OGH 1Ob3/77

OGH1Ob3/774.2.1977

SZ 50/18

Normen

ABGB §364 Abs1
JN §1
Wasserrechtsgesetz §3
Wasserrechtsgesetz §§8 ff
Wasserrechtsgesetz §10
Wasserrechtsgesetz §32 Abs1
Wasserrechtsgesetz §98
ABGB §364 Abs1
JN §1
Wasserrechtsgesetz §3
Wasserrechtsgesetz §§8 ff
Wasserrechtsgesetz §10
Wasserrechtsgesetz §32 Abs1
Wasserrechtsgesetz §98

 

Spruch:

Wird ein privatrechtlicher Anspruch auf Mitbenützung eines Privatgewässers geltend gemacht, sind zur Entscheidung hierüber die Gerichte auch dann berufen, wenn die Errichtung der Wasserbenützungsanlage der wasserrechtlichen Bewilligungbedarf

OGH 4. Feber 1977, 1 Ob 3/77 (KG St. Pölten R 35/76; BG St. Peter in der Au C 117/75 )

Text

Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 88 KG A, die Beklagten Eigentümer der Liegenschaft EZ 34 KG K, zu der die Grundstücke 1018 Garten, 1019 Wiese und 1027/3 Wiese gehören. Ing. Walter U und Johanna U sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 54 KG N; im Bereich der südlichen Grenze des zu dieser Liegenschaft gehörigen Grundstückes 623 befindet sich eine als Brunnen gefaßte Quelle, von welcher seit den Jahren 1964 oder 1965 eine Wasserleitung zum Haus der Beklagten in K Nr. 34 und zum Anwesen der Margarete F in K Nr. 35 führt. Diese Wasserleitung berührt insbesondere auch das zur Liegenschaft der Beklagten gehörende Grundstück 1018 Garten. Mit rechtskräftigem Bescheid der BH Amstetten vom 16. Juni 1969, IX-K- 58/7-1969, wurde den Beklagten und Margarete F gemäß §§ 10, 98, 111 WRG (nachträglich) die wasserrechtliche Bewilligung zur Erschließung des Grundwassers der Quelle auf dem Grundstück der Ehegatten U und zur Errichtung der Wasserversorgungsanlage zu den Anwesen K Nr. 34 und 35 erteilt. Zugleich wurde ein Brunnenschutzgebiet festgelegt und ausgesprochen, daß das Wasserbenützungsrecht im Sinne des § 22 Abs. 1 WRG mit den Liegenschaften K 34 und 35 verbunden ist. Am 2. April 1974 erließ das Amt der niederösterreichischen Landesregierung zu GZ III/1-927-WB 1973 einen Wasserbuchbescheid, wonach die genannte Wasserversorgungsanlage unter Postzahl 2268 in die Gewässermappe S-Bach des Verwaltungsbezirkes Amstetten einzutragen sei; in der Eintragung ist die Einlage detailliert beschrieben; u.

a. ist festgehalten, daß der tägliche Wasserbedarf der beiden berechtigten Anwesen 2750 Liter betrage.

Die Kläger behaupten, anläßlich der Planung der Wasserversorgung der Häuser der Beklagten und der Margarete F in den Jahren 1964/65 habe der Eigentümer der wasserspendenden Quelle Ing. Walter U erklärt, daß er nur dann Wasser aus der Quelle bergte, wenn auch seine beiden Halbbrüder, der Erstkläger und Josef U, Wasser zur Versorgung ihrer Liegenschaften beziehen könnten. Es sei vereinbart worden, daß die Kläger auf dem Grundstück 1018 Garten der Beklagten an die Wasserleitung anschließen und Wasser über die Grundstücke der Beklagten 1018, 1019 und 1027/3 zu ihrem Haus führen dürfen; damit sei den Klägern eine Dienstbarkeit eingeräumt worden. Die Wasserleitung sei daher auch mit einem solchen Rohrdurchmesser errichtet worden, daß die Kläger und Josef U Wasser beziehen könnten. Im Zuge des Wasserrechtsverfahrens hätten sich jedoch die Kläger und Josef U entschlossen, ihren Wasserleitungsanschluß zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen. Deshalb sei bei der Wasserrechtsverhandlung vereinbart worden, daß die Projekte der Kläger und des Josef U aufgeschoben und wasserrechtlich nicht behandelt werden. Als nun die Kläger ihr Projekt durchführen hätten wollen, seien sie von den Beklagten gehindert worden. Sie stellten das Klagebegehren, die Beklagten seien schuldig zu dulden, daß die Kläger zum Zwecke der Wasserversorgung ihrer Liegenschaft EZ 88 KG A ob dem Grundstück 1018 Garten der EZ 34 KG K an das dort bestehende Wasserleitungsrohr anschließen und sodann eine Wasserleitung bestehend aus einem Rohr von 5/4 Zoll Durchmesser über die Grundstücke 1018 Garten, 1019 Wiese und 1027/3 Wiese der EZ 34 KG K in einer Tiefe von ungefähr 80 cm legen. Die Beklagten wendeten insbesondere Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, da die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde gegeben sei; über den Anschluß an die bestehende Wasserleitungsanlage habe ausschließlich die Verwaltungsbehörde zu entscheiden.

Das Erstgericht gab der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges statt und wies die Klage zurück.

Die Entscheidung der Frage des Bestandes einer Wasserleitungsdienstbarkeit gehöre zwar in die Zuständigkeit der Gerichte, die nach dem Wasserrecht entstandenen und zu beurteilenden Wasserrechte fielen aber in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde, insbesondere auch die Beurteilung der Frage, ob und wieviel Wasser aus einem Gerinne entnommen werden dürfe. Das Begehren der Kläger gehe nicht auf Feststellung einer Wasserleitungsdienstbarkeit, sondern auf Duldung der Entnahme von Wasser. Es liege offenkundig ein nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 entstandenes Gerinne vor. Zur Erschließung oder Benutzung des Grundwassers und auch zur Änderung grundwassererschließender Anlagen bedürfe es der Bewilligung der Wasserrechtsbehörde. Damit sei aber für den vorliegenden Fall die Kompetenz der Wasserrechtsbehörde ausdrücklich normiert. Die bestehende Wasserversorgungsanlage sei an zwei Liegenschaften gebunden, so daß die Beklagten ohne Bewilligung der Wasserrechtsbehörde gar nicht berechtigt seien, einer Ausdehnung des Wasserbezuges auf dritte Personen zuzustimmen. Der von den Klägern begehrte Anschluß hätte auch einen Wassermehrbedarf zur Folge und wäre mit einem Eingriff in den Wasserhaushalt verbunden, dessen Zulässigkeit gleichfalls die Wasserrechtsbehörde zu beurteilen habe (§ 32 Abs. 1 WRG).

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen werde. Für die Zulässigkeit des Rechtsweges sei entscheidend, ob der Streitgegenstand nach privatrechtlichen oder nach öffentlichrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Dafür sei in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens, daneben aber auch die Natur des geltend gemachten Anspruches, wie sie sich aus dem Klagssachverhalt ergebe, maßgebend. Die Einwendung der Beklagten, die einen privatrechtlichen Anspruch mit einem ihnen zustehenden Anspruch öffentlichen Rechts abwehren wolle, begrunde nicht die Unzulässigkeit des Rechtsweges. Die Kläger stützten sich auf einen privatrechtlichen Vertrag; sie machten einen obligatorischen Anspruch auf Duldung eines vertraglich eingeräumten, inhaltlich einer Wasserrechtservitut im Sinne des § 497 ABGB entsprechenden Rechtes geltend. Die Entscheidung über diese bürgerliche Rechtssache sei auch nicht durch besondere Gesetze an andere Behörden oder Organe verwiesen, auch nicht durch das Wasserrechtsgesetz 1959, da es nicht um die Verleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung gehe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist, wie schon das Rekursgericht darlegte, in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend (SZ 46/82; SZ 45/117 und 139; EvBl. 1972/157 und 204; SZ 36/79 u. v. a.; Fasching I, 63). Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches. Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet (SZ 46/82; EvBl. 1972/204 u. a.). Dies gilt auch dann, wenn dem erhobenen Anspruch eine Einwendung, die sich auf einen öffentlich-rechtlichen Titel stützt, entgegengehalten wird; auch in diesem Fall ist das Klagebegehren bei Berechtigung der Einwendung sachlich mit Urteil abzuweisen, nicht aber wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen (SZ 47/40 und die dort zitierte zahlreiche Judikatur). Soweit nicht das Wasserrechtsgesetz anderes verfügt, sind für seine wasserrechtlichen Bestimmungen die Wasserrechtsbehörden und für seine anderen Bestimmungen die Gerichte bzw. die nach den einschlägigen Bestimmungen berufenen Behörden zuständig (vgl. Hartig - Grabmayr, Das österr. Wasserrecht, 287). Für die gerichtliche Zuständigkeit kommt es darauf an, daß der Kläger seinen Anspruch auf einen Privatrechtstitel stützt (SZ 46/82). Als Privatrechtstitel kommt insbesondere das Recht der Dienstbarkeit der Wasserleitung (§ 497 ABGB) oder des Wasserbezuges in Betracht; darüber, ob und in welchem Umfang ein solches Recht besteht, zu entscheiden ist allein Sache der Gerichte (SZ 46/82; SZ 36/79; EvBl. 1958/307 u. a.; Klang in Klang[2] II, 574). Die Kompetenz der Verwaltungsbehörde ist nur dann zu bejahen, wenn es sich um nach dem Wasserrechtsgesetz entstandene und zu beurteilende Wasserrechte handelt (SZ 36/79; SZ 13/216 u. a.). Die Wasserrechtsbehörde wäre etwa zuständig, wenn es um Wasserbezugsrechte ginge, die im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens nach den Vorschriften des Wasserrechtsgesetzes 1959 entstanden oder durch Vergleich (gütliche Übereinkunft) vor der Wasserrechtsbehörde begrundet worden waren, nicht aber dann, wenn es um das Bestehen eines vertraglich eingeräumten Rechts und die sich daraus ergebenden Konsequenzen geht (vgl. EvBl. 1976/93; SZ 36/79). Im vorliegenden Fall leiten, wie das Rekursgericht richtig hervorhebt, die Kläger ihren Anspruch aus einer privatrechtlichen Vereinbarung mit den Beklagten ab. Es geht darum, ob die Kläger berechtigt sind, aus einer Wasserversorgungsanlage, die über den Grund der Beklagten verläuft, Wasser für ihre Zwecke zu entnehmen. Nach § 3 Abs. 1 lit. a WRG sind das in einem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser (Grundwasser) und das aus einem Grundstück zutage quellende Wasser Privatgewässer, die, wenn nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen, dem Gründeigentümer gehören (§ 3 Abs. 1 lit. a WRG). gleiches gilt für das in Brunnen enthaltene und das in Kanälen, Röhren usw. für Verbrauchszwecke abgeleitete Wasser (§ 3 Abs. 1 lit. c WRG). Die Dispositionsbefugnis des Eigentümers ist allerdings keine unbegrenzte, wie sich schon aus § 364 Abs. 1 ABGB ergibt, wonach weder in Rechte eines Dritten eingegriffen werden darf noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden dürfen. Zu den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles zählen insbesondere auch die Vorschriften des Wasserrechtsgesetzes 1959, das vor allem in den §§ 8, 9, 10 und 15 auch wichtige Beschränkungen der Ausübung des Eigentumsrechtes an Privatgewässern enthält (Krzizek, Komm. zum Wasserrechtsgesetz, 24). Aus dem unbestrittenen Sachverhalt und dem Vorbringen der Kläger selbst ergibt sich, daß die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung der Wasserversorgungsanlage, an die die Kläger angeschlossen werden wollen, nur für die Anwesen K 34 und 35, nicht aber auch für die Kläger erteilt wurde. Es handelte sich hiebei, wie schon dem Inhalt des Bescheides der Wasserrechtsbehörde zu entnehmen ist, um eine Bewilligung nach § 10 Abs. 2 WRG, wonach insbesondere alle Wasserentnahmen, die in einem unangemessenen Verhältnis zum Grundbesitz stehen und einem anderen Zweck als zur Deckung des Haus- und Wirtschaftsbedarfes des Eigentümers dienen, einschließlich der Errichtung und Änderung der hiefür bestimmten Anlagen (Wasserbenützungsanlagen) einer wasserrechtlichen Bewilligung bedürfen (Krzizek a. a. O., 65). Das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren macht die Wasserbenützungsanlage aber entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses noch nicht zu einer nach dem Wasserrechtsgesetz entstandenen. Es gilt vielmehr immer noch der Grundsatz, daß das Grundwasser der tatsächlichen und rechtlichen Herrschaft des Eigentümers unterworfen ist, die nur durch Bedachtnahme auf öffentliche Interessen, auf eine zweckmäßige Wasserwirtschaft, wegen der zunehmenden Bedeutung des Grundwassers für die Wasserversorgung und wegen der durch eine uneingeschränkte Entnahme des Grundwassers möglichen Veränderungen des Grundwasserstandes ihre natürliche (Haager - Vanderhag, Komm. zum Wasserrechtsgesetz, 190) und durch das öffentlich-rechtliche Bewilligungsverfahren auch ihre gesetzliche Schranke findet. Wasserrechtsgesetz und ABGB schließen einander aber nicht aus (Haager - Vanderhag a. a. O., 191). Ob die Herstellung von Anlagen nach § 3 Abs. 1 lit. c WRG einer wasserrechtlichen oder sonstigen behördlichen Bewilligung bedarf, ist vielmehr für die Qualität als Privatgewässer ohne Bedeutung (Krzizek a. a. O., 27). Der Eigentümer der Quelle war daher berechtigt, die Beklagten zu verpflichten, das aus seiner Quelle abgeleitete Wasser auch den Klägern zur Verfügung zu stellen. Darüber, ob den Klägern daraus ein privatrechtlicher Anspruch erwachsen ist (und auch darüber, ob er allein den Beklagten gegenüber geltend gemacht werden darf), hat ausschließlich das Gericht zu erkennen. Die alleinige Beschränkung des Wasserrechtsgesetzes 1959, daß nämlich die Beurteilung der Frage, ob es sich um ein öffentliches oder ein privates Gewässer handelt, zum Teil der Wasserrechtsbehörde zusteht (§ 98 Abs. 2 WRG), kommt vorliegend nicht in Betracht. Gewiß werden die Kläger nur berechtigt sein, die von ihnen gewünschte Anlage zu errichten, wenn neben der allenfalls durch Urteil zu ersetzenden Zustimmung der Beklagten auf privatrechtlicher Basis auch noch eine Bewilligung der zuständigen Wasserrechtsbehörde vorliegt. Daß der begehrte Anspruch auch noch der wasserrechtsbehördlichen Bewilligung bedarf, ist jedoch nicht anders zu beurteilen wie das Ausstehen einer grundverkehrsbehördlichen, baubehördlichen, gewerbebehördlichen oder anderen verwaltungsbehördlichen Genehmigung in anderen Fällen, in denen die Verwirklichung eines privatrechtlichen Anspruches aus öffentlich-rechtlichen Rücksichten auch noch der Genehmigung durch eine Verwaltungsbehörde bedarf. Das schließt die Geltendmachung des Anspruches aus dem Privatrechtstitel vor den Gerichten aber nicht aus. Die Gerichte haben nur bei ihrer Entscheidung auch über die Einwendung der Beklagten, daß der Stattgebung des Klagebegehrens der Mangel einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung entgegenstehe, zu erkennen, es ist aber deswegen noch nicht der Rechtsweg ausgeschlossen. Das an sich richtige Vorbringen der Beklagten, daß die Errichtung der von den Klägern gewünschten Anlage auch noch der wasserrechtsbehördlichen Genehmigung bedürfe, betrifft also nicht die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges. Mit Recht verwarf daher das Rekursgericht die Einrede seiner Unzulässigkeit.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte