European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00064.75.1118.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschuss auf gehoben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.799,36 bestimmten Rekurskosten (darin sind S 207,36 an Barauslagen enthalten), binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger begehrte die Feststellung des aufrechten Bestandes des zwischen ihm und der beklagten Partei vereinbarten Arbeitsverhältnisses. Im Sinne des § 56 Abs. 2 JN gab er den Wert des Streitgegenstandes in der Klage mit S 173.250,-- an. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach unter Hinweis auf die Bestimmung des § 500 Abs. 2 ZPO aus, dass der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- nicht übersteige. Eine Begründung für diesen Ausspruch lässt sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht eine vom Kläger gegen das zweitgerichtliche Urteil erhobene und vom Erstgericht vorgelegte Revision, mit der der Kläger unter anderem auch den Streitwertausspruch bekämpfte, unter Hinweis auf diesen Ausspruch gemäß dem § 507 Abs. 1 ZPO als unzulässig im Sinne der §§ 502 Abs. 3 ZPO, 25 a ArbGG zurück.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, ferner auszusprechen, dass der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- übersteige und sodann über die Revision zu entscheiden.
Der Rekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß dem § 502 Abs. 3 ZPO ist gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes die Revision unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 50.000,-- nicht übersteigt. Diese Revisionsgrenze richtet sich gemäß dem § 23 a ArbGG im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach der Wertgrenze für die Zuständigkeit der Bezirksgerichte. Sie beträgt daher derzeit S 15.000,-- (§ 49 Abs. 1 Z. 1 JN). Für den Fall, dass der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entscheidet, nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, hat das Berufungsgericht, wenn es das Urteil erster Instanz, abgesehen von seinem Ausspruch über Nebenforderungen, bestätigt, im Urteil auszusprechen, ob der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- (im arbeitsgerichtlichen Verfahren S 15.000,--) übersteigt. Auf die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes sind die §§ 54 bis 60 JN sinngemäß anzuwenden, jedoch ist das Gericht nicht an die Geldsumme gebunden, zu deren Annahme anstelle der zugesprochenen Sache sich der Kläger erboten oder die er als Wert des Streitgegenstandes angegeben hat (§ 500 Abs. 2 ZPO).
Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall im Sinne der zitierten Gesetzesvorschriften ausgesprochen, dass der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- nicht übersteige. Dieser Ausspruch ist gemäß dem § 500 Abs. 4 ZPO, unanfechtbar. Das Revisionsgericht ist an diesen Ausspruch aber dann nicht gebunden, wenn das Berufungsgericht die im § 500 Abs. 2 ZPO gezogene Grenze seiner Entscheidungsbefugnis überschritten hat (Fasching, ErgBd 68). Dies ist dann der Fall, wenn der Ausspruch nach dieser Gesetzesstelle gar nicht vorzunehmen ist oder wenn die sinngemäße Anwendung der Vorschriften der §§ 54 bis 60 JN unterlassen wird (4 Ob 535/75; 7 Ob 204/73; EvBl 1968/96; EvBl 1962/215; EvBl 1975/55; Arb 8035 uva). Bei der Streitwertfeststellung ist das Berufungsgericht in Ausübung des ihm vom Gesetzgeber auf getragenen Ermessens an die sinngemäße Anwendung der §§ 54 bis 60 JN gebunden, sodass ein Fall des gesetzlich gebundenen Ermessens vorliegt. Bei der Beantwortung der Frage nach der Revisionszulässigkeit ist nur die Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des § 500 Abs. 2 ZPO, mithin die Nichtbeachtung der gesetzlichen Ermessensrichtlinien zu prüfen, nicht aber auch die richtige Anwendung dieser Richtlinien (Fasching, aaO, 69).
Im Gegenstand liegen die prozessualen Voraussetzungen für einen Ausspruch im Sinne des § 500 Abs. 2 ZPO vor, weil der Streitgegenstand nicht in einem Geldbetrag besteht und weil das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil bestätigt hat. Zu prüfen ist jedoch, ob für die Streitwertfestsetzung in einer Streitsache, der eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zugrundeliegt, eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften der §§ 54 bis 60 JN überhaupt in Betracht zu ziehen ist und ob, bejahendenfalls, das Berufungsgericht diese Vorschriften sinngemäß angewendet hat.
Zu der grundsätzlichen Frage der Anwendbarkeit der zitierten Bestimmungen hat der Oberste Gerichtshof bereits in verneinendem Sinn Stellung genommen. Am eindeutigsten geschah dies in der Entscheidung Arb 8033, in der das Revisionsgericht zum Ausdruck brachte, die erwähnten Vorschriften enthielten keine Bestimmung darüber, wie eine Klage auf Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zu bewerten sei. Eine Untersuchung einzelner dieser Bestimmungen auf ihre sinngemäße Anwendbarkeit bei der Streitwertfestsetzung wurde nicht vorgenommen.
In der Entscheidung Arb 8035, der eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes eines Lehrverhältnisses zugrundelag, wurde diese Auffassung übernommen, ohne dass neue Gesichtspunkte aufgezeigt worden wären.
Schließlich hat der Oberste Gerichtshof noch in seiner Entscheidung Arb 8336 die vom Berufungsgericht vorgenommene Streitwertfestsetzung in einer Streitsache, der eine auf Feststellung des aufrechten Bestandes eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage zugrundelag, für unüberprüfbar und somit für beachtlich erklärt, wobei er allerdings von einer anderen Argumentationsbasis ausging. Er vertrat die Auffassung, das Feststellungsinteresse sei nicht mit dem Entgelt für die nach der (angeblich unwirksamen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erbringenden Arbeitsleistungen gleichzusetzen. Das vermögensrechtliche Interesse an der Feststellung des Fortbestandes eines Arbeitsverhältnisses ergebe sich vielmehr aus dem Unterschied der Einkünfte aus dem beendeten Arbeitsverhältnis und den Einkünften aus tatsächlicher oder zu erwartender anderweitiger Verwendung. Eine ziffernmäßige Bewertung dieses Interesses sei jedoch weitgehend von subjektivem Ermessen abhängig und könne daher nicht in Analogie zur Bestimmung des § 58 JN überprüft werden.
Diese Auffassungen können jedoch vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufrecht erhalten werden. Untersucht man die einzelnen Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN auf ihre Anwendbarkeit für die im Gegenstand bedeutsame Streitwertfestsetzung, so ist zunächst in Übereinstimmung mit den oben angeführten Entscheidungen festzustellen, dass diese Bestimmungen keine Vorschrift enthalten, die auf eine Streitsache, der eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zugrundeliegt, unmittelbar angewendet werden könnte. Für eine sinngemäße Anwendung, wie sie im § 500 Abs. 2 Satz 2 ZPO verlangt wird, bietet sich jedoch die Bestimmung des § 58 Abs. 2 JN an. Nach dieser Vorschrift ist, wenn das Bestehen eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig ist, der Betrag des auf die gesamte streitige Zeit fallenden Zinses der Bewertung zugrunde zulegen. Da sowohl bei einem Bestandverhältnis als auch bei einem Arbeitsverhältnis in aller Regel von einem Vertragsteil ein auf Dauer abgestelltes Entgelt für die Gegenleistung des anderen Vertragsteiles zu entrichten ist, eröffnet sich infolge Übereinstimmung der für die Streitwertfestsetzung (§ 500 Abs. 2 ZPO) maßgeblichen Gesichtspunkte die Möglichkeit einer sinngemäßen Anwendung der zitierten Gesetzesstelle auf die gegenständlichen Fälle der Streitwertfestsetzung in einer den Erfordernissen derselben angepassten Form. Diese Streitwertfestsetzung wird sich daher nach dem auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Arbeitsentgelt zu orientieren haben und nicht etwa, wie in Arb 8336 zum Ausdruck gebracht wird, nach dem Unterschied der gegenwärtigen und zukünftigen anderweitigen Bezüge. Für eine solche Auffassung bietet die Bestimmung des § 58 Abs. 2 JN auch bei sinngemäßer Anwendung keine Handhabe. Bei unbestimmter Dauer ist in sinngemäßer Anwendung des § 58 Abs. 1 JN das zehnfache Jahresentgelt der Streitwertfestsetzung zugrundezulegen. Erforderlichenfalls hat das Berufungsgericht gemäß dem § 500 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Parteien über den Wert des Streitgegenstandes, sohin über das auf die streitige Zeit entfallende Arbeitsentgelt, zu vernehmen, dieses Entgelt ohne förmliches Verfahren zu ermitteln und der Streitwertfestsetzung zugrundezulegen. Keinesfalls darf sich das Berufungsgericht hiebei von dem Gedanken leiten lassen, die Revision unabhängig von dem auf diese Weise zu ermittelnden Wert des Streitgegenstandes zuzulassen (oder nicht zuzulassen), nur um eine Überprüfung durch das Revisionsgericht zu. ermöglichen (oder zu verhindern). Eine solche Vorgangsweise verstieße gegen das Gesetz.
Im vorliegenden Fall ist eine der Vorschrift des § 500 Abs. 2 ZPO entsprechende Streitwertfestsetzung nicht erfolgt. Wenn auch das Berufungsgericht die für seinen Ausspruch, der Wert des Streitgegenstandes übersteige nicht S 15.000,-- maßgeblichen Erwägungen in seine Entscheidungsgründe nicht aufgenommen hat, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, dass die Streitwertfestsetzung nicht im sinngemäßer Anwendung des § 58 Abs. 2 JN, sondern ohne Bedachtnahme auf eine Bestimmung der §§ 54 bis 60 JN erfolgt ist. Denn wenn das Berufungsgericht die erwähnte Bestimmung angewendet hätte, dann wäre ein Aus such wie der gegenständliche ausgeschlossen gewesen. Nach den Feststellungen der Untergerichte war nämlich der Kläger als leitender Angestellter bei der beklagten Partei, einem Bauunternehmen, beschäftigt. Bedenkt man, dass zwischen der vom Kläger bekämpft an Beendigung seines Angestelltenverhältnisses (25. April 1974) und dem Tage der Berufungsverhandlung (24. März 1975) elf Monate verstrichen waren und dass die begehrte Feststellung noch in die Zukunft wirken sollte, dann musste bei sinngemäßer Anwendung des § 58 Abs. 2 JN im oben dargelegten Sinn ein S 15.000,-- übersteigender Streitwert angenommen werden, weil ein Jahresbezug eines leitenden Angestellten in der Bauwirtschaft diesen Betrag gerichtsbekanntermaßen bei weitem übersteigt. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das Berufungsgericht mit seinem Ausspruch, der Wert des Streitgegenstandes übersteige nicht S 15.000,--, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis infolge Nichtbeachtung der gesetzlichen Ermessensrichtlinien überschritten hat, sodass das Revisionsgericht an diesen Ausspruch nicht gebunden ist. Die Revision ist daher infolge Übersteigens dieser Wertgrenze zulässig, sodass das Berufungsgericht die Revision zu Unrecht zurückgewiesen hat. Dem berechtigten Rekurs war somit Folge zu geben und der angefochtene Zurückweisungsbeschluss in der durch den Beschluss des Berufungsgerichtes vom 25. September 1975, 44 Cg 40/75-24, ergänzten Fassung ersatzlos aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50, 52 ZPO begründet.
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