OGH 8Ob173/76

OGH8Ob173/767.12.1976

SZ 49/153

Normen

ABGB §1304
Luftverkehrsregeln §53 Z2
ABGB §1304
Luftverkehrsregeln §53 Z2

 

Spruch:

Zur Verschuldensaufteilung bei Flugzeugzusammenstößen. Die besondere Ausweichregel des § 53 Z. 2 LVR für Segelflugzeuge tritt an die Stelle der allgemeinen Regel des § 13 LVR; sie läßt jedoch die Verpflichtung zur Verhütung von Zusammenstößen nach § 12 Abs. 1 LVR unberührt

OGH 7. Dezember 1976, 8 Ob 173/76 (OLG Innsbruck 1 R 99/76; LG Innsbruck 25 Cg 768/75)

Text

Am 28. Juli 1970 gegen 14.35 Uhr ereignete sich im Hangaufwindgebiet der sogenannten "Schanzer Wände" des "Zahmen Kaisers" bei Kufstein dadurch ein Flugunfall, daß das Segelflugzeug der Klägerin und jenes der Erstbeklagten bei der Begegnung in Kollision gerieten. Während J P, der Pilot des Segelflugzeuges der Klägerin, mit seinem Segelflugzeug nach der Kollision landen konnte, stürzte der Zweitbeklagte mit dem von ihm gesteuerten Segelflugzeug der Erstbeklagten ab und wurde schwer verletzt. Beide Segelflugzeuge wurden beschädigt.

Die Klägerin begehrte von der Erstbeklagten als Flugzeughalterin und vom Zweitbeklagten als dessen Piloten, dem das Segelflugzeug zur Benützung überlassen worden war, den Ersatz ihres Unfallschadens in der unbestrittenen Höhe von 18 184.50 S: den Zweitbeklagten treffe das Alleinverschulden an dem Flugunfall, weil er weder im Besitze eines Segelflugzeugführerscheines, noch eines gültigen Lernausweises gewesen sei und sich beim Flug vorschriftswidrig verhalten habe.

Die Beklagten haben - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - eingewendet, daß dem Piloten des Segelflugzeuges der Klägerin, J P, das Alleinverschulden an dem Unfall anzulasten sei, weil er entgegen der Bestimmung des § 53 LVR dem Zweitbeklagten nicht nach rechts ausgewichen sei. Hilfsweise setzten sie dem Klagebegehren den Schaden der Erstbeklagten in der unbestrittenen Höhe von 56 000 S aufrechnungsweise entgegen.

Das Erstgericht erkannte - ausgehend von einer Verschuldensaufteilung im Verhältnis von 1: 2 zu Lasten der Klägerin - die Klagsforderung mit dem Teilbetrag von 6061.50 S als zu Recht bestehend (mit 12 123 S als nicht zu Recht bestehend), die Gegenforderung bis zu Höhe der festgestellten Klagsforderung als zu Recht bestehend und wies das Klagebegehren daher ab.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das Ersturteil insoweit ab, als es - ausgehend vom gleichteiligen Verschulden der Beteiligten - die Klagsforderung mit 9092.25 S als zu Recht bestehend und in gleicher Höhe als nicht zu Recht bestehend, die Gegenforderung der Erstbeklagten bis zur Höhe der festgestellten Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannte. Auf dieser Grundlage gelangte das Berufungsgericht im Ergebnis gleich dem Erstgericht zur Klagsabweisung.

Das Erstgericht hat zu der allein umstrittenen Frage des Verschuldens der Unfallsbeteiligten im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

J P war am 28. Juli 1970 als auswärtiger Clubangehöriger auf dem Segelflugplatz Kufstein Gastflieger. Er war vorher schon oft auf dem Fluggelände gewesen, kannte es gut und hatte vor dem Unfall schon etwa 80 Alleinflüge mit zirka 90 Flugstunden absolviert. Er besitzt seit dem Jahre 1966 den Segelflugschein für einsitzige Flugzeuge.

Auch am 20. Juli, 23. Juli und 24. Juli 1970 flog er in Kufstein mit Segelflugzeugen mehrere Stunden, nachdem er erneut eine Hangeinweisung durch einen Fluglehrer zu seiner Überprüfung erhalten hatte.

Der Zweitbeklagte betreibt seit dem Jahre 1966 den Flugsport, legte aber erst anfangs Juli 1970 die theoretische und praktische Segelfliegerprüfung in Deutschland ab. Der "Ausbildungsnachweis für den Erwerb der Erlaubnis für Segelflugführer, Klasse I", lautend auf den Zweitbeklagten und ausgestellt von der Erstbeklagten, stammt vom 12. Juli 1970. Schon vor Ablegung dieser Prüfung hatte der Zweitbeklagte insgesamt 40 Flugstunden absolviert und zwar in Örlinghausen und Schnathorst in der Nähe von Bielefeld, wobei es sich um ein hügeliges Gelände mit Bergen in der Höhe von zirka 400 m Seehöhe handelt. Nach Ablegung der theoretischen Prüfung und vor dem vorliegenden Unfall hatte der Zweitbeklagte noch einige weitere Flüge absolviert. Im Zeitpunkt des Unfalles war der Zweitbeklagte aber trotz bestandener theoretischer Prüfung noch nicht im Besitze des Deutschen Luftführerscheines, weil in Deutschland die Ausstellung eines solchen längere Zeit in Anspruch nimmt. Vor dem Start in Kufstein wurde dem Zweitbeklagten der Luftführerschein nicht abverlangt. Der Zweitbeklagte war Mitte Juli 1970 mit einer Gruppe seines Fliegerclubs, der Erstbeklagten, nach Kufstein zum Urlaubsaufenthalt gekommen, um unter Aufsicht eines Fluglehrers Segelflüge zu absolvieren. Es war dies sein erster Aufenthalt in Kufstein. Am 21. Juli 1970 machte N O, Mitglied der Klägerin, mit dem Zweitbeklagten einen 30minütigen Einweisungsflug. Am 22. Juli 1970 erhielt der Zweitbeklagte von seinem deutschen Fluglehrer K Sch. in der Zeit von 15.42 Uhr bis 16.23 Uhr einen Einweisungsflug. Am 24. Juli 1970 absolvierte der Zweitbeklagte von 13.42 Uhr bis 15.03 Uhr seinen ersten Alleinflug auf dem Kufsteiner Segelfluggelände. Die Überprüfung des Zweitbeklagten durch O und durch seinen Fluglehrer K Sch. zeigte zufriedenstellende Ergebnisse. Der Zweitbeklagte war bei diesen Einweisungen auch über die Hangflugordnung, insbesondere über die Bestimmung des § 53 der Luftverkehrsregeln 1967 (LVR) aufgeklärt worden, wonach bei der Begegnung zweier Segelflugzeuge am Hang jener Pilot seine Flugrichtung nach rechts zu ändern hat, der den Hang zur Linken hat; weiter, daß ein Segelflieger, der die Kenntnis der Position eines im selben Aufwindgebiet befindlichen Segelflugzeuges verliert, von welchem aber angenommen werden kann, daß es sich in unmittelbarer Nähe befindet, dieses Aufwindgebiet sofort und möglichst ohne plötzliche Richtungsänderung zu verlassen hat.

Am 28. Juli 1970 herrschte auf dem Segelflugplatz Kufstein reger Segelflugbetrieb. Es wurden sowohl Passagierflüge, als auch Flüge von auswärtigen Gruppenmitgliedern aus Schwaz, aus Deutschland und aus der Schweiz mit Segelflugzeugen der Klägerin durchgeführt. Als sich der gegenständliche Unfall ereignete, herrschte auf dem Segelfluggelände sehr gute Sicht, schwache Bewölkung (1/10 bedeckt, Cumulus) und Nordostwind, Stärke 1 Beaufort. In der Zeit von 13.35 Uhr bis 16.04 Uhr wurden am Segelflugplatz 16 Ab- und Anflüge registriert. Alle Flüge wurden am westlichen Teil des "Zahmen Kaisers" im Hangaufwindgebiet der "Schanzer Wände" durchgeführt, weil im östlichen Teil die Aufwindverhältnisse nicht ausreichend waren, um größere Höhen zu erreichen. Im Bereich, in dem sich dann der Flugunfall ereignete, betrug die mittlere Breite des nutzbaren Aufwindgürtels etwa 120 bis 150 m.

Kurz bevor es um 14.35 Uhr zum Zusammenstoß der beiden Segelflugzeuge kam, flog der Zweitbeklagte im Hangaufwindgebiet der "Schanzer Wände" südwestlich des sogenannten "Fuchskopfes" in einer Höhe von höchstens 700 m über Grund, ungefähr in Kammhöhe in nordwestlicher Richtung. Den Berghang hatte der Zweitbeklagte zu seiner Rechten. Die Seehöhe des Fuchskopfes, in dessen unmittelbarer Nähe sich der Zusammenstoß ereignete, beträgt 1197 m, während der Flugplatz zirka 500m hoch über dem Meere liegt.

Zur gleichen Zeit näherte sich aus der entgegengesetzen Richtung, fast in gleicher Position wie der Zweitbeklagte, J P mit dem der Klägerin gehörenden Segelflugzeug der Type K 8. Die von P und dem Zweitbeklagten gelenkten Segelflugzeuge hatten bei ihrer Annäherung eine Geschwindigkeit von zirka 70 km/h, somit eine Summengeschwindigkeit von 140 km/h. Für den Zweitbeklagten bestand Sichtmöglichkeit auf das Segelflugzeug des P aus einer Entfernung von zirka 1300 m. Der Zweitbeklagte war von der Hangkante, die er nicht überflog, mit seinem Segelflugzeug ungefähr drei Flugzeugspannweiten entfernt, somit etwa 50 m. Er erkannte das entgegenkommende Segelflugzeug des P aus einer Entfernung von zirka 300 m.

Schon zu diesem Zeitpunkt befand sich P in gleicher Höhe wie der Zweitbeklagte und auch in ungefähr gleicher Entfernung vom Hang. Der Zweitbeklagte nahm an, P werde nach rechts ausweichen, jedoch behielt dieser seinen Kurs bei und kam direkt auf den Zweitbeklagten zu. Erst kurz vor der Begegnung lenkte der Zweitbeklagte nach rechts zum Hang hin, was eine Schräglage der Tragflächen seines Flugzeuges bewirkte, wobei das linke Tragflächenende den höchsten Punkt einnahm. P hat das ihm entgegenkommende Segelflugzeug des Zweitbeklagten zu spätbemerkt, nämlich erst, als es knapp vor ihm war. Seine Reaktion war, sofort nach rechts abzukurven. Während er sein Segelflugzeug in steile Querlage brachte, wobei das linke Tragflächenende sich ebenso hob wie jenes des Segelflugzeuges des Zweitbeklagten, kam es zu einer Kollision der jeweils linken Tragflächenenden der beiden Segelflugzeuge. Nach dem Zusammenstoß gelang es P, dessen Flugzeug sich noch steuern ließ, sicher auf dem Kufsteiner Flugplatz zu landen. Bei seiner ersten Befragung durch die Gendarmerie gab P an, er sei von der Sonne geblendet worden. Niederschriftlich vor der Gendarmerie vernommen, bestritt er dies und erklärte, er habe das entgegenkommende Flugzeug einfach zu spät gesehen.

Der Zweitbeklagte geriet mit seinem Segelflugzeug nach dem Zusammenstoß in eine scharfe Linkskurve mit steiler Linksquerlage vom Hang weg. Sein Versuch, das Flugzeug wieder in horizontale Lage zu bringen, mißlang, weil das Querruder nicht mehr reagierte. Er betätigte hierauf das rechte Seitenruder und erreichte, daß die Drehbewegung nach links etwas langsamer wurde. Inzwischen war aber das Flugzeug schon in eine so starke Steillage nach unten geraten, daß es der Zweitbeklagte nicht mehr abfangen konnte. Etwa 150 m unterhalb des Kammes schlug das Segelflugzeug in waldigem und felsigem Gelände unterhalb des Fuchskopfes auf. Bei diesem Absturz erlitt der Zweitbeklagte einen offenen Knöchelbruch links. Er wurde in den Trümmern des Flugzeuges eingeklemmt und konnte sich nicht mehr selbst aus dem Führersitz befreien. Er wurde erst einige Stunden später durch eine Rettungsmannschaft geborgen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Zivilluftfahrt vom 15. Mai 1968, Zl. 1237/3/1-68, wurde dem Verein "Kufsteiner Segelfliegerclub" gemäß § 42 des Luftfahrtgesetzes die Bewilligung zur Ausbildung von Segelfliegern am Flugfeld Kufstein zwecks Erlangung folgender Berechtigungen erteilt:

1. Grundberechtigung für Segelflieger;

2. Berechtigung, zweisitzige und mehrsitzige, zweisitzig geflogene Segelflugzeuge im Fluge zu führen;

3. Kunstflugberechtigung für Segelflieger;

4. die Ausbildung ist mittels bzw. zur Erlangung der Startart, Windenschleppstart zulässig.

Für die Durchführung des Ausbildungsbetriebes wurden folgende Auflagen erteilt:

1. Es dürfen nur Vereinsangehörige geschult werden;

2. Die Ausbildung darf nur unter der Leitung und in Anwesenheit eines Segelfluglehrers durchgeführt werden, der zur Schulung in der jeweiligen Ausbildungsart berechtigt ist;

3. zur Ausbildung dürfen nur solche Segelflugzeuge verwendet werden, die für die jeweilige Verwendungsart durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt zugelassen sind;

4. an den Segelflugzeugen ist von einem Segelfluglehrer täglich vor Beginn des Schulbetriebes eine Prüfung der Funktion der Steuerorgane, eine Fremdkörperüberprüfung und eine Sichtüberprüfung betreffend sonstige Mängel vorzunehmen. Das Prüfungsergebnis ist schriftlich festzuhalten und bis zur nächsten Überprüfung aufzubewahren;

5. als Flugschüler dürfen nur solche Personen ausgebildet werden, die einen gültigen Flugschülerausweis oder einen gültigen Zivilluftfahrerschein besitzen.

Ein deutscher Lernausweis ist in Österreich nicht gültig, da laut § 51 des Luftfahrtgesetzes Personen, die sich im Inland der Ausbildung zum Zivilluftfahrer unterziehen wollen, für die praktische Ausbildung an Bord eines Luftfahrzeuges im Fluge einer Erlaubnis des Bundesamtes für Zivilluftfahrt bedürfen. Ein deutscher Segelfluglehrer ist nicht berechtigt, einen deutschen Staatsangehörigen mit deutschem Lernausweis auf dem Flugplatz Kufstein zu schulen. Auf dem Segelfluggelände in Kufstein dürfen Flugschüler eine maximale Flughöhe von 600 m über Grund nicht überschreiten.

Eine Fehlbedienung des Zweitbeklagten nach dem Zusammenstoß der beiden Segelflugzeuge ist nicht erwiesen.

Das Fluggelände in Örlinghausen, wo der Zweitbeklagte vor dem Unfall Übungsflüge unternommen hat, weist weniger hohe Geländeerhebungen auf, als es in Kufstein der Fall ist. Piloten, die in Örlinghausen Segelflugzeuge benützen, können praktisch bis dicht an die Hügelketten und Kammhänge fliegen, ohne Angstgefühle zu bekommen. Ganz anders verhält es sich diesbezüglich in Kufstein entlang der "Schanzer Wände". Das Fliegen entlang der Felswand ist beängstigender und es treten in Kufstein auch stärkere Aufwinde und Turbulenzen auf als in Örlinghausen. 40 Flugstunden auf dem Fluggelände in Örlinghausen sind nicht ausreichend, um für einen Piloten, der erstmalig in Kufstein entlang der "Schanzer Wände", noch dazu bei regem Flugverkehr fliegt, die erforderliche Flugerfahrung zu verschaffen. Noch bei einer Entfernung von 200 m vom entgegenkommenden Segelflugzeug wäre es dem Zweitbeklagten bei Erkennen der unveränderten Flugrichtung des P möglich gewesen, nach links auszuscheren und so auf den eigenen Vorrang zu verzichten. Freilich wäre dieses Manöver riskant gewesen. Nach oben oder nach unten hin auszuweichen, würde gegen jede Flugregel verstoßen.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht im wesentlichen aus:

Gesetzliche Grundlage für das Flugverhalten der beiden unfallsbeteiligten Piloten bilden die Luftverkehrsregeln 1967, BGBl. 56/1967 (LVR). Unter Anwendung dieser Bestimmungen, insbesondere ihrer §§ 12, 13 und 53 auf den festgestellten Sachverhalt, bejahte das Erstgericht ein Verschulden des Piloten J P. Da letzterer den Hang zur Linken gehabt habe, sei er gemäß § 53 LVR 1967 ausweichpflichtig gewesen. Gegen diese Vorschrift habe er durch Unterlassen der rechtzeitigen Rechtslenkung verstoßen. Aber auch der Zweitbeklagte habe schuldhaft zum Unfallsgeschehen beigetragen, weil er ohne entsprechende Flugerfahrung und ohne die erforderliche Flugberechtigung mit seinem Segelflugzeug auf eine Höhe von mehr als 600 m über Grund aufgestiegen sei und bei rechtzeitig erkennbarem Fehlverhalten des Piloten des entgegenfliegenden Segelflugzeuges zu spät Abwehrmaßnahmen getroffen habe. Der Unfall wäre unterblieben, wenn der Zweitbeklagte über eine entsprechende Flugerfahrung verfügt hätte. Der Zweitbeklagte hätte auch noch näher an den Hang heranfliegen können. Auf dieser Grundlage gelangte das Erstgericht zu einer Verschuldensaufteilung im Verhältnis von 1: 2 zu Lasten der Klägerin.

Das Berufungsgericht übernahm die erstrichterlichen Feststellungen als Ergebnis richtiger Beweiswürdigung zur Gänze. Es billigte die Beurteilung der den Unfallsbeteiligten vom Erstgericht zur Last gelegten Verschuldensmomente, erachtete jedoch bei Abwägung des beiderseitigen Fehlverhaltens die Annahme eines gleichteiligen Verschuldens als gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Seiten erhobenen Revisionen keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen in den Rechtsmittelschriften geben Anlaß, einleitend festzuhalten, daß die Revisionen zulässig sind. Wenn auch beide Vorinstanzen im Ergebnis zur Abweisung des Klagebegehrens gelangen, so kann im vorliegenden Fall doch nicht von einer bestätigenden Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinne des § 502 Abs. 3 ZPO gesprochen werden. Daß in Wahrheit nicht eine bestätigende, sondern eine teilweise abändernde Entscheidung des Berufungsgerichtes vorliegt, zeigt sich schon darin, daß nach der Entscheidung des Berufungsgerichtes die Klagsforderung mit einem größeren Teilbetrag als zu Recht bestehend erkannt und ein größerer Teil der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung zur Tilgung der Klagsforderung herangezogen wurde, als dies nach dem Ersturteil der Fall war. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs. 3 ZPO kommt daher nicht zum Tragen (RZ 1970, 168; 8 Ob 11/71; 8 Ob 258/75; 2 Ob 41/76 u. v. a.).

Zur Revision der Klägerin ist zunächst zu bemerken, daß "unrichtige Beweiswürdigung" keinen im Revisionsverfahren geltend zu machenden Anfechtungsgrund darstellt. Insoweit die Ausführungen in diesem Belange Rechtsfragen betreffen, sind sie als Ergänzung der Rechtsrüge zu beurteilen.

Die Rechtsansicht der Klägerin, daß das Verhalten der Unfallsbeteiligten nicht nach § 53 LVR, sondern nur nach den §§ 12 und 13 LVR zu beurteilen sei, ist unzutreffend. Daß die Kollisionsstelle der beiden Flugzeuge und ihr Annäherungsweg im Unfallsbereich in einem Hangaufwindgebiet (Halbmayer - Wiesenwasser, Das österreichische Luftfahrtrecht, Anm. 1 zu § 52 LVR) liegt, ist nach den Feststellungen unzweifelhaft, da die mittlere Breite des nutzbaren Aufwindgürtels etwa 120 bis 150 m betrug und der Zweitbeklagte bis zum Zusammenstoß in einer Entfernung von zirka 50 m vom Hang der "Schanzer-Wände" flog. § 53 LVR trifft, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, besondere Ausweichregeln für Segelflugzeuge. Nach der von den Vorinstanzen mit Recht herangezogenen Z. 2 dieser Bestimmung hat dann, wenn sich in einem Hangaufwindgebiet Segelflugzeuge in entgegengesetzter oder ungefähr entgegengesetzter Richtung einander nähern, derjenige Pilot seine Flugrichtung nach rechts zu ändern, der den Hang zur Linken hat. Aus dem Verhältnis dieser Sondervorschrift zur allgemeinen Regel des § 13 LVR ist zu entnehmen, daß bei Anwendbarkeit des § 53 Z. 2 diese Vorschrift an die Stelle der allgemeinen Vorrangregel des § 13 tritt (Halbmayer - Wiesenwasser, 208 Anm. 1 zu § 53). Entgegen den Revisionsausführungen ist dieser Bestimmung eine Einschränkung auf einen bestimmten Meterabstand vom Hang nicht entnehmbar.

Vielmehr gilt, wie das Berufungsgericht mit Recht hervorgehoben hat, mangels einer solchen Einschränkung nach dem Wortsinn dieser Bestimmung diese Vorrangregel für das gesamte Hangaufwindgebiet. Da der Zweitbeklagte nach den Feststellungen in einer Entfernung von zirka 50 m, also jedenfalls innerhalb des 120 bis 150 m breiten Aufwindgürtels flog, so kam ihm, wie die Vorinstanzen richtig dargelegt haben, die Sonderregelung des § 53 LVR zugute, während J P nach dieser Regel verpflichtet war, dem Zweitbeklagten nach rechts auszuweichen. Der Hinweis der Revision auf allfällige Sichterschwernisse durch Gegenlicht vermag diesen nicht zu entschuldigen, weil der Ausweichpflichtige in erster Linie Sichtbehinderungen in Betracht zu ziehen hat. Auch die weitwendigen Ausführungen der Revision der Klägerin über die der gegenseitigen Annäherungsgeschwindigkeit und Sichtstrecke entsprechende Zeit für eine Rechtsauslenkung belasten in erster Linie den Piloten der Klägerin selbst, da dieser, wie oben dargelegt, jedenfalls rechts auslenken mußte. Zutreffend haben die Vorinstanzen diesem daher die Verletzung des § 53 LVR als schwerwiegenden Verstoß angelastet.

Entgegen den Revisionsausführungen der Beklagten ist aber auch dem Zweitbeklagten die Unterlassung der Rechtslenkung insoweit anzulasten, als er diese trotz Erkennbarkeit des der Bestimmung des § 53 LVR widersprechenden Verhaltens des J P nicht rechtzeitig vornahm. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Belang ausgeführt, daß der Zweitbeklagte wohl nicht nach der - in diesem Umfang durch § 53 LVR verdrängten - Bestimmung des § 13 LVR verpflichtet war, beim Entgegenkommen des Flugzeuges des J P nach Möglichkeit rechts auszuweichen, wohl aber nach der der Vermeidung von Zusammenstößen dienenden Vorschrift des § 12 Abs. 1 LVR, und dargelegt, es könne keinem Zweifel unterliegen, daß der Zweitbeklagte ab der Erkennbarkeit des Fehlverhaltens des Piloten J P die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung gehabt hätte, durch Ausweichen der Gefahr einer Kollision zwischen den beiden auf Gegenkurs befindlichen Segelflugzeugen entgegenzuwirken. Nahm aber der Zweitbeklagte die mögliche und zumutbare Rechtslenkung erst so spät vor, daß es dabei zu einer Berührung der Tragflächen kam, dann kann von einer rechtzeitigen Abwehrmaßnahme im Sinne des § 12 Abs. 1 LVR nicht gesprochen werden. Die verspätete Rechtslenkung ist daher dem Zweitbeklagten auch ohne die von der Revision vermißte Meterangabe, um die eine frühere Rechtslenkung hätte erfolgen müssen - als Mitverschulden anzulasten. Daß den Zweitbeklagten darüber hinaus ein unfallskausales Mitverschulden trifft, weil er in unerlaubter Weise ohne entsprechende Flugerfahrung und ohne die erforderliche Flugberechtigung in eine Höhe von 600 m über Grund aufgestiegen ist, räumt die Revision der Beklagten selbst ein.

Unter diesen Umständen kann in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensaufteilung ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden.

Beiden Revisionen war daher ein Erfolg zu versagen.

Da das Berufungsgericht entsprechend der vom OGH gebilligten Schadensteilung über die Klagsforderung und die Gegenforderung in den Entscheidungsgründen in der oben festgestellten Weise entschieden hat, hat der OGH dessen Spruch im Sinne des § 545 Abs. 3 Geo. verdeutlicht (vgl. EvBl. 1961/306; 1 Ob 314/75 u. a.).

Da beide Revisionen erfolglos blieben, hatten die Rechtsmittelwerber deren Kosten selbst zu tragen. Hinsichtlich der Revisionsbeantwortungen war nach § 43 Abs. 1 ZPO auf den überwiegenden Abwehrerfolg der Beklagten Bedacht zu nehmen.

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