OGH 8Ob223/80

OGH8Ob223/8026.2.1981

SZ 54/24

 

 

Spruch:

Der Entgang von Wohnversorgung und von Pflegeleistungen der Eltern begründen nicht Ansprüche mit selbständigem rechtlichem Schicksal, sondern stellen nur Posten des gesamten Entganges der Waisen dar

Deckungsfonds für die Leistungen an Waisenrenten und Waisenpensionen bildet auch der Schadenersatzanspruch der Waisen wegen entgangener Pflegeleistungen der Eltern

 

OGH 26. Feber 1981, 8 Ob 223, 224/80 (OLG Graz 4 R 176, 177/79; KG Leoben 8 Cg 417/78)

 

Begründung:

Der eheliche Vater der beiden 1973 und 1969 geborenen Kläger, Peter M, wurde bei einem vom Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall am 20. Juli 1976 getötet. Die Mutter Lieselotte verstarb an den Unfallsfolgen am 10. September 1976. Unbestritten ist, daß der Erstbeklagte als Lenker, die Zweitbeklagte als Halterin und die Drittbeklagte als Haftpflichtversicherer des unfallsbeteiligten LKW-Zuges für die aus diesem Verkehrsunfall resultierenden Schäden zu haften haben.

Mit den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehren die Kläger als Schadenersatz den Betrag von je 184.287,63 S (darin ein betraglich zusammengefaßter Entgang von je 140.000 S pro Kind) und ab 1. Jänner 1979 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit eine Monatsrente von je 6.000 S (darin je 5.000 S monatlich an anteiligen Betreuungs- und Beaufsichtigungskosten sowie je 1.000 S monatlich als Wohnungskostenbeitrag).

Die Beklagten stellten Ansprüche von 37.913,72 S außer Streit, bestritten aber im übrigen die Leistungs- und Rentenbegehren.

Das Erstgericht sprach den Klägern je 103.926.62 S samt Anhang sowie eine monatliche Rente von je 3.037,50 S ab 1. Jänner 1979 zu und wies die Mehrbeträge und die Rentenmehrbegehren ab.

Es stellte im wesentlichen fest:

Die Kläger bewohnten mit ihren Eltern in L eine Genossenschaftswohnung, wobei es sich um eine Dienstwohnung ihres Vaters handelte. Die monatliche Nutzungsgebühr für diese Wohnung betrug ab Jänner 1976 1.583,30 S, ab April 1976 1.827,60 S, ab Mai 1976 1.656,90 S und ab Juli 1976 1.647,50 S, worin u.a. ein Heizungskostenpauschale von 430 S monatlich enthalten war. Die Mutter der Kläger Lieselotte M war bei der Bezirkssparkasse L seinerzeit vollbeschäftigt, über ihren eigenen Wunsch wurde sie dann teilbeschäftigt, wobei sie in der Zwischenzeit anläßlich der Geburt der Kläger auch auf Karenzurlaub war; von Seiten der Leitung der Bezirkssparkasse L wäre es in der Folge wünschenswert gewesen, wenn Lieselotte M wieder als vollbeschäftigte Kraft tätig geworden wäre. Als Halbtagskraft hätte sie ein Jahresnettoeinkommen von 47.297,40 S, als Vollbeschäftigte ein solches von 79.550,98 S erzielt. Der Vater der Kläger bezog als Finanzbeamter im Jänner 1976 ein monatliches Nettoeinkommen von 7.933,10 S, im Feber 1976 von 9.319,80 S, im März 1976 von 11.166,80 S, im April 1976 von 7.474,50 S, im Mai 1976 von 9.364,50 S, im Juni 1976 von 10.942,50 S und im Juli 1976 von 9.382,30 S. Die Wohnung der Großeltern der Kläger in L, R-Straße 7, befindet sich im ersten Stock und besteht aus Vorzimmer, Bad, WC, Wohn- und Schlafzimmer sowie Küche. Im Wohnzimmer ist eine Doppelcouch, auf der die Großeltern der Kläger schlafen, untergebracht. Dieser Raum hat ein Ausmaß von 20 m2. Das Kinderzimmer ist ebenfalls 20 m2 groß. In diesem Zimmer befinden sich die Schlafzimmermöbel der Großeltern der Kläger. In der Küche ist eine Kochnische mit einer Sitzecke vorhanden. Für diese Wohnung betrugen die monatlichen Mietzinsvorschreiben 1976 426 S, hievon 139 S Betriebskosten, im Jahr 1977 433,41 S, davon 146,22 S Betriebskosten, im Jahr 1978 492,15 S, hievon 178,37 S Betriebskosten. Die monatlichen Stromkosten betrugen in den Jahren 1978 und 1979 353,16 S. Für die Heizung werden für diese Wohnung jährlich 6.415,20 S ausgegeben. Es betragen somit die monatlichen Heizkosten 534,60 S. Insgesamt belaufen sich die monatlichen Fixkosten für diese Wohnung auf 1.380,81 S. Unter Hinzurechnung der Rundfunk- und Fernsehgebühren sind die monatlichen Wohnungsfixkosten mit 1.500 S anzunehmen. Auf die beiden minderjährigen Kläger entfallen hievon 50 %, somit je 350 S. Die Kläger beziehen eine Waisenrente, welche im Jahr 1976 je 1.430 S, im Jahr 1977 1.556 S, im Jahr 1978 1.679 S und im Jahr 1979 1.797 S netto je 14 mal jährlich betrug. Seit der Entlassung aus dem Krankenhaus sind die beiden Kläger bei ihren väterlichen Großeltern untergebracht. Sie bewohnen das Kinderzimmer, das das seinerzeitige Schlafzimmer der Großeltern war, allein. Die übrigen Räume benützen sie mit. Sie werden auch zur Gänze von den Großeltern betreut und erzogen. Laut Mindestlohntarif betragen die Kosten für eine Person, die unter das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz fällt, im Bereich L monatlich brutto 4.000 S bei freier Wohnung und Verpflegung. Im Falle der Betreuung von zwei Personen käme hiezu ein Zuschlag von je 10 %, so daß sich die Kosten auf 4.800 S belaufen würden. Die freie Wohnung und Verpflegung wird mit 1.380 S bewertet. Unter Berücksichtigung, daß der Arbeitgeber auch noch den Sozialversicherungsanteil bezahlen muß, belaufen sich diese Kosten auf insgesamt 7.159.53 S. Bei einer Mehrleistung ist ein Zuschlag von 50 % an Werktagen und von 100 % an Sonn- und Feiertagen zu machen. Sofern ein solcher Dienstnehmer nicht in die Hausgemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommen wird, hat er bei stundenweiser Entlohnung Anspruch auf eine Mindestentlohnung von 27 S pro Stunde. Bei Betreuung von zwei Kindern beträgt der Mindeststundenlohn 30 S.

In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Auffassung, daß die beiden minderjährigen Kläger mit Rücksicht auf die Tötung ihrer beiden Eltern auch Anspruch auf den Ersatz der Erziehungskosten haben. Die Erziehungstätigkeit werde von den väterlichen Großeltern geleistet, die hiefür etwa vier bis fünf Stunden täglich aufwenden. Das Gericht erachte einen Stundenlohn von 40 S netto in Anwendung der Bestimmung des § 273 ZPO für diese Leistungen für gerechtfertigt. Dies ergebe pro Monat einen Betrag von 5.475 S, somit je Kläger von 2.737,50 S. Hinzuzurechnen seien noch die Wohnungskosten von je 350 S, so daß jedem Kläger monatlich 3.076,50 S zuzusprechen und das darüber hinausgehende Begehren von monatlich 2.912,50 S abzuweisen gewesen wäre. Den Verbrauchsanteil am Einkommen der Eltern nahm das Erstgericht gemäß § 273 ZPO mit 15 % je Kind an.

Das Gericht zweiter Instanz gab den von den Klägern und den Beklagten erhobenen Berufungen teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne des Zuspruches von insgesamt je 103.189,86 S samt Anhang an die beiden Kläger und einer Rente von je 3.500 S ab 1. Jänner 1979 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit sowie im Sinne der Abweisung von je 81.097,77 S und der Rentenmehrbegehren ab. Es stellte ergänzend fest, daß die Dienstwohnung des Vaters der Kläger im April 1977 geräumt werden mußte, da sie seitens der BUWOG an einen anderen Bundesbediensteten vergeben worden war. Die Großmutter der Kläger hat mit Rücksicht auf deren erforderliche Betreuung ihre Berufstätigkeit aufgegeben. Die Familienbeihilfe bezieht seit dem Tode des Vaters der Kläger deren Großvater Hans M. Das Berufungsgericht erachtete einen Anspruch der Kläger auf Ersatz der ihnen durch den Tod ihrer Eltern entgangenen Pflege- und Erziehungsleistungen, die einen Teil ihrer Unterhaltsansprüche darstellten, für gegeben und hielt in Anwendung des § 273 ZPO hiefür einen Betrag von je 3.000 S monatlich für jeden der beiden Kläger angemessen. Hiebei sei darauf Bedacht zu nehmen, daß die Kläger als Vollwaisen schon wegen ihres noch geringen Alters bei jedoch schon voll bestehender Einsichtsfähigkeit in ihre familiäre Situation Anspruch auf entsprechend intensive persönliche Betreuung als teilweisen Ausgleich für den Verlust ihrer Eltern hätten. Zuzüglich zu diesem Anspruch auf Ersatz des Wertes der Pflege- und Erziehungsleistungen bestehe auf Seiten der Kläger aber auch noch der Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Unterbringung bei den Großeltern. Mit Rücksicht darauf, daß die Kläger nicht nur das ihnen zur Verfügung gestellte Zimmer, sondern darüber hinaus auch sämtliche übrigen Räume der Wohnung der Großeltern einschließlich des Mobiliars benützen könnten, sei das begehrte monatliche Entgelt von nunmehr je 500 S in Anwendung der Bestimmungen des § 273 Abs. 1 ZPO als nicht überhöht anzusehen.

Der Oberste Gerichtshof gab den von sämtlichen Parteien erhobenen Revisionen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionsausführungen der Beklagten wenden sich dagegen, daß das Berufungsgericht lediglich einzelne Teile des Unterhaltsentganges herausgegriffen und hierauf sein Urteil gegründet habe, während bei richtiger Vorgangsweise der gesamte Unterhaltsentgang der Vollwaisen zu ermitteln gewesen wäre, nämlich der Betrag, den die Eltern monatlich für den Unterhalt der beiden Kläger aufgewendet haben, weiters jener Betrag, der zur Abgeltung des von den Eltern geleisteten Pflege- und Erziehungsaufwandes erforderlich sei. Hievon wäre all das abzuziehen gewesen, was die Kläger als Vollwaisen an Waisenrente und Familienbeihilfe erhielten. Nur wenn sich danach noch eine ungedeckte Differenz ergebe, könnten die Beklagten zu deren Ersatz herangezogen werden.

Dem ist insoweit zuzustimmen, als der Entgang von Bar- und Sachleistungen der Eltern, der Entgang der Wohnversorgung und der Entgang von Pflegeleistungen nicht Ansprüche mit selbständigem rechtlichen Schicksal begründen, sondern nur Posten eines gesamten Entganges der Hinterbliebenen darstellen, auf den die kongruenten Leistungen der Sozialversicherungsträger in Anrechnung zu bringen sind. Gemäß § 332 Abs. 1 ASVG bzw. § 125 Abs. 1 BKUVG tritt insoweit ein Übergang der Schadenersatzansprüche der Versicherten bzw. deren Angehörigen auf den Versicherungsträger ein, als kongruente Leistungen des Versicherungsträgers den Forderungen des Versicherten bzw. seiner Angehörigen gegenüberstehen. Es gehen also nur jene Schadenersatzansprüche im Sinne dieser Gesetzesstellen über, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Versicherungsleistungen ersetzen sollen (s. dazu Krejci, Kongruenzlehre und Quotenvorrecht nach § 332 ASVG und § 1542 RVO in ZAS 1974, 6; 8 Ob 99/80 u.a.). Die Bestimmungen der §§ 218 Abs. 2 und 266 ASVG bzw. § 115 Abs. 2 BKUVG enthalten Vorschriften über die Bemessung bzw. über die Höhe der Waisenversorgung. Gerade aus den in diesen Gesetzesstellen normierten höheren Sätzen für doppelt verwaiste Kinder, die auch dann zu gewähren sind, wenn der zweite Elternteil nicht sozialversichert war, ergibt sich aber, daß die Leistungen der Versicherungsträger zur Waisenversorgung nicht nur den Ausgleich des Entfalles des Arbeitseinkommens des getöteten Versicherten bezwecken, sondern schlechthin der erhöhten Hilfsbedürftigkeit verwaister Kinder Rechnung tragen sollen (vgl. Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 367; 8 Ob 99/80). Daraus ergibt sich eindeutig, daß kein Anlaß besteht, den Deckungsfonds für die von Versicherungsträgern erbrachten Leistungen an Waisenpensionen bzw. Waisenrenten auf die Schadenersatzansprüche der Waisen wegen entgangener Unterhaltsleistungen in Form von Bar- oder Sachleistungen zu beschränken, sondern, daß dieser Deckungsfonds auch die Schadenersatzansprüche der Waisen im Sinne des § 1327 ABGB wegen entgangener Pflegeleistungen umfaßt (s. dazu auch Kunst, Zu den möglichen Auswirkungen der Familienrechtsreform auf das Haftpflichtrecht, SozSi. 1976, 71 sowie 8 Ob 99/80 und die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes in VersR 1966, 487, und VersR 1971, 1043). Soweit aber die Schadenersatzansprüche der Kläger auf Versicherungsträger übergegangen sind, würde den Klägern die aktive Klagslegitimation fehlen. Sollten somit die Waisenrenten den Entgang der Kinder an Bar- und Sachleistungen ihrer Eltern - abgesehen von der Wohnversorgung und den Pflegeleistungen - übersteigen, so würde den Kindern in Ansehung des Mehrbetrages die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Entganges von Pflegeleistungen und der Wohnversorgung in diesem Umfang fehlen, weshalb die diesbezüglichen Posten des Entganges um den Mehrbetrag an Sozialversicherungsleistungen zu kürzen wären. Zum gleichen Ergebnis würde man gelangen, wenn die Renten der Vollwaisen als Versorgungsgenüsse nicht einer Legalzession unterliegen sollten, sondern unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung den Entgang der Kinder entsprechend vermindern würden.

Hieraus läßt sich jedoch für die Beklagten nichts gewinnen. Im vorliegenden Fall haben die Kläger, soweit die Ansprüche im Revisionsverfahren noch strittig sind, lediglich den Ersatz der ihnen durch den Tod ihrer Eltern entgangenen Pflege- und Erziehungsleistungen sowie den Entgang der Wohnversorgung, der ihre Unterbringung in der Wohnung ihrer Großeltern erforderlich gemacht hat, verlangt. Sie haben hiezu vorgebracht, daß ihre Eltern nur die notwendigsten Kosten für den eigenen Bedarf aufgewendet hätten, so daß unter Berücksichtigung des Verdienstes beider Elternteile für die Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse der Kläger Beträge zur Verfügung standen, die die den Klägern gewährten Waisenpensionen überstiegen hätten.

Nach den Verfahrensergebnissen übersteigt, wie noch darzulegen sein wird, der Entgang der Vollwaisen an Bar- und Sachleistungen ihrer Eltern - ohne Wohnversorgung und Pflegeleistungen - den von den Kindern bezogenen Betrag an Vollwaisenrenten, so daß kein Mehrbetrag übrig bleibt, der ihren Anspruch auf Ersatz der entgangenen Pflegeleistungen und der Wohnversorgung kürzen könnte. Zu den Revisionsausführungen betreffend die einzelnen Berechnungsposten ist vorweg festzuhalten, daß die Familienbeihilfe bei Berechnung des Entganges der Kläger im Sinne des § 1327 ABGB insoweit außer Betracht zu bleiben hat, als sie vor und nach dem Unfall für die Kinder bezogen wird (vgl. SZ 42/106 u.a.). Wohl bedeutet der ersatzlose Entfall der Familienbeihilfe einen durch den Schädiger verursachten Nachteil der Kinder. Diesen bringt aber auch die Zuwendung der Familienbeihilfe über einen neuen Anspruchsberechtigten oder durch eigenen Bezug einen Vorteil oder verhindert einen Schaden. Der Revision ist ferner beizupflichten, daß bei der Ermittlung des Entganges die Wohnungskosten nicht, wie das Erstgericht meinte, einerseits als Fixkosten zugunsten der Kinder berücksichtigt werden, andererseits aber als selbständige Entgangsposten zugesprochen werden können. Hiebei ist den Beklagten allerdings entgangen, daß den Klägern der Ersatz der Wohnversorgung gemäß dem Klagebegehren erst ab 1. Jänner 1979 zugesprochen wurde, so daß die Einwendungen der Revision den davorliegenden Zeitraum nicht treffen können. Aber selbst wenn man im Sinne des Standpunktes der Beklagten den auf den Zeitpunkt des Todes des Vaters abgestellten durchschnittlichen Nettoverdienst - einschließlich des aliquoten Teiles der Sonderzahlungen - von monatlich 10.528 S und den von der Mutter bei Halbtagsbeschäftigung bezogenen Betrag von monatlich 3.941,45 S netto um die Kinderbeihilfe und die reinen Wohnkosten der Wohnung der Eltern kürzt und somit von dem Betrag von monatlich 12.372,25 S sowie von einem vom Erstgericht gemäß § 273 ZPO angenommenen unbedenklich erscheinenden Anteil der Kinder von je 15 % hievon ausgeht, so ergibt sich für das Jahr 1976 immer noch ein reiner Entgangsbetrag von 1.855,84 S monatlich je Kind, der den bezogenen Betrag der Vollwaisenrenten von durchschnittlich je 1.668,33 S pro Kind übersteigt. Berücksichtigt man bei der für die Folgejahre anzustellenden Prognose, daß die Bezüge des Vaters als Finanzbeamter und der Mutter als Sparkassenangestellte jedenfalls nicht in geringerem Ausmaß angestiegen wären als die Waisenrenten der Kinder infolge des Anpassungsfaktors und zieht man überdies in Betracht, daß die Mutter nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Vollbeschäftigte mit entsprechend höheren Bezügen tätig gewesen wäre, was nach den Feststellungen seitens ihres Dienstgebers als wünschenswert erachtet wurde, und daß die Kinder an dem höheren Einkommen ihrer Eltern entsprechend partizipiert hätten, dann kann auch für die Folgezeit kein Zweifel daran bestehen, daß der Entgang der Kinder an Bar- und Sachleistungen ihrer Eltern - ohne Wohnversorgung und Pflegeleistungen - die Renten der Vollwaisen überstiegen hätten. Es bleibt somit kein Rentenmehrbetrag zur Kürzung ihrer Entgangsansprüche, die die Kinder auf dieser Grundlage nur mehr auf den Entgang der Wohnversorgung und der Pflegeleistungen stützten. Es kann den Klägern daher ohne Rücksicht auf die Waisenrenten der Entgang dieser Leistungen in der vom Gericht als angemessen angesehenen Höhe zuerkannt werden.

Was nun den Betrag für den Entgang der Wohnversorgung anlangt, so erscheint dieser entgegen den Revisionsausführungen der Beklagten mit je 500 S monatlich pro Kind schon mit Rücksicht auf die Art der Unterbringung vor dem Tode der Eltern und die hiefür aufgewendeten Kosten nicht zu hoch bemessen. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, daß die Unterbringung der Kläger in der Wohnung der subsidiär unterhaltspflichtigen Großeltern, die nunmehr das Wohnbedürfnis der Kinder in entsprechender Weise befriedigen, nicht zu einer Entlastung der Beklagten führen kann, weil sich diese gegenüber den Geschädigten nicht auf die Unterhalts- und Sorgepflichten eines Dritten berufen dürfen (vgl. ZVR 1977/9; 8 Ob 55/80 u.a.).

Was schließlich den vom Berufungsgericht mit je 3.000 S monatlich pro Kind bemessenen Betrag für den Entgang der Pflegeleistungen der Eltern der Kinder anlangt, so wird dieser sowohl von den Beklagten als auch - und dies ist der einzige Anfechtungspunkt der Revision der Kläger - bekämpft, so daß die Revision in diesem Umfang gemeinsam behandelt werden können. Die Kläger müssen sich hiebei - entgegen dem Standpunkt der Beklagten - weder auf die Kosten einer Heimunterbringung verweisen lassen (vgl. ZVR 1978/173 u.a.) noch auf die behördlich festgesetzten Mindestsätze, die von Jugendämtern an sogenannte "Pflegemütter" bezahlt werden, denen von der örtlich zuständigen Fürsorgebehörde Kinder zur Betreuung und Beaufsichtigung übergeben werden. Da die Kinder einen gesetzlichen Anspruch darauf haben, von ihren Eltern gepflegt und erzogen zu werden, ist ihnen im Falle der Tötung der Eltern gemäß § 1327 ABGB auch ein Anspruch auf Ersatz des durch den Entgang dieser Pflegeleistungen entstandenen Schadens zuzubilligen (vgl. SZ 46/87; ZVR 1978/16; 8 Ob 55/80 u.a.). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Kläger von ihren Großeltern in deren Haushalt gepflegt und erzogen werden. Die Höhe des Ersatzanspruches ist in einem solchen Fall gemäß § 273 ZPO zu bestimmen. Entgegen den Revisionsausführungen der Kläger bietet weder der Betrag, den die Großeltern hiefür von den Kindern fordern zu können glauben, noch der Entgang der Großmutter, den sie infolge Aufgabe ihrer Berufstätigkeit wegen der Pflegeleistungen erleidet, die für die Bemessung ausschlaggebende Grundlage; vielmehr kann unter Bedachtnahme auf die zu Lebzeiten der Eltern den Kindern zuteil gewordene Pflege und Betreuung die vergleichsweise Heranziehung der für eine Ersatzkraft erforderlichen Aufwendungen Anhaltspunkte für die Bemessung liefern. Es darf dabei nicht außer acht gelassen werden, daß den Minderjährigen zu Lebzeiten ihrer Eltern weder eine vollbeschäftigte Wirtschafterin zur Verfügung stand noch die Pflegeleistungen ihrer berufstätigen Eltern in vollem Umfang denen einer vollbeschäftigten Wirtschafterin entsprachen. Entgegen der Auffassung der Kläger in ihrer Revision gebühren ihnen daher nicht die gesamten Kosten einer vollbeschäftigten Wirtschafterin. Wird aber berücksichtigt, daß die Kläger durch den Unfall beide Eltern verloren haben und angesichts ihres Kindesalters Anspruch auf entsprechend intensive persönliche Betreuung haben, kann in der gemäß § 273 ZPO vom Berufungsgericht vorgenommenen Bewertung der den Klägern durch den Tod ihrer Eltern entgangenen Pflege- und Erziehungsleistungen mit je 3.000 S monatlich keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

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