OGH 3Ob286/75

OGH3Ob286/759.3.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reithofer, Dr. Stix, Dr. Resch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*Gesellschaft m.b.H.,* vertreten durch Dr. Kurt Asamer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei J* vertreten durch Dr. Erwin Hanslik, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 3,500.000,-- samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23.Oktober 1975, GZ 1 R 132/75-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Juni 1975, GZ 9 Cg 328/74-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00286.75.0309.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.487,76 (darin S 2.400,— Barauslagen und S 1.265,76 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt mit der Behauptung, daß sie das – dem damals in * wohnhaften – Beklagten gewährte Darlehen von S 3,500.000,-- mit einer Laufzeit bis 3.12.1974 mit dem Schreiben vom 7.5.1974 sofort fällig gestellt habe, die Zahlung von S 3,815.678,83 (Darlehenssumme einschließlich der Vertragszinsen für die Zeit vom 30.6.1973 bis 31.5.1974) samt 11 % (Verzugs-) Zinsen aus S 3,500.000,-- seit 1.6.1974. Das Darlehen sei auch deshalb fällig, weil die Zwangsversteigerung der der Klägerin zur Sicherung ihres Darlehens verpfändeten Liegenschaft eingeleitet worden sei. Die Aufrechnung von Gegenforderungen sei unzulässig, da sämtliche Zahlungen vereinbarungsgemäß abzugsfrei zu erfolgen haben (Klage, AS 39f und 61f).

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er brachte vor, daß er die Klägerin mit der Errichtung eines Hotelgebäudes in * beauftragt habe. Es sei vereinbart worden, daß die Baukosten und das Darlehen aus den beim Verkauf der Hotelappartements erzielten Erlösen bezahlt werden. Trotz dieser Vereinbarung habe die Klägerin „Ende 1974" den Bau eingestellt und dadurch den Verkauf der Appartements verhindert. Durch das Vorgehen der Klägerin sei ihm ein großer Schaden entstanden, der sich mindestens in der Höhe des Klagsbetrages bewege und einredeweise geltend gemacht werde. Vorsichtshalber werde auch die durch Mängel der Bauleistungen bewirkte erhebliche Wertminderung des bisher Geleisteten eingewendet.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 3,500.000,-- samt 7,5 % Zinsen vom 30.6.1973 bis 5.11.1974 und 11 % Zinsen aus S 3,500.000-- seit 6.11.1974. Das Zinsenmehrbegehren von 11 % aus S 3,500.000,-- vom 1.6. bis 5.11.1974 wurde mit der Begründung abgewiesen, daß die vorzeitige Fälligkeit des Darlehens erst durch die am 5.11.1973 bewilligte Zwangsversteigerung der verpfändeten Liegenschaft eingetreten sei. Mangels näherer Präzisierung der Gegenforderungen seien die für den Bestand dieser Forderungen angebotenen Beweise nicht aufzunehmen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der nur vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Es war der Ansicht, daß der Beklagte die eingewendeten Gegenforderungen mangels eines bestimmten und vollständigen Vorbringens (§§ 178182 ZPO) nicht wirksam geltend gemacht habe. Die behauptete Wertminderung der bisherigen Bauleistungen der Klägerin sei nicht hinreichend beziffert und bestimmt, das Vorbringen hinsichtlich der eingewendeten Schadenersatzforderung nicht schlüssig. Seiner Prozeßleitungspflicht habe das Erstgericht dadurch entsprochen, daß es den Beklagten zur Präzisierung der Gegenforderungen auf gefordert habe. Eine Frist für die Erstattung eines ergänzenden Vorbringens sei dem Beklagten nicht zu gewähren gewesen. Bei den vom Erstgericht abgelehnten Beweisen habe es sich eindeutig um Erkundungsbeweise gehandelt, die in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehen seien. Mangels wirksamer Geltendmachung der Gegenforderungen habe das Erstgericht auf sie im Urteilsspruch mit Recht nicht Bezug genommen. Bei der Annahme des Erstgerichtes, daß die Gegenforderungen nicht hinreichend präzisiert seien, handle es sich um keine Tatsachenfeststellung. Die Rechtsrüge sei, soweit sie geltend mache, daß sich bei entsprechenden Beweisaufnahmen der Rechtsbestand der Gegenforderungen herausgestellt hätte, nicht ordnungsgemäß ausgeführt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revision rügt als Mangelhaftigkeit des Verfahrens daß das Berufungsgericht von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, die Ergänzung des Verfahrens durch Aufnahme der für den Bestand der eingewendeten Gegenforderungen angebotenen, vom Erstgericht jedoch nicht durchgeführten Beweise, unter lassen habe. Die eingewendete Gegenforderung sei durch die Angabe der Schadensursache (vertragswidrige Einstellung des Baues, mangelhafte Ausführung desselben) und eines Mindestbetrages ausreichend präzisiert. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Aufrechnungseinrede die erforderliche Bestimmtheit fehle, wird von der Revision auch mit der Rechtsrüge bekämpft.

Der Einwand der Revisionsgegnerin, daß wegen eines Mangels des Verfahrens erster Instanz nicht Revision begehrt werden könne, wenn das Berufungsgericht bereits erkannt habe, daß dieser Mangel nicht vorliege, ist an sich richtig (SZ 22/106; SZ 24/4 ua), aber im vorliegenden Fall nicht zielführend. Die Beantwortung der prozessualen Frage, ob die vom Beklagten angebotenen Beweise für die eingewendeten Gegenforderungen aufzunehmen sind, hängt davon ab, ob das Tatsachenvorbringen zur Aufrechnungseinrede bestimmt und damit schlüssig ist. Die Bestimmtheit und Schlüssigkeit eines Tatsachenvorbringens ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Der Beklagte hat bereits in der Berufung die Ansicht des Erstgerichtes, die Gegenforderung sei nicht näher präzisiert, d.h. das Vorbringen unbestimmt, bekämpft und mit dem Vorbringen, seine Gegenforderungen seien begründet, was sich bei Durchführung der angebotenen Beweise auch herausgestellt hätte, erkennbar Feststellungsmängel geltend gemacht, die dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen sind. Die Ansicht der Revisionsgegnerin, daß der Beklagte die rechtliche Beurteilung im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfen könne, weil er den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht ordnungsgemäß ausgeführt habe, ist daher nicht beizupflichten. Es ist deshalb im Rahmen der gesetzmäßig erhobenen Rechtsrüge zu prüfen, ob das Vorbringen des Beklagten zur Aufrechnungseinrede bestimmt und schlüssig ist. Im Falle der Bejahung dieser Rechtsfrage wäre das angefochtene Urteil mit Feststellungsmängel behaftet, die allerdings mangels eines rechtlichen Zusammenhanges zwischen der Klagsforderung und den eingewendeten Gegenforderungen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteiles, sondern lediglich zur Bestätigung desselben als Teilurteil (SZ 27/4) und Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz zur Fortsetzung der Verhandlung über die Gegenforderungen führen würde (§ 591 Abs 3 ZPO).

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß eine nicht ziffernmäßig angegebene Forderung nicht aufrechen-bar ist. Fehlt es an einer ziffernmäßigen Bestimmung der Gegenforderung, so liegt eine Einwendung einer aufrechenbaren Gegenforderung nicht vor (EvBl 1960/73). Die wegen angeblicher Mängel der bisherigen Bauleistungen behauptete Wertminderung wurde vom Beklagten ziffernmäßig überhaupt nicht angegeben. Diesbezüglich brachte der Beklagte lediglich vor, daß die durch diese Mängel bewirkte erhebliche Wertminderung eingewendet werde. Anders verhält es sich bei der Schadenersatzforderung infolge der behaupteten vereinbarungswidrigen Einstellung des Bauvorhabens durch die Klägerin. Hier hat der Beklagte einen Mindestbetrag, nämlich die Höhe des Klagsbetrages behauptet und geltend gemacht. Dieses Vorbringen genügt dem Erfordernis der ziffernmäßigen Angabe einer Gegenforderung. Das Vorbringen zu dieser Gegenforderung ist aber aus den vom Berufungsgericht zutreffend dargelegten Gründen nicht schlüssig, weil ihm nicht zu entnehmen ist, welchen Schaden und welche Ersatzforderungen der Beklagte daraus im einzelnen ableitet. Mangels Schlüssigkeit des Tatsachenvorbringens haben die Untergerichte die Aufnahme der vom Beklagten angebotenen Beweise mit Recht abgelehnt.

Die Revision erweist sich somit als unberechtigt, so daß ihr der Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 4150 ZPO.

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