Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
UrhG §80
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
UrhG §80
Spruch:
Das Wort "Adreßbuch" ist nicht schutzfähig, auch wenn es mit einer regionalen Bezeichnung verbunden ist.
Bezeichnungen der Umgangssprache können nicht monopolisiert werden und niemals Verkehrsgeltung erwerben.
Entscheidung vom 8. Februar 1950, 1 Ob 73/50.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die gefährdete Partei hat am 2. November 1935 das Herausgeber-, Verlags- und Titelrecht für das "Adreßbuch von Österreich" erworben. Dieses Adreßbuch für Österreich mit dem Untertitel "für Industrie, Handel und Gewerbe" umfaßt nach ihrer Behauptung in der Gesamtausgabe von neun Bänden die Landesadreßbücher von Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg und das Adreßbuch von Wien. Der Titel des Druckwerkes "Adreßbuch von Österreich" sei von der gefährdeten Partei, bzw. ihrem Rechtsvorgänger, der Firma Rudolf M. AG., zuerst in Gebrauch genommen worden. Es stelle eine besondere Bezeichnung einer Druckschrift nach § 9 UnlWG. dar, weil die Bezeichnung frei gewählt und geeignet gewesen sei, diese Druckschrift von anderen Druckschriften zu unterscheiden. Während der deutschen Okkupation hätte der Titel in "Adreßbuch der Ostmark", später "Adreßbuch der Alpen- und Donaugaue (Ostmark) " umgeändert werden müssen. Nach dem Aufhören der Okkupation habe die gefährdete Partei wieder begonnen, das Adreßbuch von Österreich herauszugeben und dessen Erscheinen in zahlreichen Anzeigen angekundigt, bis es dann 1948 wirklich erschien.
Das Erstgericht hat als bescheinigt angesehen, daß die Antragstellerin ihre Adreßbücher im Jahre 1938 mit "Adreßbuch von Österreich für Industrie, Handel und Gewerbe und Landwirtschaft" bezeichnet habe, im Jahre 1941 als "Adreßbuch der Ostmark für Industrie, Handel und Gewerbe". Seit 1948 laute die Bezeichnung "Adreßbuch von Wien für Industrie, Handel und Gewerbe, früher Lehmann, Teilausgabe des Adreßbuches für Österreich"; "Adreßbuch von Tirol für Industrie, Handel, Gewerbe, Teilausgabe des Adreßbuches von Österreich". Dabei bemerkt das Erstgericht, daß die Titelseite des Adreßbuches für Wien laute: "Adreßbuch für Wien, früher Lehmann", ohne darauf Bezug zu nehmen, daß es nur ein Teilwerk sei.
Die gefährdete Partei hat ferner behauptet, daß die Bezeichnung "Adreßbuch für Österreich" für die von ihr herausgegebenen Druckwerke Verkehrsgeltung erworben habe.
Der Gegner der gefährdeten Partei gibt ebenfalls ein Adreßbuch heraus, unter dem Titel "Der Branchenführer, Verlag Dr. K., Adreßbuch von Österreich". Nach der Behauptung der gefährdeten Partei stellt ihr Adreßbuch ein umfassendes Sammelwerk dar, während das des Antragsgegners nur die protokollierten Firmen Österreichs darstelle.
Die gefährdete Partei beantragte auf Grund dieses Vorbringens, ihrem Gegner die von ihm gebrauchte Bezeichnung seines Druckwerkes mit einstweiliger Verfügung zu verbieten. Der Antragsgegner hat die behauptete Verkehrsgeltung des von der Antragstellerin in Anspruch genommenen Drucktitels bestritten und darauf verwiesen, daß er am 11. August 1949 die Wortmarke "Der Branchenführer, Dr. K., Adreßbuch für Österreich" unter Nr. 12.844 beim Patentamt habe markenrechtlich registrieren lassen.
Das Erstgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung abgewiesen, das Rekursgericht hat sie bewilligt, im wesentlichen mit der Begründung, daß das Handelsgericht Wien in einem gleichartigen Rechtsstreit gegen den mit dem Antragsgegner eng verbundenen Ing. Richard Sch. zu GZ. 4 Cg 37/48 eine einstweilige Verfügung des gleichen Inhaltes erlassen habe, die vom Rekursgerichte bestätigt worden sei. In diesem Erkenntnis sei festgestellt worden, daß die Bezeichnung "Adreßbuch für Österreich" Verkehrsgeltung gewonnen habe. Das Rekursgericht halte es nicht für angezeigt, in dem völlig gleichgelagerten Falle des Dr. K. im Provisorialverfahren einen anderen Rechtsstandpunkt einzunehmen als im Provisorialverfahren gegen Ing. Sch., insolange nicht eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptprozeß diesen Standpunkt als unhaltbar dargetan habe.
Der Oberste Gerichtshof stellte die erstrichterliche Entscheidung wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Beide Streitteile geben Adreßbücher heraus, also Druckwerke, die nicht als Werke der Literatur und Kunst bezeichnet werden können. Der von der Antragstellerin gewählte Titel genießt daher nicht nach § 80 UrhG. Schutz, sondern nach § 9 UnlWG. Eine besondere nach § 9 UnlWG. geschützte Bezeichnung muß etwas Individuelles, etwas "Besonderes" an sich haben, um als Kennzeichen eines bestimmten Druckwerkes dienen zu können. Die Bezeichnung darf nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, es muß ihr vielmehr eine besondere charakteristische Note zukommen. Eine Bezeichnung, die sich durch den Inhalt der Druckschrift von selbst ergibt, hat keine Unterscheidungskraft und ist nach § 9 UnlWG. nicht schutzfähig. Ihre Benützung steht jedermann frei, u. zw. auch dann, wenn der Wettbewerber, der den gleichen Titel ohne Kennzeichnungskraft verwendet, ihn ohne eine in der Sache liegende Notwendigkeit verwendet (vgl. erläuternde Bemerkungen zu dem Entwurf des Urheberrechtsgesetzes zu § 80 des Entwurfes).
Die Bezeichnung "Adreßbuch" ist eine bloße Inhaltsangabe, die unter Verwendung einer dem täglichen Verkehr nicht ungewohnten Wortbildung den Inhalt des so betitelten Druckwerkes beschreibt, ohne die Phantasie des Publikums in Anspruch zu nehmen. Daran ändert auch die Beifügung der regionalen Bezeichnung "von Österreich" nichts, weil ein Zusatz, auf welches territoriale Gebiet sich das Adreßbuch bezieht, unerläßlich ist. Es fehlt daher der strittigen Bezeichnung jedwede Kennzeichnungskraft, die Voraussetzung des Schutzes nach § 9 UnlWG. ist.
Nicht schutzfähige Bezeichnungen können aber niemals Verkehrsgeltung erwerben; Bezeichnungen der Umgangssprache können nicht monopolisiert und dem allgemeinen Verkehr entzogen werden. Nur unterscheidungsfähige Zeichen im oben dargelegten Sinne können Verkehrsgeltung gewinnen. Zeichen, die aus schutzunfähigen Elementen bestehen, können nur dann Verkehrsgeltung gewinnen, wenn wenigstens einer ihrer Bestandteile nicht absolut schutzunfähig ist. So könnte z. B. die Bezeichnung "Das rote Adreßbuch" Verkehrsgeltung gewinnen, weil hier die Bezeichnung "rot" entweder auf die verwendete rote Farbe des Titelblattes oder des Einbandes verweist, also eine spezifische Note eines bestimmten Adreßbuches hervorhebt, nicht aber das Wort "Adreßbuch" schlechthin, das bloße Inhaltsbezeichnung ist.
Das Rekursgericht hat daher nach der Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes die erbetene einstweilige Verfügung zu Unrecht bewilligt.
Es mußte daher dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der erstrichterliche Beschluß wieder hergestellt werden.
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