OGH 6Ob752/80

OGH6Ob752/8015.1.1981

SZ 54/6

Normen

ABGB §94
ASVG §258 Abs4
EheG §69 Abs2
ABGB §94
ASVG §258 Abs4
EheG §69 Abs2

 

Spruch:

§ 69 Abs. 2 Ehegesetz ordnet die Fortgeltung der in § 94 ABGB ausgedrückten Rechtsregeln für die Unterhaltsverpflichtung an, nicht aber eine Unabänderlichkeit der im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich als Unterhalt geleisteten Beiträge (auch nicht als Minimum)

Der Unterhaltspflichtige, nach dem seine unterhaltsberechtigte frühere Ehegattin einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruch gelten machen könnte, ist im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen Versorgungsanspruch zu schaffen. Darin allein kann (unabhängig von einer Unterhaltsverletzung) der Anspruch auf eine urteilsmäßige Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen begrundet sein

OGH 15. Jänner 1981, 6 Ob 752/80 (LGZ Wien 43 R 2013/80. BG Innere Stadt Wien 28 C 732/78)

Text

Die Ehe der Streitteile wurde aus dem Grund des § 55 Abs. 3 EheG mit dem Ausspruch geschieden, daß das Verschulden an der Ehezerrüttung den Ehemann trifft.

Die geschiedene Ehefrau beansprucht Unterhalt im Sinne des § 69 Abs. 2 EheG. Mit der am 25. Oktober 1978 angebrachten Klage begehrte sie den Zuspruch eines monatlichen Betrages im Ausmaß von 25% des jeweiligen Nettoeinkommens des Beklagten aus seinem Dienst-, Arbeits- oder Pensionsverhältnis ab dem genannten Klagstag. Dabei machte sie ausdrücklich geltend, daß sie zur Sicherung ihrer Pensionsansprüche im Falle des Todes des Beklagten einen Exekutionstitel benötige.

Der Beklagte wendete ein, daß zum einen der Klägerin nach ihrem eigenen Einkommen kein Unterhaltsanspruch zustehe, zum anderen daß er ohnedies monatlich Unterhaltszahlungen leiste.

Die Parteien stellten außer Streit, daß der Beklagte im Oktober 1978 2500 S, im November 1978 2780 S und 980 S, im Dezember 1978 zweimal 2780 S, im Jänner 1979 1959 S, im Feber 1979 2019 S, im März 1979 2077 S, im April 1979 2070 S "im Mai 1979 1959 S und im Juni 1979 5142 S an die Klägerin als Unterhalt bezahlte; dabei entsprachen diese Leistungen rechnerisch der folgenden vom Beklagten angewandten Methode: Er verminderte seinen Nettobezug um die mindestens 1248 S betragende Aufwandentschädigung an Kilometergeld und die mindestens 500 S betragende Aufwandentschädigung gemäß § 26 EStG sowie um die mit 2300 S bestimmte Unterhaltsverpflichtung gegenüber der jüngeren Tochter der Streitteile Christa, veranschlagte das Nettoeinkommen der Klägerin mit 4760 S und berechnete auf dieser Grundlage für die Klägerin einen Anteil von 40%.

Das Erstgericht sprach der Klägerin für die Zeit ab 1. Juli 1979 einen monatlichen Unterhaltsbetrag im Ausmaß von 10% der näher umschriebenen Bemessungsgrundlage sowie denselben Bruchteil auch für die letzte Oktoberwoche 1978 abzüglich der außer Streit gestellten Zahlungen, zu. Als Bemessungsgrundlage bestimmte das Erstgericht dabei das jeweilige Nettoeinkommen des Beklagten aus einem Dienst-, Arbeits- oder Pensionsverhältnis, abzüglich der Unterhaltsleistungen des Beklagten für die Kinder der Streitteile, die am 20. Jänner 1959 geborene Karin von 250 S monatlich und die am 4. Mai 1963 geborene Christa von 2300 S monatlich, sowie abzüglich der monatlichen Aufwandsentschädigungen an Kilometergeld und der monatlichen Aufwandsentschädigung gemäß § 26 EStG (an Außendienstzulagen). Das Teilbegehren auf Leistung eines Betrages im Ausmaß von 15% des jeweiligen Nettoeinkommens des Beklagten für die Zeit ab 25. Oktober 1978 wies das Erstgericht ab.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin für die Zeit ab 1. Juli 1979 einen monatlichen Unterhaltsbetrag im Ausmaß von 10% einer abweichend vom Erstgericht umschriebenen Bemessungsgrundlage zu; als solche bestimmte das Berufungsgericht das jeweilige um den Betrag von 4298 S verminderte Nettoeinkommen des Beklagten aus einem Arbeits-, Dienst- oder Pensionsverhältnis. Das für die Zeit vom 25. Oktober 1978 bis 30. Juni 1979 gestellte Begehren wies das Berufungsgericht zur Gänze ab; ebenso das für die Zeit ab 1. Juli 1979 erhobene Teilbegehren im Ausmaß von 15% des gesamten Nettoeinkommens des Beklagten.

Die Vorinstanzen gingen von folgenden Feststellungen aus: Die Streitteile hatten im Jahr 1956 die Ehe geschlossen. Die Klägerin führte den gemeinsamen Haushalt. In diesem wuchsen auch die beiden Töchter der Streitteile auf, die im Jahr 1959 geborene Karin und die im Jahr 1963 geborene Christa. Im Jahr 1968 hob der Beklagte die eheliche Gemeinschaft auf. Diese wurde bis zur Scheidung der Ehe im Herbst 1978 nicht wiederhergestellt. Beide Streitteile sind vermögenslos und unselbständig erwerbstätig. Der Beklagte ist Beamter der Stadt Wien. Er verdient monatlich 15 690 S netto zuzüglich zweier Sonderzahlungen jährlich in der Höhe eines Bezuges von 15 975 S. Im Monatsbezug von 15690 S ist ein Kilometergeld von 1248 S und eine Außendienstzulage von 500 S enthalten. Der Beklagte besitzt eine Bargeldreserve von 40 000 S, davon stammen 30 000 S aus einem Gehaltsvorschuß. Er zahlt seiner jüngeren Tochter Christa monatlich 2300 S Unterhalt. Mit dem Vergleich vom 14. März 1979 verpflichtete er sich, seiner älteren Tochter Karin bis 31. August 1980 monatlich 250 S an Unterhalt zu zahlen. Die Klägerin verdient als Handelsarbeiterin monatlich 5452 S netto zuzüglich dreier Sonderzahlungen jährlich im Betrag von je 6795 S. Die jüngere Tochter Christa, für die sie auch die staatliche Familienbeihilfe bezieht, lebt bei ihr.

Das Erstgericht folgerte in rechtlicher Beurteilung: Gemäß § 69 Abs. 2 EheG bestimme sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin auch seit ihrer Scheidung nach § 94 ABGB. Im Sinne dieser Bestimmung sei der Ehegatte, der über ein erheblich höheres Einkommen als der andere verfüge, in solchem Maß zu Unterhaltsbeiträgen an den anderen verpflichtet, daß auch dieser am Familieneinkommen angemessen teilhabe. Die Klägerin sei infolge ihrer jahrelangen Haushaltsführung sowie wegen der ihr obliegenden Betreuung der jüngeren, nunmehr 17 Jahre alten Tochter nicht in der Lage, durch eine höher qualifizierte Arbeit einen höheren als ihren tatsächlichen Verdienst zu erzielen. Ihr sei ein Anteil von 40% am gemeinsamen Einkommen zuzubilligen, das seien etwa 1350 S, also rund 10% des Nettoeinkommens (Bemessungsgrundlage) des Beklagten. Zum Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin an der Schaffung eines Exekutionstitels nahm das Erstgericht nicht Stellung.

Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche Beurteilung in materieller Hinsicht, daß die Klägerin am Gesamtnettoeinkommen zu etwa 40% teilhaben solle und ihr 10% des Nettoeinkommens des Beklagten als Unterhaltsbeitrag zuzusprechen seien. Es faßte allerdings in Rücksicht auf die im Sinne des § 7 Abs. 1 EO als geboten erachtete Bestimmtheit die Bemessungsgrundlage insoweit neu, daß nicht die jeweiligen, sondern die betraglich bestimmt ausgedrückten Gehaltsbestandteile von zusammen 1748 S und nicht die jeweiligen, sondern die betraglich bestimmt ausgedrückten Unterhaltsleistungen an die beiden Töchter von zusammen 2550 S, insgesamt daher ein Betrag von 4298 S vom jeweiligen Monatsnettoeinkommen des Beklagten aus einem Arbeits-, Dienst- oder Pensionsverhältnis abzuziehen seien. Das Berufungsgericht gelangte bei einer Gegenüberstellung der außer Streit stehenden Zahlungen des Beklagten für die Monate von der Klagsanbringung bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu den ermittelten Bruchteilsverpflichtungen für diesen Zeitraum dazu, daß keine offene Schuld bestehe (das Erstgericht daher nach seinem Urteilsspruch im rechnerischen Ergebnis für diese Zeit auch gar keine Leistung auferlegt habe); es wies aus diesem Grund das für die Zeit vom 25. Oktober 1978 bis 30. Juni 1979 gestellte Unterhaltsbegehren zur Gänze ab. Dennoch anerkannte das Berufungsgericht ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Verurteilung des Beklagten für die in Zukunft fällig werdenden Unterhaltsbeträge. Der Beklagte habe im Rechtsstreit eingewendet, die Klägerin sei "selbsterhaltungsfähig". Wenn er auch vorgebracht habe, der Klägerin monatlich einen Betrag zu ihrem Unterhalt zu bezahlen (der nahezu das Doppelte des zugesprochenen Bruchteils ausmachte), habe er offen gelassen, wie weit er auch in Hinkunft eine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung anerkenne. Die mit der Selbsterhaltungsfähigkeit der Klägerin begrundete Anspruchsbestreitung ließe erkennen, daß der Beklagte seine Unterhaltszahlungen nicht als Rechtspflicht ansehe. Es müsse mit einer jederzeitigen Einstellung der Alimentation gerechnet werden. Deshalb sei das Begehren auf Schaffung eines Exekutionstitels für die künftig fällig werdenden Unterhaltsbeträge dem Gründe nach berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin hat zwar im Sinne ihrer Klagsschrift vorgebracht, daß der Beklagte bis zur Beendigung des Scheidungsverfahrens ihr auf Grund einer einstweiligen Verfügung monatlich Unterhaltsbeiträge im Ausmaß von 25% seines jeweiligen Nettoeinkommens bezahlt habe, mit dem Ausspruch der Ehescheidung aber diese Unterhaltszahlung (also nicht Unterhaltszahlungen überhaupt) eingestellt habe. In Ansehung der von ihr außer Streit gestellten monatlichen Zahlungen behauptete sie keinerlei Zahlungsverzug. Sie vertrat und vertritt vielmehr den Standpunkt, auch nach der Scheidung Anspruch auf Unterhalt in der Höhe zu besitzen, wie sie sich aus der außer Wirksamkeit getretenen einstweiligen Verfügung ergeben habe (so daß insofern Unterhaltsverletzungen vorgelegen seien, als die Zahlungen des Beklagten hinter diesem Ausmaß zurückgeblieben seien).

Die Klägerin begrundete ihr Unterhaltsbegehren aber schon in der Klage ausdrücklich damit, daß sie zur Sicherung ihrer Pensionsansprüche einen Exekutionstitel benötige. Dieser öffentlichrechtliche Gesichtspunkt für sich allein rechtfertigt - unabhängig von einer aus bereits tatsächlich erfolgten oder angedrohten Unterhaltsverletzungen zu besorgenden künftigen Unterhaltsbeeinträchtigung - das Begehren der Klägerin auf Schaffung eines gerichtlich vollstreckbaren Titels für die in Zukunft fällig werdenden Unterhaltsbeträge.

Der Beklagte ist Beamter der Stadt Wien. Im Fall seines Ablebens gebühren seiner früheren Ehefrau Versorgungsleistungen unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 der Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien 19/1967, also nur "wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seiner früheren Ehefrau aufzukommen oder dazu beizutragen hatte". Eine nach den Grundsätzen des § 94 ABGB bestehende Unterhaltsverpflichtung besteht grundsätzlich auch nach dem Tod des Unterhaltspflichtigen fort (vgl. § 796 ABGB; aber auch § 78 Abs. 1 EheG). Der Unterhaltspflichtige, nach dem seine unterhaltsberechtigte frühere Ehefrau einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruch geltend machen könnte (etwa im Sinne des § 258 Abs. 4 ASVG oder ähnlicher Regelungen wie hier im Sinne des § 19 Abs. 1 der Wiener Pensionsordnung 1966), hat die Verpflichtung, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen Versorgungsanspruch zu schaffen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Wenn der Beklagte daher nicht schon vor der Ehescheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen schriftlich übernommen hat, was nicht behauptet wurde, hätte er der Klägerin den Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches darüber anzubieten gehabt, um seiner Verurteilung zur Leistung zu entgehen.

Allein aus diesem Grund ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin an der Verurteilung des Beklagten zu den künftig fällig werdenden Unterhaltsleistungen anzuerkennen.

Der sachliche Inhalt der Revisionsausführungen der Klägerin beschränkt sich auf die These, daß man dem in § 69 Abs. 2 EheG zum Ausdruck gebrachten Gedanken nur durch die Auslegung gerecht werde, der geschiedenen Ehefrau müsse auch nach einer Scheidung aus dem Grund des § 55 EheG unter Ausspruch gemäß § 61 Abs. 3 EheG der Unterhaltsanspruch zumindest in dem bis dahin tatsächlich bestandenen Umfang erhalten bleiben. In dieser die Grundlagen des Unterhaltsanspruches nach § 69 Abs. 2 EheG betreffenden Frage verkennt die Revisionswerberin das Wesen der normierten weiteren Anwendung des § 94 ABGB ungeachtet der Auflösung des Ehebandes. Angeordnet ist die Fortgeltung der in § 94 ABGB ausgedrückten Rechtsregeln für die Unterhaltsverpflichtung, nicht aber eine Versteinerung der im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich als Unterhalt geleisteten Beiträge (auch nicht als Minimum). Ebenso wie bei aufrechter Ehe unter Anwendung des § 94 ABGB nach den jeweiligen konkreten tatsächlichen Verhältnissen der Unterhaltsanspruch Änderungen unterworfen ist, gilt dies auch im Fall des § 69 Abs. 2 EheG. Die Vorinstanzen haben daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin zutreffend den neu zu beurteilenden Unterhaltsanspruch zwar nach den richtig beachteten Grundsätzen des § 94 ABGB, aber nicht nach früheren, sondern nach den nunmehr gegebenen beiderseitigen Beitragsmöglichkeiten zugesprochen.

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