OGH 1Ob533/78

OGH1Ob533/7815.2.1978

SZ 51/15

Normen

ABGB §1444 Abs1
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1
ABGB §1444 Abs1
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1

 

Spruch:

Schenkungsweiser Schulderlaß ist auch für bücherlich sichergestellte Ansprüche an keine Form gebunden, mag auch der Schuldner noch zur Rückgabe der Urkunde und zur Ausstellung der Löschungsquittung verpflichtet sein

OGH 15. Feber 1978, 1 Ob 533/78 (OLG Linz 3 R 211/77; LG Linz 8 Cg 316/75)

Text

Mit notariellem Leibrentenvertrag vom 11. März 1950 übergaben die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehegatte der Zweitbeklagten die Liegenschaft EZ 635 KG W (Einheitswert 1400 S) mit dem Grundstück 747/4 Wiese und einer darauf errichteten Wohnbaracke; mit Ehe- und Erbvertrag vom 11. März 1950 übertrug die Zweitbeklagte eine ideelle Hälfte der Liegenschaft dem Erstbeklagten, ihrem Ehemann. Nach dem Übergabsvertrag ist eine am Ersten eines jeden Monates im vorhinein fällige Leibrente in der Höhe des Bruttowochenlohnes eines Schlossers in Linz mit fünfjähriger Gehilfenzeit zu erbringen; diese Leibrente wurde auf der übergebenen Liegenschaft als Reallast einverleibt. Den Übergebern stand auch ein Fruchtgenußrecht am genannten Grundstück mit Ausnahme einer Fläche von 400 m2, auf der die Beklagten ein Wohnhaus errichteten, zu. Die Rechte der Übergeber stehen nun allein der Klägerin zu. Die Beklagten bezahlten die wertgesicherte Leibrente bis einschließlich Jänner 1969. Mit ihrer am 19. September 1975 überreichten Klage, der eine Mahnung vom 23. Mai 1975 vorangegangen war, begehrt die Klägerin für die letzten drei Jahre ab Oktober 1972 an rückständiger Leibrente 41 245.20 S samt Anhang. Sie stellte auch den Zwischenfeststellungsantrag, daß die Beklagten in Zukunft auf Lebensdauer der Beklagten dieser die Leibrente nach dem Leibrentenvertrag vom 11. März 1950 zu bezahlen hätten. Die Beklagten wendeten insbesondere ein, die Klägerin habe um die Jahreswende 1968/69 auf die künftige Auszahlung der Leibrente verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und den Zwischenfeststellungsantrag ab und stellte im wesentlichen fest; Nach der Bezahlung der letzten Leibrente im Jänner 1969 habe die Klägerin den Beklagten mitgeteilt, daß sie in Zukunft keine Rente mehr für sie zu bezahlen brauchten. Im Jahre 1969 habe die Klägerin auch der Mutter der Zweitbeklagten Anna P gesagt, sie habe den Beklagten die Leibrente geschenkt, da sie ohnedies mit ihrem Einkommen das Auslangen finde. Anläßlich eines Gespräches mit der Klägerin, die immer gesagt habe, daß das Schuhmachergeschäft der Beklagten nicht gut gehe, habe der den Streitteilen bekannte Bruno W zum Ausdruck gebracht, die Klägerin, die ohnedies ein gutes Einkommen habe, solle den Beklagten die Rente nachsehen. Die Klägerin habe Bruno W hierauf geantwortet, daß er ohnedies recht habe und die Beklagten ihr keine Leibrente mehr zu bezahlen brauchten. Nach diesem Gespräch habe der Erstbeklagte Bruno W mitgeteilt, daß er der Klägerin keine Leibrente mehr zu bezahlen brauchte. Bruno W habe hierauf dem Erstbeklagten sein Gespräch mit der Klägerin mitgeteilt und hinzugefügt, daß er dies ohnehin schon wisse. Ab Feber 1969 habe die Klägerin auch keine Leibrentenforderung mehr gestellt. Bis einschließlich 1968 hätten die Beklagten die Leibrentenzahlung steuerlich als Sonderausgabe abgesetzt. Als für das Jahr 1969 Aufzeichnungen darüber gefehlt hätten, habe der Steuerberater der Beklagten Dr. Günther K solche urgiert, worauf der Erstbeklagte ihm mitgeteilt hätte, die Klägerin verlange die Rentenzahlung nicht mehr; sie habe den Beklagten erklärt, sie brauche die Rentenzahlungen nicht mehr. Eine ähnliche Mitteilung habe der Steuerberater auch 1970 erhalten. Bis einschließlich 1974 sei das Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten - die Zweitbeklagte ist ihre Nichte - gut gewesen; die Beklagten hätten bei Krankheit der Klägerin für sie gekocht, Einkäufe erledigt, den Arzt gerufen und Medikamente eingekauft. Ab etwa Sommer 1975 sei zwischen der Klägerin und Anna P kein gutes Verhältnis mehr; auch die Beziehungen zu den Beklagten hätten sich verschlechtert; die Klägerin sei "böse" gewesen, worauf die Beklagten ihre Sorgetätigkeit eingestellt hätten. Seither unterhalte Anna G, eine Cousine der Zweitbeklagten, engen Kontakt zur Klägerin. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die Klägerin ausdrücklich in Form einer Willenserklärung auf ihre Rentenforderung gegen die Beklagten verzichtet habe; die Beklagten hätten diesen Verzicht angenommen. Einer bestimmten Form hätten diese Erklärungen nicht bedurft, auch wenn der Schulderlaß eine Schenkung gewesen sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, trat auch seiner rechtlichen Beurteilung bei, bestätigte dessen Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 50 000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Da der Gläubiger über sein Recht verfügen kann, steht es ihm auch frei, darauf zugunsten des Schuldners zu verzichten (§ 1444 ABGB). Der Verzicht muß nach herrschender Auffassung nicht in jener Form abgegeben werden, in der die Schuld begrundet wurde; eine Form ist vielmehr nicht vorgesehen, auch nicht für den schenkungsweisen Schulderlaß, da er nicht Schenkungsversprechen ist, sondern als Verfügung den Vollzug in sich schließt (JBl. 1975, 210; RZ 1968, 108; SpR 15 alt u. a.; Koziol - Welser[4] I, 225; Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 131; Klang in seinem Komm.[2] VI, 531; Ehrenzweig[2] II/1, 370). Dies gilt auch für Hypotheken. Es wird allerdings die Auffassung vertreten, daß in einem solchen Fall auch eine Löschungsquittung ausgestellt werden muß, weil die Schenkung durch den Erlaßvertrag mangels vollständigen Aufgebens des Rechtes des Gläubigers noch nicht vollzogen sei, sondern der Gläubiger zu weiteren Leistungen an den Schuldner, zur Rückgabe der Urkunde und zur Ausstellung der Löschungsquittung verpflichtet bleibe und bis dahin Zweifel in den ernstlichen Schenkungswillen bestehen müßten (GlUNF 1066; Stanzl in Klang[2] IV/1, 615). Dieser Rechtsstandpunkt wurde jedoch mit Recht abgelehnt (JBl. 1975, 210) und überzeugend begrundet, daß zwischen Schulderlaß und Pfandverzicht unterschieden werden muß (Klang a. a. O. VI, 531 bei und in FN 75). Der Sinn der bücherlichen Sicherstellung einer Forderung liegt auch nicht darin, einen Verzicht an zusätzliche Voraussetzungen zu knüpfen, sondern einen bücherlichen Rang zu sichern und eine dingliche Haftung herbeizuführen.

Verzichtserklärung und Ausstellung der Löschungsquittung sind voneinander gerade so zu trennen wie Zahlung und Ausstellung der Löschungsquittung; in beiden Fällen kann der bücherlich Belastete einwenden, daß er die der Eintragung zugrundeliegende Verpflichtung bereits erfüllt habe. Nichts anderes hat entgegen der Auffassung der Revision für eine Reallast zu gelten, die ebenso infolge Verzichts nicht mehr bestehen kann, obwohl die bücherliche Eintragung aufrechtgeblieben ist. Der Versuch der Revision, einen rechtlich relevanten Unterschied herauszuarbeiten, kann nicht überzeugen. Wie bei einer Hypothek kann auch der aus einer Reallast Berechtigte abschätzen, auf was er verzichtet, auch wenn er bei einer Leibrente die Summe der insgesamt noch zu zahlenden Beträge deswegen nicht wissen kann, weil der Endzeitpunkt der Verpflichtung nicht feststeht; gerade für seine Person kann der Berechtigte aber besonders leicht beurteilen, was er aufgibt.

Nach den Feststellungen der Untergerichte kann kein Zweifel bestehen, daß die Klägerin eine ausdrückliche Verzichtserklärung abgegeben hat. Einen Verzicht allein auf Grund jahrelanger Nichtgeltendmachung nahmen die Untergerichte nicht an. Nur bei Annahme eines stillschweigenden Verzichtes steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß besondere Vorsicht geboten sei und besondere Umstände darauf hinweisen müßten, daß er ernstlich gewollt sei (JBl. 1976, 98; RZ 1972, 14; SZ 44/86 u. a.). Es ist auch nicht richtig, daß die Klägerin nur im Laufe eines Gespräches eine - nach Auffassung der Revision - nichtssagende Erklärung abgegeben habe. Sie bestätigte ihren Verzicht vielmehr in anderem Zusammenhang und zeitlich verschoben auch anderen Personen gegenüber; sie begrundete ihren Verzicht auch mit dem eigenen guten Einkommen und wies auf ihr Wissen von der schlechten finanziellen Lage der Beklagten hin; vor allem verlangte sie durch Jahre hindurch auch tatsächlich keine weiteren Leibrentenleistungen. Nach den Feststellungen der Untergerichte besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin ihren Anspruch nur stunden oder nur vorübergehend auf die Leistung verzichten wollte; gerade ihre Motivation weist auf dauernden Verzicht hin, der auch der Nichte und ihrem Ehemann gegenüber, die schon jahrelang Leistungen erbracht hatten, als nicht besonders auffällig gelten mußte. Die Klägerin behauptet nicht einmal, daß sich die Umstände, die ihre Verzichtserklärung veranlaßten, geändert hätten. Allein die Tatsache, daß sich die persönlichen Beziehungen verschlechterten, rechtfertigt aber ein Wiederaufleben der durch unbedingten Verzicht erloschenen Leibrentenforderung nicht; es steht zudem nichteinmal ein Verschulden der Beklagten fest.

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