OGH 4Ob63/75

OGH4Ob63/7513.1.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger und Dr. Friedl sowie die Beisitzer Dr. Risch und Dr. Neuwirth als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred P*, Angestellter *, vertreten durch Dr. W*, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, *, dieser vertreten durch Dr. Walter Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei V* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Walter Kunisch, Rechtsanwalt in Linz, wegen restlicher S 6.479,48 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 23. Juli 1975, GZ. 12 Cg 13/75-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 23. April 1975, GZ. 2 Cr 2/75-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00063.75.0113.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

I. Die Urteile der Untergerichte werden teilweise, und zwar hinsichtlich der Abweisung eines Teilbegehrens von S 3.345,28 samt Anhang, dahin abgeändert, daß die Entscheidung als

Teilurteil

zu lauten hat:

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger S 3 345,28 samt 4 % Zinsen seit 1. Jänner 1974 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

II. Im übrigen, also hinsichtlich der Abweisung des restlichen Klagebegehrens von S 3.134,20 samt Anhang, wird das angefochtene Urteil aufgehoben; die Rechtssache wird im Umfang dieser Aufhebung zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1948 bei der V* in L* beschäftigt gewesen, zuletzt seit 1. Jänner 1965 als Angestellter. Am 1. Jänner 1973 wurde er von der Beklagten mit gleichen Rechten und Pflichten übernommen. Im Jahr 1973 feierte der Kläger sein 25-jähriges Betriebsjubiläum. An dem hiefür maßgebenden Stichtag (1. November 1973) betrug sein monatliches Bruttogehalt S 8.520,--.

Gemäß Pkt. 23. der am 30. Juli 1956 mit dem Zentralbetriebsrat abgeschlossenen, mit 1. Oktober 1956 in Kraft getretenen Arbeitsordnung der V* – bzw. nunmehr der Beklagten gebührt jedem Arbeitnehmer bei 25-jähriger Werkszugehörigkeit ein Monatsbezug als „Ehrengeschenk“; diese Zuwendung wurde seither durch Vorstandsbeschluß auf 1 1/2 Monatsbezüge erhöht. Tatsächlich erhielt der Kläger anläßlich seines Dienstjubiläums zugleich mit dem Dezembergehalt 1975 einen Betrag von S 19.096,-- brutto (berechnet auf der Grundlage eines monatlichen Bruttogehalts von S 8.520,-- und einer durchschnittlichen Überstundenentlohnung von monatlich S 4.211,--) und dann im Zuge dieses Verfahrens noch eine weitere Zahlung von S 1.984,60, welche sich daraus ergibt, daß die Beklagte nunmehr auch eine durchschnittliche Nachtdienstzulage von S 310,40, eine Erschwerniszulage von S 470,-- und ein weiteres Überstundenentgelt von S 542,67 als Bestandteil des die Berechnungsgrundlage bildenden „Monatsbezuges“ des Klägers anerkannt hat.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger – nach mehrfacher Änderung seines Begehrens  von der Beklagten in erster Instanz zuletzt die Zahlung von S 6.434,48 samt Anhang verlangt, weil nachstehende Einkommensbestandteile bei der Berechnung des „Jubiläumsgeldes“ nicht berücksichtigt worden seien:

1. ein als Naturalbezug zu wertender

monatlicher Mietenzuschuß von

S 800,--, das sind für 1 1/2 Monate S 1.200,--;

2. eine jährliche Heizgutschrift

von S 730,--, also für 1 1/2 Monate S  91,20;

3. das kollektivvertraglich

festgelegte 15. und 14. Monatsgehalt

von je S 13.201,12 sowie die 1975

ausgezahlte Produktionsprämie von

S 11.142,-- das sind für 1 1/2 Monate S 4.695,28;

(richtig.: S 4.693,03)

4. ein Treugeld von S 3.600,--,

also für 1 1/2 Monate S  450,--

zusammen S 6.454,48.

 

Die Beklagte hat die eingeklagten Beträge – mit Ausnahme des Treugeldes der Höhe nach außer Streit gestellt, im übrigen aber die Abweisung des Klagebegehrens beantragt. Der Begriff des „Monatsbezuges“ könne sinngemäß nur das umfassen, was dem Dienstnehmer regelmäßig monatlich gezahlt wird, nicht aber periodische Bezüge wie Weihnachtsremuneration, Urlaubsgeld und Erfolgsprämie. Der von der Beklagten an die Wohnbaugenossenschaft „E*“ in L* gezahlte Mietenzuschuß sei kein Entgeltbestandteil, die Heizgutschrift aber eine zweckgebundene, einmal jährlich auf freiwilliger Basis ausgezahlte Sozialleistung der Beklagten.

Außer Streit steht

a) daß die vom Kläger geforderten Beträge seit dem 1. Oktober 1956 anläßlich der Ehrung von Arbeitsjubilaren nie ausgezahlt wurden,

b) daß der Kläger die Arbeitsordnung Beilage ./B sowohl nach ihrem Abschluß im Oktober 1956 als auch nach seiner Überstellung in das Angestelltenverhältnis im Jänner 1965 zur Kenntnis genommen hat und daß diese Arbeitsordnung wohl zum Inhalt des Dienstvertrages des Klägers gemacht wurde, zwischen den Parteien selbst aber nie irgendwelche Aussprachen über Pkt. 23. der Arbeitsordnung stattgefunden haben, insbesondere nie ein abweichender Parteiwille erklärt worden ist.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Arbeitsordnung vom 30. Juli 1956 sei zumindest in ihrem Pkt. 23. wegen dessen materiell‑rechtlichen Gehaltes nur eine sogenannte „freie Betriebsvereinbarung“ und daher insoweit nach §§ 914 ff ABGB auszulegen. Werde dabei aber auf den Geschäftszweck und die Übung des redlichen Verkehrs Bedacht genommen, dann ergebe sich einerseits aus verwandten Bestimmungen verschiedener Kollektivverträge, andererseits aus der tatsächlichen Handhabung der Arbeitsordnung durch den Dienstgeber, daß der Verpflichtungswille der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin die vom Kläger geforderten Beträge niemals umfaßt habe. Das Wort „Monatsbezug“ in Pkt. 23. der Arbeitsordnung bedeute vielmehr nichts anderes als „Monatsgehalt“ und umfaße daher nur die regelmäßig allmonatlich ausgezahlten Bezüge, nicht aber auch periodische Bezüge, wie z.B. Remunerationen.

In seiner Berufung gegen dieses Urteil dehnte der Kläger sein Zahlungsbegehren um die gesetzliche Wohnungsbeihilfe von S 30,-- monatlich, das sind für 1 1/2 Monate S 45,-- auf S 6.479,48 samt Anhang aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und bestätigte die Abweisung des – um S 45,-- ausgedehnten Klagebegehrens. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 5 ArbGG von neuem durch und traf auf Grund des insoweit übereinstimmenden Parteienvorbringens und der im Akt liegenden Urkunden noch folgende ergänzende Sachverhaltsfeststellungen:

Der Kläger bewohnt eine Wohnung der Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft „E*“ L*, reg. Genossenschaft m.b.H. Diese Genossenschaft gab dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 1972 (Beilage ./C) bekannt, daß ihm gemäß Schreiben der V* vom 5. September 1972 für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1973 ein monatlicher Mietenzuschuß in der Höhe von S 800,-- genehmigt wurde; der Kläger wurde aufgefordert, die monatliche Nutzungsgebühr ab 1. Jänner 1973 um obigen Betrag vermindert zu überweisen. Tatsächlich wurde der monatliche Mietenzuschuß von S 800,-- von der V* direkt an die genannte Genossenschaft überwiesen.

Bei der Heizgutschrift handelt es sich um einen Betrag, um welchen anderen Dienstnehmern der Bezug von Heizmitteln bei der Beklagten günstiger gewährt wird; er wird einmal im Jahr ausgezahlt.

In den Gehaltszetteln (vgl. Beilage ./D) verwendet die Beklagte den Begriff „laufende Bezüge“ für Gehalt (Lohn), Zulagen, Mehrarbeitsvergütung, Schichtzuschlag und Sonderzahlungen. Der Mietenzuschuß scheint hier als „Naturalbezug“ auf.

Rechtlich war auch das Berufungsgericht der Auffassung, daß im vorliegenden Fall ausschließlich die Auslegungsgrundsätze der §§ 914, 915 ABGB Anwendung zu finden hätten. Der Begriff „Monatsbezug“ könne schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur das umfassen, was der Dienstnehmer in der Periode eines Monats beziehe, also insbesondere auch Überstundenentlohnung, Nachtdienst- und Erschwerniszulagen; Leistungen des Dienstgebers, die nicht in eine monatliche Periode fallen – wie die Heizgutschrift, die Sonderzahlungen und das Treuegeld , seien dagegen von vornherein ausgeschlossen. Auch die Bedachtnahme auf den Zweck des „Ehrengeschenks“ also einer Belohnung für 25‑jährige Betriebstreue führe zu dem gleichen Ergebnis. Daß der Mietenzuschuß ebensowenig wie die Wohnungsbeihilfe zum „Monatsbezug“ gehöre, folge im übrigen schon aus der Zweckbindung dieser beiden Zuwendungen. Auch nach § 915, erster Halbsatz, ABGB – welcher hier deshalb anwendbar sei, weil es sich um ein Ehrengeschenk handle müsse davon ausgegangen werden, daß die Beklagte im Zweifel eher die geringere Last auf sich nehmen wollte.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger seinem ganzen Inhalt nach mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Meinung der Beklagten zulässig: Gemäß § 502 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 23 a ArbGG in der Fassung des Art. II der Novelle BGBl 1971/291 ist zwar in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten die Revision gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 15.000,-- (§ 49 Abs. 1 Z. 1 JN) nicht übersteigt. Nach ständiger Rechtsprechung (Arb 8049; Arb 8442; Arb 8724 = JBl 1970, 485 ua, zuletzt etwa 4 Ob 41/75) liegt aber eine bestätigende Berufungsentscheidung im Sinne dieser Rechtsmittelbeschränkung dann nicht vor, wenn das Berufungsgericht – wie hier nicht nur über die Berufung gegen das Ersturteil, sondern zugleich auch über einen erstmals im Berufungsverfahren neu erhobenen Anspruch zu erkennen hatte.

Das Rechtsmittel des Klägers ist also zulässig; es ist aber auch berechtigt.

Die Untergerichte haben die im Pkt. 23. der Arbeitsordnung vom 30. Juli 1956 (Beilage ./B) vorgesehene Auszahlung von „Ehrengeschenken“ an Arbeitsjubilare mit Rücksicht auf den materiell‑rechtlichen Inhalt dieser Regelung zutreffend als „freie Betriebsvereinbarung“ behandelt, welche nach der hier maßgebenden Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes nur rechtswirksam werden konnte, wenn und soweit die Parteien ihren Inhalt zum Gegenstand einer – zumindest schlüssigen (§ 863 ABGBVereinbarung gemacht hatten (vgl dazu Floretta-Strasser, Komm z BRG2, 240 ff). Im vorliegenden Fall steht außer Streit, daß die Arbeitsordnung Beilage ./B zwar zum Inhalt des vom Kläger abgeschlossenen Dienstvertrages gemacht wurde, daß aber zwischen den Partei selbst über den hier maßgebenden Pkt. 23. dieser Arbeitsordnung niemals irgendwelche Aussprachen stattgefunden haben und insbesondere nie ein abweichender Parteiwille erklärt worden ist; die nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB vorzunehmende Auslegung der fraglichen Bestimmung fällt daher, wie das angefochtene Urteil mit Recht hervorhebt, ausschließlich in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung.

Geht man dabei zunächst vom „buchstäblichen Sinn des Ausdrucks“ (§ 914 ABGB), also – ebenso wie bei der Gesetzesauslegung nach § 6 ABGB vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung aus (Koziol‑Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts3 I 69 f; Gschnitzer in KlangIV/1, 411), dann fällt sogleich auf, daß Pkt. 23. der Arbeitsordnung als Berechnungsgrundlage für das den Arbeitsjubilaren zu gewährende Ehrengeschenk nicht etwa das (Monats-)Gehalt, sondern den (Monats-)Bezug gewählt hat. Schon nach der ursprünglichen Bedeutung dieses Wortes ist aber der „Bezug“ alles das, was der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung „bezieht“. Dieser Begriff ist also umfassender als der des „Gehalts“; er ist weit auszulegen und dem Begriff des „Entgelts“ gleichzusetzen, welcher nach dem auf dem Gebiet des Arbeitsrechts üblichen Sprachgebrauch jede Leistung umfaßt, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür bekommt, daß er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (Martinek‑Schwarz, AngG2, 127 f § 6 Anm 6; Mayer‑Maly, Österreichisches Arbeitsrecht 78 f unter Hinweis auf die gleichlautende Definition in § 43 Abs. 1 des 1. Teilentwurfes zur Kodifikation des österreichischen Arbeitsrechtes). Gleich dem „Entgelt“ umfaßt daher auch der „Bezug“ eines Arbeitnehmers regelmäßig nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen, ordentlichen oder außerordentlichen, Leistungen zusätzlicher Art, auch wenn sie – wie etwa eine Provision im Einzelfall auf eine tatsächliche Mehrleistung des Arbeitnehmers abgestellt und daher in ihrem Ausmaß variabel sind (Arb 6470 = SozM. IAb 25; Martinek‑Schwarz aaO, ferner auch 153 f § 8 Anm 4).

Auch das Berufungsgericht legt den Begriff des „Bezuges“ zunächst in diesem weiten Sinn aus, meint dann aber, daß die Verwendung des Wortes „Monatsbezug“ den Begriffsinhalt auf dasjenige einschränke, was in der Periode eines Monats bezogen werde; Leistungen des Dienstgebers, die nicht in eine solche Periode fallen und in größeren als einmonatigen Abständen ausgezahlt werden, würden daher schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch vom Begriff des „Monatsbezuges“ nicht umfaßt. Dieser Auffassung vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen: Wenn der „Bezug“ (ebenso wie das „Entgelt“) eines Arbeitnehmers ganz allgemein dasjenige ist, was der Arbeitnehmer für das Zur‑Verfügung‑Stellen seiner Arbeitskraft vom Arbeitgeber „bezieht“, dann kann unter dem Begriff „Monatsbezug“ mangels näherer Umschreibung seiner Bedeutung bei zwangloser Auslegung nur derjenige „Bezug“ verstanden werden, den der Arbeitnehmer eben als Gegenleistung für einen Monat Arbeit erhält (vgl Arb. 9025 = EvBl 1975/1 = SozM 1 C 840; Arb 9159 = SozM I C 857). Dazu gehören aber entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht nicht nur solche Entgeltbestandteile, welche – wie das eigentliche Gehalt oder eine Überstundenentlohnung regelmäßig in monatlichen Abständen ausgezahlt werden, sondern auch alle anderen als Entgelt gewährten Leistungen des Arbeitgebers, mögen sie auch in größeren Zeitabschnitten, gegebenenfalls auch nur einmal im Jahr erbracht werden (vgl SZ 7/205). Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern immer nur auf die tatsächliche Funktion der Leistung an (Martinek‑Schwarz aaO 153 f § 8 Anm 4): Handelt es sich um einen Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers für die Überlassung der Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer, dann gehören auch Sonderzahlungen, Prämien, Beihilfen, Gewinnbeteiligungen udgl., aber auch alle Arten von Naturalleistungen des Arbeitgebers, zum (Gesamt-)Bezug des Arbeitnehmers (vgl Arb 7170 = JBl 1960, 613; Arb 6298; Martinek‑Schwarz aaO 326 f § 23 Anm 6). Daraus folgt aber, daß bei der Ermittlung des „Monatsbezuges“ des Arbeitnehmers auch diese Entgeltbestandteile mit dem entsprechenden aliquoten Teil berücksichtigt werden müssen.

Inwiefern die gemäß § 914 ABGB gebotene Bedachtnahme auf die „Absicht der Parteien“, also den Geschäftszweck (Arb 8904; EvBl 1972/111 uva; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 404) im konkreten Fall zu einem anderen Ergebnis führen sollte, vermag der Oberste Gerichtshof im Gegensatz zu den Untergerichten nicht zu erkennen: Ob der Verpflichtungswille des Dienstgebers die vom Kläger geforderten Beträge umfaßt hat, ist ohne Bedeutung, wenn ein solcher Wille dem Erklärungsgegner nicht erkennbar war (vgl Koziol‑Welser aaO 70). Gerade das trifft aber hier zu, weil der – mangels Erklärung eines abweichenden Parteiwillens allein maßgebende Wortlaut des Pkt. 25. der Arbeitsordnung zufolge der Verwendung des umfassenden Begriffes „Monatsbezug“ objektiv nur dahin verstanden werden konnte, daß die Beklagte (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) der Berechnung des „Ehrengeschenks“ für ihre Arbeitsjubilare eben nicht nur das regelmäßig gezahlte Monatsgehalt, sondern darüber hinaus auch alles das zugrunde legen wollte, was der betreffende Arbeitnehmer sonst noch als Entgelt für ein Monat Arbeit enthält. Daß die jetzt vom Kläger geforderten Beträge seit fast 20 Jahren anläßlich der Ehrung von Arbeitsjubilaren niemals ausgezahlt wurden, erlaubt angesichts der rechtlichen Besonderheiten einer „freien Betriebsvereinbarung“ der hier vorliegenden Art – gleichgültig, ob man sie als Vertragsschablone oder aber als Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB ansieht (vgl dazu Floretta‑Strasser aaO) keinesfalls einen Schluß auf eine einvernehmliche Beschränkung der Bemessungsgrundlage in dem von der Beklagten gewünschten Sinn. Für seine Annahme, daß die Zusage einer nach „Monatsbezügen“ – und nicht bloß nach dem „Monatsgehalt“, wie in den von der Beklagten vergleichsweise angeführten Kollektivverträgen berechneten Jubiläumsbelohnung dem widerspräche, was „redliche und vernünftige Partner“ vereinbart hätten, ist aber das Erstgericht jede Begründung schuldig geblieben.

Obgleich nach dem Gesagten schon die Auslegungsregeln des § 914 ABGB zur Lösung des konkreten Falles ausreichen, die nur subsidiär, nämlich beim Versagen der Auslegungsgrundsätze des § 914 ABGB, anwendbare Auslegungsregel des § 915 ABGB also hier überhaupt nicht zum Tragen kommt (SZ 40/57; SZ 45/20 = ÖBl 1972, 121 ua, zuletzt etwa 4 Ob 511/74, 7 Ob 59/75; ebenso Gschnitzer in KlangIV/1, 415; Ehrenzweig I/1, 263 vor FN 13), soll der Vollständigkeit halber noch darauf verwiesen werden, daß auch die Anwendung des § 915 ABGB zu keinem anderen Ergebnis führen könnte: Entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Meinung ist nämlich das den Arbeitsjubilaren der Beklagten gebührende „Ehrengeschenk“ ungeachtet dieser Bezeichnung als „Geschenk“ keine unentgeltliche Leistung, sondern eine, wenn auch ohne gesetzliche oder kollektivvertragliche Verpflichtung, als Erkenntlichkeit für langjährige treue Dienste gewährte Zuwendung des Arbeitgebers und damit keine Schenkung im Sinn des § 938 ABGB (Arb 5093; Arb 9215 = JBl 1974, 583 = SozM IAd 1075; Adler‑Höller in Klang2 V 252; Mayer‑Maly aaO 81). Damit wäre aber im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 915 ABGB eine undeutliche Äußerung in jedem Fall zum Nachteil desjenigen auszulegen, der sich ihrer bedient hat, im vorliegenden Fall also unstreitig zum Nachteil der Beklagten, von welcher die Arbeitsordnung nach ihrem Pkt. 2. durch Anschlag bekanntgemacht und jedem Arbeiter gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt wird. Auch nach dieser Auslegungsregel müßte daher der strittige Begriff des „Monatsbezuges“ mangels sonstiger Anhaltspunkte zum Nachteil der Beklagten und damit im Sinne der umfassenderen Begriffsbestimmung ausgelegt werden.

Die Anwendung dieser rechtlichen Erwägungen führt im konkreten Fall zu nachstehendem Ergebnis:

a) Das dem Kläger nach dem Kollektivvertrag gebührende 13. und 14. Monatsgehalt ist unzweifelhaft ein Teil des Arbeitsentgelts, also der „Bezüge“ des Klägers und infolgedessen mit dem entsprechenden aliquoten Teil bei der Ermittlung seines „Monatsbezuges“ zu berücksichtigen; das ergibt für 1 1/2 Monate einen Betrag von (S 13.201,12 x 2 = S 26,402,24 : 8 =) S 3.300,28. Das gleiche gilt für die monatliche Wohnungsbeihilfe von S 30,--, welche nach § 1 des Wohnungsbeihilfengesetzes, BGBl 1951/229, zwar „zur Erleichterung des ... erhöhten Wohnungsaufwandes“, also zweckbestimmt, gewährt wird, aber gemäß § 5 Abs. 1, § 7 dieses Gesetzes einen Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bildet, von letzterem zugleich mit der „Grundleistung“ auszuzahlen und damit jedenfalls ein Teil des Arbeitseinkommens des Arbeitnehmers ist (so auch schon EVB1 1956/100). In teilweiser Abänderung der untergerichtlichen Entscheidungen konnte daher hinsichtlich der Beträge von S 3.300,28 und S 45,-- sogleich ein Teilurteil gefällt und dem Kläger sohin ein Betrag von S 3.345,28 samt 4 % Zinsen seit 1. Jänner 1974 zuerkannt werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich hier auf § 52 Abs. 2 ZPO.

b) Hinsichtlich der übrigen vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ist das Verfahren noch nicht spruchreif:

Der monatliche Mietenzuschuß von S 800,-- ist nach dem Inhalt des Schreibens Blg ./C in Verbindung mit den Angaben des Zeugen Dkfm. * P* (ON. 4 S. 13) eine – aus technischen Gründen unmittelbar an die Wohnbaugenossenschaft „E*“ überwiesene monatliche Leistung der Beklagten an den Kläger zur Erleichterung seines Wohnungsaufwandes. Ob diese Leistung aber tatsächlich Entgeltcharakter hat und damit zu den „Bezügen“ des Klägers gehört, wird erst dann verläßlich beurteilt werden können, wenn die rechtlichen Grundlagen und die Modalitäten ihrer Auszahlung geklärt sind und insbesondere feststeht, ob sie von der Beklagten regelmäßig erbracht wurde (vgl SozM III E 237) oder aber – wofür der Wortlaut des Schreibens Beilage ./C zu sprechen scheint eine von der Beklagten nur fallweise „genehmigte“, zusätzliche Sozialleistung war.

Ähnliche Erwägungen gelten für die einmal im Jahr ausgezahlte Heizgutschrift von S 750,--, bei welcher es sich nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils um den Betrag handelt, „um den anderen Dienstnehmern der Bezug von Heizmitteln günstiger gewährt wird“: Ob dieser Leistung Entgeltcharakter – und zwar als Geldablöse für einen nicht in Anspruch genommenen Naturalbezug zukommt, hängt naturgemäß von der Beantwortung der Frage ab, ob die betreffenden Heizmittel selbst – also der sogenannte „Sozialkoks“ (siehe dazu die Zeugenaussage des Dkfm. P*, ON. 4 S. 15) auf Grund der Umstände ihrer Gewährung als Naturalentlohnung der Bezieher angesprochen werden kann; dazu haben aber die Untergerichte bisher überhaupt keine Feststellungen getroffen.

Ungeklärt ist bisher auch geblieben, welche Bewandtnis es mit der sogenannten „Produktionsprämie“ von S 11.142,-- hat; sollte sich hier im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß es sich dabei um eine den Arbeitnehmern der Beklagten regelmäßig und dauernd gewährte Erfolgs- und Leistungsprämie handelt, dann wäre am Entgeltcharakter dieser Zuwendung allerdings nicht zu zweifeln (vgl Arb 7170 = JBl 1960, 615; Martinek‑Schwarz aaO 153 f § 8 Anm 4, 326 f § 23 Anm 6).

Schließlich ist der vom Kläger bei der Verhandlungstagsatzung vom 23. April 1975 (ON. 4 S. 12) geltend gemachte Anspruch auf einen aliquoten Teil des sogenannten Treuegeldes von S 3.600,-- von den Untergerichten bisher überhaupt nicht erörtert worden; die Beklagte hat zu diesem Teilanspruch bisher mit keinem Wort Stellung genommen und den hier angesprochenen Betrag von S 450,-- auch nicht – wie das Erstgericht aktenwidrig angenommen hat der Höhe nach außer Streit gestellt.

Hinsichtlich der vier zuletzt genannten Teilansprüche des Klägers im Gesamtbetrag von S 3.134,20 samt Anhang mußte daher das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens im aufgezeigten Sinne aufgetragen werden.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

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