OGH 3Ob542/77

OGH3Ob542/777.6.1978

SZ 51/81

Normen

ABGB §983 Abs1
ABGB §1008 Abs1
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §8 Abs1
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §23
ABGB §983 Abs1
ABGB §1008 Abs1
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §8 Abs1
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §23

 

Spruch:

Sowohl zum Abschluß von Darlehen als auch von Kreditverträgen ist eine Gattungsvollmacht nach § 1008 ABGB erforderlich. Eine solche ist aber dann entbehrlich, wenn es sich um Geschäfte handelt, die nach der Natur der Sache und nach der Verkehrsanschauung oder nach gesetzlicher Regel in den Rahmen der Vollmacht fallen. (hier: Kreditaufnahme durch Wohnungseigentumsorganisatoren)

OGH 7. Juni 1978, 3 Ob 542/77 (LG Feldkirch R 97/77; BG Feldkirch C 1554/76)

Text

Die Beklagten sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 3736 KG. A, die Erstbeklagte zu 351/17 475, der Zweitbeklagte zu 534/17 475 Anteilen. Auf dieser Liegenschaft wurde die Wohnhausanlage Feldkirch, M-Straße 9, errichtet.

Die Klägerin (eine Bank) begehrt mit der Behauptung, daß sie der aus den beiden Beklagten und weiteren Wohnungskäufern bestehenden,"Eigentümergemeinschaft, Feldkirch, M-Straße", auf Ersuchen der Herren Dipl.-Ing. Hans J, Dr. Richard C und Ing. Franz H zur Finanzierung des Bauvorhabens einen Kredit gewährt habe, der per 30. Juni 1976 mit 110 758 S ausgehaftet habe, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der auf sie nach Maßgabe ihrer Miteigentumsanteile entfallenden Beträge von 2224.66 S und 3384.54 S samt 10% Zinsen seit 31. Juli 1976.

Die Beklagten wendeten ein, daß die Wohnanlage nicht von der Interessentschaft Feldkirch, M-Straße 9, sondern von einer Arbeitsgemeinschaft Wohnungseigentum errichtet worden sei. Dipl.- Ing. J, Dr. C und Ing. H seien zur Aufnahme eines Kredites im Namen der Beklagten, insbesondere eines Kollektivkredites im Namen der Eigentümergemeinschaft nicht berechtigt gewesen. Eine allenfalls vorhandene Vollmacht wäre am 17. Juli 1972 erloschen und teilweise gekundigt worden. Obwohl der Klägerin die Vollmachtsüberschreitung seit mindestens zwei Jahren bekanntgewesen sei, habe sie den Beklagten auf deren Anfrage nicht bekanntgegeben, daß in ihrem Namen Kredite aufgenommen worden seien. Dadurch sei den Beklagten ein Schaden entstanden, der mindestens so hoch sei wie der Klagsbetrag. Dieser Schaden werde aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht entschied, daß die Forderung gegen den Zweitbeklagten mit 3384.54 S zu Recht, die Forderung gegen die Erstbeklagte und die eingewendete Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe. Es verurteilte daher den Zweitbeklagten zur Zahlung von 3384.54 S samt 10% Zinsen seit 31. Juli 1976 und wies das Begehren auf Verurteilung der Erstbeklagten zur Zahlung von 2224.66 S samt Anhang ab.

Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Hingegen gab das Berufungsgericht der Berufung des Zweitbeklagten dahin Folge, daß es auch das gegen ihn gerichtete Klagebegehren abwies.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge. Die Urteile der Gerichte erster und zweiter Instanz wurden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das

Erstgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revision ist zuzugeben, daß die Klagsansprüche nicht auf Darlehensverträge gegrundet werden. Vielmehr handelt es sich bei den dem geltend gemachten Anspruch zugrundeliegenden Verträgen um Kreditverträge. Nach Lehre und Rechtsprechung ist der Kredit- (Eröffnungs-)Vertrag ein Konsensualvertrag eigener Art, der auf Begründung eines zweiseitigen Dauerschuldverhältnisses ausgerichtet ist. Er ist kein Darlehensvertrag, weil dieser Realvertrag ist, bei dem der verbindliche Abschluß erst mit der Erbringung der vereinbarten Leistung zustandekommt (§ 983 ABGB), aber auch kein Darlehensvertrag, da der Wille der Parteien nicht auf den künftigen Abschluß eines Vertrages gerichtet ist (Stanzl in Klang[2] IV/1, 708; SZ 35/125 u. a.). Für die Frage der umstrittenen Vertretungsmacht der Unterzeichner der Kreditverträge ist dies allerdings ohne Bedeutung, da auch zum Abschluß von Kreditverträgen eine Gattungsvollmacht im Sinne des § 1008 ABGB erforderlich ist. Wirtschaftlich besteht zwischen Darlehensgewährung und Krediteinräumung kein wesentlicher Unterschied. Die Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßten, für den Abschuß von Darlehensverträgen im fremden Namen eine Gattungsvollmacht zu verlangen, treffen daher auch für Kreditverträge zu. Eine Gattungsvollmacht ist jedoch dann entbehrlich, wenn Geschäfte in Frage stehen, die nach der Natur der Sache und nach der Verkehrsanschauung oder nach gesetzlicher Regel in den Rahmen der Vollmacht fallen. Denn § 1008 ABGB will nur der Gefahr begegnen, daß der Machtgeber im Vertrauen auf die Redlichkeit des Machthabers eine allgemeine Vollmacht, d. h. eine Vollmacht für alle möglichen Geschäfte ausstellt und sich damit dem Machthaber völlig ausliefert. Daraus folgt aber nicht, daß das, was nach den Umständen des Falles selbstverständlich ist, jedes Mal ausdrücklich gesagt werden muß (Ehrenzweig System[2] I/1, 264). Nun ist festgestellt, daß die im Punkt 1 des Angebotes vom 28. Oktober 1970, Beilage 21, genannten Personen bevollmächtigt wurden alle zur Errichtung der Wohnanlage erforderlichen Erklärungen und Schriftstücke im Namen des Annehmers zu unterzeichnen, Aufträge zu vergeben und alle Agenden bis zur Übergabe der Eigentumseinheit wahrzunehmen. Der Vollmachtnehmer ist zu allen Handlungen ermächtigt, welche nach dem Geschäftsgebrauch oder nach den Umständen des Falles in den Bereich des aufgetragenen Geschäftes gehören oder - anders ausgedrückt -, welche die Vornahme eines derartigen Geschäftes gewöhnlich mit sich bringt, wobei das "gewöhnlich" nicht zu eng aufgefaßt werden darf (vgl. Stanzl in Klang[2] IV/1, 881/882). Gewöhnliche Geschäfte brauchen keine alltäglichen Geschäfte zu sein; der Gegensatz zu gewöhnlich ist vielmehr das außergewöhnliche Geschäft. Die Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage erfordert einen ganz beträchtlichen Kostenaufwand, den aus Eigenmitteln aufzubringen die Wohnungseigentumswerber in der Regel nicht in der Lage sind. Es ist üblich, einen erheblichen Teil der erforderlichen finanziellen Mittel durch Kreditaufnahmen zu beschaffen. Die Aufnahme von Privatkrediten zur Finanzierung oder Vorfinanzierung eines Bauvorhabens, wie es die Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage ist, gehört zu den Geschäften, die mit einem solchen Bauvorhaben gewöhnlich verbunden sind. Die Höhe der von der Arbeitsgemeinschaft Wohnungseigentum im Namen der Eigentümerschaft Feldkirch, M-Straße, bei der Klägerin aufgenommenen Kredite ist in Anbetracht der für die Errichtung einer solchen Wohnanlage erforderlichen finanziellen Mittel nicht außergewöhnlich. Die Aufnahme der Kredite, auf deren Rückzahlung die Beklagten nunmehr in Anspruch genommen werden, fiel daher in den den Wohnungseigentumsorganisatoren im Punkt 1 des Anbotes vom 28. Oktober 1970 Beilage 21 übertragenen Aufgabenkreis. Eine Einschränkung dieser Vollmacht ist dem übrigen Inhalt des Anbotes, insbesondere dessen Punkt 4 nicht zu entnehmen. Der Umstand, daß die Wohnungseigentumsorganisatoren die zu errichtenden Eigentumswohnungen zum Kauf angeboten haben, ändert nichts daran, daß die Wohnungseigentuniswerber der Arbeitsgemeinschaft Wohnungseigentum Vertretungsmacht im dargestellten Sinne erteilt haben.

Der Einwand der Beklagten, daß die Arbeitsgemeinschaft Wohnungseigentum, wenn überhaupt, so nur Einzelkredite für die einzelnen Wohnungseigentumswerber aufnehmen durfte, ist nicht stichhältig. Der OGH hat wiederholt ausgesprochen, daß für die Berechnung des Anteiles der einzelnen Wohnungseigentümer an der Tilgung des Baudarlehens die Bestimmung des § 8 Abs. 1 WEG zu gelten habe, sowie daß zur Lösung der Frage der Aufteilung der Grund- und Baukosten auf die Wohnungseigentümer, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, auf diese Bestimmung zurückzugreifen ist (MietSlg. 25 460, 23 569 u. a.). Diese Grundsätze sind, wovon auch die Klägerin selbst ausgeht, auf die von den Wohnungseigentumsorganisatoren in einem gemeinsamen Vertrag für alle Wohnungseigentumswerber aufgenommenen Kredite anzuwenden. Jeder Wohnungseigentumswerber ist daher nur zur Zurückzahlung des Betrages verpflichtet, der für ihn nach Maßgabe seines Miteigentumsanteiles aufgenommen wurde. Auf diese Kreditschuld sind daher Zahlungen, die ein Wohnungseigentumswerber oder die Wohnungseigentumsorganisatoren für ihn an die Klägerin geleistet haben, anzurechnen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes haftet der (Gesamt)Kredit infolge weiterer Einzahlungen auf das Baukonto nur mehr mit 42 000 S aus. Dem angefochtenen Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, welcher Betrag davon auf jede der beklagten Parteien entfällt, da nicht festgestellt wurde, ob und welche Zahlungen auf die ursprüngliche Kreditschuld dieser Beklagten geleistet wurden. Ferner fehlen Feststellungen über Zeitpunkt und Höhe jener während des Prozesses geleisteten Zahlungen die zur Verringerung des Gesamtkreditsaldos von 110 758 S auf 42 000 S geführt haben, so daß nicht beurteilt werden kann, von welchen Beträgen und für welche Zeit der Klägerin Prozeßzinsen zuzusprechen sind. Wegen dieser Feststellungsmängel ist eine abschließende Beurteilung der Rechtssache durch das Revisionsgericht ausgeschlossen.

Der Revision war daher Folge zu geben und mit der Aufhebung des angefochtenen Urteiles vorzugehen. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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