OGH 4Ob317/80

OGH4Ob317/8029.4.1980

SZ 53/69

Normen

MSchG §12
MSchG §23 Abs1
UWG §9
MSchG §12
MSchG §23 Abs1
UWG §9

 

Spruch:

Das jüngere erst durch Registrierung begrundete Markenrecht muß sich eine Einschränkung durch das ältere Recht an einer Etablissementbezeichnung auch ohne deren Verkehrsgeltung gefallen lassen

OGH 29. April 1980, 4 Ob 317/80 (OLG Innsbruck 1 R 345/79; LG Innsbruck 5 Cg 500/79)

Text

Die klagende Partei befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Nahrungsmitteln und Getränken; darunter befindet sich die auch in Österreich vertriebene Tabasco-Gewürzsoße. Die beklagte Partei führt mehrere Restaurants im Stadtgebiet von I; eines davon führt die Etablissementbezeichnung "Tabasco".

Die klagende Partei begehrt zur Sicherung ihres mit gleichlautender Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruches, der beklagten Partei mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die Bezeichnung "Tabasco", insbesondere in Form einer Etablissementbezeichnung für ein Restaurant, unbefugt zu verwenden. Zur Begründung bringt sie vor, sie sei Inhaberin der mit Priorität vom 20. September 1968 eingetragenen österreichischen Marke Nr. 63 509 "Tabasco" sowie der mit Priorität vom 23. September 1968 eingetragenen österreichischen Marke Nr. 64 707 "Tabasco" (Verpackung). Die von der beklagten Partei für ihr Restaurant verwendete Etablissementbezeichnung "Tabasco" sei mit diesen Marken im Sinne des § 9 UWG verwechselbar ähnlich. Diese Verwechslungsgefahr werde noch dadurch verstärkt, daß die Tabasco-Soße in fast allen Restaurants Verwendung finde.

Die beklagte Partei sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus. Sie habe das gegenständliche Restaurant ab 1. Mai 1968 eingerichtet. Die Etablissementbezeichnung "Tabasco" habe schon vor der Registrierung der Marken der klagenden Partei Verkehrsgeltung erlangt. Die erwähnte Bezeichnung sei in Anlehnung an das in Mexiko liegende Bundesland "Tabasco"gewählt worden. Zwischen einem mit der Herstellung und dem Vertrieb von Nahrungsmitteln befaßten Unternehmen und einem Dienstleistungsunternehmen wie dem Restaurant der beklagten Partei bestehe keine Gleichartigkeit, sodaß die Gefahr von Verwechslungen nicht zu befürchten sei.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Klägerin ist Inhaberin der im Klagevorbringen genannten beiden Marken. Diese gelten für die im Warenverzeichnis angeführten Waren der Klassen 16 b und c sowie der Klassen 26 a bis e (alt) und umfassen ein breites Band von Nahrungs- und Genußmitteln sowie von Getränken. Die klagende Partei befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb dieser Waren.

Das von der beklagten Partei unter der Etablissementbezeichnung "Tabasco" geführte Restaurant wurde in den ab 1. Mai 1968 in Bestand genommenen Räumen neu eingerichtet und in der folgenden Zeit mit erheblichen Werbeaufwand bekannt gemacht. Es hat in I einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht und zwar schon vor den Prioritätszeitpunkten der Marken der klagenden Partei. In diesem Restaurant werden fertig zubereitete Speisen und Getränke, jedoch keine Nahrungsmittel im unverarbeiteten Zustand und ebensowenig die Gewürze "Tabasco" zum Verkauf angeboten.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Gleichartigkeit zwischen den beiden Unternehmen und die Gefahr von Verwechslungen im wesentlichen mit der Begründung, die Verbrauchsinteressen der in Betracht kommenden Kundenkreise und die zum Verkauf angebotenen Waren und Leistungen seien so unterschiedlich, daß der Durchschnittskäufer nicht annehme, Waren und Leistungen stammten aus ein- und demselben Betrieb. Die Frage der Priorität sei daher belanglos.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht die Fällung einer neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es nahm zusätzlich als bescheinigt an, daß die Marke Nr. 63 509 am 20. September 1968 zur Eintragung angemeldet und ihre Schutzdauer am 21. Jänner 1969 begonnen habe. Die Marke Nr. 64 707 sei am 23. September 1968 angemeldet worden; ihre Schutzdauer habe am 24. Juni 1969 begonnen.

Das Rekursgericht bejahte die Branchenähnlichkeit der beiden Unternehmen. Verwechslungsgefahr bestehe deshalb, weil die Verwendung der Bezeichnung "Tabasco" für ein Nahrungsmittel die Erwartung auslöse, daß dieses im besonderen Maße in einem Restaurant Verwendung finde, das diese Etablissementbezeichnung führe. Als geographischer Begriff sei das Wort "Tabasco" dem Durchschnittskonsumenten unbekannt. Die Prioritätsfrage sei entgegen der Auffassung des Erstgerichtes von Bedeutung. Die Priorität richte sich aber nicht nach dem Überreichungszeitpunkt, sondern nach dem Beginn der Schutzdauer. Der Vorgebrauch eines nicht eingetragenen Zeichens könne einer registrierten Marke dann entgegengehalten werden, wenn das Zeichen im Prioritätszeitpunkt bereits Verkehrsgeltung genossen habe. Hiefür genüge eine lokale Verkehrsgeltung. Das Erstgericht habe jedoch ungeachtet der von der beklagten Partei für die von ihr behauptete Verkehrsgeltung angebotenen Bescheinigungsmittel keinerlei Feststellungen getroffen.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entgegen der Auffassung der beklagten Partei liegt eine verwechselbare Ähnlichkeit der beiderseitigen Bezeichnungen vor. Nach dem § 9 UWG genügt die objektive Möglichkeit von Verwechslungen der beiden Unternehmungen auf Grund der Gleichheit oder Ähnlichkeit der von ihnen geführten Waren bzw. der erbrachten Dienstleistungen (ÖBl. 1978, 11 mit weiteren Hinweisen). Nur im Falle einer durchgreifenden Branchen- oder Warenverschiedenheit ist die Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil dann ein Zusammentreffen der Waren oder Leistungen auf demselben Absatzgebiet nicht zu besorgen ist (ÖBl. 1978, 11).

Von einer solchen Verschiedenheit kann aber im Verhältnis zwischen einem Betrieb, dessen Gegenstand die Herstellung und der Vertrieb von Nahrungsmitteln und Getränken ist, und einem gastgewerblichen-Betrieb nicht gesprochen werden. Zu dem letztgenannten Betrieb gehört - in Verbindung mit entsprechenden Dienstleistungen - vor allem die Verabreichung von Speisen und Getränken, also eine besondere Form des Vertriebes dieser Waren. Begegnet ein Verbraucher, dem das Wort "Tabasco" als Bezeichnung für eine Vielzahl von Nahrungsmitteln und Getränken bekannt ist, einem Restaurant, das den gleichen - fremdartigen und daher als Phantasiebezeichnung wirkenden - Namen als Etablissementbezeichnung führt, dann liegt für ihn der Gedanke nahe, daß in diesem Restaurant auf Grund besonderer Beziehungen zur Markeninhaberin ausschließlich oder doch vorwiegend "Tabasco"-Lebensmittel verwendet werden. Die Übereinstimmung zwischen der Etablissementbezeichnung und den unter derselben Bezeichnung vertriebenen Nahrungsmitteln und Getränken kann vielmehr bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Publikums durchaus den Eindruck erwecken, daß zwischen dem Betrieb der beklagten Partei und jenem der klagenden Partei besondere Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen (mittelbare Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn; s. dazu JBl. 1979, 205; ÖBl. 1979, 78 u.v.a.; Baumbach - Hefermehl, Warenzeichenrecht[11], 756, 790 f.). Auf die Einreihung der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen in die - nur fiskalischen Zwecken dienende - amtliche Waren- und Dienstleistungsklasseneinteilung kommt es hiebei nicht an.

Die von der klagenden Partei vorgetragenen Ausführungen zur Frage der Vorbenützung und der Verkehrsgeltung der von der beklagten Partei benützten Etablissementbezeichnung stehen mit der Rechtslage in Widerspruch, sodaß es sich erübrigt, auf die von der beklagten Partei im einzelnen behandelten Fragen einzugehen. Gemäß dem § 9 Abs. 1 UWG kann nämlich derjenige, der im geschäftlichen Verkehr u.

a. die besondere Bezeichnung eines Unternehmens (Etablissementbezeichnung) in einer Weise benützt, die geeignet ist, Verwechslungen mit der Etablissementbezeichnung, deren sich ein anderer befugterweise bedient, herbeizuführen, von diesem auf Unterlassung der Benützung in Anspruch genommen werden. Ein Verkehrsgeltungsnachweis ist lediglich in den hier aber nicht in Betracht kommenden Fällen des § 9 Abs. 3 UWG oder dann erforderlich, wenn der Etablissementbezeichnung die Unterscheidungskraft fehlt (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 54). Im Falle einer Kollision zwischen dem Recht an einer Etablissementbezeichnung (oder an einem Namens- oder Firmenrecht) mit einem Markenrecht entscheidet die Priorität (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage 489 der Beilagen, XIV. GP 9/10). Das jüngere, erst durch Registrierung begrundete Markenrecht muß sich daher eine Einschränkung durch das ältere, stärkere Recht an der Führung einer Etablissementbezeichnung gefallen lassen (Hohenecker - Friedl a.a.O., 53 f., 204 f.; 4 OB 334/80). Mit dieser Auffassung stimmt auch die Vorschrift des § 12 MSchG überein, wonach niemand ohne Zustimmung des Berechtigten von dem Namen, der Firma oder der besonderen Bezeichnung des Unternehmens eines anderen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen Gebrauch machen darf.

Im vorliegenden Fall ist daher lediglich zu prüfen, ob die Beklagte im Prioritätszeitpunkt des § 23 Abs. 1 MSchG (Tag der Anmeldung der Marke) ihre Etablissementbezeichnung bereits geführt hat, ohne daß es auf eine Verkehrsgeltung ankäme. Da dies zwar behauptet, von den Untergerichten jedoch im Hinblick auf die - verfehlte - Auffassung über die Verkehrsgeltung in das Bescheinigungsverfahren nicht einbezogen wurde - der Zeitpunkt der Inbestandnahme der Restaurationsräumlichkeiten muß mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Führung der Etablissementbezeichnung nicht zusammenfallen - erweist sich die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses, wenn auch aus anderen Gründen, als berechtigt.

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