Normen
ASVG §332
RVO §1542
Sozialversicherungsabkommen mit der BRD, BGBl. 382/1969 Art43 Abs1
ASVG §332
RVO §1542
Sozialversicherungsabkommen mit der BRD, BGBl. 382/1969 Art43 Abs1
Spruch:
Gegenüber weiteren Sozialversicherungsträgern, die sich auf eine zu ihren Gunsten eingetretene Legalzession berufen, kann der Haftpflichtige einwenden, daß der Deckungsfonds infolge seiner Leistungen an den Sozialversicherungsträger, der zunächst allein klagte, gemindert oder weggefallen ist. Für konkurrierende österreichische und deutsche Sozialversicherungsträger ergibt sich dies aus Art. 43 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über soziale Sicherheit
OGH 11. September 1980, 8 Ob 111/80 (OLG Linz 3 R 17/80; LG Linz 2 Cg 195/76)
Text
Bei einem Verkehrsunfall am 19. Dezember 1969 wurde der bei der Klägerin pensionsversicherte Anton B schwer verletzt. Die Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Verletzten im Ausmaß von einem Drittel - ist im Gründe nach unbestritten.
Anton B war bis zu diesem Unfall bei der Firma Gebrüder W GesmbH in Linz als Lagerhalter beschäftigt. Er hätte ohne Unfall bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (3. Juni 1977) ohne Lohnkürzung gearbeitet. Er hatte zur Unfallszeit ein monatliches Nettoeinkommen von 3093.27 S, das sich ab 3. Jänner 1972 auf 3371.70 S, ab 1. Jänner 1974 auf 3708.87 S, ab 1. Jänner 1975 auf 4005.57 S und ab 1. Jänner 1976 auf 4295.90 S monatlich erhöht hätte, wenn er weitergearbeitet hätte. Anton B wurde infolge des Unfalles arbeitsunfähig und erhielt von der Klägerin in der Zeit vom 30. September 1970 bis 3. Juni 1977 Pensionsleistungen. Auf Grund der von ihm in Deutschland erworbenen Versicherungszeiten wurde für die Pensionsleistung der Klägerin ein Prozentsatz von 81% errechnet. Anton B erhält von der Bundesbahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Rosenheim auf Grund des Unfalles vom 19. Dezember 1969 Pensionsbezüge. Hätte Anton B keine Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland aufgewiesen, müßte die Klägerin 100% leisten.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin Zahlung von 177 855.15 S samt Anhang mit der Begründung, daß die Ersatzansprüche des Anton B gegen die Beklagte gemäß § 332 Abs. 1 ASVG im Umfang der von ihr erbrachten Leistungen auf sie übergegangen seien. Für die von der Klägerin erbrachten Pensionsleistungen bestehe auf Grund des fiktiven Arbeitseinkommens des Anton B unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von einem Drittel ein Deckungsfonds von insgesamt 177 126.45 S. Für den von der Klägerin zu leistenden Krankenversicherungsanteil an der Pensionsversicherung im Gesamtbetrag von 10 728.70 S nehme sie einen eigenen Deckungsfonds in Anspruch. Ihre Gesamtforderung gegen die Beklagte betrage nach Abzug einer von der Beklagten bereits erbrachten Teilleistung von 10 000 S noch 177 855.15 S.
Die Beklagte wendet im wesentlichen ein, Anton B erhalte auch von der Bundesbahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Rosenheim, Bundesrepublik Deutschland, Rentenleistungen. Diese Leistungen müsse sich die Klägerin anrechnen lassen; sie seien vorweg bei der Berechnung eines regreßfähigen Anspruches der Klägerin abzuziehen. Allenfalls könnte die Klägerin den Ersatz der von ihr erbrachten Leistungen nur in jenem Verhältnis verlangen, in dem ihre Leistungen zu den Leistungen des deutschen Sozialversicherungsträgers stunden. Anton B hätte nur bis zur Erreichung seines 60. Lebensjahres gearbeitet. Ein eigener Deckungsfonds für die Krankenversicherungsbeiträge bestehe nicht.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 167 126.45 S samt Anhang und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 10 728.70 S samt Anhang gerichtete Mehrbegehren ab.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, Anton B habe unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens von einem Drittel aus dem Unfall vom 19. Dezember 1969 Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges. Dieser Ersatzanspruch sei auf die Klägerin insoweit übergegangen, als sie Leistungen zu erbringen gehabt habe. Der Deckungsfonds aus den Verdienstentgangsansprüchen des Anton B für den Zeitraum vom 21. Juni 1971 bis 3. Juni 1977 betrage unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von einem Drittel insgesamt 177 126.45 S. Für diesen Zeitraum habe die Klägerin Pensionsleistungen in der Höhe von insgesamt 220 691.90 S erbracht. Da diese Pensionsleistungen höher gewesen seien als der Ersatzanspruch des Anton B, sei dieser in voller Höhe gemäß § 332 ASVG auf die Klägerin übergegangen. Eine Verminderung dieses Anspruches wegen der vom deutschen Sozialversicherungsträger erbrachten Pensionsleistungen erfolgt nicht. Gemäß Art. 43 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über soziale Sicherheit (in der Folge als Sozialversicherungsabkommen bezeichnet) trete auch zugunsten des deutschen Sozialversicherungsträgers nach § 1542 RVO eine Legalzession ein. Dies verhindere eine Kürzung des Verdienstentgangsanspruches des Anton B. Da der Ersatzanspruch des Geschädigten gleichzeitig auf mehrere Versicherungsträger übergegangen sei, seien diese im Hinblick auf Art. 43 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens als Gesamtgläubiger anzusehen mit der Wirkung, daß jeder den gesamten Ersatzanspruch in der Höhe geltend machen könne, in der er auf ihn übergegangen sei. Die Leistung des Schädigers an einen Versicherungsträger habe auch schuldbefreiende Wirkung bezüglich des anderen. Da zwischen den von der Klägerin erbrachten Pensionsleistungen und dem Ersatzanspruch des Anton B auf Verdienstentgang sachliche und zeitliche Kongruenz bestehe, sei der Klägerin unter Berücksichtigung der Akontozahlung von 10 000 S der Betrag von 167 126.45 S samt Anhang zuzusprechen, ihr Mehrbegehren aber abzuweisen.
Den von beiden Streitteilen erhobenen Berufungen gab das Berufungsgericht keine Folge.
Eine Vorteilsausgleichung finde nicht statt, wenn der Geschädigte Leistungen aus einer Sozialversicherung erhalte, weil das den Ersatzanspruch gegen den Schädiger nicht berühre. Im Sinne des Art. 43 Abs. 1 des Sozialversicherungsabkommens sei auch zugunsten des deutschen Sozialversicherungsträgers eine Legalzession eingetreten, und zwar nach der Bestimmung des § 1542 RVO. Diese sei inhaltlich gleich mit der Vorschrift des § 332 Abs. 1 ASVG. Es sei also an die Bundesbahnversicherungsanstalt im Ausmaß ihrer Pensionsleistungen eine Legalzession der Verdienstentgangsansprüche des Anton B eingetreten, sodaß eine Vorteilsanrechnung auf diesen Anspruch nicht in Frage komme. Soweit die Klägerin Leistungen erbracht habe, seien die Verdienstentgangsansprüche des Anton B aber auch auf sie übergegangen. Art. 43 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens lege fest, daß dann, wenn Ersatzansprüche hinsichtlich gleichartiger Leistungen aus demselben Schadensfall Sozialversicherungsträgern beider Vertragsstaaten zustunden, der Dritte die nach Art. 43 Abs. 1 des Abkommens auf die beiden Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche mit befreiender Wirkung durch Zahlung an den einen oder den anderen Sozialversicherungsträger befriedigen könne. Im Innenverhältnis seien diese allerdings im Verhältnis der von ihnen zu erbringenden Leistungen ausgleichspflichtig. Konkurrierende Ersatzansprüche eines anderen Sozialversicherungsträgers könnten aber nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie im selben Verfahren geltend gemacht würden. Erhebe nur ein einziger Legalzessionar Leistungsansprüche, dann sei im Rahmen des Deckungsfonds über seine Ansprüche ohne Rücksicht auf allfällige Ansprüche anderer Regreßberechtigter zu entscheiden. Maßgebend sei, daß durch die Nichtberücksichtigung der mit den Ansprüchen des klagenden Sozialversicherungsträgers konkurrierenden Ersatzansprüche die Rechte des Schädigers nicht beeinträchtigt würden. Seine Gesamthaftung sei immer durch den Deckungsfonds begrenzt; darüber hinaus habe er keinem Versicherungsträger Leistungen zu erbringen. Gegenüber weiteren Versicherungsträgern, die sich auf die Legalzession des § 332 ASVG (bzw. § 1542 RVO) beriefen, werde die Beklagte einwenden können, daß der Deckungsfonds infolge der Leistungen an den klagenden Sozialversicherungsträger gemindert worden sei. Auf die Leistungen des deutschen Sozialversicherungsträgers sei weder durch ihre Anrechnung zur Gänze noch durch aliquote Kürzung der Forderung der Klägerin Bedacht zu nehmen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend ausgeführt, daß die vom deutschen Sozialversicherungsträger an den Verletzten erbrachten Leistungen dessen Schadensersatzanspruch nicht verringern, weil die gesetzliche Regelung der Legalzession zugunsten des Sozialversicherers (§ 332 Abs. 1 ASVG, § 1542 RVO) voraussetzt, daß die Drittleistung auf den Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger nicht angerechnet wird und damit die Grundlage für seinen Schadensersatzanspruch erhalten bleibt (dazu Koziol, Haftpflichtrecht I, 160, 217). Im Wege der Vorteilsausgleichung können daher die Leistungen des deutschen Sozialversicherungsträgers nicht berücksichtigt werden.
Im vorliegenden Fall hat der Verletzte auf Grund des gleichen Versicherungsfalles für übereinstimmende Zeiträume sowohl vom österreichischen als auch vom deutschen Sozialversicherungsträger Pensionsleistungen erhalten. Im Sinne des Art. 43 Abs. 1 des Sozialversicherungsabkommens gingen somit gemäß § 1542 RVO die kongruenten Schadenersatzansprüche des Verletzten im Umfang der vom deutschen Sozialversicherungsträger erbrachten Leistungen auf diesen über, ebenso aber auch nach der Vorschrift des § 332 Abs. 1 ASVG im Umfang der erbrachten Leistungen auf die Klägerin. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß diese beiden Rechtsvorschriften inhaltlich gleich sind.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, daß konkurrierende Ersatzansprüche anderer Sozialversicherungsträger nur dann Berücksichtigung finden können, wenn diese weiteren Ansprüche im gleichen Verfahren geltend gemacht werden (SZ 29/28; SZ 36/15; ZVR 1971/260; 2 Ob 151/72 u. a.; vgl. auch Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht[12], 899; Geigel, Der Haftpflichtprozeß[17], 1349). Entscheidend dafür ist die Erwägung, daß durch die Nichtberücksichtigung der mit den Ansprüchen der Klägerin konkurrierenden Ansprüche eines anderen Sozialversicherungsträgers die Rechte der Beklagten nicht beeinträchtigt werden. Ihre Gesamthaftung ist immer durch den Deckungsfonds begrenzt, und darüber hinaus hat sie keinem weiteren Versicherungsträger Leistungen zu erbringen. Gegenüber weiteren Versicherungsträgern, die sich auf eine zu ihren Gunsten eingetretene Legalzession berufen, kann daher die Beklagte einwenden, daß der Deckungsfonds infolge ihrer Leistungen an die Klägerin gemindert oder weggefallen sei. Ob dabei der mit der Klägerin konkurrierende Sozialversicherungsträger ein österreichischer ist, zu dessen Gunsten nach der Bestimmung des § 332 Abs. 1 ASVG die Legalzession eintrat, oder ein deutscher, zu dessen Gunsten die inhaltsgleiche Vorschrift des § 1542 RVO die Legalzession anordnete, macht dabei keinen Unterschied.
Für die Richtigkeit dieser Lösung spricht auch die Bestimmung des Art. 43 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens, mit der angeordnet wird, daß dann, wenn Ersatzansprüche hinsichtlich gleichartiger Leistungen aus demselben Schadensfall sowohl einem Sozialversicherungsträger des einen als auch des anderen Vertragsstaates zustehen, der Dritte die auf die beiden Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche mit befreiender Wirkung durch Zahlung an einen von ihnen befriedigen kann und daß die beiden Sozialversicherungsträger im Innenverhältnis anteilig im Verhältnis der von ihnen zu erbringenden Leistungen ausgleichspflichtig sind. Gewiß wird in dieser Vorschrift dem Schädiger ausdrücklich nur die Möglichkeit eingeräumt, durch Zahlung an einen der beiden Sozialversicherungsträger mit schuldbefreiender Wirkung zu leisten; diese Lösung setzt aber voraus, daß der Schadenersatzanspruch des Verletzten gegen den Schädiger auf die beiden Sozialversicherungsträger nicht etwa anteilig in Verhältnis der erbrachten Leistungen, sondern an jeden von ihnen im Rahmen des Deckungsfonds ungeteilt bis zur Höhe der erbrachten Leistungen überging.
In diesem Zusammenhang ist der Hinweis der Revisionswerberin auf die zu 2 Ob 188, 189/77 ergangene oberstgerichtliche Entscheidung mißverständlich. Diese Entscheidung betraf nicht die hier zu lösenden Fragen, sondern im wesentlichen den Beginn des Laufes der Verjährungszeit für Regreßansprüche eines deutschen Sozialversicherungsträgers, die zeitlich mit Leistungen eines anderen Sozialversicherungsträgers nicht konkurrierten. Der in dieser Entscheidung formulierte Rechtssatz, es gebe keinen solidarischen Forderungsübergang auf alle möglichen Sozialversicherungsträger, sondern nur einen geteilten Forderungsübergang auf jeden einzelnen Sozialversicherungsträger nach Zeitdauer und Umfang seiner Leistungspflicht, ist, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, nur in zeitlicher Hinsicht zu verstehen, nicht aber dahin, daß bei durch den gleichen Versicherungsfall ausgelösten gleichartigen Leistungen verschiedener Sozialversicherungsträger für den gleichen Zeitraum im Rahmen der Legalzession ein Forderungsübergang etwa nur im Verhältnis der erbrachten Leistungen stattfinde.
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