OGH 3Ob549/80

OGH3Ob549/8011.6.1980

SZ 53/91

Normen

ABGB §1367
ABGB §1501
WG Art30
WG Art32
ABGB §1367
ABGB §1501
WG Art30
WG Art32

 

Spruch:

Die Bestimmung des § 1367 ABGB enthält keine Verjährungsfrist, sondern normiert eine gesetzliche Befristung des Gläubigerrechts. Sie findet auf die Wechselbürgschaft keine Anwendung

OGH 11. Juni 1980, 3 Ob 549/80 (OLG Graz 7 R 209/79; LG Klagenfurt 26 Cg 86/78)

Text

Die Beklagten und die mj. Margret und Kurt T sind die Erben nach dem am 6. Feber 1970 verstorbenen Matthias T. Sein Nachlaß wurde der Erstbeklagten zu 6/16, der Zweitbeklagten zu 1/4, der Drittbeklagten zu 3/16 und den beiden mj. Margret und Kurt T zu je 3/32 mit Beschluß des Bezirksgerichtes Millstatt vom 23. Juli 1971, A 40/70, eingeantwortet.

Die Klägerin nimmt die Beklagten (sowie die mj. Margret und Kurt T, gegen die jedoch das Verfahren durch stattgebendes Versäumungsurteil bereits rechtskräftig beendet ist) entsprechend ihren Erbquoten auf Grund einer vom Erblasser Matthias T eingegangenen Wechselbürgschaft auf Zahlung der Wechselsumme von 61 674.09 S samt Anhang in Anspruch. Der Wechsel wurde vom Klagevertreter namens der Klägerin am 28. Feber 1978 auf den vorgenannten Betrag ausgestellt. Es handelt sich dabei um eines der beiden Wechselblankette, die die Klägerin zur Besicherung ihrer Forderungen aus der Gewährung von Betriebskrediten von 100 000 S bzw. 90 000 S an Kurt T am 9. November 1965 und 25. Juli 1966 erhalten hatte. Die Wechselblankette waren von Kurt T als Annehmer und Matthias T als Bürgen für ihn unterfertigt. Kurt T ist am 30. September 1969 verstorben. Über seine Verlassenschaft wurde am 19. März 1971 der Konkurs eröffnet, zu welchem die Klägerin ihre Forderung am 15. April 1971 mit insgesamt 151 200 S anmeldete. Sie kam damit im wesentlichen zum Zuge und erhielt am 10. April 1974 aus der Konkursmasse einen Betrag von 150 150.06 S.

Die Beklagten wendeten gegen die Klage u. a. "Verjährung gemäß § 1367 ABGB" ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nur teilweise statt. Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung beider Streitteile das Ersturteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren (im wesentlichen) zur Gänze stattgab, indem es die Beklagten zur Bezahlung folgender Beträge verurteilte: Die Erstbeklagte zu 23 052.78 S, die Zweitbeklagte zu 15 368.53 S und die Drittbeklagte zu 11 526.39 S, je samt 9.25% Zinsen seit 1. März 1978 (die geringfügige Abweisung von zusammen 162.50 S ist nur auf die Behebung eines bei der Ausfüllung des Wechsels unterlaufenen Additionsfehlers von 200 S zurückzuführen).

Beide Unterinstanzen gingen ergänzend zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt davon aus, daß die Klägerin auf Grund der ihr übergebenen, von Kurt und Matthias T unterfertigten Wechselverpflichtungserklärungen berechtigt war, die Blankowechsel jederzeit nach Maßgabe der unberichtigt aushaftenden Kreditforderung einschließlich Zinsen und Nebengebühren aller Art auszufüllen und fälligzustellen. Durch die am 10. April 1974 erfolgte Zuweisung eines Betrages von 150 150.06 S aus der Konkursmasse der Verlassenschaft nach Kurt T, der von der Klägerin als Teilzahlung gebucht wurde, verringerte sich ihre aushaftende Forderung aus beiden Krediten auf den Betrag von 43 140.88 S. Mit Schreiben vom 11. Juli 1974 teilte die Klägerin der Erstbeklagten mit, daß dieser Betrag abzüglich der Geschäftsanteile des Kurt T von 1650 S, also ein Betrag von 42 141.31 S zuzüglich der ab 1. Juli 1974 laufenden Zinsen, offen sei. Sie fügte bei, es werde Angelegenheit der Erben des verstorbenen Matthias T sein, diese restliche Forderung anteilsmäßig samt Anhang zu übernehmen. Mit Schreiben vom 6. Feber 1975 teilte die Klägerin der Erstbeklagten den Kontostand zum 31. Dezember 1974 mit 44 148.32 S mit und forderte sie auf, innerhalb von acht Tagen hiezu Stellung zu nehmen. Auf Grund dieses Schreibens sprach die Erstbeklagte beim damaligen Geschäftsführer der Klägerin, Franz S, vor. Sie sagte ihm, daß ein Holzverkauf in Aussicht stehe und aus dem Verkaufserlös die offene Kreditforderung getilgt werden würde. Sie ersuchte, mit weiteren Schritten bis zum Eingang des Holzerlöses zuzuwarten und nannte auch die hiezu erforderliche Frist. Die Klägerin wartete die von der Erstbeklagten begehrte Stundungsfrist ab und übergab dann die Sache ihrem Rechtsanwalt. Mangels Zahlung hat der Klagevertreter als Bevollmächtigter der Klägerin am 28. Feber 1978 einen der beiden von Kurt T als Akzeptanten und Matthias T als Wechselbürgen unterfertigten Blankowechsel auf den Betrag von 61 674.09 S ausgefüllt und mit gleichem Tag fälliggestellt. Dabei unterlief ihm insofern ein Rechenfehler, als die Gesamtforderung der Klägerin an diesem Tage nur 60 250.45 S zuzüglich 1223.64 S an Mahnkosten = 61 474.09 S betrug.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die Klägerin mangels einer Abrede über die Einsetzung des Ausstellungs- und Verfallstages jederzeit zur Ausfüllung der Blankowechsel berechtigt gewesen sei. Selbstverständliche Voraussetzung sei aber, daß im Zeitpunkt der Ausfüllung noch eine klagbare Forderung des Blankettnehmers bestanden habe. Daher widerspreche die Ausfüllung des Blanketts nach Eintritt der Verjährung der Forderung, zu deren Deckung der Blankowechsel gegeben worden sei, der Verkehrssitte. Dieser Mangel könne dem nicht gutgläubigen Wechselinhaber durch Erhebung der Verjährungseinrede in Ansehung der dem Wechsel zugrunde liegenden Forderung eingewendet werden. In der Folge prüfte das Erstgericht den Rechtsbestand der Klagsforderung unter der Annahme, daß die Beklagten eine derartige Verjährungseinrede erhoben hätten, und gelangte zum Ergebnis, daß die Erstbeklagte wohl auf Grund ihres Anerkenntnisses gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin, Franz S, in vollem Umfange hafte, die Zweit- und Drittbeklagten hingegen nur für die vom 28. Feber 1975 bis 28. Feber 1978 anerlaufenen Zinsen und sonstigen Kreditkosten von zusammen 19 405.92 S. Die geringfügige Teilabweisung in Ansehung der Erstbeklagten von 533.88 S ist darauf zurückzuführen, daß das Erstgericht bei der Ermittlung des offenen Saldos die in der Wechselsumme enthaltenen Mahnkosten des Klagevertreters von 1223.64 S nicht berücksichtigte, die nach den Kreditverträgen aber ebenfalls vom Kreditnehmer zu tragen sind.

Das Berufungsgericht verwies darauf, daß die Beklagten nur "Verjährung gemäß § 1367 ABGB" geltend gemacht hätten. Sie hätten damit lediglich die Verfristung der Gläubigerrechte nach dieser Gesetzesstelle eingewendet. § 1367 ABGB finde aber auf die Wechselbürgschaft keine Anwendung. Daher gehe der ausschließlich auf diesen Rechtsgrund gestützte "Verjährungseinwand" der Beklagten ins Leere. Ohne Einwendung sei aber die Frage der Verjährung nicht zu prüfen gewesen (§ 1501 ABGB). Daher sei der Berufung der Klägerin schon aus diesem Gründe stattzugeben gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Entscheidung über die Revision hängt davon ab, ob man die von den Beklagten in der Klagebeantwortung erhobene Einwendung der "Verjährung gemäß § 1367 ABGB" gleich dem Erstrichter als allgemeinen Verjährungseinwand verstehen kann. Der Hinweis auf § 1367 ABGB spricht dagegen. Die bezogene Gesetzesstelle betrifft zwar nicht einen Fall der "Verjährung" im technischen Sinn, wohl aber das Erlöschen der - nicht weiter befestigten - Bürgschaftsschuld gegenüber den Erben des Bürgen. Die Beklagten wurden hier mehr als drei Jahre nach dem Tod des Bürgen als dessen Erben auf Zahlung einer Bürgschaftsschuld in Anspruch genommen. Es ist daher objektiv gerechtfertigt, ihren unter Bezugnahme auf § 1367 ABGB erhobenen "Verjährungseinwand" als Einwand der Verfristung des Rechtes im Sinne des § 1367 ABGB zu verstehen. Daß die Einwendung auch von den Beklagten selbst so verstanden wurde, ergibt sich nicht nur daraus, daß sie die Einrede ohne jeden Hinweis darauf erhoben, daß sie als allgemeine Verjährungseinrede gemeint sei, obgleich in der Klage bereits bemerkt worden war, daß § 1367 ABGB auf die Wechselbürgschaft keine Anwendung finde, sondern auch aus dem Revisionsvorbringen, das nur dann den Revisionsantrag auf gänzliche Klagsabweisung schlüssig zu begrunden vermag, wenn man die fragliche Einrede als Einwand der Verfristung der gesamten Forderung nach § 1367 ABGB versteht; andernfalls könnte nur eine Wiederherstellung des Ersturteils in Frage kommen. Ist aber der Einwand der "Verjährung gemäß § 1367 ABGB", wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, lediglich als Einwand der Verfristung der Klagsforderung im Sinne dieser Gesetzesstelle zu verstehen, dann kann nicht bei Unanwendbarkeit dieser Bestimmung die Verjährungsfrage geprüft werden, weil es sich bei der Verfristung nach § 1367 ABGB und der Verjährung um zwei verschiedene Rechtseinrichtungen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Folgen handelt, sodaß der Einwand, der Anspruch wäre nach § 1367 ABGB "verjährt", d. h. richtig erloschen, nicht als allgemeiner Verjährungseinwand aufgefaßt werden kann (vgl. EvBl. 1959/157). Da aber die Verjährung nur über Einrede des Beklagten zu prüfen ist (§ 1501 ABGB), hier aber nach richtiger Ansicht nicht eingewendet wurde, ist das Berufungsgericht zutreffend auf die Frage der Verjährung der dem Wechsel zugrunde liegenden Forderung der Klägerin nicht eingegangen.

Die Wechselbürgschaft ist eine Institution des Wechselrechtes und von der bürgerlich-rechtlichen Bürgschaft durchaus verschieden. Auch wenn sie in der Regel wie diese als Sicherungsmittel für eine fremde Verbindlichkeit eingegangen wird, geht sie doch infolge des Formalcharakters der Wechselerklärungen und ihrer gegenseitigen Unabhängigkeit insofern über die bürgerlich-rechtliche Bürgschaft hinaus, als der Wechselbürge selbständig verpflichtet wird, wenn die Verbindlichkeit, für die er sich verbürgt hat, aus einem anderen Grund als wegen eines Formfehlers nichtig ist (Art. 7, 32 Abs. 2 WG). Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Bürgschaft sind auf die Wechselbürgschaft nicht anwendbar (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 74; SZ 34/147 u. a.; vgl. ferner Ohmeyer - Klang in Klang[2] VI, 202, 211; Stranz, WG[14], 194 f.; Baumbach - Hefermehl, WG[12], 242; SZ 17/146; QuHGZ 1970 H 3/71). Dies gilt insbesondere auch für die Bestimmung des § 1367 ABGB, nach welcher in Anlehnung an das ältere deutsche Recht, das im Gegensatz zum römischen Recht die Bürgschaft mit dem Tod des Bürgen enden ließ, die ungesicherte Bürgschaftsschuld drei Jahre nach dem Tod des Bürgen erlischt, wenn sie vom Gläubiger nicht vorher gegenüber dem Erben eingemahnt wurde. Hat der Gläubiger den Erben des Bürgen jedoch fristgerecht gemahnt, dauert die Bürgschaftshaftung des Erben ohne die angeführte zeitliche Beschränkung fort. Daher handelt es sich bei der Bestimmung des § 1367 ABGB nicht um eine Verjährungsfrist, innerhalb welcher der Gläubiger sein an sich zeitlich unbeschränktes Recht geltend machen müßte, sondern um eine unter bestimmten Voraussetzungen eintretende gesetzliche Befristung des Gläubigerrechtes (Ohmeyer - Klang a. a. O., 248 f.; Ehrenzweig II/1, 122 Anm. 17). Der Anwendungsbereich des § 1367 ABGB ist aber selbst bei der bürgerlich-rechtlichen Bürgschaft insofern ein sehr beschränkter, als diese Bestimmung weder für Bürgschaften gilt, die durch eine Hypothek oder ein Faustpfand besichert sind, noch zufolge der ausdrücklichen Anordnung des Hofdekretes vom 19. September 1837, JGS 1839/229, auch für die Erben jener Bürgen, die sich als "Bürge und Zahler" oder als "Bürge zur ungeteilten Hand" verpflichtet haben. Umso mehr muß diese ausdrückliche Einschränkung durch das Hofdekret für den Wechselbürgen gelten, dessen Haftung über die eines "Bürgen und Zahlers" und eines "Bürgen zur ungeteilten Hand noch hinausgeht, da er nach Art. 32 Abs. 1 WG dem Wechselinhaber als Gesamtschuldner (Art. 47 WG) in der gleichen Weise haftet wie derjenige, für den er sich verbürgt hat.

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