OGH 4Ob387/76

OGH4Ob387/768.2.1977

SZ 50/20

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
ZPO §406
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
ZPO §406

 

Spruch:

Auch bei Unterlassungsansprüchen - hier: nach § 14 UWG - ist gemäß § 406 ZPO grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz abzustellen

Darlegungs- und Beweispflicht des Beklagten, wenn es bei einer als irreführend beanstandeten Werbeankündigung dem außerhalb des Geschehensablaufes stehenden Kläger im Einzelfall mangels genauer Kenntnis der wesentlichen Tatumstände unmöglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während andererseits dem Beklagten die entsprechenden Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch ohne weiters zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben

Auch eine in Liquidation befindliche Personenhandelsgesellschaft bringt im Sinne des § 14 UWG "Waren oder Leistungen .... in den geschäftlichen Verkehr"

OGH 8. Feber 1977, 4 Ob 387/76 (OLG Wien 3 R 118/76; HG Wien 19 Cg 183/74)

Text

Die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist, betreibt ein Fernlehrinstitut mit dem Standort Wien 4, F-Gasse 3. Das von ihr zumindest bis

Ende 1973 an Interessenten versendete "Unterrichtsprogramm" enthält

auf S. 10 zwei Photographien, deren eine eine Schülerin mit einer

Kursunterlage zeigt, welche offenbar den Schnitt durch ein Herz

darstellt und auch einen Text enthält; auf dem zweiten Bild ist eine

Gruppe von Schülern zu sehen, denen ein Tierpräparat vorgezeigt

wird. Zwei andere Photographien finden sich auf S. 12 Die obere

zeigt den "Intensivunterricht im Sprachlabor", die untere "eine

Studiengruppe an der Arbeit im Experimentallabor". Zwischen diesen

Bilderseiten ist auf S. 11 u. a. nachstehender Text zu lesen: "Die

Wissensvermittlung erfolgt zuerst ....... durch Fernunterricht. In

einem zweiten Schritt wird jedoch - soweit und in dem Umfang, wie

das Lehrziel es erfordert - mit dem Fernunterricht mündlicher

Unterricht kombiniert. Dieser ergänzt all das, was auch der beste

Fernunterricht nicht bieten kann: Experimental- und Laborunterricht,

Anschauungsunterricht ..........". Eine weitere Photographie auf S.

59 des "Unterrichtsprogramms" zeigt eine Gruppe von Schülern, die

auf der Maschine schreiben; der dazugehörige Begleittext lautet -

korrespondierend zur Unterschrift des vorhergehenden Bildes: "Was

zunächst grundlich im Fernunterricht erklärt wurde (hier:

Maschinschreiben) ..........": "wird im mündlichen Unterricht zur

Perfektion gebracht: Lehrgangsgruppe beim Schnellschreibtraining".

Im Anschluß an das auf S. 104 ganz unten befindliche Impressum findet sich in ebenso kleinem Druck folgender Hinweis: "Die Photographien in diesem Programm sind im Unterrichtsbetrieb unserer Schulen Stuttgart und Zürich aufgenommen worden".

In ihrer am 23. Juli 1974 überreichten Klage begehren die Klägerinnen die Verurteilung der Beklagten, es ab sofort zu unterlassen, in Werbeschriften zu behaupten und durch Photographien darzustellen, daß die Erstbeklagte Experimentallabor-, Sprachlabor- und Anschauungsunterricht erteile und Maschinschreibtraining biete; sie beantragen überdies die Ermächtigung, den Spruch des Urteils binnen 3 Monaten nach Rechtskraft je einmal in den Tageszeitungen "Die Presse", "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" auf Kosten der Beklagten, für welche diese zur ungeteilten Hand haften, zu veröffentlichen. Beide Klägerinnen - so wird zur Begründung des Klagebegehrens ausgeführt - betrieben Fernlehrinstitute und unterrichteten Schüler aus ganz Österreich in der heute allseits anerkannten Methode des schriftlichen Fernunterrichtes in den verschiedensten Wissensgebieten; sie stunden mit der Erstbeklagten im Wettbewerb. Das von der Erstbeklagten im Jahre 1974 in großer Auflage versendete "Unterrichtsprogramm" enthalte Texte und Bilder, die zur Irreführung der beteiligten Verkehrskreise geeignet seien. Die Erstbeklagte vermittle hier den irrigen Eindruck, daß sie über entsprechende Anlagen und Räumlichkeiten verfüge, um den in den Bildern dargestellten Unterricht zu erteilen; tatsächlich sei dies aber nicht der Fall. Der angesprochene Durchschnittsinteressent, welcher dem am Ende der Broschüre unterhalb des Impressums angebrachten Hinweis keinerlei Beachtung schenken werde, müsse nach dem Inhalt des "Unterrichtsprogramms" annehmen, daß die Erstbeklagte in Österreich einen Unterricht in der Form, wie er auf S. 11 und 13 beschrieben ist, abhalte. Das entspreche aber nicht den Tatsachen, weil die Erstbeklagte weder die dazu notwendigen Einrichtungen habe noch einen solchen Unterricht in allenfalls ihr sonst zur Verfügung stehenden Räumen erteile. Das beanstandete "Unterrichtsprogramm" sei noch am 29. Jänner 1974 versendet worden.

Demgegenüber behaupten die Beklagten, daß die Erstklägerin zwar persönlich haftende Gesellschafterin der Zweitklägerin sei, selbst aber keinerlei geschäftliche Tätigkeit ausübe. Richtig sei, daß die Erstbeklagte an und für sich mit der Zweitklägerin in einem Wettbewerbsverhältnis stunde; die Zweitklägerin sei aber durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Walter S in das Liquidationsstadium getreten, so daß es ihr als nicht werbender Gesellschaft an einem Rechtsschutzinteresse fehle und sie auch mit der Erstbeklagten in keinem Wettbewerbsverhältnis mehr stehe. Das "Unterrichtsprogramm" sei bis 1973 versendet, im Laufe dieses Jahres aber durch die Broschüre "Das AKD Fernstudien-Programm" ersetzt worden, welche die beanstandeten Abbildungen nicht mehr enthalte. Auch das in Rede stehende "Unterrichtsprogramm" habe aber keine irreführenden Ankündigungen, Behauptungen oder Abbildungen enthalten: Es treffe zwar zu, daß es sich bei den auf S. 10, 12 und 59 abgebildeten Unterrichtsräumlichkeiten um solche einer Schwestergesellschaft der Erstbeklagten in Zürich handle; auf diesen Umstand sei aber auf S. 104 der beanstandeten Broschüre ausdrücklich hingewiesen worden. Eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise sei nicht zu befürchten, weil es nicht darauf ankomme, ob die Erstbeklagte einen bestimmten Unterricht einige Zeit hindurch wegen Fehlens von Interessenten nicht erteilt habe, sondern nur darauf, ob sie in der Lage sei, einem Interessenten einen solchen Unterricht zu erteilen. Das sei aber tatsächlich der Fall:

Den auf S. 10 und 59 abgebildeten Räumlichkeiten seien die Lehrsäle und Einrichtungen der Erstbeklagten in Wien 4, F-Gasse 3, zumindest gleichwertig. Zu diesen Schulräumen gehörten zwar weder ein Sprachnoch ein Experimentallabor, doch biete die Erstbeklagte ihren Fernschülern in Zusammenarbeit mit einem anderen, ihr nahestehenden Wiener Institut sowohl die Möglichkeit eines Intensivunterrichtes in einem Sprachlabor als auch die praktische Versuchstätigkeit in einem Experimentallabor. Beide Einrichtungen seien den abgebildeten Institutionen nicht nur technisch gleichwertig, sondern in mancher Hinsicht sogar überlegen. Daß sie sich nicht in den Räumlichkeiten der Erstbeklagten befänden, sei unbeachtlich, weil die Erstbeklagte derartiges nicht behauptet habe.

Die Klägerinnen hätten die beanstandete Druckschrift schon im Feber 1972 zum Gegenstand einer Exekutionsführung gemacht; seit damals sei ihnen also der Inhalt dieser Broschüre bekannt. Da die Erstbeklagte die Werbung mit dem "Unterrichtsprogramm" mit Ende 1973 eingestellt habe, sei der behauptete Wettbewerbsverstoß verjährt. Dem an Frau Anna W gerichteten Schreiben vom 29. Jänner 1974 sei nicht die alte Werbebroschüre, sondern bereits der neue Katalog beigelegen. Da die Erstbeklagte überdies gewußt habe, daß die Empfängerin dieser Sendung ein von den Klägerinnen bestellter Lockspitzel war, könne auch eine allfällige - vereinzelt gebliebene - Übersendung des "Unterrichtsprogramms" an sie nicht als Wettbewerbshandlung gewertet werden. Der Katalog sei ihr außerdem mit der Bekanntgabe übermittelt worden, daß er nicht mehr aktuell sei.

Dazu brachten die Klägerinnen noch ergänzend vor, daß der Konkurs über das Vermögen des Walter S in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile aufgehoben worden sei. Sein Kommanditanteil sei schon geraume Zeit vor der Konkurseröffnung in das Eigentum des B-Verlages übertragen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging dabei von folgenden Sachverhaltsfeststellungen aus:

Beide Klägerinnen betreiben eine Fernschule. Die Erstbeklagte hat noch am 29. Jänner 1974 das "Unterrichtsprogramm" versendet. Daß die Erstbeklagte in diesem Zeitpunkt gewußt hätte, daß die Empfängerin Anna W eine Beauftragte der Klägerinnen war, ist ebensowenig erwiesen wie eine Äußerung gegenüber Frau W, das "Unterrichtsprogramm" sei nicht mehr aktuell. Wann der Wechsel vom "Unterrichtsprogramm" zum "AKAD Fernstudien-Programm" erfolgte, ist nicht mehr feststellbar.

Die Erstbeklagte hat mit dem Institut für moderne Industrieführung der Vereinigung österreichischer Industrieller, Sprachinstitut (SPIDI) und der Albertus Magnus-Schule in Wien 18 (AMS) jeweils für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1975 - mit automatischer Verlängerung bei nicht rechtzeitiger Kündigung - vertraglich vereinbart, daß sie berechtigt ist, das Sprachlabor des SPIDI und das Chemie- bzw. Experimentallabor der AMS für ihre Geschäftszwecke zu benützen. Das erstgenannte Sprachlabor ist technisch so ausgestaltet wie das auf S. 12 des "Unterrichtsprogramms" abgebildete; das Aussehen eines Experimentallabors ändert sich naturgemäß mit der im Einzelfall gerade aufgebauten Versuchsanordnung. Die Erstbeklagte ist auch in der Lage, Anschauungsunterricht in Naturgeschichte durchzuführen. Sie läßt ihre Schüler im Rahmen von "Semesterprüfungen" Schnellschreibübungen auf der Maschine durchführen, wobei die Schüler teilweise ihre Schreibmaschinen von zu Hause mitbringen, teilweise von der Erstbeklagten Schreibmaschinen zur Verfügung gestellt erhalten.

Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß die Zweitklägerin auch dann zur Klage berechtigt wäre, wenn sie durch die Konkurseröffnung über das Vermögen ihres Kommanditisten Walter S in das Liquidationsstadium getreten wäre; auch die in Abwicklung befindliche Gesellschaft führe ihren Geschäftsbetrieb fort und könne auch neue Geschäfte eingehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Abwicklung der laufenden Geschäfte erforderlich sei. Die beiden Klägerinnen erblickten das wettbewerbswidrige Verhalten der Erstbeklagten darin, daß diese in Wort und Bild den irrigen Eindruck erwecke, sie verfüge über die entsprechenden Anlagen und Räumlichkeiten, um den in den Bildern dargestellten Unterricht zu erteilen. Da es infolgedessen nur darauf ankomme, ob die Erstbeklagte eine Unterrichtstätigkeit vortäusche, die auszuüben sie nicht in der Lage sei, seien Feststellungen darüber, ob die Erstbeklagte die abgebildeten Unterrichtsformen tatsächlich erteile, entbehrlich. Das Beweisverfahren habe ergeben, daß es der Erstbeklagten zumindest in dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz möglich gewesen sei, den in den beanstandeten Texten und Bildern dargestellten Unterricht durchzuführen. Ob sie dazu auch im Zeitpunkt der Versendung des "Unterrichtsprogramms" in der Lage gewesen sei, wäre nur dann von Bedeutung gewesen, wenn die Klägerinnen ihr Begehren auf Kostenersatz eingeschränkt hätten. Könne aber die Erstbeklagte den dargestellten Unterricht erteilen, dann seien die betreffenden Photographien nicht irreführend. Daß sie nicht bei der Erstbeklagten in Wien, sondern in Zürich aufgenommen wurden, sei ohne Bedeutung.

Die Berufung der Klägerinnen blieb erfolglos. Von den als unbedenklich übernommenen Feststellungen des Ersturteils ausgehend, billigte das Berufungsgericht auch die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch das Prozeßgericht. Dem beanstandeten Text des "Unterrichtsprogramms" sei nur zu entnehmen, daß mit dem Fernunterricht, soweit es das Lehrziel erfordere, mündlicher Unterricht in Form eines Experimentallabor-, Sprachlabor- und Anschauungsunterrichtes kombiniert werde; daß die Erstbeklagte bereits Schüler habe, deren Ausbildungsstand die Inanspruchnahme dieser mündlichen Unterrichtsmethoden erfordere, könne auch ein flüchtiger Durchschnittsleser der beanstandeten Broschüre nicht entnehmen. Die Erstbeklagte habe weder behauptet, daß sie bereits über Erfahrungen mit diesem mündlichen Unterricht verfüge, noch bei den angesprochenen Interessenten den Eindruck erweckt, daß der als Ergänzung zum Fernunterricht in Aussicht gestellte Labor- und Anschauungsunterricht bereits einem kleineren oder größeren Kreis von Schülern erteilt werde. Daß die Erstbeklagte aber die Möglichkeit, ihren Schülern nach Maßgabe des Kursfortschrittes den angekundigten Kombinationsunterricht tatsächlich zu verschaffen, bei Eintritt eines solchen Bedarfsfalles nicht gehabt hätte und bei ihrer Werbung davon hätte ausgehen müssen, daß sie diese in Aussicht gestellten Leistungen nicht werde erbringen können, hätten die Klägerinnen weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Ein Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG liege daher nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerinnen Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht hat die - von den Beklagten im Rechtsmittelverfahren nicht mehr relevierte - Frage der aktiven Klagelegitimation mit Recht bejaht: Nach den Feststellungen der Untergerichte betreiben beide Klägerinnen eine Fernschule; sie sind daher im Sinne des § 14 UWG Mitbewerber der Erstbeklagten. An diesem Wettbewerbsverhältnis würde sich hinsichtlich der zweitklagenden Kommanditgesellschaft auch dann nichts ändern, wenn diese Gesellschaft im Sinne der Behauptungen der Beklagten durch Konkurseröffnung über das Vermögen ihres Kommanditisten Walter S aufgelöst worden und damit in Liquidation getreten wäre. Ganz abgesehen davon nämlich, daß die Auflösung einer Personengesellschaft bis zu deren "Vollbeendigung" jederzeit durch einhelligen - allenfalls auch stillschweigenden - Gesellschafterbeschluß rückgängig gemacht und damit die ("werbende")

Gesellschaft fortgesetzt werden kann, (vgl. EvBl. 1970/205 = NZ

1971, 157 = HS 7145 mit zweiteren Hinweisen), hat auch die in Liquidation befindliche Gesellschaft, soweit dies zum Zweck einer geordneten Abwicklung geboten ist, ihre Geschäftstätigkeit vorerst weiterzuführen, wobei sie nicht nur die laufenden Geschäfte zu beenden hat, sondern zur Beendigung schwebender Geschäfte auch neue Geschäfte eingehen kann (§ 149 Satz 1, § 161 Abs. 2 HGB). Sie bringt daher auch noch in diesem Stadium "Waren oder Leistungen ........ in den geschäftlichen Verkehr" (§ 14 Satz 1 UWG). In der Sache selbst teilt der OGH die dem Urteil des Erstgerichtes zugrunde liegende Rechtsansicht, daß gemäß § 406 ZPO auch bei Unterlassungsansprüchen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz abgestellt werden muß:

Da solche Ansprüche dann als erfüllt anzusehen sind, wenn der rechtswidrige Zustand dauernd beseitigt oder den Umständen nach ein neuerliches Zuwiderhandeln vernünftigerweise nicht zu erwarten ist (JBl 1937, 139; EvBl. 1958/385), kann auch einem Unterlassungsbegehren nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nur dann stattgegeben werden, wenn sowohl der rechtswidrige Eingriff als auch die Wiederholungsgefahr in dem gemäß § 406 ZPO maßgebenden Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses noch gegeben sind (so auch Fasching III, 663 f. § 406 ZPO Anm. 6). Für die gegenteilige Auffassung der Klägerinnen ist weder aus den Ausführungen von Schuster - Bonnott in JBl. 1974, 169 ff. noch aus der Entscheidung SZ 24/168 etwas zu gewinnen. Die Unhaltbarkeit der in der Revision vertretenen Ansicht, daß der Beklagte auch dann zur Unterlassung einer (ursprünglich) unrichtigen und irreführenden Angabe verurteilt werden müsse, wenn diese Behauptung infolge einer während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetretenen Änderung der Verhältnisse im Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses nicht mehr als wahrheitswidrig und irreführend beanstandet werden könnte, ergibt sich schon daraus, daß dem Beklagten damit auch für die Zukunft der Gebrauch einer (nunmehr) den Tatsachen entsprechenden und gegen kein gesetzliches Verbot verstoßenden Werbebehauptung untersagt wäre. Daß damit, wie die Klägerinnen meinen, "dem Rechtsmißbrauch - vor allem im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes - Tür und Tor geöffnet" würde, weil "nichts leichter (sei), als eine unlautere Werbung zu betreiben und vor Schluß der Verhandlung erster Instanz die Wiederholungsgefahr zu beseitigen", ist unrichtig, weil es in allen Fällen der Beurteilung des Gerichtes überlassen bleibt, ob der dem Unterlassungsbegehren zugrunde liegende gesetzwidrige Zustand im konkreten Fall tatsächlich dauernd beseitigt und damit eine Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen ist.

Das Berufungsgericht hat zur Frage der Anwendbarkeit des § 406 ZPO auf Unterlassungsansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht Stellung genommen; es hat das Klagebegehren aus einem anderen Grund, und zwar deshalb abgewiesen, weil die beanstandete Werbung der Beklagten vom angesprochenen Durchschnittsinteressenten lediglich dahin verstanden werden könne, daß die für den Experimentallabor-, Sprachlabor- und Anschauungsunterricht erforderlichen Räumen und Einrichtungen nach Maßgabe des Kursfortschrittes der Fernschüler bereitgestellt werden könnten, sobald die Erreichung des Lehrzieles einen solchen Kombinationsunterricht notwendig machen würde; daß die Erstbeklagte diese Möglichkeit bei Eintreten des Bedarfsfalles nicht gehabt hätte und bereits im Zeitpunkt der Werbung die Unmöglichkeit eines solchen Kombinationsunterrichtes hätte voraussehen müssen, sei aber von den Klägerinnen nicht behauptet worden. Ob diese Auffassung richtig ist, braucht deshalb nicht geprüft zu werden, weil die Urteile der Untergerichte insoweit schon aus einem anderen, vom OGH im Rahmen seiner Verpflichtung zur allseitigen Prüfung der rechtlichen Beurteilung auch ohne ausdrückliche Rüge in der Revision wahrzunehmenden Grund rechtlich verfehlt sind:

Gleich dem Erstgericht, hat auch das Berufungsgericht bei der Entscheidung über das Unterlassungsbegehren der Klägerinnen allein darauf abgestellt, ob die Erstbeklagte über entsprechende Räumlichkeiten und Einrichtungen verfügte, um ihren Schülern den angekundigten Labor- und Anschauungsunterricht im Bedarfsfall - also bei Erreichen eines Ausbildungslandes, der den Einsatz dieser kombinierten Unterrichtsmethode geboten erscheinen läßt - bieten zu können. Die Klägerinnen haben aber das "Unterrichtsprogramm" nicht nur deshalb als irreführend beanstandet, weil die Erstbeklagte hier eine Unterrichtstätigkeit vortäusche, die auszuüben sie gar nicht in der Lage sei; sie haben vielmehr schon in der Klage ausdrücklich vorgebracht, daß der angesprochene Interessent beim Studium dieser Werbeschrift "zweifelsfrei zu dem Ergebnis gelangen müsse, daß die Erstbeklagte in Österreich einen Unterricht in der Form, wie er auf den S. 11 und 13 beschrieben ist, abhält"; tatsächlich habe aber die Erstbeklagte weder die Einrichtungen für eine derartige Unterrichtserteilung, "noch erteile sie einen solchen Unterricht in eventuell ihr sonst zur Verfügung stehenden Räumen". Auch das in der Verhandlungstagsatzung vom 17. April 1975 modifizierte Unterlassungsbegehren der Klägerinnen zielt ausdrücklich auf ein Verbot von Werbebehauptungen ab, wonach die Erstbeklagte den hier angeführten Unterricht (tatsächlich) erteilt bzw. das Maschinschreibtraining (tatsächlich) bietet. Bei dieser Sachlage durfte das Klagebegehren nicht schon deshalb abgewiesen werden, weil die Erstbeklagte - im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (Erstgericht) bzw. im Bedarfsfall (Berufungsgericht) - über die erforderlichen Räumlichkeiten, Anlagen und sonstigen Einrichtungen verfügte, um den in Wort und Bild dargestellten Gruppenunterricht erteilen zu können; die Klägerinnen müssen vielmehr mit ihrem Urteilsantrag auch dann durchdringen, wenn das "Unterrichtsprogramm" im Sinne ihrer Behauptungen (auch) dahin verstanden werden kann, daß die Erstbeklagte den hier angekundigten Unterricht tatsächlich bereits erteile, sofern diese Behauptung nicht den Tatsachen entspricht.

Die erstgenannte Voraussetzung trifft auf Grund des festgestellten Sachverhalts jedenfalls zu: Wer in einer Werbebroschüre, als deren Herausgeber die "A-Gesellschaft, F-Gasse 3, 1040 Wien" zeichnet, Photographien vorfindet, auf denen Gruppen von Schülern beim Naturkundeunterricht (S. 10), beim Unterricht im Sprach- oder Experimentallabor (S. 12) sowie beim Maschin-Schnellschreibtraining (S. 59) zu sehen sind, muß mangels einer entsprechenden Aufklärung zwangsläufig den Eindruck gewinnen, daß diese Lichtbilder den Unterrichtsbetrieb bei eben dieser Wiener A-Gesellschaft - und nicht in einer deutschen oder schweizerischen Schule - zeigen. Daß der am Ende der Broschüre auf S. 104 ganz unauffällig und im Kleinstdruck unterhalb des Impressums angebrachte Hinweis, die Photographien seien "im Unterrichtsbetrieb unserer Schulen Stuttgart und Zürich aufgenommen" worden, zur Klarstellung des Sachverhalts nicht ausreicht, bedarf keiner besonderen Begründung. Der unbefangene Leser des "Unterrichtsprogramms" muß also auf Grund der dem Werbetext beigegebenen Abbildungen den Eindruck gewinnen, daß die Erstbeklagte nicht nur in der Lage ist, den von ihr angekundigten mündlichen Gruppenunterricht (Experimental- und Laborunterricht, Anschauungsunterricht, Maschinschreibtraining) zu erteilen, sondern daß sie ihn, wie insbesondere aus den Photographien auf S. 10, 12 und 59 ersichtlich, im Rahmen ihres ordentlichen Lehrbetriebes auch tatsächlich bereits erteilt. Daß eine unrichtige Tatsachenbehauptung dieser Art aber auch geeignet ist, die Entschließung der an Fernunterrichtskursen interessierten Publikumskreise zugunsten der Erstbeklagten zu beeinflussen, liegt auf der Hand, weil diese Personen einem Institut, das eine entsprechend große Schüleranzahl aufzuweisen hat und bereits auf praktische Erfahrungen bei der Durchführung der hier angebotenen modernen Unterrichtsmethoden zurückblicken kann, jedenfalls den Vorzug gegenüber einer anderen Fernschule geben werden, die zwar vielleicht auch in der Lage wäre, einen solchen Unterricht zu erteilen, dazu aber mangels einer ausreichenden Zahl entsprechend fortgeschrittener Schüler bisher noch gar keine Gelegenheit hatte.

Bei dieser Sachlage hängt die Entscheidung über das Unterlassungsbegehren allein davon ab, ob die Erstbeklagte den in Rede stehenden mündlichen Gruppenunterricht (Experimentallabor-, Sprachlabor- und Anschauungsunterricht sowie Maschin-Schnellschreibtraining) gemäß ihrer Ankündigung - also nicht etwa in vereinzelten Fällen, sondern in einem den bildlichen Darstellungen in diesem "Unterrichtsprogramm" entsprechenden Ausmaß - tatsächlich schon erteilt. Die Klägerinnen haben eine solche Unterrichtstätigkeit der Erstbeklagten, wie bereits erwähnt, ausdrücklich bestritten. Ob die Beklagten mit ihrem Vorbringen, die Erstbeklagte "biete" ihren Fernschülern den "Intensivunterricht in einem Sprachlabor und auch die praktische Versuchstätigkeit in einem Experimentallabor" (ON 9 S. 26), das Gegenteil behaupten wollten, ist unklar. Da die Untergerichte, von ihrer abweichenden Rechtsansicht ausgehend, auf diese Frage überhaupt nicht eingegangen sind und dazu auch keinerlei Feststellungen getroffen haben, leiden ihre Urteile an einem Feststellungsmangel, der eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache verhindert und zur Aufhebung der untergerichtlichen Entscheidungen führen muß.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht im Rahmen seiner Verpflichtung zur materiellen Prozeßleitung (§ 182 ZPO) auf eine entsprechende Vervollständigung des Sach- und Beweisvorbringens der Parteien hinwirken müssen und dabei hinsichtlich der Beweislastverteilung folgendes zu beachten haben: Die neuere Rechtsprechung des OGH hat im Anschluß an Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht[11] I, I, 783 f. § 3 dUWG Anm. 78, schon mehrfach auf die Möglichkeit einer Verschiebung der Beweislast im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zur Darlegung der Richtigkeit seiner Behauptungen verwiesen, wenn bei einer nach § 2 UWG zu beurteilenden Alleinstellungswerbung im Einzelfall für den Kläger besondere Schwierigkeiten bestehen, die Unrichtigkeit der vom Beklagten in Anspruch genommenen Spitzenstellung nachzuweisen (EvBl. 1970/131 = ÖBl. 1970, 22; ÖBl. 1973, 53; ÖBl. 1975, 57 u. a., zuletzt etwa 4 Ob 367/74). Dieser Grundsatz - welcher freilich keine allgemeine Umkehr der Beweislast bei Verstößen gegen § 2 UWG bedeutet - muß über den Bereich der Alleinstellungswerbung hinaus ganz allgemein überall dort gelten, wo es bei einer als irreführend beanstandeten Werbebehauptung dem außerhalb des Geschehensablaufes stehenden Klägers im Einzelfall mangels genauer Kenntnis der entsprechenden Tatumstände unmöglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während andererseits dem Beklagten die entsprechenden Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben. Kommt der Beklagte der in solchen Fällen anzunehmenden Darlegungs- und Beweispflicht nicht nach, dann kann das Gericht von der Unrichtigkeit der beanstandeten Werbeangabe ausgehen (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 807 f. Anm. 118 f.; ebenso bereits 4 Ob 315/76). Diese Voraussetzungen werden auch im vorliegenden Fall bejaht werden können, weil gerade die Frage, wo und in welchem Umfang die Erstbeklagte den von ihr angebotenen mündlichen Gruppenunterricht tatsächlich erteilt, von den außenstehenden Klägerinnen nur schwer beantwortet werden kann, während es umgekehrt den Beklagten ohne weiteres möglich sein muß, konkrete Angaben über die Art und das Ausmaß ihrer Unterrichtstätigkeit zu machen und diese im Bestreitungsfall auch entsprechend nachzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte