OGH 2Ob583/79

OGH2Ob583/7920.11.1979

SZ 52/172

Normen

ABGB §915
ABGB §1347
ABGB §1353
ABGB §1357
ABGB §915
ABGB §1347
ABGB §1353
ABGB §1357

 

Spruch:

Wurden dem Gläubiger einer Forderung in einem Zwangsversteigerungsverfahren Zinsen und Kosten, für die allein ein Bürge haftete, voll zugewiesen, ist der Bürge befreit, auch wenn die Kapitalforderung unberichtigt blieb

OGH 20. November 1979, 2 Ob 583/79 (OLG Linz 5 R 34/79; KG Wels 6 Cg 191/78)

Text

Die Klägerin erwirkte gegen den Beklagten einen Wechselzahlungsauftrag über 400 000 S samt Anhang.

Der Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen und machte im wesentlichen geltend, er hafte aus dem Wechsel nicht persönlich, da er ihn nur als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Firma Dipl.- Ing. S Ges. m. b. H. & Co, KG (im folgenden kurz: KG) angenommen habe. Auf eine persönliche Haftung des Beklagten sei überdies verzichtet worden. Die Klägerin habe den Wechsel vereinbarungswidrig ausgefüllt. Die Forderung aus dem Wechsel sei auch verjährt. Die Klägerin strebe nur an, die Zinsen hereinzubringen, die sie im Rahmen der Versteigerung der für die Hauptschuld der KG verpfändeten Liegenschaft nicht erhalten habe. Der Beklagte beantragte die Aufhebung des Wechselzahlungsauftrages.

Im ersten Rechtsgang hatte das Erstgericht als erwiesen angenommen, daß der Beklagte den strittigen Wechsel persönlich als Annehmer in Form eines Blankoakzepts über 400 000 S unterfertigt habe, um damit eine Haftung für Zinsen und Nebenkosten eines von der KG bei der Klägerin aufgenommenen Darlehens sicherzustellen. Zu einem Verzicht der Klägerin sei es nie gekommen. Die Ausfüllung des Wechsels sei gerechtfertigt, weil die KG der Klägerin aus dem Darlehen noch mindestens die vereinbarte Haftungssumme schulde. Das Erstgericht hielt daher den Wechselzahlungsauftrag aufrecht.

Über Berufung des Beklagten hob das Gericht zweiter Instanz dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es treffe zu, daß der Beklagte aus dem Wechsel persönlich hafte. Es müsse aber erhoben werden, wann die Klägerin das Blankoakzept ausgefüllt habe und welche nicht verjährte Forderungen der Klägerin gegenüber dem Beklagten an Kosten der Vertragserrichtung und abgereiften Zinsen, zu deren Deckung der Blankowechsel gegeben worden sei, zu diesem Zeitpunkt noch zugestanden seien, sofern solche nicht im Rahmen des Versteigerungsverfahrens beglichen wurden. Der Aufhebungsbeschluß erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft.

Im zweiten Rechtsgang erläuterte die klagende Partei im einzelnen, welche Beträge ihr aus dem der KG gewährten Darlehen samt Zinsen, Vertragskosten u. a., insbesondere aber auch anbezahlter Gründerwerbssteuer, zustunden. Der Beklagte verwies vor allem auf die Ergebnisse des Verteilungsverfahrens in der Versteigerungssache 7 E 157/74 des Bezirksgerichtes Innsbruck.

Im zweiten Rechtsgang hob das Erstgericht den Wechselzahlungsauftrag auf und wies die Wechselklage ab.

Das Erstgericht ging in tatsächlicher Hinsicht wiederum davon aus, daß der Beklagte eine persönliche Haftung nur für Zinsen und Nebengebühren aus dem von der Klägerin der KG gewährten Darlehen von

1.4 Mill. S laut Notariatsakt vom 27. April 1972 übernommen habe und der Wechsel sich vereinbarungsgemäß nur auf diese Haftung beziehen sollte. Der Blankowechsel sei von der Klägerin am 20. November 1976 ausgefüllt worden. Im Rahmen des Versteigerungsverfahrens 7 E 157/74 des Bezirksgerichtes Innsbruck seien alle Zinsen und Nebengebühren aus dem erwähnten Darlehen zur Gänze befriedigt, lediglich ein Teil des Kapitals von 350 625.87 S sei nicht getilgt worden.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß die Haftung des Beklagten damit erloschen sei. Daß der Zwangsversteigerungserlös zunächst auf Zinsen und Nebengebühren angerechnet worden sei, entspreche der Regel des § 1416 ABGB und den Verteilungsgrundsätzen der Exekutionsordnung.

Der gegen das Urteil der ersten Instanz erhobenen Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge.

Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Dies gilt insbesondere auch für die Feststellung, daß der Beklagte nur für Zinsen und Nebengebühren des Darlehens über 1.4 Mill. S, nicht aber für eine anfallende Gründerwerbssteuer, die persönliche Haftung übernommen habe sowie für die weitere Feststellung, daß durch einen am 9. Oktober 1974 zwischen der Klägerin und der KG abgeschlossenen Notariatsakt über 350 000 S, mögen in diesem Betrag inzwischen angefallenen Zinsen, Kosten und von der Klägerin bezahlte Gründerwerbssteuer enthalten sein oder nicht, keine Erweiterung der Haftung des Beklagten vereinbart wurde.

Das Berufungsgericht billigte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Der Beklagte habe den Beweis erbracht, daß die Schuld, für die er persönlich gehaftet habe, im Rahmen des Versteigerungsverfahrens getilgt worden sei, weshalb auch die Klagsforderung nicht zu Recht bestehe. Ein Verstoß gegen die Eventualmaxime im Wechselverfahren liege nicht vor, weil der Einwand, die Zinsen und Nebenkosten seien schon im Meistbotverteilungsverfahren befriedigt worden, in den ursprünglichen Einwendungen des Beklagten enthalten sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen hat der Beklagte eine persönliche Mithaftung nur für Zinsen und Nebenkosten hinsichtlich des von der KG laut Notariatsakt vom 27. April 1972 über 1.4 Mill. S aufgenommenen Darlehens übernommen. Er hat keine persönliche Haftung bezüglich einer mit diesem Darlehen nicht zusammenhängenden Gründerwerbssteuer oder für später aufgenommene Darlehen übernommen. Es war daher auch nicht zu untersuchen, aus welchen Teilposten sich der Betrag von 350 000 S zusammensetzt, der dann später Gegenstand des Notariatsaktes vom 9. Oktober 1974 war.

Der Beklagte hat damit, was zulässig ist (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] II 166), für einen Teil der Verbindlichkeit der KG als Hauptschuldnerin durch Schuldbeitritt (§ 1347 ABGB) oder als Bürge und Zahler (§ 1357 ABGB) die Mithaftung übernommen. Seine Haftung war gemäß dem auch bei dieser Art von Haftung anwendbaren § 1353 ABGB (SZ 15/209) und gemäß § 915 ABGB dahin zu verstehen, daß er nicht dafür einzustehen hatte, daß der Gläubiger die Darlehensvaluta zuzüglich aller Zinsen und Nebengebühren erstattet erhalte - dies hätte vielmehr ausdrücklich so vereinbart werden müssen -, sondern daß er nur dafür haftete, daß die Klägerin die Zinsen und Nebengebühren bezahlt erhalte, mag auch ein Teil des Kapitals nicht erstattet worden sein. Der Beklagte konnte in diesem Sinne damit rechnen, daß im Fall einer Zwangsversteigerung die Zinsen und Nebengebühren, für die allein er die Haftung übernommen hatte, aus dem auf den Gläubiger entfallenden Teil des Meistbotes in erster Linie befriedigt würden und er sodann aus seiner Haftung befreit werde (SZ 19/317). Mit der Tilgung der Zinsen und Nebengebühren anläßlich der Zuweisung im Versteigerungsverfahren erlosch daher auch die Haftung des Beklagten; die Klägerin durfte daher vom Wechsel nicht mehr Gebrauch machen und ihn nicht zur Hereinbringung einer Verbindlichkeit - den im Versteigerungsverfahren nicht berichtigten Teil der Kapitalforderung der Klägerin -, für deren Sicherung er nicht bestimmt war, verwenden (in diesem Sinne auch 1 Ob 778/78).

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