European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00582.75.1021.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 1.989,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 240,– Barauslagen und S 129,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 25. 10. 1971 wurden zwei unter die Erde verlegte Stromkabel der Klägerin durch eine von J* G* gelenkte Planierraupe der Beklagten beschädigt.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Ersatz der Reparaturkosten von S 31.500,– samt Anhang. Die Beklagte habe als Subunternehmerin einer Arbeitsgemeinschaft den Abbruch eines Hauses auf dem Areal des Krankenhauses * in eigener Regie und Verantwortung übernommen. Bei Durchführung dieses Auftrages seien die beiden Kabel durch unsachgemäßes Vorgehen des bei der Beklagten beschäftigten Raupenfahrers beschädigt worden; für das Verschulden dieses Bediensteten habe die Beklagte einzustehen.
Demgegenüber behauptet die Beklagte, daß die Beschädigung der beiden Kabel nicht bei Durchführung des von der Beklagten übernommenen Auftrages zum Abbruch des Hauses und zum Wegführen des Abbruchmaterials geschehen sei, sondern während einer von der Beklagten nicht zu vertretenden, von einem Polier der Arbeitsgemeinschaft angeordneten Sonderarbeit, nämlich beim Ausheben eines Loches zur Versenkung von Abbruchmaterial. Die Beklagte könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß sich eine fremde Person widerrechtlich in ihre Angelegenheiten eingemischt habe; die Klage hätte daher richtigerweise nicht gegen die Beklagte, sondern gegen diesen Polier oder seinen Dienstgeber eingebracht werden müssen.
Die Firma ARGE * – richtig: die Arbeitsgemeinschaft * – und der Polier W* R* sind dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten auf der Seite der Klägerin beigetreten.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Seiner Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Die Arbeitsgemeinschaft * hatte den Neubau des Stadtspitals * und des Unfallkrankenhauses durchzuführen. Im Zuge dieser Arbeiten – und zwar bei der äußeren Gestaltung der Gartenanlagen – betraute die genannte Arbeitsgemeinschaft die Beklagte mit dem Abbruch des sogenannten „Gärtnerhauses“. Die Beklagte übernahm diesen Auftrag gegen Zahlung eines Pauschalbetrages, geriet aber mit ihren Arbeiten in Verzug. Da von der Durchführung des Abbruches die Weiterführung der Arbeiten zur Gartengestaltung abhängig war, drängten sowohl der Gartenarchitekt N* als auch die Gartenfirma L* den Polier der Arbeitsgemeinschaft, W* R*, für die Beendigung der Abbrucharbeiten Sorge zu tragen. R* erhielt von der Beklagten durch deren Gesellschafter H* M* die Auskunft, daß die Arbeiten am Samstag, den 23. 10. 1971 abgeschlossen würden; er mußte dann aber am Montag, den 25. 10. 1971 feststellen, daß immer noch Mauerreste des „Gärtnerhauses“ vorhanden waren.
Der Raupenfahrer der Beklagten, J* G*, hätte an diesem Tag (25. 10. 1971) mit seiner Planierraupe für die Firma L* Arbeiten auf dem Spitalsareal durchführen sollen. Da von der Firma L* aber niemand anwesend war, der ihm Aufträge erteilt hätte, wandte sich J* G* an den Polier der Arbeitsgemeinschaft, W* R*, und fragte, ob er nicht irgendeine Arbeit für die Maschine habe, damit diese nicht nutzlos herumstehe. Auf den Vorhalt des Poliers, warum die Beklagte die Abbrucharbeiten nicht, wie versprochen, am Samstag beendet habe, antwortete G*, daß hiefür keine LKWs. zur Verfügung gestanden seien; man werde die Arbeiten jedoch am Montag nach 18 Uhr fertigstellen. W* R* sagte darauf zu J* G*, daß man ja das Abbruchmaterial nicht unbedingt wegfahren müsse; man könne auch mit der Raupe ein Loch graben, das Material dort versenken und es dann mit dem Aushubmaterial abdecken. In der Folge wies der Polier den Raupenfahrer den Bereich, wo er das Loch hätte ausgraben können, genau zu. Danach sollte der Aushub im Bereich des „Gärtnerhauses“ und etwas südlich davon stattfinden. In der Nähe dieses Grabbereiches verlief eine – an den Schachtdeckeln erkennbare – Kanalisation, und zwar 2,5 bis 2,8 m unter dem Erdniveau. Elektrokabel waren in diesem Bereich nicht verlegt, wohl eher etwa 8 bis 10 m davon entfernt. Ein konkreter Auftrag des Poliers W* R* an J* G*, das Abbruchmaterial auf diese Weise zu vergraben, ist nicht erwiesen.
Nachdem sich W* R* in der Folge entfernt hatte, nahm G* seine Arbeit auf und begann, etwa 2 - 3 m vom Nachbarsgrundstück her eine Rampe herunterzuschieben. Als er zwei- oder dreimal mit der Schaufel der Raupe in das Erdreich eingefahren war, sah er beim Ausleeren der Schaufel ein Stück gelbes Band herausfallen, wie es zur Kennzeichnung von Elektrokabeln verwendet wird. Da J* G* der Meinung war, es handle sich hier um irgendwelche alte Kabel, fuhr er mit der Raupenschaufel noch einmal in das Erdreich; danach mußte er feststellen, daß er ein Kabel beschädigt und ein anderes abgerissen hatte. Diesen Vorfall meldete er dem Polier W* R*; dabei erklärte er, daß er das gelbe Warnband wohl gesehen, jedoch gedacht habe, daß es sich dabei um alte Kabel handeln werde.
Für die Behebung der Schäden an den beiden Kabeln mußte die Klägerin S 31.500,– aufwenden.
Rechtlich bejahte das Erstgericht eine Haftung der Beklagten für diesen Schaden der Klägerin. Die Behauptung der Beklagten, daß sich W* R* widerrechtlich in ihre Angelegenheiten eingemischt habe, sei durch das Beweisverfahren widerlegt worden; J* G* habe vielmehr trotz der Zuweisung des abgegrenzten Areals seine Grabetätigkeit eigenmächtig bis auf das Nachbargrundstück ausgedehnt und dort die beiden Kabel beschädigt. Da er sich in der Folge nicht einmal durch das Auftauchen des gelben Warnbandes davon abhalten ließ, mit seiner Raupe weiterzugraben, obgleich er in diesem Zeitpunkt jedenfalls zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen wäre, könne an seinem Verschulden nicht gezweifelt werden. Für dieses Verschulden ihres Dienstnehmers habe aber die Beklagte gemäß § 1313a ABGB. einzustehen.
Infolge Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Fraglich sei, ob die Tätigkeit J* G*s am 25. 10. 1971 überhaupt noch zur Ausführung des der Beklagten erteilten Abbruchauftrages gehörte, oder ob J* G* nicht vielmehr die Kabel in Befolgung einer – tatsächlichen oder vermeintlichen, von der Beklagten jedenfalls nie geplanten und für sie auch nicht voraussehbaren – Anordnung des Poliers der Arbeitsgemeinschaft beschädigt habe, weil er an diesem Tag zumindest faktisch eher dem Betrieb der Arbeitsgemeinschaft eingegliedert gewesen sei. Selbst wenn man aber unterstelle, daß diese Tätigkeit J* G*s im weitesten Sinne doch noch zum Abbruch des „Gärtnerhauses“ gehörte, müßte eine Haftung der Beklagten für den Schaden der Klägerin verneint werden: § 1313a ABGB. sei nur anwendbar, wenn derjenige, dessen Haftung in Anspruch genommen wird, demjenigen gegenüber zu einer Leistung verpflichtet sei, der diese Haftung in Anspruch nehme. Da zwischen der Beklagten und der Klägerin keine vertraglichen Beziehungen bestanden hätten, die Beklagte vielmehr nur als Subunternehmer und damit als Erfüllungsgehilfe der Arbeitsgemeinschaft tätig geworden sei, habe sie nach herrschender Auffassung nicht nach dem Inhalt des zwischen ihrem Geschäftsherrn (Arbeitsgemeinschaft) und dem – im Verfahren gar nicht festgestellten – Auftraggeber (Bauherrn) bestehenden Vertragsverhältnis zu haften, sondern nur auf Grund des Gesetzes nach allgemeinen Grundsätzen, also nur im Rahmen einer eigenen deliktischen Haftung oder im Rahmen des § 1315 ABGB. für ihre Besorgungsgehilfen. Für die Klägerin sei aber auch aus der Lehre Bydlinskis über die vertraglichen Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter (JBl 1960, 359) – auf welche sie sich im übrigen gar nicht berufen habe – nichts zu gewinnen, weil es an dem von dieser Lehre geforderten Naheverhältnis zwischen dem Vertrag über die Hauptleistung und einer allfälligen vertraglichen Sorgfaltspflicht zugunsten der Klägerin fehle; da weder für die Beklagte noch für ihren Vertragspartner die Beschädigung unterirdisch verlegter Kabel auf einem Nachbargrundstück vorhersehbar gewesen sei, könne eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zum Schutz solcher Kabel daher gleichfalls nicht angenommen werden.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von der Klägerin seinem ganzen Inhalt nach mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Revisionsantrag geht auf Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
In Ausführung ihrer Rechtsrüge leitet die Klägerin die von ihr behauptete Haftung der Beklagten für die Beschädigung der beiden Kabel ausschließlich aus § 1313a ABGB. ab: Der Schutz dieser der öffentlichen Stromversorgung dienenden Kabel gegen Beschädigungen jeder Art sei eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung aller und damit eine „Leistung“, zu der jedermann verhalten sei; auf Grund dieser Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Natur, welche über eine bloß vertragliche Sorgfaltspflicht weit hinausgehe, habe die Beklagte gemäß § 1313a ABGB. das grob fahrlässige Verhalten ihres Erfüllungsgehilfen J* G* zu vertreten. Diesen Ausführungen vermag der Oberste Gerichtshof jedoch nicht zu folgen:
Nach § 1313a ABGB. haftet, wer einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist, für das Verschulden der Person, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes. Diese Gesetzesstelle verlangt also ein bereits bestehendes Schuldverhältnis, eine gegenüber bestimmten Personen bestehende schuldrechtliche Verpflichtung, mag sie im Einzelfall auf einem Gesetz, einem Rechtsgeschäft (Vertrag) oder einer erlittenen Beschädigung beruhen (§ 859 ABGB.); handelt es sich hingegen um eine Verpflichtung, die jemandem durch eine bestimmte Norm im Interesse der Allgemeinheit auferlegt wird, dann ist § 1313a ABGB. unanwendbar (Jud. 50 neu = SZ 18/150; EvBl 1959/126; JBl 1959, 416; EvBl 1965/256 = JBl 1965, 469 = RZ 1965, 28 = ZVR 1965/117; MietSlg 21.252; MietSlg 22.190; EvBl 1970/344; EvBl 1974/109 u.v.a., zuletzt etwa 1 Ob 196/74, 3 Ob 122/74, 7 Ob 220/74; ferner Ehrenzweig² II/1, 295; Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz 186; Koziol‑Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts3 I 313).
Im konkreten Fall hat das Berufungsgericht eine der Beklagten gegenüber der Klägerin obliegende schuldrechtliche Verpflichtung mit Recht verneint: Die Beklagte hatte den Auftrag zur Durchführung der Abbrucharbeiten von der Arbeitsgemeinschaft *, nicht aber, wie die Klägerin in der Revision – abweichend von ihrem bisherigen Prozeßvorbringen und entgegen den ausdrücklichen Feststellungen der Untergerichte – erstmals behauptete, vom Bauherrn des Spitalsneubaues übernommen; sie stand damit nur mit dieser Arbeitsgemeinschaft, nicht aber auch mit der Klägerin in vertraglichen Beziehungen. Auch die Klägerin selbst leitet ihren Ersatzanspruch nicht aus einer konkreten, ihr gegenüber bestehenden Vertragspflicht der Beklagten ab, sondern aus der ihrer Meinung nach im öffentlichen Recht begründeten Verpflichtung der Allgemeinheit, die der Stromversorgung der Stadt * dienenden Kabel der Klägerin gegen Beschädigungen zu schützen; eine solche allgemeine Schutzpflicht reicht aber im Sinne der obigen Rechtsausführungen zur Anwendung des § 1313a ABGB. nicht aus: Nach ständiger Rechtsprechung (Jud. 50 neu = SZ 18/150; MietSlg 22.190; 3 Ob 122/74) können zwar grundsätzlich auch Verpflichtungen des öffentlichen Rechtes eine Heranziehung des § 1313a ABGB. rechtfertigen; es muß sich dabei aber im Sinne der oben dargelegten Grundsätze in jeden Einzelfall um eine solche Verpflichtung handeln, die ihrem Inhalt nach einer privatrechtlichen, gegenüber bestimmten Personen bestehenden Verpflichtung gleichkommt. Gerade davon kann aber bei der von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruches herangezogenen generellen Schutz- und Sorgfaltspflicht der Allgemeinheit zugunsten ihrer Stromkabel nach dem Gesagten keine Rede sein.
Daß eine Haftung der Beklagten für das Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen J* G* im konkreten Fall auch nicht aus den von der Rechtsprechung im Anschluß an Bydlinski (JBl 1960, 359 ff.) entwickelten Grundsätzen über vertragliche Sorgfalts- und Schutzpflichten zugunsten Dritter abgeleitet werden kann, wird von der Klägerin in der Revision ausdrücklich zugestanden. Verpflichtungen dieser Art werden nämlich, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gegenüber dritten, am Vertrag nicht beteiligten Personen nur dann angenommen werden können, wenn diese Personen bei objektiver Auslegung des Vertrages tatsächlich insofern begünstigt erscheinen, als ihr Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Abschluß des Vertrages voraussehbar war und derjenige, der sich die Leistung versprechen läßt, am Schutz auch ihrer Rechtsgüter ein offensichtliches eigenes Interesse hatte oder kraft eigener Rechtspflicht zu ihrem Schutz verpflichtet war (SZ 43/236; JBl 1960, 386; EvBl 1963/377; JBl 1963, 570; EvBl 1969/216; EvBl 1974/98 u.a., zuletzt etwa 2 Ob 266/74, 8 Ob 119/75). Diese Voraussetzungen waren aber im konkreten Fall schon deshalb nicht gegeben, weil bei der Übernahme des Abbruchauftrages durch die Beklagte eine Beschädigung unterirdisch verlegter Kabel auf einem Nachbargrundstück weder für die Beklagte noch für ihre Vertragspartnerin vorhersehbar war und damit die Annahme eines der Beklagten erkennbaren Eigeninteresse der Arbeitsgemeinschaft * am Schutz dieser Kabel von vornherein ausscheidet.
Fehlt es aber, wie diese Ausführungen zeigen, an einer von der Beklagten – ausdrücklich oder schlüssig –übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtung zum Schutz der Stromkabel der Klägerin, dann ist einer Heranziehung des § 1313a ABGB. zur Begründung einer Haftung der Beklagten für das Verschulden ihres Dienstnehmers der Boden entzogen. Tatsachen, die ein eigenes Verschulden der Beklagten an der Beschädigung der Kabel – insbesondere in der Richtung eines Auswahl-, Überwachungs- oder Organisationsverschuldens –rechtfertigen könnten, hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet. Da das Beweisverfahren aber auch keine Anhaltspunkte für eine (habituelle) Untüchtigkeit des Raupenfahrers J* G* im Sinne des § 1315 ABGB. erbracht hat – sie könnte nach Lehre (Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz 187; * a.a.O. 314) und Rechtsprechung (SZ 26/96; SZ 39/170 = EvBl 1967/366; EvBl 1957/350; EvBl 1971/264 = JBl 1971, 308; EvBl 1974/109 u.a.) aus einem einmaligen, wenn auch grob fahrlässigen Fehlverhalten des Besorgungsgehilfen nur ausnahmsweise unter besonderen, hier nicht einmal behaupteten Umständen abgeleitet werden –, kommt eine Haftung der Beklagten für das Verschulden J* G*s schließlich auch unter dem Gesichtspunkt des § 1315 ABGB. nicht in Betracht.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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