Normen
ABGB §37
ABGB §1395 Satz2
ABGB §37
ABGB §1395 Satz2
Spruch:
Bei mehrfacher Zession einer Forderung kann der Schuldner so lange mit befreiender Wirkung an den ihm zunächst bekanntgewordenen Übernehmer zahlen, als er von einer vorangegangenen Zession keine Kenntnis hat
OGH 11. Jänner 1977, 4 Ob 583/76 (OLG Linz 4 R 96/76; LG Linz 10 Cg 876/75)
Text
Die V-GmbH hatte der Beklagten im Sommer 1974 u. a. 2174 Paar PU-Sohlen geliefert und ihr dafür mit den Fakturen vom 30. August 1974 und vom 4. September 1974 einen Betrag von zusammen 83 774 S (ohne Mehrwertsteuer) in Rechnung gestellt. Beide Fakturen, welche bei der Beklagten am 2. September bzw. 6. September 1974 eingelangt waren, trugen den Vermerk: "Zahlbar innerhalb 8 Tagen mit 3% Skonto oder in 30 Tagen rein netto". Am 9. September 1974 teilte die A-Bank der Beklagten mit, daß ihr die V-GmbH u. a. auch ihre Forderungen gegen die Beklagte aus den genannten Fakturen zediert habe; Zahlungen auf diese Forderungen könnten daher mit schuldbefreiender Wirkung nur an sie geleistet werden. Beide Forderungen wurden von der Beklagten am 20. September 1974 an die A-Bank bezahlt.
Mit Schreiben vom 11. März 1975 teilte der Klagevertreter im Namen der K-GmbH und Co. (München) folgendes mit: Seine Mandantin habe auf Grund einer Vereinbarung vom 30. Mai 1973 der V-GmbH das von dieser verwendete "Elastopan-Schaumsystem" geliefert; dabei sei die Geltung des deutschen Rechtes festgelegt und in diesem Sinne der nach deutschem Recht mögliche "verlängerte Eigentumsvorbehalt durch Forderungszession der aus dem Verkauf von Waren in Höhe des Miteigentumsanteiles seiner Mandantin an diesen Waren" festgelegt worden. Dem Klagevertreter sei bekannt, daß die V-GmbH nach dieser "rechtsgültig vereinbarten Forderungszession" weitere Zessionen an Banken durchgeführt und die Beklagte auf Grund dieser Abtretungen Zahlungen an diese Banken geleistet habe. Da diese "nachrangigen Zessionen" nicht wirksam geworden seien, die Beklagte vielmehr an Nichtgläubiger gezahlt habe, verlange seine Mandantin den ihr auf Grund des verlängerten Eigentumsvorbehaltes zustehenden - auch die beiden Fakturen vom 30. August 1974 und vom 4. September 1974 im Gesamtbetrag von 83 774 S umfassenden - Nettoanteil von 85 538 S.
Die Beklagte hatte bis zu diesem Schreiben des Klagevertreters, welches am 13. März 1975 bei ihr einlangte, keine Kenntnis von der hier behaupteten Zession; sie hatte weder von der K-GmbH und Co. noch von der nunmehrigen Klägerin Verkaufsbedingungen erhalten, wie sie sich aus dem Angebot vom 30. Mai 1973 ergeben. Die Beklagte wußte nur, daß die V-GmbH ihre Forderungen an die A-Bank zediert hatte.
Punkt 8 der in einem "Angebot" der K-GmbH und Co. an die V-GmbH vom 30. Mai 1973 - enthaltenen "Allgemeinen Verkaufsbedingungen", auf welche der Klagevertreter in seinem Schreiben vom 11. März 1975 offenbar Bezug nimmt, lautet folgendermaßen:
"Eigentumsvorbehalt. Wir behalten uns das Eigentum an der gelieferten Ware vor, solange uns noch Forderungen aus der Geschäftsverbindung mit dem Käufer zustehen. Der Käufer ist bis auf Widerruf berechtigt, über die Ware im ordentlichen Geschäftsgang zu verfügen, Verpfändungen und Sicherheitsübereignungen sind unzulässig. Der Eigentumsvorbehalt erstreckt sich auch - ggf. bezogen auf einen Miteigentumsanteil gemäß §§ 947, 948 BGB - auf durch Verbindung, Vermischung, Verarbeitung und Umbildung der Vorbehaltsware entstehende Erzeugnisse, die der Käufer für uns verwahrt.
Alle Forderungen aus dem Verkauf von Waren, an denen uns Eigentumsrechte zustehen, tritt der Käufer schon jetzt - ggf. in Höhe unseres Miteigentumsanteils an der verkauften Ware - zur Sicherung an uns ab und leitet die entsprechend eingegangenen Geldbeträge im Rahmen seiner Verbindlichkeit an uns weiter. Er ist auf unser Verlangen jederzeit verpflichtet, Auskunft über Umfang und Höhe des Forderungsbestandes sowie der vereinnahmten Gelder zu erteilen.
Mit der Behauptung, daß die K-GmbH und Co. infolge einer Firmenänderung nunmehr den neuen Firmenwortlaut "E-GmbH und Co."
führe, verlangt die letztgenannte Gesellschaft von der Beklagten die Zahlung von 83 774 S samt Anhang. Im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Abtretung dieser Forderung an die A-Bank sei die Beklagte verpflichtet, den eingeklagten Betrag an die Klägerin zu zahlen; sie habe nur die Möglichkeit, von der A-Bank als Nichtgläubigerin die Refundierung dieses Betrages zu verlangen.
Die Beklagte lehnt eine nochmalige Zahlung der gegenständlichen Fakturenbeträge ab. Mangels Kenntnis der Vereinbarung zwischen der K-GmbH und Co. und der V-GmbH habe sie mit schuldbefreiender Wirkung an die A-Bank als Zessionarin der V-GmbH zahlen können. Die Beklagte könne gar nicht nachprüfen, ob die von der K-GmbH und Co. an die V-GmbH verkauften Rohstoffe tatsächlich ganz oder zum Teil für die der Beklagten gelieferten Schuhsohlen Verwendung gefunden hätten. Die vorliegende Klage sei offenbar ein Versuch der Klägerin, über die ihr im Ausgleich der V-GmbH zugekommene Quote von 40% hinaus eine Besserstellung gegenüber den anderen Gläubigern dieser Gesellschaft zu erreichen. Im übrigen werde auch bestritten, daß die Klägerin mit der K-GmbH und Co. identisch oder deren Rechtsnachfolgerin sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Von einer Vereinbarung über die Geltung deutschen Rechtes habe die Beklagte erst durch das Schreiben vom 11. März 1975 erfahren; den Fakturen vom 30. August und vom 4. September 1974 sei derartiges nicht zu entnehmen gewesen. Aus § 1395 ABGB ergebe sich, daß bei mehrfacher Zession einer Forderung diejenige Abtretung rechtswirksam sei, von welcher der Schuldner früher verständigt wurde. Das sei hier die Zession an die A-Bank gewesen, so daß der Zahlung der Beklagten an diese Bank schuldbefreiende Wirkung zugekommen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Auch wenn die Wirksamkeit der späteren Zession zu bezweifeln sei, weil der Gläubiger bereits durch die erste Zession einseitig und unwiderruflich über sein Forderungsrecht verfügt habe, müsse dennoch der gute Glaube des Schuldners, welcher im Zeitpunkt seiner Leistung an den späteren Zessionar die vorangegangene Forderungsabtretung nicht gekannt habe, geschützt werden. § 1395 Satz 2 ABGB, welcher einen solchen Schutz des Schuldners im Verhältnis zum Zedenten vorsehe, müsse nach dem Grundsatz von Treu und Glauben analog auch dann angewendet werden, wenn der Schuldner zwar nicht den ersten Gläubiger, wohl aber den ihm bekanntgewordenen Übernehmer befriedigt, solange ihm eine vorangegangene anderweitige Abtretung der Forderung unbekannt ist. Das Berufungsgericht teile daher die Auffassung, daß der Schuldner, der nur von der zweiten Abtretung verständigt wurde und im Vertrauen auf diesen Tatbestand gutgläubig an den späteren Übernehmer zahlt, seine Schuld damit genau so tilgt wie durch eine Zahlung an den Zedenten selbst. Ein solcher Schutz des gutgläubigen Schuldners sei übrigens sowohl im deutschen (§ 408 dBGB) als auch im schweizerischen Recht (Art. 167 schwOR) ausdrücklich vorgesehen. Die Beklagte habe sich also schon durch ihre Zahlung an die A-Bank von ihrer Schuld befreit, so daß auf alle anderen Fragen nicht mehr einzugehen sei. Da § 408 dBGB mit der hier vertretenen Rechtsmeinung übereinstimme, brauche auch nicht geprüft zu werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang deutsches Recht anzuwenden wäre.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Vorweg ist festzuhalten, daß die Frage, ob die Beklagte ihre Schuld gegenüber der V-GmbH im September 1974 mit befreiender Wirkung an die A-Bank zahlen konnte, jedenfalls nach österreichischem Recht zu beurteilen ist: Die von der Klägerin behauptete Vereinbarung über die Anwendung deutschen Rechts bezieht sich nach Punkt 11 Abs. 2 der "Allgemeinen Verkaufsbedingungen" nur auf die "Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien", also auf das Verhältnis zwischen der K-GmbH und Co. und der V-GmbH. Auch bei Annahme des Zustandekommens einer solchen Vereinbarung wären daher nur der Abschluß und die Rechtswirksamkeit der von der Klägerin behaupteten (Sicherungs-)Zession vom 30. Mai 1973 nach deutschem Recht - als dem Zessionsstatut - zu beurteilen, während für die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der V-GmbH und der Beklagten weiterhin das Forderungsstatus und damit österreichisches Recht maßgebend bliebe (vgl. Schwind, HdB des Österr. IPR, 315). Da die Abtretung einer Forderung grundsätzlich ohne Einfluß auf die Rechtslage der abgetretenen Forderung ist (EvBl. 1975/254) und insbesondere die Lage des Schuldners durch eine Zession der Forderung nicht verschlechtert werden darf, (Walker, IPR[5], 487; Raape, IPR[5], 506), ist auch die Frage, ob der Zahlung der Beklagten an die A-Bank als (weiteren) Zessionar der V-GmbH schuldbefreiende Wirkung zukommt, ausschließlich nach österreichischem Recht zu beurteilen (vgl. Walker a. a. O., 487 f.).
Selbst wenn man nun zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß die V-GmbH die ihr aus dem Verkauf von Vorbehaltsware künftig entstehenden Forderungen tatsächlich schon am 30. Mai 1973 in voraus rechtswirksam an die K-GmbH und Co. abgetreten hat - was zur Annahme der Unwirksamkeit einer nochmaligen Zession dieser Forderungen führen müßte -, ist damit für den Standpunkt der Klägerin nichts gewonnen, weil der Zahlung der Beklagten an die A-Bank auch in diesem Fall schuldbefreiende Wirkung zuerkannt werden müßte:
Gemäß § 1395 Satz 2 ABGB ist der Schuldner, solange ihm der Übernehmer nicht bekannt wird, berechtigt, dem ersten Gläubiger zu bezahlen oder sich sonst mit ihm abzufinden. Nach den Feststellungen der Untergerichte ist die von der Klägerin behauptete (Sicherungs-)Abtretung vom 30. Mai 1973 der Beklagten erst am 13. März 1975 aus dem Brief des Klagevertreters vom 11. März 1975 bekanntgeworden. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte daher im Sinne der zitierten Gesetzesstelle befugt, die ihr in den Fakturen vom 30. August und vom 4. September 1974 in Rechnung gestellten Beträge mit schuldbefreiender Wirkung an den "ersten Gläubiger", also die V-GmbH, zu zahlen. Die gleiche Wirkung wie eine Zahlung an den Zedenten selbst muß aber folgerichtig auch eine Zahlung an eine solche Person haben, die ihre Einziehungsbefugnis vom Zedenten ableitet und die Leistung mit seiner Zustimmung in Empfang nimmt. Zu diesen Personen, an welche der gutgläubige Schuldner demnach mit der gleichen schuldbefreienden Wirkung zahlen kann wie an den Zedenten selbst, gehören aber nicht nur Inkassobevollmächtigte oder sonst mit der Einziehung der Forderung beauftragte Personen; auch ein (weiterer) Zessionar derselben Forderung erlangt seine (scheinbare) Gläubigerstellung durch eine rechtsgeschäftliche Verfügung des Zedenten und tritt daher dem Schuldner gegenüber als (Einzel-)Rechtsnachfolger des ursprünglichen (ersten) Gläubigers auf, mit dessen Wissen und Willen er die Leistung fordert und gegebenenfalls auch in Empfang nimmt (vgl. Hasenöhrl, Das österr. Obligationenrecht[2] II, 201). Um bei mehrfacher Abtretung einer und derselben Forderung den gutgläubigen Schuldner vor einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen, bedarf es daher weder einer Heranziehung des § 430 ABGB (so GlU 7862 = GZ 1881, 416) noch der Berufung auf § 367 ABGB (so ZBl. 1932/202); schon eine sinngemäße Anwendung des § 1395 Satz 2 ABGB führt vielmehr im Sinne der obigen Rechtsausführungen zu dem Ergebnis, daß die Zahlung des Schuldners, welcher in Unkenntnis der ersten Abtretung an den ihm allein bekanntgewordenen zweiten Zessionar leistet, die gleiche schuldbefreiende Wirkung hat wie eine Zahlung an den Zedenten. Warum diese Rechtsfolge, wie Wolff (in Klang[2] VI, 316) meint, nur dann eintreten sollte, wenn der Zedent selbst den Schuldner von der Tatsache der (zweiten) Abtretung verständigt hat, ist nicht einzusehen; da es nach § 1395 Satz 2 ABGB allein auf die Unkenntnis des Schuldners von der (früheren) Zession ankommt, muß auch dann, wenn die Zessionsmitteilung, wie hier, vom späteren "Übernehmer" ausgeht, die Zahlung des gutgläubigen Schuldners an diesen "Rechtsnachfolger" des ursprünglichen Gläubigers zur Tilgung der Schuld führen.
In Übereinstimmung mit der älteren Lehre (Krasnopolski, Lehrbuch des österr. Privatrechts III, 270; Hasenöhrl a. a. O.; Mayr, Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes II/3, 113; Ehrenzweig[2] II/1, 264 f.) kommt daher auch der OGH zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß bei mehrfacher Zession einer Forderung der Schuldner so lange mit befreiender Wirkung an den ihm zuerst bekanntgewordenen Übernehmer zahlen kann, als er von einer vorangegangenen Zession keine Kenntnis hat. Die gegenteilige Auffassung Wolffs (a. a. O., 315 f.) ist aus den angeführten rechtlichen Erwägungen abzulehnen. Der Revision der Klägerin, welche sich ausschließlich auf die Ausführung letztgenannten Rechtslehrers stützt, mußte daher ein Erfolg versagt und das angefochtene Urteil bestätigt werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)