OGH 4Ob375/77

OGH4Ob375/7727.9.1977

SZ 50/124

Normen

HGB §§105 ff
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr9
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr10
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
HGB §§105 ff
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr9
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr10
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14

 

Spruch:

Die persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG oder KG sind "Unternehmer" im Sinne des § 14 UWG und daher bei den dort aufgezählten, gegen die Gesellschaft gerichteten Wettbewerbsverstößen als "Mitbewerber" zur Unterlassungsklage legitimiert

Darüber hinaus muß ihnen auch das Recht zuerkannt werden, gegen wettbewerbswidrige Angriffe auf die Gesellschaft im Sinne des § 7 UWG auch im eigenen Namen mit Unterlassungsklage vorzugehen

Dem Gesellschafter einer OHG oder KG ist es grundsätzlich verwehrt, Gesellschaftsforderungen im eigenen Namen geltend zu machen, dies auch dann, wenn er Leistung an die Gesellschaft verlangt

OGH 27. September 1977, 4 Ob 375/77 (OLG Linz 2 R 71/77; LG Salzburg 1 Cg 110/77)

Text

Die Erstklägerin ist eine zu HRA 18 ... des Handelsregisters Wien protokollierte Kommanditgesellschaft, der Zweitkläger ihr persönlich haftender Gesellschafter.

Zur Sicherung des auf §§ 1 und 7 UWG gestützten Anspruches der Kläger auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen untersagte das Erstgericht mit einstweiliger Verfügung vom 16. Mai 1977 den Beklagten im geschäftlichen Verkehr

a) das planmäßige, sittenwidrige Abwerben von Dienstnehmern der Kläger und

b) die Behauptung, die Erstklägerin existiere nicht mehr bzw. sei "pleite", oder eine Behauptung ähnlichen Inhalts und deren Verbreitung.

Das Rekursgericht bestätigte diese einstweilige Verfügung - unter gleichzeitiger Streichung der Worte "planmäßige, sittenwidrige" in lit. a - insoweit, als sie zur Sicherung des Anspruches der Erstklägerin bewilligt worden war. Der Antrag des Zweitklägers auf Erlassung einer gleichlautenden einstweiligen Verfügung wurde dagegen wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses abgewiesen, weil der Zweitkläger als persönlich haftender Gesellschafter der durch die Wettbewerbsverstöße allein betroffenen Erstklägerin nicht im Wettbewerb mit den Beklagten stehe und daher zur Klage nicht aktiv legitimiert sei.

Infolge Revisionsrekurses des Zweitklägers stellte der Oberste Gerichtshof die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes - mit Ausnahme der Worte "planmäßige, sittenwidrige" in Punkt a ihres Spruches - auch insoweit wieder her, als sie vom Zweitkläger beantragt worden war.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekursgericht ist durchaus beizustimmen, daß der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft - und ebenso der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft - Rechte der Gesellschaft grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen kann: Das Vermögen der Gesellschaft steht nach herrschender Auffassung im Gesamthandeigentum der Gesellschafter; es ist deren "gemeinschaftliches Vermögen" (Art. 7 Nr. 9 und 10 EVHGB), über welches der einzelne Gesellschafter nicht - auch nicht anteilsmäßig - verfügen und dessen Teilung er gleichfalls nicht verlangen kann (Kastner, Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts[2], 56). Die Verfügung über die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstände steht nur der Gesamtheit der Gesellschafter zu, welche diese Befugnis durch die zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Gesellschafter ausüben. Da auch die der OHG bzw. KG zustehenden Rechte - einschließlich ihrer Forderungsrechte - ein Bestandteil des Gesellschaftsvermögens sind, ist es dem einzelnen Gesellschafter als solchem grundsätzlich verwehrt, Gesellschaftsforderungen im eigenen Namen geltend zu machen, dies auch dann, wenn er Leistung an die Gesellschaft verlangt (statt aller: Hueck, das Recht der OHG[4], 219 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum in FN 9; ferner Baumbach - Duden, HGB[21], 442 § 124 Anm. 1 H; ebenso GesRZ 1976, 59). Die gegenteilige, nur mit dem unzutreffenden Hinweis auf SZ 33/82 begrundete Ansicht Hämmerles (Handelsrecht[2] II, 7) trifft daher in dieser allgemeinen Form keinesfalls zu.

Im konkreten Fall geht es aber um etwas anderes: Der Zweitkläger nimmt als persönlich haftender Gesellschafter der erstklagenden Kommanditgesellschaft die Beklagten wegen unlauteren Wettbewerbs zum Nachteil der Erstklägerin in Anspruch und verlangt von ihnen die Unterlassung sittenwidrigen Abwerbens (§ 1 UWG) und herabsetzender Tatsachenbehauptungen (§ 7 UWG). Hinsichtlich des erstgenannten Anspruches ist er nach dem Gesetz schon dann zur Klage legitimiert, wenn er als Unternehmer Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, also "Mitbewerber" der Beklagten im Sinne des § 14 Satz 1 UWG ist; das Klagerecht nach § 7 UWG setzt hingegen voraus, daß der Zweitkläger von den herabsetzenden Tatsachenbehauptungen der Beklagten auch persönlich (mit)betroffen und damit in seinen Interessen (mit)beeinträchtigt ist (vgl. Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 93). Beides trifft hier zu: Wie der OGH bereits in ÖBl. 1960, 88 ausgesprochen hat, ist der Begriff des "Unternehmers" auch bei Auslegung des § 14 UWG im weitesten Sinn zu verstehen; er umfaßt jede selbständig betriebene Tätigkeit, die auf Erwerb gerichtet ist oder doch, wenngleich ohne Wettbewerbsabsicht, wirtschaftlichen Zwecken dient. Die persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG oder einer KG üben nach herrschender Auffassung eine selbständige kaufmännische Tätigkeit aus und sind Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches (Kastner a. a. O., 53, 95; Hueck a. a. O., 27 ff.); daraus folgt, daß auch ihnen die Stellung eines "Unternehmers" im Sinne des § 14 UWG zukommt und sie daher bei den dort aufgezählten, gegen die Gesellschaft gerichteten Wettbewerbsverstößen als "Mitbewerber" zur Unterlassungsklage legitimiert sind (so bereits ÖBl. 1958, 45; 4 Ob 330/73; 4 Ob 361, 362/76). Hält man sich weiters vor Augen, daß zufolge der zwischen einer OHG oder KG und ihren persönlich haftenden Gesellschaftern bestehenden Interessengemeinschaft jede wahrheitswidrige Herabsetzung der Gesellschaft zugleich auch die wirtschaftlichen Interessen dieser Gesellschafter gefährdet, welche ja für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich einzustehen haben, dann muß den persönlich haftenden Gesellschaftern das Recht zuerkannt werden, gegen wettbewerbswidrige Angriffe auf die Gesellschaft im Sinne des § 7 UWG auch im eigenen Namen mit Unterfassungsklage vorzugehen (in diesem Sinn bereits ÖBl. 1972, 152; ebenso - allerdings zu § 1330 Abs. 2 ABGB - SZ 21/170 = JBl. 1949, 162).

Da das Rekursgericht somit die Aktivlegitimation des Zweitklägers zu Unrecht verneint hat, mußte dem Revisionsrekurs Folge gegeben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes - mit der aus dem Rechtsmittelantrag ersichtlichen Einschränkung - auch hinsichtlich des Zweitklägers wiederhergestellt werden.

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