OGH 4Ob347/75

OGH4Ob347/7518.11.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei *Verlags-Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei A* U*, Verleger *, vertreten durch Dr. Manfred Gries, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Rekursstreitwert 100.000,– S) infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 18. September 1975, GZ. 2 R 178/75‑8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23. April 1975, GZ. 18 Cg 118/75‑3, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00347.75.1118.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, welcher in seinem bestätigenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem abändernden Teil aufgehoben. Zugleich wird auch der von der Abänderung betroffene Teil der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Nachstehender Sachverhalt ist bescheinigt:

Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden: Klägerin), eine Verlagsgesellschaft mit dem Sitz in Wien, gibt seit 1948 alljährlich (heuer in 28. Auflage) das Druckwerk „Handelsregister Österreich“ heraus. Dieses Nachschlagewerk enthält nicht alle in den Handelsregistern der österreichischen Gerichte eingetragenen Daten der protokollierten Firmen, sondern im wesentlichen nur den Firmenwortlaut und die persönlich haftenden Gesellschafter, Organe und sonstigen Zeichnungsberechtigten, nicht jedoch die Höhe des jeweiligen Grund- oder Stammkapitals, den Betrag der Kommanditeinlagen und den Zeitpunkt der Eintragung; zusätzlich zu den aus dem Handelsregister ersichtlichen Daten bringt das Druckwerk der Klägerin aber auch noch weitere Angaben, wie Anschrift, Telefonnummer und Branche der betreffenden Firma. Die Klägerin ist auf Grund eines Bescheides des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie aus dem Jahr 1968 berechtigt, im geschäftlichen Verkehr das Staatswappen des Bundes zu führen.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden: Beklagter) betreibt seit Mai oder Juni 1974 ein Verlagsgeschäft in *. Er versendet an die im „Handelsregister Österreich“ der Klägerin verzeichneten protokollierten Firmen Erlagscheine der österreichischen Postsparkasse, welche auf den Betrag von 860,– S ausgefüllt sind. Als Zahlungsempfänger ist die Erste österreichische Spar-Casse, Giroabteilung, *, Konto‑Nr. *, zugunsten des „Branchenverlages FL *“, Konto‑Nr. * vorgesehen; der vorgedruckte Zahlungszweck lautet: „Eintragungsgebühr in das ÖSTERREICHISCHE HANDELSREGISTER inklusive aller Abgaben“. Der Erlagschein ist mit einer Allonge versehen, welche auf beiden Seiten eines stilisierten Adlers die Überschrift „ÖSTERREICHISCHES HANDELSREGISTER“ trägt. Unter dieser Überschrift findet sich folgender Text:

„Nebenstehender Protokolltext wurde dem nach amtlichen Unterlagen gefertigten HANDELSREGISTER ÖSTERREICH entnommen und gilt ausschließlich als Muster für das „österreichische Handelsregister“. Bei Richtigkeit des Firmenwortlautes für das österreichische Handelsregister, sowie Genehmigung wird um eheste Überweisung des untenstehenden Betrages ersucht. Änderungen bezüglich der Geschäftsleitung (Geschäftsform) bitten wir Sie ausschließlich schriftlich an den Branchenverlag „Österreichisches Handelsregister“ FL *, bekanntzugeben. Um termingerechte Erledigung wird gebeten. Redaktionsschluß 6 Wochen nach Erhalt unseres Anbotes. Hochachtungsvoll Der Verlag“.

Neben diesem Text ist auf der Allonge ein Ausschnitt mit einer Kopie des die angeschriebene Firma betreffenden Textes aus dem von der Klägerin herausgegebenen „Handelsregister Österreich“ aufgeklebt. Die Rückseite der Allonge trägt den Aufdruck: „Neue Adresse: ÖSTERREICHISCHES HANDELSREGISTER Branchenverlag, *. Tel. *“. Dabei handelt es sich um die Anschrift und die Telefonnummer des Beklagten.

Die Klägerin nahm diesen Sachverhalt zum Anlaß einer auf §§ 80, 86 Abs. 1 Z. 1 (§§ 14 - 16) UrhG., §§ 1, 2 und 9 UWG. gestützten Klage auf Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung einer Geldbuße. Gleichzeitig beantragte sie zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens eine mit diesem Begehren fast wörtlich gleichlautende einstweilige Verfügung.

Das Erstgericht verbot dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung, im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb eines Verlages

a) ein Druckwerk mit der Bezeichnung „Österreichisches Handelsregister“, insbesondere mit der Abbildung eines stilisierten Adlers und unter Verwendung aus dem „Handelsregister Österreich“ des *Verlages herauskopierter Ausschnitte als Druckmuster, oder mit einer anderen Bezeichnung, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem Verlagswerk des *Verlages „Handelsregister Österreich“ herbeizuführen, anzukündigen und zu verlegen; b) für die Einschaltung in ein Druckwerk des Beklagten durch Übersendung eines auf einen Geldbetrag ausgefüllten Erlagscheines samt Allonge, der mit einem aufgeklebten, aus dem „Handelsregister Österreich“ kopierten Druckmuster versehen ist, zu werben, ohne gleichzeitig in eindeutiger Weise darauf hinzuweisen, daß es sich um eine Einschaltungsofferte in ein Druckprojekt für protokollierte Firmen, das unvollständig bleibt und dem keine Bestellung des Beworbenen zugrunde liegt, handelt.

Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs hatte teilweise Erfolg: Das Rekursgericht änderte die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes, welche es im übrigen bestätigte, in lit. a ihres Spruches dahin ab, daß die Worte „insbesondere“ und „oder mit einer anderen Bezeichnung, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem Verlagswerk des *Verlages, Handelsregister Österreich herbeizuführen“ zu entfallen haben und der Sicherungsantrag der Klägerin in diesem Umfang abgewiesen werde.

Der bestätigende Teil der Rekursentscheidung ist in Rechtskraft erwachsen. Gegen ihren abändernden Teil richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes im vollen Umfang wieder herzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Gegenstand des Rechtsmittels ist nur noch die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin schon deshalb, weil sie den Buchtitel „Handelsregister Österreich“ verwendet, der Beklagten den Gebrauch der Bezeichnung „Österreichisches Handelsregister“ oder einer ähnlichen Bezeichnung untersagen kann. Das Erstgericht hat diese Frage bejaht und dazu in der Begründung auf die verwechselbare Ähnlichkeit der beiden Bezeichnungen im Sinne des § 9 UWG. verwiesen. Demgegenüber hat das Rekursgericht die Auffassung vertreten, daß die von den Parteien jeweils für Verzeichnisse der in den Handelsregistern der österreichischen Gerichte protokollierten Firmen verwendeten Bezeichnungen „Handelsregister Österreich“ und „Österreichisches Handelsregister“ nur als Hinweis auf den Inhalt dieser Werke anzusehen seien; mangels jeder Unterscheidungskraft könnten sie daher nur dann gegen Mißbrauch geschützt werden, wenn sie Verkehrsgeltung im Sinne des § 9 Abs. 3 UWG. erlangt hätten. Da eine solche Verkehrsgeltung für die Bezeichnung „Handelsregister Österreich“ von der Klägerin zwar behauptet, aber nicht bescheinigt worden sei, sei damit einem Verbot, ein Druckwerk, das die im anschließenden Halbsatz der lit. a des Spruches der einstweiligen Verfügung umschriebenen besonderen Merkmale nicht aufweise, unter der Bezeichnung „Österreichisches Handelsregister“ oder einer ähnlichen Bezeichnung anzukündigen und zu verlegen, der Boden entzogen. Dieses Verbot habe somit aus dem Spruch der einstweiligen Verfügung ausgeschieden und der Sicherungsantrag der Klägerin insoweit abgewiesen werden müssen.

Damit ist das Rekursgericht zunächst insofern im Recht, als der Bezeichnung „Handelsregister Österreich“ für ein Nachschlagewerk, das ein Verzeichnis der in den Handelsregistern der österreichischen Gerichte protokollierten Firmen mit den wichtigsten dort eingetragenen Daten enthält, als einem bloßen Hinweis auf den Inhalt des betreffenden Druckwerks tatsächlich jede Unterscheidungskraft – und damit eine wesentliche Voraussetzung des Schutzes sowohl nach § 80 UrhG, (für Titel von Werken der Literatur) als auch nach § 9 Abs. 1 UWG. (für Titel sonstiger Druckwerke) – fehlt (vgl. zu diesem Erfordernis SZ 23/28 = GRUR 1951, 39 = UFITA 21, 367; ÖBl 1956, 11; ÖBl 1957, 60; ÖBl 1960, 30; ÖBl 1964, 102 = UFITA 42, 238; ÖBl 1965, 66; ferner Peter, Das österreichische Urheberrecht, 230 f. § 80 UrhG., Anm. 9; ferner die Erläuternden Bemerkungen zu § 80 UrhG., abgedruckt bei Peter a.a.O., 622). Mangels dieser Unterscheidungskraft kann aber, wie das Rekursgericht ebenfalls mit Recht hervorgehoben hat, auch die besondere Bezeichnung des von der Klägerin herausgegebenen Druckwerks als solche nur dann gegen einen Mißbrauch durch den Beklagten geschützt werden, wenn und soweit sie bereits Verkehrsgeltung zugunsten der Klägerin erlangt hat (ÖBl 1965, 66).

Die insoweit durchaus zutreffenden Rechtsausführungen des angefochtenen Beschlusses werden von der Klägerin im Revisionsrekurs auch gar nicht in Zweifel gezogen. Die Klägerin meint aber, die ihr obliegende Bescheinigung der Verkehrsgeltung der Bezeichnung „Handelsregister Österreich“ bereits durch ihr – vom Beklagten nicht ausdrücklich bestrittenes – Vorbringen über Art, Umfang und Dauer der Verbreitung dieses Nachschlagewerkes hinlänglich erbracht zu haben. Dabei übersieht die Klägerin jedoch, daß ihre diesbezüglichen Behauptungen in der Klage bzw. im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung – das Druckwerk erscheine in Auflagen von 10.000 Stück, stehe jedem Gericht sowie allen österreichischen Vertretungsbehörden auf der ganzen Welt zur Verfügung, werde in vielen tausend Stück an interessierte Personen, insbesondere Rechtsanwälte und Notare, verkauft und sei ein unentbehrliches Nachschlagewerk für jeden Anwalt und viele Firmen – von den Untergerichten nicht als bescheinigt angenommen worden sind. Diese haben vielmehr lediglich festgestellt, daß das „Handelsregister Österreich“ heuer in 28. Auflage erschienen ist und daß der Klägerin mit Bescheid des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom 19. 9. 1968 gemäß § 58 GewO. 1859 das Recht zum Führen des Staatswappens im geschäftlichen Verkehr verliehen worden ist. Daß diese beiden Feststellungen für sich allein nicht ausreichen, um als bescheinigt annehmen zu können, daß zumindest ein beträchtlicher Teil der von der Klägerin angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung „Handelsregister Österreich“ ausschließlich mit dem Verlagswerk der Klägerin in Verbindung bringt, liegt angesichts des ganz allgemeinen, jeder Kennzeichnungskraft entbehrenden Charakters dieser Bezeichnung auf der Hand. Daran kann auch der Umstand, daß der Beklagte die Behauptungen der Klägerin über Art, Umfang und Dauer der Verbreitung ihres Druckwerks und dessen überaus hohen Bekanntheitsgrad nicht bestritten hat, nichts ändern, weil es gemäß § 389 Abs. 1 Satz 2 EO., § 24 UWG. allein Sache der gefährdeten Partei ist, den von ihr behaupteten Unterlassungsanspruch durch geeignete Bescheinigungsmittel im Sinne des § 274 ZPO. glaubhaft zu machen.

Da die Frage, ob eine bestimmte Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat, eine auf Grund der hiefür in Betracht kommenden tatsächlichen Grundlagen zu beurteilende Rechtsfrage ist (ÖBl 1965, 122; ÖBl 1971, 101), hinreichende Feststellungen in dieser Richtung aber im vorliegenden Fall – anders als in dem vom Oberlandesgericht Wien zu 3 R 180/75 entschiedenen Parallelverfahren – auch vom Rekursgericht nicht getroffen worden sind, kann auch der Oberste Gerichtshof nicht von einer bereits bestehenden Verkehrsgeltung der Bezeichnung „Handelsregister Österreich“ ausgehen. Das Fehlen einer solchen Bescheinigung kann entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht durch Auferlegung einer Sicherheit nach § 390 Abs. 1 EO. ausgeglichen werden, weil die Verkehrsgeltung der von der Klägerin verwendeten Bezeichnung im vorliegenden Fall eine wesentliche Voraussetzung des zu sichernden Unterlassungsanspruches ist, der gänzliche Mangel einer Bescheinigung dieses Anspruches aber nach ständiger Rechtsprechung in keinem Fall durch eine Sicherheitsleistung ersetzt werden kann (SZ 9/150; ÖBl 1971, 98; JBl 1975, 321 u.v.a.).

Die Klägerin macht aber im Revisionsrekurs mit Recht geltend, daß sie sich in ihrem Klageschriftsatz ONr. 1 zum Nachweis bzw. zur Bescheinigung der von ihr behaupteten Verkehrsgeltung der Bezeichnung „Handelsregister Österreich“ auf eine Reihe von Auskunftspersonen berufen und sich erboten hat, diese Personen auf Wunsch des Gerichtes auch telefonisch stellig zu machen (S. 3 f. in Zusammengang mit S. 10). Diese Auskunftspersonen sind bisher nicht vernommen worden. Auch wenn nun sicherlich die Verkehrsgeltung eines Unternehmenskennzeichens im Sinne des § 9 Abs. 3 UWG. regelmäßig nicht durch Vernehmung von Auskunftspersonen oder Parteien, sondern in erster Linie durch Vorlage eines entsprechenden Handelskammergutachtens oder eines sonstigen Sachverständigengutachtens zu bescheinigen sein wird, kann doch einem solchen Beweisanbot die Eigenschaft eines tauglichen Bescheinigungsmittels keineswegs von vornherein abgesprochen werden. Ob die Heranziehung dieses Bescheinigungsmittels das von der Klägerin gewünschte Ergebnis bringt, muß der Beurteilung der Tatsacheninstanzen überlassen werden, welcher der Oberste Gerichtshof nicht vorgreifen darf (ÖBl 1974, 85; ÖBl 1974, 139; ÖBl 1975, 87; ebenso OPM 23.4.1975, Om 5/74). Das Verfahren vor den Untergerichten ist daher mangelhaft geblieben, weil erst nach Aufnahme der von der Klägerin zur Glaubhaftmachung der Verkehrsgeltung angebotenen – tauglichen (§ 274 ZPO.) –Beweise verläßlich beurteilt werden kann, ob eine solche Verkehrsgeltung im konkreten Fall bescheinigt ist oder nicht. Zur Behebung dieses Verfahrensmangels mußten die Beschlüsse der Untergerichte im Umfang der Anfechtung aufgehoben und dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung über den Sicherungsantrag der Klägerin aufgetragen werden.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf § 393 Abs. 1 EO.

 

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