OGH 7Ob690/80

OGH7Ob690/8027.11.1980

SZ 53/162

Normen

ABGB §905 Abs1
ABGB §914
ABGB §905 Abs1
ABGB §914

 

Spruch:

Bei Vereinbarung der "Lieferung frei Haus" muß der Verkäufer den Käufer vom Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Zustellung der Ware in Kenntnis setzen

OGH 27. November 1980, 7 Ob 690/80 (LGZ Graz 27 R 196/80; BGZ Graz 7 C 275/79)

Text

Der Beklagte bestellte am 23. Juli 1978 bei der Klägerin über deren damaligen Vertreter Othmar M drei Fenster und eine Tür zum Nettopreis (ohne Mehrwertsteuer) von 10 875 S. Der Bestellschein enthält auf der Vorderseite oberhalb der Unterschrift des Beklagten den Hinweis, daß der Besteller die Verkaufsbedingungen zur Kenntnis genommen und vollinhaltlich anerkannt hat und daß mündliche Vereinbarungen keine Gültigkeit haben. Die Lieferung wurde prompt (ehest) nach Einlangen der Ware durch das Lieferwerk vereinbart. Auf Grund der Auftragsbestätigung vom 26. Juli 1978 hat die Lieferung der bestellten Ware "frei Haus" und deren Bezahlung "in bar nach Lieferung und Rechnungserhalt innerhalb von acht Tagen netto Kassa" zu erfolgen. Der Kaufpreis einschließlich Mehrwertsteuer für die bestellte Ware beträgt 14 047.90 S. Außerdem berechnete die Klägerin dem Beklagten Lagergebühren von 435.18 S. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 14 483.08 S samt Anhang. Sie habe vergeblich versucht, dem Beklagten die bestellte Ware zuzustellen, habe ihn jedoch unter der im Auftragschein angeführten Anschrift nie angetroffen. Der Beklagte befinde sich daher im Annahmeverzug. Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, er habe mit der Klägerin vereinbart, daß er von der Zustellung der Ware unter seiner Grazer Anschrift fernmündlich vom Lieferzeitpunkt zu verständigen sei. Eine derartige Verständigung des Beklagten durch die Klägerin sei nicht erfolgt. Obwohl der Beklagte die Klägerin zweimal fernmündlich zur Lieferung der Ware aufgefordert habe, habe sich diese nur bereit erklärt, für ihn die Fenster- und die Türenelemente zur Abholung bereitzuhalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen vereinbarte der Beklagte mit Othmar M, daß er, Beklagter, von der Klägerin unter seiner Anschrift in Graz vom Liefertermin zu verständigen sei. Die Bestellung des Beklagten langte bei der Klägerin mit einem Vermerk ihres Verkaufsleiter Z ein, daß die Ware vom Kunden selbst abgeholt werde. Dem Beklagten wurde jedoch von der Klägerin schriftlich bestätigt, daß die Lieferung "frei Haus" zu erfolgen hat. Am 5. Oktober 1978 beauftragte die Klägerin ihren Angestellten Adolf S, ohne vorher das Einvernehmen mit dem Beklagten herzustellen, die Ware unter der Bestellanschrift auszuliefern. Adolf S traf jedoch dort niemanden an und fuhr, nachdem er etwa eine Stunde lang gewartet hatte, nach Hinterlassung einer schriftlichen Mitteilung über den Zustellversuch mit der Ware zur Klägerin zurück. Renate B, die Gattin des Beklagten, die von dem Lieferversuch Kenntnis erhalten hatte, rief hierauf bei der Klägerin an und erklärte, daß die Ware zu einer heute nicht mehr genau feststellbaren Zeit geliefert werden könne. Ihr wurde jedoch erwidert, daß die Ware nicht mehr geliefert werde, sondern bei der Klägerin abzuholen sei, womit sich Renate B nicht einverstanden erklärte. Dasselbe Ergebnis brachte ein vom Beklagten mit der Klägerin geführtes Telefongespräch. Die Klägerin übersandte hierauf dem Beklagten das Schreiben vom 9. Oktober 1978, in welchem für die Abholung der für den Beklagten bereitgehaltenen Ware als Termin der 20. Oktober 1978 vorgemerkt wurde. Die Ware wurde jedoch in der Folge weder von der Klägerin geliefert noch vom Beklagten bei dieser abgeholt. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die mit Othmar M getroffene Vereinbarung, nach der der Beklagte vom Liefertermin unter seiner Grazer Anschrift fernmündlich verständigt werden müsse, auch für die Klägerin verbindlich sei. Trotz des von der Klägerin vorgenommenen Lieferversuches sei daher der Beklagte nicht in Annahmeverzug geraten. Die behauptete nachfolgende mündliche Änderung der Bestellung dahin, daß der Beklagte die Ware selbst abholen werde, habe die Klägerin nicht beweisen können. Das auf den Annahmeverzug des Beklagten gestützte Klagebegehren sei daher nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens. Es war der Ansicht, daß die von Othmar M mit dem Beklagten getroffene mündliche Vereinbarung über seine Verständigung von dem Liefertermin für die Klägerin nicht verbindlich sei. Die Vertragsparteien könnten allerdings von der für den Vertragsabschluß vereinbarten Schriftform wieder einverständlich abgehen. Dies gelte jedoch nur für die Vertragspartner selbst. Werde hingegen ein Vertragsteil durch einen Bevollmächtigten vertreten, so könne dieser mit dem anderen Vertragspartner eine vom schriftlichen Vertrag abweichende mündliche Vereinbarung nicht treffen. Die für den Beklagten nach seinen Lebensumständen offenbar unzureichende Fixierung der Lieferzeit gehe zu seinen Lasten, weil er sich mit einem seinen Interessen nicht hinreichenden Vertragsinhalt begnügt habe. Mit ihrem Lieferversuch habe die Klägerin eine sich als gehörige Vertragserfüllung darstellende Handlung unternommen. Die Klägerin habe mangels jeglicher Vereinbarung über eine für die Lieferung üblicherweise geeignete Zeit nach der Verkehrsübung annehmen können, daß die gelieferte Ware vom Beklagten auch tatsächlich übernommen werden würde. Dem Umstand, daß dies tatsächlich nicht der Fall gewesen sei, habe der Beklagte zu verantworten, er sei daher in Annahmeverzug geraten. Zu den den Beklagten im Hinblick auf den Annahmeverzug treffenden widrigen Folgen gehöre aber auch, daß die Klägerin trotz ihrer Vorleistungspflicht die Zahlung des Kaufpreises fordern könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die dem Beklagten bestätigte Lieferung "frei Haus" enthält eine Vereinbarung der Streitteile im Sinne des § 905 Abs. 1 ABGB über den Ort, an dem die Klägerin ihre Verkäuferpflichten zu erfüllen hat (Bydlinski in Klang[2] IV/2, 317; Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3], III, 153). Die Klägerin ist somit verpflichtet, dem Revisionswerber die gekauften Fenster- und Türenelemente an der im Bestätigungsschreiben angeführten Adresse zu übergeben (§ 1061 ABGB). Ein bestimmter Liefertermin wurde nicht festgehalten, sondern zwischen den Streitteilen nur vereinbart, daß die Ware ehestens sobald sie vom Herstellerwerk einlangt, zu liefern sei. Der Revisionswerber konnte daher den von der Klägerin gewählten Wortlaut der Vereinbarung "Lieferung frei Haus" auch ohne ausdrückliche Abrede nach Treu und Glauben (§ 914 ABGB) nur so verstehen, daß ihn die Klägerin vom Zeitpunkt der von ihr in Aussicht genommenen Zustellung der Ware in Kenntnis setzen werde. Auch die Klägerin, die nach § 347 HGB bei der Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes einzustehen hat, mußte damit rechnen, daß der Revisionswerber einem Erwerbe nachgeht und folglich dafür Vorsorge treffen muß, daß im Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Lieferung der Ware entweder er selbst oder eine von ihm beauftragte Person an dem vereinbarten Erfüllungsort anwesend ist. Die Klägerin hätte daher den Revisionswerber zumindest durch ein an die Anschrift des Beklagten gerichtetes Schreiben vom Zeitpunkt der Lieferung der Ware verständigen müssen. Dem Umstand, daß die zwischen dem Revisionswerber und Othmar M getroffene mündliche Vereinbarung über die Verpflichtung der Klägerin zur fernmündlichen Verständigung des Revisionswerbers von dem in Aussicht genommenen Lieferzeitpunkt wegen der vereinbarten Schriftform für die Klägerin nicht verbindlich ist, kommt im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen keine entscheidende Bedeutung zu. Da eine Verständigung des Revisionswerbers von der Lieferung der Ware unterblieben ist, hat die Klägerin ihre Verkäuferpflichten nicht gehörig erfüllt. Sie hat es daher auch zu verantworten, daß der Revisionswerber bei dem von ihr vorgenommenen Zustellversuch an dem vereinbarten Erfüllungsort nicht anwesend war. Sohin ist entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes der Revisionswerber nicht in Annahmeverzug im Sinne des § 1419 ABGB geraten.

Nach der Zahlungskondition "in bar nach Lieferung und Rechnungserhalt innerhalb von acht Tagen netto Kassa" ist die Klägerin vorleistungspflichtig. Da sie sich weigert, die Ware an dem vereinbarten Erfüllungsort auszuliefern, sondern sich auf den Standpunkt stellt, der Revisionswerber hätte die gekauften Fenster- und Türelemente in ihrem Betrieb abzuholen, ist die Fälligkeit des begehrten Kaufpreises nicht eingetreten. Kosten für die Lagerung der gekauften Ware aber kann die Klägerin schon deshalb nicht begehren, weil der Revisionswerber nicht in Annahmeverzug geraten ist.

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