Normen
AußStrG §1
JN §49 Abs2 Z2a
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung
AußStrG §1
JN §49 Abs2 Z2a
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung
Spruch:
Unterhaltsansprüche volljähriger entmundigter ehelicher Kinder sind im Streitverfahren geltend zu machen
OGH 18. Oktober 1977, 5 Ob 657/77 (LG Innsbruck, 1 R 296/77, BG Hall in Tirol, C 107/77 )
Text
Die am 28. Juni 1955 geborene Klägerin wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 4. Oktober 1974, L 260/74-13, wegen Geistesschwäche voll entmundigt. Sie begehrte mit der am 7. Feber 1977 eingebrachten Klage von ihrem ehelichen Vater zufolge fehlender Selbsterhaltungsfähigkeit die Erhöhung seiner monatlichen Unterhaltsleistungen von 2700 S auf 7658.40 S.
Das Erstgericht wies diese Klage wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges zurück, weil der Pflegschaftsrichter im außerstreitigen Verfahren über das Unterhaltsbegehren zu entscheiden haben werde. Auszugehen sei davon, daß Entscheidungen über Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder nach den Bestimmungen der §§ 141 bis 143 ABGB wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit ohne Aufschub erfolgen müßten und daß deshalb das außerstreitige Verfahren anzuwenden sei. Der besondere Schutz des Gesetzes, unter dem die minderjährigen Kinder nach § 21 ABGB stunden, der zu seiner Verwirklichung die amtswegige Wahrnehmung ihrer familienrechtlichen Ansprüche, darunter auch des Rechtes auf Unterhalt erfordere, sei aber auch einem volljährigen Geistesschwachen einzuräumen, weil dieser nicht weniger schutzbedürftig sei als ein mundiger Minderjähriger. Das Erstgericht erachtete sohin, der oberstgerichtlichen Entscheidung vom 12. November 1912 (ZBl. 1913/940) nicht folgen zu können, in der ausgeführt werde, daß der Alimentationsanspruch eines großjährigen entmundigten ehelichen Kindes im ordentlichen Rechtsweg und nicht vor dem Pflegschaftsrichter geltend zu machen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem auf, das Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrunde fortzusetzen. Das Gericht habe in nichtstreitigen Rechtsangelegenheiten gemäß § 1 AußStrG nur insofern vorzugehen, als es die Gesetze anordnen. Es seien daher grundsätzlich auch Unterhaltsansprüche im streitigen Wege zu verfolgen. Es sei zwar dem Erstgerichte zuzugeben, daß dieselben Zweckmäßigkeitserwägungen, die für Unterhaltsansprüche Minderjähriger gelten, auch für Unterhaltsansprüche Entmundigter Berechtigung hätten. Es dürfe jedoch nicht übersehen werden, daß eine Gesetzesbestimmung nicht existiere, die die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen dem außerstreitigen Verfahren zuweise. Das Rekursgericht schließe sich deshalb der zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung an.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil er nicht den Bemessungskomplex, sondern die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruches zum Gegenstand hat (Jud. 60 neu = SZ 27/177).
Aus der ausdrücklichen Anordnung des § 1 AußStrG ergibt sich im Zusammenhalt mit Art. I EGZPO, daß im Außerstreitverfahren nur jene Rechtsangelegenheiten zu behandeln sind, die kraft gesetzlicher Anordnung in dieses Verfahren verwiesen sind (vgl. Fasching I, 128).
Nach der ständigen einhelligen Rechtsprechung ist über gesetzliche Unterhaltsansprüche Minderjähriger, gleichgültig, ob es sich um eheliche oder uneheliche Kinder handelt, im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden (JB 237; SZ 6/131; SZ 32/172; SZ 38/163; SZ 44/161 u. v. a.).
Bezüglich der unehelichen Kinder bestand in der Bestimmung des § 16 der ersten Teilnovelle zum ABGB eine ausdrückliche Verweisungsnorm, die die Anwendbarkeit des außerstreitigen Verfahrens bei anerkannter Vaterschaft anordnete. Diese Bestimmung wurde zwar anläßlich der Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes aufgehoben (BGBl. 342/1970, Art. X § 4), doch läßt sich aus anderen Gesetzesbestimmungen (BGBl. 342/1970, Art. IV Z. 3, Art. V Z. 7) immerhin eindeutig die Absicht des Gesetzgebers erschließen, die gesetzlichen Unterhaltsansprüche minderjähriger unehelicher Kinder bei festgestellter Vaterschaft weiterhin in das außerstreitige Verfahren zu verweisen (vgl. dazu SZ 44/161).
Die gesetzlichen Unterhaltsansprüche minderjähriger ehelicher Kinder wurden von der Rechtsprechung in das außerstreitige Verfahren unter Hinweis auf die §§ 21, 142, 178 ABGB, 185 AußStrG verwiesen. Der Umstand, daß der Gesetzgeber bei vollkommen gleicher Sachlage im § 16 der ersten Teilnovelle zum ABGB nur die gesetzlichen Unterhaltsansprüche unehelicher Kinder behandelt, nicht aber eine gleiche Bestimmung bezüglich der gesetzlichen Unterhaltsansprüche ehelicher Kinder geschaffen hat, läßt sich nur damit erklären, daß er der Ansicht gewesen sei, daß derartige Ansprüche ehelicher Kinder ohnedies schon nach geltendem Recht im außerstreitigen Verfahren zu behandeln seien (Jud. 237). Diese Auffassung ist für den gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin bedeutsam, weil es der Gesetzgeber auch anläßlich der Neuordnung des Kindschaftsrechtes (BGBl. 403/1977) offenbar aus den gleichen Erwägungen wieder unterlassen hat, ausdrücklich anzuordnen, daß über die gesetzlichen Unterhaltsansprüche minderjähriger ehelicher Kinder im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist.
Hingegen fehlt es bezüglich der gesetzlichen Unterhaltsansprüche volljähriger Pflegebefohlener an einer gesetzlichen Anordnung, die derartige Ansprüche in das außerstreitige Verfahren ausdrücklich oder doch unzweifelhaft schlüssig verweisen würde. Es trifft vielmehr für die Geltendmachung solcher Unterhaltsansprüche die Zuständigkeit im Bereiche der Gerichtsbarkeit in Streitsachen regelnde Bestimmung des § 49 Abs. 2 Z. 2 a JN zu, die alle "sonstigen" (nicht in Z. 2 genannten) Streitigkeiten wegen Leistung des aus dem Gesetze gebührenden Unterhaltes ausdrücklich der streitigen Gerichtsbarkeit zuordnet. Demgegenüber können Zweckmäßigkeitserwägungen des materiellen Privatrechtes nicht durchschlagen. Aus dem § 21 ABGB, der nur die programmatische Erklärung enthält, daß nicht eigenberechtigte Personen unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen, läßt sich nicht ableiten, daß ihre Ansprüche im Außerstreitverfahren durchzusetzen sind, weil diese Verfahrensart dem erklärten Schutzgedanken besser entspräche.
§ 142 ABGB bezieht sich nicht auf Unterhaltsansprüche. Die Bestimmungen des § 178 ABGB sind für Kuratelen nicht anwendbar, weil
§ 182 ABGB nur auf die Vorschriften über die Vormundschaften (§§ 189 bis 268 ABGB), nicht aber auf die Bestimmungen über die Rechte zwischen Eltern und Kindern (§§ 137 bis 186 ABGB) verweist.
Allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen, die sich auf die bessere Durchsetzbarkeit von Unterhaltsansprüchen im Außerstreitverfahren stützen wollen, ist entgegenzuhalten, daß im Hinblick auf § 49 Abs. 2 Z. 2 a JN, der die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes im streitigen Verfahren für die Streitigkeiten wegen Leistung des aus dem Gesetze gebührenden Unterhaltes festgelegt hat, zu entnehmen ist, daß der Gesetzgeber das Außerstreitverfahren nicht als besser geeignet zur Durchsetzung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen angesehen, sondern derartige Ansprüche grundsätzlich in das streitige Verfahren verwiesen hat. Wenn auch in der neueren Gesetzgebung eine Tendenz zur Erweiterung des Gebietes der außerstreitigen Gerichtsbarkeit festzustellen sein mag, so liegt doch keine gesetzliche Bestimmung vor, aus der sich ausdrücklich oder doch unzweifelhaft schlüssig ableiten ließe, daß gesetzliche Unterhaltsansprüche zwar volljähriger, aber entmundigter ehelicher Kinder nicht im streitigen, sondern im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen wären (vgl. hiezu 2 Bl. 1913/408).
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