OGH 1Ob799/76

OGH1Ob799/763.4.1977

SZ 50/52

Normen

ABGB §1346
WechselG Art30
WechselG Art31
Wechselgesetz
ABGB §1346
WechselG Art30
WechselG Art31
Wechselgesetz

 

Spruch:

Ein Bürge, der einen Wechsel mitunterfertigt, haftet wechselrechtlich, auch wenn nach dem maßgeblichen schweizerischen Recht Formerfordernisse für eine Bürgschaft nach bürgerlichem Recht nicht eingehalten wurden

OGH 3. April 1977, 1 Ob 799/76 (OLG Linz 9 R 28/76; LG Salzburg 11 Cg 615/75)

Text

Die klagende Partei, eine Raiffeisenkasse, hat mit Wechselklage vom 18. November 1975 dem Gericht einen Wechsel vorgelegt, in welchem die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte - ein verheirateter schweizer Bürger - als Bezogene eingesetzt sind und als Annehmer gefertigt haben. Das Datum der Ausstellung war der 11. November 1975, der Verfallstag ebenfalls der 11. November 1975. Der Wechsel war von der klagenden Partei an die eigene Order ausgestellt, als Zahlstelle war die Anschrift der klagenden Partei angegeben.

Das Erstgericht erließ den Wechselzahlungsauftrag, der gegen die Erstbeklagte rechtskräftig geworden ist. Der Zweitbeklagte erhob rechtzeitig Einwendungen und führte darin im wesentlichen aus, daß die von ihm abgegebene Verpflichtungserklärung schweizerischem Recht unterliege, da die Erklärung im Flughafen Zürich-Kloten abgegeben worden sei. Es handle sich um eine Bürgschaftsverpflichtung, welche nach schweizerischem Recht - da einen Haftungsbetrag von mehr als 2000 sfr betreffend - der öffentlichen Beurkundung und außerdem - da er verheiratet sei - der vorgängigen oder gleichzeitigen schriftlichen Zustimmung der Ehegattin bedürft hätte. Der Ausnahmefall, daß der Bürge im Handelsregister eingetragen sei, liege nicht vor. Soweit aber die Bürgschaftserklärung durch die Wechselstrenge gedeckt sei, mache der Zweitbeklagte Irrtum und Täuschung geltend. Die klagende Partei habe nämlich die Unterschrift des Zweitbeklagten auf dem Wechsel dadurch erreicht, daß sie am 26. November 1974 den Geschäftsstellenleiter H im Flughafen Zürich-Kloten mit dem Zweitbeklagten zusammentreffen und diesem erklären ließ, für die bei ihr seitens der Erstbeklagten bestehenden Verbindlichkeiten bestunden andere Sicherheiten, so ein Bausparvertrag zwischen der Erstbeklagten und ihr sowie das Inventar und die Maschinen in der von der Erstbeklagten betriebenen Kanzlei. Der Geschäftsstellenleiter H habe die von ihm angestrebte Bürgschaftsverpflichtung des Zweitbeklagten als bloße Formsache hingestellt und in Aussicht gestellt, daß der Kredit noch durch eine von der Erstbeklagten abzuschließende Lebensversicherungspolizze abgesichert werden solle. Sinn dieser Ausführungen sei gewesen, daß der Zweitbeklagte das durch seine Verpflichtung eingegangene Risiko nicht erkenne. Diese Information sei falsch gewesen, ihre Unrichtigkeit dem Geschäftsstellenleiter H bewußt gewesen. Der Zweitbeklagte sei von H gedrängt worden, noch vor dessen Weiterreise am Flughafen Zürich-Kloten die Erklärung abzugeben. Der Zweitbeklagte habe daher anläßlich ihrer Abgabe keinen Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse besessen, womit H unter den von ihm herbeigeführten Umständen gerechnet habe, Irrtum und Täuschung, welche ihm widerfahren seien, habe der Zweitbeklagte mit Schreiben vom 10. September 1975, also innerhalb Jahresfrist, der klagenden Partei bekanntgegeben und damit die von ihm abgegebene Erklärung außer Kraft gesetzt.

Die klagende Partei hat die Aufrechterhaltung des Wechselzahlungsauftrages begehrt und sich ebenfalls auf eine "Wechselbürgschaft" bezogen, die der Zweitbeklagte eingegangen sei. Willensmängel lägen nicht vor. Mit Rücksicht darauf, daß der Wechsel von der Erstbeklagten in Salzburg akzeptiert worden sei,käme österreichisches Recht zur Anwendung.

Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag vom 20. November 1975, soweit er sich gegen den Zweitbeklagten richte, auf.

Angesichts der vom Standpunkt des Erstgerichtes allein und in den entscheidungswesentlichen Punkten außer Streit stehenden bzw. durch Urkunden bescheinigten Verhältnisse gelangte dieses zu folgender rechtlichen Beurteilung: Gemäß Art. 92 WG komme, da die Unterschrift des Zweitbeklagten in Zürich-Kloten am 26. November 1974 auf den Wechsel gesetzt worden sei, schweizerisches Recht zur Anwendung. Angesichts der Wechselstrenge sei die von den Streitteilen gleichlautend abgegebene Erklärung, daß es sich bei dem Skripturakt um eine wechselrechtliche Bürgschaftserklärung gehandelt habe, unbeachtlich, da nach dem eindeutigen Inhalt des Wechsels sowohl die Erstbeklagte als auch der Zweitbeklagte Bezogene seien. Daran ändere auch die - übrigens mit 22. November 1974 unstreitig falsch datierte - "Wechselverpflichtung" nichts, in deren zweitem Teil sich der Zweitbeklagte als Wechselbürge zur Wechselverpflichtung der Erstbeklagten bekannt und seine Haftung aus dem der Erstbeklagten gewährten Kredit eindeutig bekräftigt habe; auch diese Erklärung mache den Zweitbeklagten nicht - zum Wechselbürgen (Aval), dessen Skripturakt formfrei gewesen wäre. Hieraus ergebe sich jedoch der rechtliche Grund der Wechselannahme durch den Zweitbeklagten: Die "Grundschuld" gehe auf eine (normale) Bürgschaftsübernahme zurück und zwar infolge direkten Vertrages zwischen dem Zweitbeklagten und der klagenden Partei. Eine derartige Bürgschaftsübernahme sei ebenfalls nach schweizerischem Recht zu beurteilen. Die Frage, ob die Wechselverpflichtungserklärung der Form, welche für die Grundschuld gelte, folge, sei zu bejahen. Im österreichischen Recht sei dies völlig klar, bei den vergleichsweise jedoch noch weit strengeren Vorschriften des schweizerischen Rechts sei Analogie für das schweizerische Recht anzunehmen. Aber auch in der Schweiz sei Beachtung der Form Gültigkeitserfordernis. Andererseits sei es nicht ausgeschlossen, daß auf einem Wechselformular eine gewöhnliche Bürgschaft eingegangen werde. Aber auch in diesem Fall müsse die für die "gewöhnliche Bürgschaft" nötige Form bei sonstiger Ungültigkeit eingehalten werden.

Für die Wechselannahme wäre daher jene Form zu wählen gewesen, welche das schweizerische Obligationsrecht für "gewöhnliche" Bürgschaftserklärungen vorschreibe. Das sei die öffentliche Beurkundung gemäß § 493 Abs. 2 des schweizerischen Obligationenrechtes (da der Haftungsbetrag die Summe von 2000 sfr übersteige) und außerdem gemäß § 494 Abs. 1 OR die vorgängige oder gleichzeitige schriftliche Zustimmung der Ehegattin; Ausnahmen von der vorgenannten Regel gemäß § 494 Abs. 2 OR seien nicht behauptet worden. Das dem Wechsel zugrunde liegende Grundgeschäft leide somit unter dem Mangel eines Formerfordernisses, welcher die Einwendung des Zweitbeklagten, es liege kein gültiges Grundgeschäft vor, beachtlich mache.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Mit der Ratifikation der Genfer Wechselrechtsabkommen durch Österreich und die Schweiz hätten beide Staaten das einheitliche Wechselgesetz in Kraft gesetzt. Das materielle Wechselrecht beider Staaten sei, soweit es für die Lösung dieses Rechtsstreites Bedeutung habe, im Wortlaut des Gesetzes und in der Auslegung seines Inhaltes gleich. Die nach Art. 92 Abs. 1 WG zu lösende Frage, nach welchem Recht sich die Form der vom Zweitbeklagten abgegebenen Wechselerklärung bestimme, könne daher dahingestellt bleiben. Gemäß Art. 31 Abs. 1 WG (gleichlautend Art. 1021 Abs. 1 OR) werde die Bürgschaftserklärung auf den Wechsel oder auf einen Anhang gesetzt. Sie werde durch die Worte "als Bürge" oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie sei von dem Wechselbürgen zu unterschreiben (Art. 31 Abs. 2 WG, Art. 1021 Abs. 2 OR). Die bloße Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gelte als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handle (Art. 31 Abs. 3 WG, Art. 1021 Abs. 3 OR). Da der Zweitbeklagte im Wechsel als Bezogener verzeichnet sei, gelte seine Unterschrift unter dem vorgedruckten Wort "angenommen" als Annahme des Wechsels (Art. 25 Abs. 1 WG, Art. 1015 Abs. 1 OR), aber nicht als Bürgschaft. Eine Wechselbürgschaft komme nur durch eine hierauf gerichtete, den besonderen wechselrechtlichen Formen entsprechende Erklärung zustande. Eine mißlungene wechselmäßige Erklärung könne nicht durch außerhalb des Wechsels liegende Umstände berichtigt, ergänzt oder ersetzt werden. Der Inhalt der Wechselbürgschaft sei nur nach dem Skripturakt, nicht aber nach dem Willen der ursprünglich an der Ausstellung Beteiligter zu beurteilen. Dieser Grundsatz der Formstrenge jeder Wechselerklärung und im besonderen der Wechselbürgschaftserklärung gelte auch nach schweizerischem Recht. Sowohl nach österreichischem als auch nach schweizerischem Recht liege daher eine Wechselbürgschaft im Sinne des einheitlichen Wechselgesetzes nicht vor.

Der Zweitbeklagte, der aus dem Wechsel in Anspruch genommen werde, könne der klagenden Partei als Ausstellerin seine Einwendungen aus seinen unmittelbaren Beziehungen zu ihr entgegensetzen (Art.17 WG, Art. 1007 OR). Die Frage, nach welchem Recht diese Beziehungen aus dem Grundgeschäft zu beurteilen seien, sei nicht nach den wechselrechtlichen Kollisionsnormen zu entscheiden, sondern bestimme sich nach § 37 ABGB. Wenn Ausländer mit Inländern im Ausland Rechtsgeschäfte vornähmen, so seien sie nach den Gesetzen des Ortes, wo das Geschäft abgeschlossen worden sei, zu beurteilen, sofern bei der Abschließung nicht offenbar ein anderes Recht zugrunde gelegt worden sei. Aus dem Vorbringen der klagenden Partei, daß ursprünglich die Unterfertigung der Urkunden in Salzburg beabsichtigt gewesen sei, könne die Behauptung der offenbaren Zugrundelegung eines anderen Rechts als das des Abschlußortes nicht abgeleitet werden.

Die Gültigkeit der Bürgschaftserklärung des Zweitbeklagten richte sich daher nach schweizerischem Recht. Als Bürgschaftserklärung einer natürlichen Person bedürfe sie daher gemäß Art. 493 Abs. 2 OR der öffentlichen Beurkundung, die den am Ort ihrer Vornahme geltenden Vorschriften entspreche, da der Haftungsbetrag die Summe von 2000 Franken übersteige. Außerdem bedürfe sie, da der Zweitbeklagte im Zeitpunkt ihrer Abgabe verheiratet gewesen sei, zu ihrer Gültigkeit der dem einzelnen Fall vorgängig oder spätestens gleichzeitig abgegebenen schriftlichen Zustimmung des anderen Ehegatten (Art. 494 Abs. 1 OR). Das Vorliegen besonderer Voraussetzungen, unter denen diese Zustimmung nicht erforderlich sei (Art. 494 Abs. 2 OR), habe die Klägerin nicht dargetan.

Das durch das revidierte Bürgschaftsrecht (schweizerisches Bundesgesetz vom 10. Dezember 1944) eingeführte Gültigkeitserfordernis der Bürgschaft gelte dort nicht, wo die Bürgschaft Wechselbürgschaft im Sinne des Wechselgesetzes sei. Da jedoch, wie aufgezeigt, keine Wechselbürgschaft im technischen Sinn vorliege, habe es bei der Anwendung der - als Schutzvorschriften unabdingbaren - Vorschriften der Art. 493 Abs. 2 und 494 Abs. 1 OR zu bleiben.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist davon, daß dem Wechsel nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen eine Bürgschaftsverpflichtung des Zweitbeklagten zugrundeliegt, die jedoch nicht in der Form einer Wechselbürgschaft, sondern durch Leistung einer Unterschrift als Bezogener im Wege des Wechselakzeptes eingegangen worden ist. Eine derartige wechselmäßige Verpflichtung stellt eine Form der "verkleideten Bürgschaft" (vgl. Jakobi, Wechsel- und Scheckrecht, 673) dar. Dem Erstgericht ist darin zu folgen, daß auf diesen Sachverhalt schweizerisches Recht anzuwenden ist, weil die Unterschrift des Zweitbeklagten auf dem Flughafen Zürich-Kloten auf den Wechsel gesetzt worden ist. Im Verhältnis zwischen dem Akzeptanten (Zweitbeklagten), der aus dem Wechsel in Anspruch genommen wird, und dem ersten Wechselnehmer (klagende Partei) kann auf das Grundgeschäft zurückgegriffen werden (Art. 1007 OR). Der Zweitbeklagte kann daher grundsätzlich einwenden, daß der Inhalt des Grundgeschäftes eine Bürgschaft war und daß diese nach materiellem Recht ungültig ist. Dem kann aber die klagende Partei entgegenhalten, daß eine "verkleidete Wechselbürgschaft" im beschriebenen Sinn vorliegt, der Wirksamkeit zukomme.

Eine gültige Wechselverpflichtung wäre jedenfalls dann zu verneinen, wenn Art. 494 OR, der bei einer 2000 sfr übersteigenden gewöhnlichen Bürgschaft die Zustimmung des anderen Ehegatten für erforderlich erklärt, auch für eine Wechselbürgschaft gelten würde. Gerade dies hat aber das Schweizer Bundesgericht in der Entscheidung BGE 79 II, 79 ff. vom 3. März 1953 unter gleichzeitiger Darstellung der Entstehungsgeschichte der "Revision des ordentlichen Bürgschaftsrechtes" ausdrücklich verneint. Der Vorschriften über das (schweizerische) ordentliche Bürgschaftsrecht - so legt die zitierte Entscheidung des Schweizer Bundesgerichtes dar - fänden auf die Wechselbürgschaft keine Anwendung (Oser - Schönenberger, Kommentar zum Schweiz. ZGB OR, Art. 492 N 69). Bei der Wechselbürgschaft handle es sich nämlich nicht um eine bloß akzessorische Verpflichtung, wie dies bei der Bürgschaft nach Art. 492 ff. OR der Fall sei, sie stelle vielmehr eine selbständige Wechselverpflichtung dar. Damit habe auch die nach Art. 494 OR bei der gewöhnlichen Bürgschaft notwendige Zustimmung des anderen Ehegatten bei der Wechselbürgschaft zu entfallen. Dieses bei der Revision des Bürgschaftsrechtes eingeführte Erfordernis sei nicht auf die Wechselbürgschaft ausgedehnt worden. Zwar habe das einheitliche Wechselrecht des Genfer Abkommens vom 7. Juni 1930 die Bestimmung der Wechselfähigkeit, d. h. der persönlichen Fähigkeit, Wechselverbindlichkeiten einzugehen, den einzelnen Ländern überlassen (vgl. Hupka, Das einheitliche Wechselrecht der Genfer Verträge, 236 ff.). Unter diese spezifische Verpflichtungsfähigkeit falle auch die Eingehung einer Wechselbürgschaft, weil das Aval eine wechselmäßige Verpflichtung begrunde. Das einheitliche Wechselrecht hätte es somit gestattet, eine Beschränkung der Fähigkeit zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten vorzusehen in dem Sinne, daß hiefür die Zustimmung des anderen Ehegatten notwendig sei. Dies sei jedoch unterblieben und darüber habe auch bei der Revision des Bürgschaftsrechtes kein Zweifel bestanden. Der Vorschlag auf Einführung des Erfordernisses der Zustimmung des anderen Ehegatten sei von den Gegnern dieses Reformpunktes gerade mit dem Hinweis bekämpft worden, daß eine solche Lösung den angestrebten Zweck des Familienschutzes nicht erreichen, sondern lediglich eine Abwanderung von der (gewöhnlichen) Bürgschaft zur Unterzeichnung von Wechselverpflichtungen zur Folge haben werde, für die eine solche Zustimmung des anderen Ehegatten nicht erforderlich sei. Die Befürworter des Vorschlages hätten gleichfalls anerkannt, daß für die Wechselbürgschaft eine solche Zustimmung nicht erforderlich sei, hätten aber die Gefahr eines Ausweichens nach dieser Seite hin im Hinblick auf die allgemein bestehende Abneigung gegen Eingehung von Wechselverbindlichkeiten als gering eingeschätzt. Das im (schweizerischen) Bürgschaftsrecht aufgestellte Erfordernis der Zustimmung des anderen Ehegatten stelle seinem Wesen nach eine bestimmte Beschränkung der Handlungsfähigkeit verheirateter Personen dar (Oser - Schönenberger a. a. O., Vorbem. zu Art. 492 - 512 OR N 34). Derartige Beschränkungen dürften aber weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden. Daß der schweizerische Gesetzgeber ein generelles oder auf bestimmte Kategorien von Geschäften beschränktes Verbot der Eingehung von Wechselbürgschaften durch Verheiratete hätte aufstellen wollen, sei nicht zu ersehen. Aus den Gesetzesmaterialien (die in der wiedergegebenen Entscheidung zitiert werden) ergebe sich vielmehr das Gegenteil. Die Frage der Wechselbürgschaft sei wohl ausführlich diskutiert, aber eine Ausdehnung des Zustimmungserfordernisses von Art. 494 OR auf sie nicht in Betracht gezogen worden. Man habe sich lediglich darauf beschränkt, die Eingehung übereilter gewöhnlicher, obligationsrechtlicher Bürgschaften durch verheiratete Personen zu erschweren. Es sei daher nicht allgemein die Gültigkeit von Bürgschaften (Interzessionsgeschäften) Verheirateter von der Zustimmung des anderen Ehegatten abhängig gemacht, sondern dieses Erfordernis nur für den gewöhnlichen Bürgschaftsvertrag aufgestellt worden. Eine Erschwerung jeder Art von Interzessionen verheirateter Personen durch Ausdehnung der Formerschwerung insbesondere auch auf die Wechselbürgschaft sei bewußt unterblieben, und zwar im Interesse der uneingeschränkten Erhaltung eines im Handelsverkehr wichtigen, bei den Bankinstituten sehr verbreiteten Kredit- und Zahlungsmittels.

Den tragenden Gedanken und den rechtlichen Schlußfolgerungen des Schweizer Bundesgerichtes ist auch bei der Beurteilung der vorliegenden "verkleideten Wechselbürgschaft" Geltung zu verschaffen. Die Eingehung einer selbständigen Wechselverpflichtung geht über eine bloß akzessorische Bürgschaftsverpflichtung hinaus. Es sei auf Oser - Schönenberger a. a. O., N 69 verwiesen, wonach die Art. 492 ff. OR auf die Wechselbürgschaft selbst dann nicht Anwendung finden, wenn der Wechsel anstelle einer Bürgschaft zum Zwecke der Sicherung einer Verbindlichkeit verwendet wird ("in Wechsel verkleidete Bürgschaft").

Zu demselben Ergebnis gelangte auch die einen gleichgelagerten Fall behandelnde Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes, vom 4. April 1966, BGH II ZR 91/64, die den Rechtssatz enthält, daß dann, wenn eine Wechselverpflichtung zum Zwecke des Einstehens für die Schuld eines Dritten übernommen wird, lediglich eine Wechselerklärung, nicht aber eine Bürgschaft vorliege. Übrigens ist es auch in Österreich herrschende Rechtsansicht, daß die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über die Bürgschaft auf die Wechselbürgschaft grundsätzlich nicht anzuwenden sind (SZ 34/147 u. a.).

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß der vom Zweitbeklagten auf dem Flughafen Zürich-Kloten auf den klagsgegenständlichen Wechsel gesetzte Skripturakt eine "verkleidete Wechselbürgschaft"darstellt, deren Gültigkeit durch die Vorschriften der Art. 492 ff. OR nicht in Frage gestellt werden kann.

Da die Vorinstanzen - ausgehend von ihrer abweichenden Rechtsansicht - eine Erörterung der übrigen Einwendungen des Zweitbeklagten für entbehrlich hielten, leidet das Verfahren an einem Mangel der die Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und die Rückverweisung der Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht erheischt.

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