OGH 7Ob620/80

OGH7Ob620/8013.11.1980

SZ 53/152

Normen

ABGB §1029
ABGB §1190
ABGB §1201
ABGB §1029
ABGB §1190
ABGB §1201

 

Spruch:

Der Umfang der Vertretungsmacht für die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (hier: Bau-ARGE) folgt im Zweifel der Geschäftsführungsbefugnis. Die interne Beschränkung der Verwaltungsvollmacht ist innerhalb des Geschäftszweckes der Gesellschaft gegenüber einem gutgläubigen Dritten nur für ungewöhnliche und damit aus dem Rahmen ordentlicher Geschäftsführung fallende Rechtshandlungen wirksam

OGH 13. November 1980, 7 Ob 620/80 (OLG Innsbruck 5 R 101/80; LG Innsbruck 12 Cg 163/79)

Text

Die Klägerin, der von der M Baugesellschaft mbH (im folgenden kurz M) namens der Arbeitsgemeinschaft Arlberg-Straßentunnel-Ostrampe M-L-M (im folgenden kurz ARGE) ein Subunternehmerauftrag erteilt worden war, begehrt mit der vorliegenden Klage den der Höhe nach unbestrittenen restlichen Fakturenbetrag, der infolge Ausgleichs der M unbeglichen blieb. Strittig ist die Haftung der Beklagten (Baugesellschaft LM) aus dem im Namen der Arbeitsgemeinschaft geschlossenen Vertrag.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht bestätigte.

Nach den von der zweiten Instanz übernommenen Feststellungen schlossen sich die Beklagte und die M im Oktober 1974 zu einer ARGE zusammen und trafen zunächst die Vereinbarung "I", wonach die M zu 95% und die Beklagte zu 5% an der ARGE beteiligt sein sollten, die Geschäftsführung von der M und die kaufmännische Verwaltung von der Beklagten wahrgenommen werden sollte und von beiden Gesellschaftern "Firmenbevollmächtigte" bestellt wurden. Die ARGE erhielt auf Grund der angebotenen Solidarhaftung von der Arlberg-Straßentunnel-AG einen Bauauftrag. Da der Beklagten der Umfang der Bauarbeiten zu gering war, traf sie mit der M eine weitere Vereinbarung "II". Danach sollte die ARGE zwischen den beiden Gesellschaften "nicht ausgeübt" werden, sondern nur gegenüber dem Auftraggeber in Solidarhaftung weiter bestehen. Am Gewinn des Bauvorhabens blieb die Beklagte allerdings mit 5% beteiligt, doch sollten die Bauarbeiten nun allein von der M in voller Verantwortlichkeit durchgeführt werden und die Beklagte von jeder Mitverantwortlichkeit enthoben sein. Neben der Geschäftsführung oblag nun auch die kaufmännische Verwaltung allein der M; die Beklagte war von der Verpflichtung zur Erbringung aller Leistungen entbunden. Auch für die aus dem Bauvorhaben sich ergebenden Forderungen war ausschließlich die M empfangsberechtigt; das errichtete Bankkonto lautete zwar auf den Namen der ARGE, allein zeichnungsberechtigt war hierüber aber die M.

Die Bauarbeiten wurden sodann begonnen und eine auf die ARGE hinweisende Baustellentafel aufgestellt. Ohne Zustimmung der Beklagten beschaffte sich die M eine Stampiglie und Geschäftspapier für die ARGE und verwendete beide ohne Wissen der Beklagten in der Korrespondenz "der Arbeitsgemeinschaft" mit den Subunternehmern wie der Klägerin. Die Beklagte hatte mit dem Bau nichts weiter zu tun, nur einmal wurde ihrem Geschäftsführer anläßlich eines Schiurlaubs die Baustelle gezeigt.

Am 18. Juli 1978 trat Dipl.-Ing. U von der M "im Auftrag und im Namen der Arbeitsgemeinschaft" an die Klägerin um ein Anbot für die Durchführung von Subunternehmerarbeiten heran, das am nächsten Tag übergeben und auf Grund dessen am 20. Juli 1978 vom Geschäftsführer der M auf dem oben erwähnten Geschäftspapier und mit der Geschäftsstampiglie der ARGE der Subunternehmerauftrag erteilt wurde. Der Klägerin war bei der Auftragsannahme nicht bekannt, daß die M die Bauarbeiten auf dieser Baustelle in alleiniger Verantwortlichkeit durchführt; sie hatte auch keine Kenntnis vom Innenverhältnis der ARGE und wurde diesbezüglich weder von der Beklagten noch von der M aufgeklärt. Das streitgegenständliche Anbot stand nicht im Verhältnis eines bloßen Zusatzangebotes zu einem anderen, von der M am 23. Mai 1978 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erteilten Auftrag.

Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei die ARGE als Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes anzusehen. Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht fielen grundsätzlich zusammen; eine Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis sei deshalb auch nach außen hin wirksam, doch müsse der Schutz gutgläubiger Dritter im Geschäftsverkehr einerseits nach den Regeln der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht und andererseits dann gewährleistet werden, wenn der Vertrag von einem ehemals Bevollmächtigten abgeschlossen wurde und dem Dritten die Aufhebung der Vertretungsmacht ohne sein Verschulden unbekannt geblieben sei. Die Zusatzvereinbarung "II" könne nicht als Auflösung der Gesellschaft im Sinne der §§ 1205 ff. ABGB angesehen werden, wenn auch die Beklagte fortan als Mitgesellschafter nach außen hin nur gegenüber dem Auftraggeber haften sollte. Damit sei die Geschäftsbefugnis und auch die Vertretungsmacht der M zwar nachträglich beschränkt, der Klägerin aber nicht bekanntgegeben worden und für sie auch nicht erkennbar gewesen; vielmehr habe die Beklagte durch die Duldung der Aufstellung der auf die Arbeitsgemeinschaft hinweisenden Baustellentafel einen äußeren Tatbestand geschaffen, der in der Klägerin die Überzeugung von der Vertretungsmacht der ihr gegenüber unter Verwendung von entsprechendem Briefpapier und Geschäftsstampiglie für die Arbeitsgemeinschaft auftretenden M zu begrunden vermochte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der rechtlichen Beurteilung gehen sowohl die Vorinstanzen als auch die Parteien richtig davon aus, daß eine ARGE der vorliegenden Form, mit welcher mehrere Unternehmen als "ARGE" mit einem Auftraggeber den Bauvertrag abschließen und so selbst Träger des Bauvorhabens sind ("eigentliche" oder "klassische" Arbeitsgemeinschaft; Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] II, 512; Doralt - Grün - Nowotny, Die Rechtsform-Entscheidung in der Projektorganisation, 108; Nowotny, Arbeitsaufträge der öffentlichen Hand an Arbeitsgemeinschaften, in Wenger, Ausgewählte Probleme des öffentlichen Vergabewesens 146 f.) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes ist (Kastner, Gesellschaftsrecht[3], 43; Krejci, Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft 1 f. mit weiteren Nachweisen; SZ 46/15). Nach § 1201 ABGB kann eine solche Gesellschaft ohne die ausdrückliche oder stillschweigende rechtliche Einwilligung der Mitglieder oder ihrer Bevollmächtigten einem Dritten nicht verbindlich gemacht werden. Forderungen gegen ein einzelnes Mitglied der Gesellschaft können gemäß § 1203 ABGB nur gegen dieses geltend gemacht werden. Hingegen haften für Gesellschaftsschulden auch die Gesellschafter, und zwar Kaufleute nach § 1203 letzter Satz ABGB solidarisch (Wahle in Klang[2] V, 643;

Krejci a. a. O., 39; Welser ebendort, 80 ff.). Den Umfang der Vertretungsmacht für die Gesellschaft bestimmt im Zweifel die im Innenverhältnis eingeräumte Geschäftsführungsbefugnis (§ 1190 ABGB;

Ehrenzweig II/1, 548; Bachofner - Kastner, Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, JBl. 1972, 1, 14 ff.; Kastner a. a. O., 45, 52; Nowotny a. a. O., 150, 153, 158 f.;

Kühne - Straube, Die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft - ARGE, 21). Anerkannt und in der Revision nicht bestritten ist jedoch auch die Geltung besonderer Verkehrsschutzbestimmungen zugunsten gutgläubiger Dritter. Dazu gehört neben der Vorschrift betreffend die unverschuldete Unkenntnis von der Aufhebung bestandener Vertretungsmacht (§ 1026 ABGB) die sogenannte Duldungs- und Anscheinsvollmacht (vgl. Welser, Äußerer Tatbestand, Duldung und Anschein im Vollmachtsrecht, JBl. 1979, I; Kastner a. a. O., 52; Stanzl in Klang[2] IV/1, 783; SZ 45/71 u. a.), besonders im Sinne des § 1029 ABGB. Nach der zuletzt genannten Bestimmung ermächtigt das Einräumen einer Verwaltung (hier nach § 1190 ABGB) zu allen Handlungen, die diese ordentliche Verwaltung mit sich bringt, ohne daß sich die Vertretenen, hier die Gesellschafter, auf intern vereinbarte Beschränkungen berufen können, die dem Dritten nicht bekanntgegeben wurden (Bettelheim - Klang[1] III, 487; Bachofner - Kastner a. a. O., 17; Welser, JBl. 1979, II; vgl. auch Nowotny a. a. O., 165 f.).

Der Revisionswerberin ist zuzugeben, daß bei dieser Rechtslage einerseits eine Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis durch die zwischen den Gesellschaftern getroffene Zusatzvereinbarung II auch die Vertretungsmacht im Außenverhältnis beeinflussen konnte und daß andererseits die Unterlassung einer Kundmachung der Aufhebung der früher bestandenen Vertretungsmacht der Klägerin nicht zugute kommen kann, weil diese schon die ursprünglich erteilte Vollmacht nicht kannte und demnach auf ihr Fortbestehen nicht vertrauen konnte (Welser a. a. O., 6 FN 48). Der Revisionswerberin ist schließlich dahin zu folgen, daß sie nur den von ihr selbst, d. i. von ihren vertretungsbefugten Organen bewirkten oder geduldeten äußeren Schein zu vertreten hat (Welser a. a. O., 6 u. a.).

Damit ist aber im Ergebnis für die Revisionswerberin - mit der noch darzustellenden Einschränkung - nichts gewonnen. Sie gibt selbst zu, daß die M berechtigt blieb, wenigstens gegenüber der Auftraggeberin für sie rechtsgeschäftlich zu handeln und sie insofern auch zu verpflichten. In diesem Sinne hatte die Revisionswerberin mit der Zusatzvereinbarung II die Geschäftsführung zur Gänze an die M überlassen. Richtig ist allerdings, daß nach dieser Vereinbarung die ARGE "zwischen den beiden Gesellschaftern nicht mehr ausgeübt" werden sollte und die technische Ausführung des Auftrages nur noch der M oblag. Daraus läßt sich aber weder eine Auflösung der ARGE ableiten noch eine gegen Dritte wirksame Beschränkung der Verwaltungsvollmacht. Wie sich aus der Zusatzvereinbarung ergibt, wollte die Beklagte weiterhin aus der zwecks Erlangung des Bauauftrages gegrundeten ARGE Gewinn ziehen. Dies war nur möglich, solange die ARGE als Auftragnehmerin nach außenhin weiterbestand. Der den Umfang der Geschäftsführung bestimmende Zweck der ARGE war entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht auf die solidarische Haftung der Beklagten gemeinsam mit der M beschränkt, sondern erstreckte sich mit Rücksicht auf den gemeinsam übernommenen und aufrecht gebliebenen Bauauftrag weiterhin (§ 1203 Satz 2 ABGB) auf die ordnungsgemäße Ausführung desselben (Krejci a. a. O., 39 f.; Welser ebendort, 85 f.; vgl. auch Nowotny a. a. O., 154); ohne diese konnte die Beklagte auch ihre Gewinnabsicht nicht verwirklichen. Daß die Revisionswerberin nach dem Zusatzübereinkommen von jeder Mitverantwortlichkeit enthoben und damit wohl der M auch das Verbot erteilt war, durch Handeln im Namen der Beklagten außerhalb des Verhältnisses zum Auftraggeber Gesellschaftsschulden zu begrunden, bewirkte nach der dargestellten Rechtslage keine Beschränkung der Verwaltungsvollmacht gegenüber Dritten, weil die Geschäftsführung zur Gänze der M übertragen war und die intern vereinbarte Beschränkung nicht kundgemacht wurde. Die Beklagte wirkte vielmehr an einem äußeren Tatbestand in gegenteiliger Richtung mit, indem sie die Baustellentafel duldete, mit welcher nicht nur gegenüber der Auftraggeberin, sondern ganz allgemein der Eindruck des (Fort-) Bestehens einer ARGE zwischen den beiden Baufirmen hervorgerufen wurde. Es mag sein, daß nur noch dem Auftraggeber gegenüber der Schein einer fortbestehenden ARGE aufrechterhalten werden sollte. Gerade auch einen solchen, bewußt in Kauf genommenen falschen Schein müßte aber die Revisionswerberin gegenüber gutgläubigen Dritten vertreten (vgl. auch Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 235 f. und BGH BB 1961, 548 f). Im Rahmen der der M überlassenen Geschäftsführung war aber auch ohne Kenntnis der Beklagten die Verwendung von Geschäftspapier und Geschäftsstampiglie der ARGE nichts Ungewöhnliches, zumal die Beklagte damit rechnen mußte, daß die M wenigstens im geschäftlichen Verkehr mit der Auftraggeberin namens der ARGE auftreten werde. In diesem Sinne muß die Revisionswerberin auch den durch dieses Geschäftspapier und die Geschäftsstampiglie geschaffenen äußeren Schein erteilter Vertretungsmacht mangels einer nach außen hin erkennbaren Beschränkung gegenüber gutgläubigen Dritten vertreten, selbst wenn ihnen gegenüber die Vollmacht im Innenverhältnis beschränkt war. Daß die Klägerin nicht auf die Berechtigung der das Geschäftspapier und die Geschäftsstampiglie der ARGE verwendenden M vertraut habe, hat die Beklagte nicht einmal behauptet.

Eine Beschränkung der somit der M im Rahmen des verbliebenen Zwecks der ARGE überlassenen Geschäftsführung und der in diesem Umfang gegenüber gutgläubigen Dritten zu vermutenden Vertretungsmacht ist bei der dargestellten Rechtslage im Sinne der §§ 1029, 1190 ABGB nur in bezug auf ungewöhnliche und damit aus dem Rahmen ordentlicher Geschäftsführung fallende Rechtshandlungen wahrzunehmen. Wäre die Heranziehung von Subunternehmern für die Erbringung von Teilleistungen der Art, wie sie die Klägerin erbracht hat, bei Durchführung von Aufträgen wie dem vorliegenden nicht üblich oder würde dadurch der konkrete Bauauftrag erkennbar überschritten, so hätte auch die M nicht im Rahmen der vermuteten Verwaltungsvollmacht gehandelt, und es wäre der von ihr zu vertretende Anschein nicht ausreichend. Im andern Fall wäre die Passivlegitimation der Beklagten jedoch gegeben, zumal auch der Standpunkt vertreten wird, daß schon eine nützliche Besorgung den Mitgesellschafter verpflichtet (Wahle in Klang[2] V, 634).

Da die aufgezeigte Frage bisher unerörtert blieb, wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob unter den gegebenen Verhältnissen die Heranziehung eines Subunternehmers für die hier strittigen Leistungen üblich war oder ob es sich dabei um einen ungewöhnlichen oder den Auftrag überschreitenden Vorgang handelte. Im ersten Fall ist die Haftung der Beklagten für den der Höhe nach nicht strittigen Klagsbetrag zu bejahen.

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