ansprüche geltend machen. Ein Auftrag der Verlassenschaft an die beklagte Partei aus dem Girovertrag, den die beklagte Partei allenfalls zu erfüllen gehabt und allenfalls Rechte der Klägerin gegen die beklagte Partei begrundet hätte, wird nicht behauptet und ist jedenfalls im Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 18. Jänner 1979 nicht zu erblicken. Da die Klägerin auch keinen Anfechtungsanspruch erhob, ist es unerheblich, ob eine Gläubigerbevorzugung eintrat.

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