European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00507.77.0303.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Untergerichte werden, soweit sie den Erstbeklagten betreffen, dahin abgeändert, daß sie als Teilurteile zu lauten haben:
„Der Erstbeklagte ist schuldig, in die Einverleibung der Löschung des zu seinen Gunsten in EZ * KG * bei der seinerzeit im Eigentum der Klägerin gestandenen Liegenschaftshälfte auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Murau vom 7. 6. 1974, TZ 435/74, einverleibten Eigentumsrechtes einzuwilligen.
Der Erstbeklagte ist ferner schuldig, der Klägerin die mit 11.114,50 S (darin 823,-- S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 1.283,04 S (darin 95,04 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Der Erstbeklagte ist schließlich schuldig, der Klägerin auch die mit 2.099,52 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 155,52 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und ihre Schwester E* B* waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG *. Mit Kaufvertrag vom 13. 11. 1970 verkauften sie diese Liegenschaft je zur Hälfte an die beiden Beklagten um den Gesamtkaufpreis von 235.000,-- S. Hievon wären 35.000,-- S bis 15. 1. 1971 und der Rest ab Februar 1971 in monatlichen Raten von mindestens 5.000,-- S zu zahlen gewesen. Der Gesamtkaufpreis hätte aber längstens innerhalb von zwei Jahren beglichen werden müssen. Bis Dezember 1973 hatten die Käufer jedoch erst einen Teilbetrag von 166.000,-- S gezahlt. Die Klägerin erklärte daher zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem Erstbeklagten den Rücktritt vom Vertrag. Am 6. 6. 1974 erlegte der Erstbeklagte 88.284,-- S (Restkaufpreis zuzüglich einer vereinbarten Werterhöhung) bei dem Notar, der den Vertrag verfaßt hatte, und beauftragte diesen, auf Grund einer seinerzeit erteilten Vollmacht die bücherliche Durchführung des Kaufvertrages zu veranlassen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Murau vom 7. 6. 1974, TZ 435/74, wurde hierauf auf Grund des Kaufvertrages vom 13. 11. 1970 das Eigentumsrecht der beiden Beklagten je zur Hälfte ob der Liegenschaft verbüchert.
Unter Berufung auf ihre Rücktrittserklärung begehrt die Klägerin, die Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Löschung des zu ihren Gunsten einverleibten Hälfteeigentums einzuwilligen. Ferner stellt sie zwei Eventualbegehren, das eine auf Löschung des Eigentumsrechtes der Beklagten, das andere, diese zu verurteilen, in die Einverleibung ihres – der Klägerin –Eigentumsrechtes ob dem Hälfteanteil der Liegenschaft zu willigen. Bezüglich der Zweitbeklagten macht sie noch geltend, diese habe dem Rücktritt der Klägerin zugestimmt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren vollinhaltlich ab. Es verneinte in rechtlicher Hinsicht ein Rücktrittsrecht des Verkäufers, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um einen Kauf unter Kreditierung des Kaufpreises handelt.
Infolge Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Ersturteil bezüglich der Zweitbeklagten ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Bezüglich des Erstbeklagten bestätigte es das Ersturteil als Teilurteil. Es übernahm die oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes und trat im wesentlichen auch dessen rechtlicher Beurteilung bei. Die Bestimmung des § 918 Abs 1 ABGB sei zwar grundsätzlich auch auf Ratenvereinbarungen anzuwenden, doch beziehe sich dies nur auf den aus der Säumigkeit resultierenden Anspruch auf Erfüllung und Schadenersatz wegen Verspätung. Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 918 Abs 2 ABGB setze eine Teilbarkeit der beiderseitigen Leistungen voraus. Dies sei hier nicht der Fall. Aus diesem Grunde habe die Klägerin nach Leistung von Teilzahlungen nicht mehr vom Vertrag zurücktreten können.
Gegen dieses Teilurteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Klägerin begehrt die Abänderung der untergerichtlichen Urteile dahin, daß ihrem Hauptbegehren oder einem der Eventualbegehren stattgegeben werde.
Der Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht führt selbst richtig aus, daß § 918 Abs 2 ABGB nur für Sukzessivlieferungsverträge gilt. Von einem solchen kann hier keine Rede sein. Vielmehr hat die Klägerin den beiden Beklagten eine Liegenschaftshälfte verkauft, wogegen der Kaufpreis in Raten zu bezahlen war. § 918 Abs 1 ABGB ist auch anzuwenden, wenn ein Teil der Leistung bereits bewirkt worden ist, der Schuldner jedoch mit dem gesamten noch aushaftenden und bereits fälligen Rest in Verzug gerät (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 465 II Zif. 1). Daß ein teilweiser Vertragsrücktritt hier nicht in Frage kommt, liegt auf der Hand und wurde auch von den Untergerichten nicht verkannt.
Es trifft nun zu, daß der Verkäufer, welcher den Vertrag durch Übergabe des Kaufgegenstandes erfüllt hat, wegen Zahlungsverzugs des Käufers vom Vertrag nicht zurücktreten kann (SZ 39/88; SZ 36/95; SZ 3/123 ua). Da jedoch eine Liegenschaft gemäß § 431 ABGB erst durch die grundbücherliche Eintragung übergeben wird und nicht durch die faktische Besitzeinräumung, ist von der bücherlichen Durchführung eines Kaufvertrages über diese Liegenschaft ein Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Verzuges des Käufers im Sinne des § 918 Abs 1 ABGB möglich (SZ 45/112; EvBl 1966/443; MietSlg XIV/40 und insbesondere SZ 34/146 unter Ablehnung des gegenteiligen Standpunktes der SZ 3/123, sowie Bydlinski in Klang2 IV/2, 137 Anm 122).
Nach den getroffenen Feststellungen war der gesamte Kaufpreis bis längstens zwei Jahre nach Vertragsabschluß (sohin bis 13. 11. 1972) zu zahlen. Im Dezember 1973 – sohin mehr als ein Jahr nach Fälligkeit – war erst ein Betrag von 166.000,-- S gezahlt, so daß die Beklagte mit einem nicht unerheblichen Teil des Kaufpreises in Verzug geraten, war. Welcher Grund hiefür maßgebend war, ist unerheblich, weil das Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB keinen schuldhaften Verzug voraussetzt (RZ 1967, 103; RZ 1959. 121; SZ 22/6 ua) und der Eintritt der dort geregelten Verzugsfolgen auch nicht durch eine vom Schuldner nicht verschuldete Leistungsunmöglichkeit ausgeschlossen wird (Klang 2 IV/1, 453). Im Dezember 1973 stand die Liegenschaftshäfte noch im bücherlichen Eigentum der Klägerin, weshalb sie noch nicht übergeben und das Rücktrittsrecht der Klägerin noch nicht erloschen war. Der im Dezember 1973 von ihr ausgesprochene Rücktritt vom Kaufvertrag ist daher, entgegen der Rechtsansicht der Untergerichte, nicht von vorneherein unbeachtlich. Im Hinblick auf den objektiven Verzug der Käufer mit der Zahlung eines nicht unbeträchtlichen Teiles des Kaufpreises lag vielmehr die erste Voraussetzung des § 918 Abs 1 ABGB für den Rücktritt vom Vertrag vor.
Gemäß § 918 Abs 1 ABGB muß allerdings der Vertragsrücktritt unter Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung der Leistung erfolgen. Eine solche Fristsetzung hat die Klägerin unterlassen. Nach ständiger Judikatur braucht jedoch im allgemeinen die Frist nicht gesetzt, sondern nur gewährt zu werden (JBl 1974, 423, SZ 27/334; SZ 24/248 uva). Sie beginnt mit der Rücktrittserklärung (EvBl 1955/409 ua). Auch bei zu kurz bemessener Nachfrist ist die Leistung innerhalb angemessener Frist zu vollziehen (JBl 1962, 96; SZ 24/332). Die Nachfrist muß so ausreichend sein, daß die bereits vorbereitete Erfüllung beschleunigt und vollendet, nicht aber eine noch gar nicht in Angriff genommene Erfüllung bewirkt werden kann (HS 6333, 4295 u.a).
Geht man davon aus, daß im vorliegenden Fall die Nachfrist mit der Rücktrittserklärung im Dezember 1973 begonnen hat, so muß nach den aufgezeigten Grundsätzen eine angemessene Frist für die Zahlung des Restkaufpreises auf jeden Fall vor Juni 1974 abgelaufen gewesen sein. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß die Beklagten zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bereits über ein Jahr mit ungefähr einem Viertel des gesamten Kaufpreises (unter Außerachtlassung der Werterhöhung) in Verzug waren. Bei einem derart langen Verzug muß zumindest mit einem weitgehenden Abschluß der Vorbereitung der Leistung gerechnet werden. Bei dieser Sachlage konnten die Schuldner keinesfalls mehr die Gewährung einer Nachfrist von ungefähr einem halben Jahr erwarten. Vielmehr wäre auch schon eine wesentlich kürzere Frist angemessen. Zum Zeitpunkt der Zahlung des Restkaufpreises (6. 6. 1974) war daher der Kaufvertrag bereits aufgelöst, weshalb die Klägerin den nunmehr angebotenen Betrag nicht mehr annehmen mußte. Vielmehr konnte sie die Rückstellung ihrer Liegenschaftshälfte begehren. Der Erstbeklagte durfte unter diesen Umständen auf der grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrages nicht mehr bestehen. Die spätere Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erstbeklagten konnte an der bereits vorher erfolgten Vertragsauflösung nichts mehr ändern. Vielmehr kann die Klägerin die Beseitigung dieser Einverleibung verlangen.
Nicht aufgeworfen wurde die Frage, ob wegen des einheitlichen Kaufvertrages die Fällung eines Teilurteiles überhaupt zulässig war. Der Oberste Gerichtshof sieht keinen Anlaß, an der Zulässigkeit zu zweifeln. Ihr könnte nämlich nur eine allfällige einheitliche Streitgenossenschaft im Hinblick auf die Gestaltungsrechte bezüglich des Kaufvertrages entgegenstehen. Dies wäre nach § 14 ZPO der Fall, wenn die Wirkungen des zu fällenden Urteiles sich kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstrecken. Derartiges ist aber für Fälle, wie dem vorliegenden, als absolute Regel zu verneinen (Fasching II, 196). Auch die Lehre (Bydlinski in Klang2 IV/2, 512 in Anmerkung 434 und Gschnitzer in Klang2 IV/1, 280 ff.) steht auf dem Standpunkt, daß auch bei mehrgliedrige Schuldverhältnissen nicht in allen Fällen die Gestaltungsrechte von allen und gegen alle Teilnehmer geltendgemacht werden müssen. Jedenfalls ist nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes eine gesonderte Geltendmachung möglich, wenn alle Rechte und Pflichten und die Parteirolle auf der mehrgliedrigen Seite des Schuldverhältnisses vom Interesse aller Beteiligten aus teilbar sind. Ist aber eine derartige materiellrechtliche Voraussetzung gegeben, fehlt es prozessual an der nach § 14 ZPO geforderten Einheitlichkeit.
Im vorliegenden Fall ist eine Unteilbarkeit der Rechte und Pflichten der Beteiligten nicht in der Natur der Sache begründet. Sonstige Umstände, aus denen eine Unteilbarkeit der Rechte und Pflichten geschlossen werden könnte, hat das Verfahren nicht ergeben. Das Interesse der Klägerin an der Fällung des Teilurteiles ergibt sich daraus, daß die nunmehrige Erledigung ihrem Revisionsantrag entspricht. Welches Interesse ihrer Schwester durch das Teilurteil verletzt werden könnte, ist nicht ersichtlich, zumal diese zu 9 Cg 85/76 des Kreisgerichtes Leoben selbständig eine Durchsetzung ihres Gestaltungsrechtes unternommen hat. Bezüglich der Zweitbeklagten kann ein entgegenstehendes Interesse schon deshalb nicht angenommen werden, weil die sie betreffende Rechtslage, mit Ausnahme der behaupteten Zustimmung zur Auflösung des Kaufvertrages, derjenigen bezüglich des Erstbeklagten völlig gleich gelagert ist, sohin das Verfahren gegen sie zu keinem anderen Ergebnis führen kann. Demnach muß hier die Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteiles bezüglich des Erstbeklagten bejaht werden.
Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 26. 3. 1963, 8 Ob 81/63 und vom 30. 10. 1956, 7 Ob 523/56 (JBl 1957, 218) stehen dem nicht entgegen, weil sie Streitfälle zum Gegenstand hatten, in denen eine Teilung der Rechte und Pflichten aller Beteiligten schon aus der Natur der Sache, die dort Vertragsgegenstand war, ausgeschlossen schien.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO Bezüglich des Erstbeklagten ist mit diesem Teilurteil die Angelegenheit erledigt, weshalb ein Kostenvorbehalt nicht mehr in Frage kam. Für die untergerichtlichen Verfahren waren der Klägerin je die Hälfte ihrer Kosten zuzusprechen. Bezüglich des Revisionsverfahrens hat die Klägerin mit Recht Kosten nur auf der Basis des halben Streitwertes berechnet. Da am Revisionsverfahren auf Seiten der Beklagten nur der Erstbeklagte beteiligt war, mußten der Klägerin die gesamten verzeichneten Kosten zugesprochen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
