Normen
ABGB §§730 ff
ABGB §761
ABGB §784
Tiroler Höfegesetz §26
ABGB §§730 ff
ABGB §761
ABGB §784
Tiroler Höfegesetz §26
Spruch:
Nach § 26 des Tiroler Höfegesetzes muß der vom Erblasser berufene Hofübernehmer dem Kreis der im ABGB als gesetzliche Erben aufgezählten Personen angehören, nicht aber auch im konkreten Fall nach der gesetzlichen Erbfolge zum Erben berufen sein
Die für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen notwendige Festsetzung des Übernahmspreises ist im Verlassenschaftsverfahren vorzunehmen, ein Prozeß über die Auszahlung des Pflichtteils daher bis zu einer solchen Entscheidung des Verlassenschaftsgerichtes zu unterbrechen
OGH 19. Dezember 1979, 6 Ob 15/79 (LG Innsbruck 2 R 111/79; BG Zell am Ziller A 128/78)
Text
Der am 14. Juni 1978 verstorbene Raimund G war Eigentümer des geschlossenen Hofes"T" EZ X. Er war nicht verheiratet und hinterließ den unehelichen Sohn Peter K, welcher in der Bundesrepublik Deutschland studiert. Die übrigen Verwandten des Verstorbenen sind seine drei Brüder Max, Anton und Johann P sowie seine Nichte Maria T, geborene P. Raimund G setzte in seinem eigenhändigen Testament vom 6. September 1971 seine beiden Brüder Max und Johann P zu Universalerben und seine Nichte Maria T zur Nacherbin hinsichtlich des geschlossenen Hofes nach seinen beiden Brüdern ein. Im Testament heißt es schließlich:"Mein Sohn Peter K soll, wenn Maria T geb. P meinen Hof übernimmt, 30 000 Schilling im Wert von drei Kühen bekommen.
Nach der Schätzung des Nachlasses, welche einen Wert der Liegenschaft von 7 038 594 S ergab, beantragte die erblasserische Nichte Maria T,"nach vorhergehender Schätzung des Hofes im Sinne des Tiroler Höfegesetzes ..... den Übernahmswert, insbesondere unter Bedachtnahme auf den Ertragswert, so festzusetzen, daß die Übernehmerin wohl bestehen" könne. Sie begrundete diesen Antrag damit, Max und Johann P hätten bereits mehrfach erklärt, sich ihres Erbrechtes entschlagen zu wollen, was allerdings noch nicht protokolliert worden sei. Sie müßte, um den Hof überhaupt übernehmen zu können, größere Teile des Hofes verkaufen, wenn "ein nach den Ergebnissen der Verkehrswertschätzung angenommener Übergabswert von 7 038 594 S zugrunde gelegt wurde". Weiter beantragte Maria die Unterbrechung der Abhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag.
Das Erstgericht verfügte unter Punkt 1 seines Beschlusses vom 6. April 1979 die Unterbrechung des Abhandlungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Festsetzung des Übernahmswertes nach dem TirHG. Unter Punkt 2 wies es diesen Antrag ab und führte aus:
Nach § 26 TirHG hätten die besonderen Erbteilungsvorschriften dieses Gesetzes bei testamentarischer oder vertragsmäßiger Erbfolge nur dann zur Anwendung zu kommen, wenn der vom Erblasser berufene Hofübernehmer zu den im ABGB unter die gesetzlichen Erben aufgenommenen Personen gehöre. Einziger gesetzlicher Erbe nach Raimund G sei dessen unehelicher Sohn. Überdies könne nach § 15 TirHG ein geschlossener Hof immer nur einer Person zufallen. Maria T als testamentarische Nacherbin repräsentiere nicht einen testamentarisch berufenen Anerben und sei zur Antragstellung nicht legitimiert. Daß sich Max und Johann P des Erbrechtes entschlagen hätten, sei "noch nicht" aktenkundig. Sollte eine derartige Entschlagung erfolgen, bestunde dennoch kein Anlaß für eine allfällige Ermittlung des Übernahmswertes, da Maria T keine weichenden Geschwister auszubezahlen hätte und der uneheliche Sohn seinen Pflichtteilsanspruch im Prozeßweg geltend machen könne. Dabei werde allenfalls auf die Bestimmungen des TirHG Bedacht zu nehmen sein.
Mit Eingabe vom 17. April 1979 gaben die beiden erblasserischen Brüder Max und Johann P die Erklärung ab, daß sie auf das ihnen im Testament "eingeräumte Erbrecht verzichten".
Das Erstgericht gab der von Maria T gegen seinen Beschluß erhobenen Vorstellung nicht Folge und legte den gleichzeitig mit der Vorstellung erhobenen Rekurs vor.
Das Rekursgericht änderte Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses dahingehend ab, daß es dem Antrag der Maria T auf Festsetzung des Übernahmswertes der Liegenschaft EZ X im Sinne der Erbteilungsvorschriften des TirHG stattgab. Es führte aus:
Infolge der Erbentschlagung der beiden Vorerben sei Maria T nunmehr auf Grund des Testamentes zur Erbin des gesamten Nachlasses berufen und daher zur Antragstellung legitimiert. Webhofer führe in seinem Kommentar zum TirHG u. a. aus, daß die Erbteilungsvorschriften der §§ 15 ff. dieses Gesetzes gemäß § 26 auch bei testamentarischer und vertragsmäßiger Erbfolge anwendbar seien, sofern der Erblasser eine Person als Hofübernehmer berufen habe und diese einer der gesetzlichen Erben des ABGB sei. Damit komme klar zum Ausdruck, daß der vom Erblasser berufene Hofübernehmer zum Kreis der gesetzlichen Erben nach §§ 730 ff. ABGB gehöre, nicht aber auch gleichzeitig nach dem Gesetz zum Erben berufen sein müsse. Sinn und Zweck der besonderen Erbteilungsvorschriften der §§ 15 bis 26 TirHG sei es, den landwirtschaftlichen Besitz ungeteilt an eine Person zu übertragen, das Hofvermögen vor Zersplitterung und Verschuldung zu bewahren und der Familie zu erhalten. Folge man der Rechtsansicht des Erstgerichtes, dann würde dies bedeuten, daß der testamentarisch berufene Hofübernehmer, der nicht gleichzeitig nach dem Gesetz zum Erben berufen sei, jedoch zum Kreis der gesetzlichen Erben und damit zur Familie gehöre, bei der Auseinandersetzung mit den übrigen Verwandten insoweit benachteiligt würde, als der Bemessung der Pflichtteilsansprüche nicht der Übernahmswert nach § 19 TirHG, sondern der Verkehrswert zugrunde zu legen wäre. Dies würde zufolge der Belastung des Hofübernehmers und damit auch des Hofes mit hohen Pflichtteilsansprüchen zu einer Verschuldung des Hofes führen, welche durch die Erbteilungsvorschriften des Anerbenrechtes verhindert werden solle. Es sei daher der Rechtsansicht Webhofers zu folgen. Da die erblasserische Nichte gemäß § 731 Abs. 2 ABGB zu den gesetzlichen Erben zähle und nunmehr alleinige auf Grund des Testamentes berufene Hofübernehmerin sei, kämen gemäß § 26 TirHG die besonderen Erbteilungsvorschriften dieses Gesetzes zur Anwendung. Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Peter K nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurswerber führt aus, Maria T gehört "nicht zu den Gesetzeserben im Sinne des ABGB, da direkte Abkommen des Verstorbenen vorhanden" seien. Das TirHG wolle den Testamentserben, der ohnedies auch nach dem Gesetz als Anerbe in Frage komme, nicht schlechter stellen als den gesetzlichen Anerben. Der Testaments- oder Vertragserbe müsse jedenfalls auch gesetzlicher Erbe nach dem ABGB sein. Es gehe nicht an, zu behaupten, es kämen sämtliche im ABGB genannten möglichen Erben hier in Frage, da dieses Gesetzbuch genau ausführe, daß Kinder die Eltern ausschlössen usw. In § 735 ABGB sei eindeutig bestimmt, daß die Erbschaft erst dann auf die zweite Linie falle, wenn niemand da sei, der vom Erblasser selbst abstamme. Daß der Gesetzeserbe auch berufener Erbe sein müsse, liege auf der Hand, "da das eine ohne das andere undenkbar" sei. Da sich § 26 TirHG ausdrücklich auf die gesetzlichen Erben des ABGB berufe, könne diese Gesetzesstelle nur derart interpretiert werden, als darin tatsächlich in Frage kommende Erben zu verstehen seien und nicht "jeder mögliche Erbe des ABGB". Lege man die Gesetzesstelle so aus wie das Rekursgericht, wäre ein geschlossener Hof ohne weiteres an einen Großneffen zu übertragen, während die ehelichen Kinder des Erblassers, welche am Hof mitgearbeitet hätte, "mit einem mäßigen Pflichtteil leer ausgingen". Gerade diesen Umstand habe das TirHG vermeiden wollen; der Besitz solle der Familie womöglich in der direkten Linie erhalten werden.
Dem Revisionsrekurswerber ist zuzugeben, daß Webhofer in seinem Kommentar zum TirHG die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht in dieser Form nicht geäußert hat; er beschränkte sich vielmehr auf die Ausführung: "§ 26 erklärt jedoch die besonderen Erbteilungsvorschriften ausdrücklich auch bei testamentarischer und vertragsmäßiger Erbfolge anwendbar, aber nur dann, wenn der Erblasser eine Person als Hofübernehmer berufen hat und diese einer der gesetzlichen Erben des ABGB ist" (109 f.). Daraus läßt sich jedoch für den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers nichts gewinnen. Die Formulierung in § 26 TirH, "wenn der vom Erblasser berufene Hofübernehmer zu den im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch unter die gesetzlichen Erben aufgenommenen Personen gehört", ist zwanglos dahin zu verstehen, daß der vom Erblasser berufene Hofübernehmer dem Kreis der im ABGB aufgezählten Personen angehört, nicht aber auch nach der gesetzlichen Erbfolge im konkreten Fall zum Erben berufen sein muß. Diese Ansicht wurde auch bereits in der Lehre vertreten. Krasnopolski führte in Bd. V, Erbrecht, seines österr. Privatrechtes aus, daß die Erbteilungsvorschriften des Rahmengesetzes vom 1. April 1889, RGBl. 52, betreffend die Einführung besonderer Erbteilungsvorschriften für landwirtschaftliche Besitzungen mittlerer Größe, auch für das testamentarische und das vertragsmäßige Erbrecht Bedeutung hätten (197), ihre ausnahmsweise Anwendung bei den genannten Erbfolgen an die Voraussetzung geknüpft sei, "daß der Erblasser eine der im ABGB unter die gesetzlichen Erben aufgenommenen Personen ..... unter mehreren Erben als Übernehmer des Hofes bestimmt hat. Gleichgültig ist hiebei, welchen unter den möglichen gesetzlichen Erben der Erblasser gewählt hat, und es ist insbesondere nicht notwendig, daß einer der nach der Ordnung des ABGB in concreto Zunächstberufenen ..... als Übernehmer des Hofes bestimmt worden ist (§ 3 Abs. 2 RG; § 15 Abs. 1, § 26 LG für Tirol; § 5 Abs. 2 LG für Kärnten.)" (379). Zu der dem § 26 TirHG entsprechenden Regelung des § 5 Abs. 2 Kärntner Höfegesetz führte Roth in NZ 1949, 170, aus: "Um die Bestimmungen des Höferechtes bezüglich Ermittlung des Anerben richtig zu verstehen, wird es sich empfehlen, zwischen ..... potentiellen und aktuellen Erben zu entscheiden. Unter potentiellen gesetzlichen Erben sollen hier die im Hauptstück des ABGB angeführten Personen, also Verwandte, Wahlverwandte und der Ehegatte überhaupt, unter aktuellen gesetzlichen Erben aber jene von ihnen verstanden sein, die in dem konkreten verlasse tatsächlich zur Erbschaft berufen sind. Einen der potentiellen Gesetzeserben muß der Erblasser zum Hofübernehmer bestimmen, wenn überhaupt der Verlaß nach Anerbenrecht zu behandeln sein soll."
Der Versuch, die im Revisionsrekurs dargestellte Auslegung des § 26 TirHG mit dem Hinweis darauf zu stützen, daß das TirHG mehrfach vom gesetzlichen Erben spreche und"damit einwandfrei den nach dem ABGB berufenen Erben" meine, versagt schon deshalb, weil § 26 TirHG eine Regelung dahin gehend trifft, unter welchen Voraussetzungen die besonderen Erbteilungsvorschriften dieses Gesetzes bei der testamentarischen oder vertragsmäßigen Erbfolge anzuwenden sind. Die im Revisionsrekurs zitierten Bestimmungen der §§ 15 und 17 TirHG gehen jedoch von einer Abhandlung auf Grund gesetzlicher Erbfolge aus, so daß aus der dort getroffenen Regelung für die Auslegung der in § 26 TirHG enthaltenen Formulierung"unter die gesetzlichen Erben aufgenommenen Personen" nichts zu gewinnen ist.
Wenn der Revisionsrekurswerber behauptet, aus der gesamten Tendenz des TirHG ergebe sich, daß der Besitz "der Familie, wenn möglich, in der direkten Linie, erhalten bleiben" soll, ist auf § 25 Abs. 1 TirHG zu verweisen, wonach durch die Erbteilungsvorschriften dieses Gesetzes der Eigentümer eines geschlossenen Hofes in seiner Verfügungsfreiheit innerhalb der Grenzen des Pflichtteilsrechtes weder unter Lebenden noch von Todes wegen beschränkt wird.
Der Revisionsrekurswerber behauptet in diesem Zusammenhang, die Ausführungen Webhofers, daß der Anerbe, der übergangen worden sei, dies akzeptieren müsse, "jedoch in diesem Fall § 26 TirHG nicht anwendbar sei, es sei dies eine Auswirkung der Verfügungsfreiheit des Hofbesitzers nach § 25 TirHG", ließen nur den Schluß zu, "daß bei der gewillkürten Erbfolge § 26 unanwendbar ist und der tatsächliche Anerbe den Pflichtteil nach dem Verkehrswert und nicht nach dem Übernahmswert bekommen soll".
Abgesehen davon, daß der Revisionsrekurswerber die Ausführungen Webhofers auf S. 110 seines Kommentars zum TirHG nicht richtig wiedergibt (dort findet sich nicht die Bemerkung, daß bei Übergehung der "an sich zur Hofübernahme nächsten Anerben" § 26 TirHG nicht anwendbar wäre), ist die im Revisionsrekurs gezogene Schlußfolgerung in dieser allgemein gehaltenen Form unrichtig. Sie träfe, wie sich aus § 26 TirHG ergibt, nur dann zu, wenn der vom Hofeigentümer eingesetzte Erbe nicht zu den im ABGB unter die gesetzlichen Erben aufgenommenen Personen gehören würde. Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein.
Der OGH pflichtet daher der vom Rekursgericht vorgenommenen Auslegung des § 26 TirHG bei.
Sofern das Erstgericht meint, eine Ermittlung des Übernahmswertes des Hofes wäre auch dann nicht geboten, wenn sich Max und Johann P des Erbrechtes entschlagen sollten, weil Maria T keine weichenden Geschwister auszuzahlen hätte, läßt es die Anordnung des § 23 Abs. 3 TirHG außer acht, wonach der Pflichtteilsberechnung der nach § 19 TirHG bestimmte Wert des Hofes zugrunde zu legen ist (vgl. dazu auch Krasnopolski a. a. O., 398 f.; Webhofer in Klang[2]III, 814; Webhofer, Komm. z. TirHG, 107 f.). Wie der OGH zu der der Regelung des § 23 Abs. 3 TirHG entsprechenden Anordnung in § 17 Anerbengesetz bereits ausgesprochen hat, ist die für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche erforderliche Festsetzung des Übernahmspreises zwingend im Verlassenschaftsverfahren vorzunehmen, ein Prozeß auf Pflichtteilsauszahlung daher bis zur Klärung und Festsetzung des Übernahmspreises durch das Verlassenschaftsgericht zu unterbrechen (SZ 40/98 = EvBl. 1968/123 = RZ 1968, 55 = NZ 1968, 89; EvBl. 1970/281), Daß im vorliegenden Fall der uneheliche Sohn des Erblassers Pflichtteilsansprüche geltend macht, ist aktenkundig. Daß diesbezüglich noch kein Rechtsstreit anhängig ist, steht der von Maria T beantragten Festsetzung des Übernahmspreises nicht entgegen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)