OGH 1Ob204/75

OGH1Ob204/7515.10.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, Angestellter *, vertreten durch Dr. Franz Wiesner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei M*, Private *, vertreten durch Dr. Hans Paar, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe (restlicher Streitwert S 9.000,‑‑), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1975, GZ. 3 R 70/75‑22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 3. März 1975, GZ. 16 Cg 130/73‑18, im angefochtenen stattgebenden Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00204.75.1015.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in dem von der Abänderung durch das Berufungsgericht betroffenen Teil und im Kostenpunkt aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Herausgabe einer kompletten Stereoanlage, eines Transistorgerätes, einer Höhensonne und von 5 Büchern der Serie „Angelique“, die der Kläger anläßlich der Begründung einer vorübergehenden Lebensgemeinschaft zur Beklagten brachte und die bei seinem Wiederausziehen dort blieben. Während der Erstrichter diesem Teil des Klagebegehrens stattgab, änderte das Berufungsgericht das Ersturteil aus rechtlichen Gründen im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung ab.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstrichters blieben die Stereoanlage, das Transistorgerät und die Höhensonne, nachdem der Kläger die Beklagte wieder verlassen hatte, eine Zeit lang in deren Gasthaus und verschwanden dann von dort, wahrscheinlich wurden sie bei einem Einbruch gestohlen. Die bei der Beklagten verbliebenen Bücher befinden sich ebenfalls nicht mehr in ihrem Besitz, sondern sind im Laufe der Zeit in Verlust geraten. Bereits als die Beklagte noch vor Einbringung der Klage das Gasthaus aufgab und von Graz nach Feldkirchen übersiedelte, waren alle strittigen Gegenstände nicht mehr in ihrem Besitz.

Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes setzt die vom Kläger erhobene Eigentumsklage die Innehabung der eingeklagten Sachen voraus, die hier fehle. Das Klagebegehren sei überdies unbestimmt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt der Kläger die Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und das Ersturteil zu bestätigen, richtig: das Berufungsurteil im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Eigentumsklage nach § 366 ABGB den Besitz oder die Innehabung der geforderten Sachen durch den Beklagten voraussetzt. Das ergibt sich (vom Fall der Hauptinterventionsklage abgesehen) sowohl aus § 366 ABGB, wonach der Eigentümer die ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber gerichtlich fordern kann, wie auch aus § 369 ABGB, wonach der Eigentumskläger den Beweis führen muß, daß der Beklagte die eingeklagte Sache in seiner „Macht“ habe. Die Eigentumsklage erfordert daher die Gewahrsame des Beklagten oder wenigstens seinen sogenannten mittelbaren Besitz (Innehabung durch einen Dritten im Namen des Beklagten) und zwar im Zeitpunkt der Zustellung der Klage oder des Schlusses der mündlichen Verhandlung (Klang in Klang 2 II 217 f; Koziol-Welser Grundriß 3 II 69, GlUNF 6659, EvBl 1955/375, MietSlg 18.033).

Der Meinung des Revisionswerbers, daß ein Ersatzbegehren in Geld erst gestellt werden könnte, wenn eine Exekutionsführung auf Grund eines zu diesem Zweck erforderlichen Herausgabetitels erfolglos blieb, kann nicht gefolgt werden. Die Interessenklage im Sinne des § 368 EO setzt nach nun herrschender Rechtsansicht Urteil und Exekution auf Herausgabe nicht voraus (RZ 1957, 91 SZ 30/17, EvBl 1967/311 ua). Jedoch wäre bei Ableitung des Anspruches bloß aus dem Eigentum, auch für die Klage auf das Interesse die Innehabung der Streitgegenstände durch die Beklagte in einem der oben genannten Zeitpunkte erforderlich (SZ 27/154 ua), weil § 368 EO keinen neuen materiell-rechtlichen Anspruch gewährt, sondern das Bestehen eines in Geld zu ersetzenden Anspruches aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis voraussetzt (SZ 24/55, SZ 43/113 ua). Das bedeutet, daß jede Klage aus dem Rechtstitel bloß des Eigentums hier tatsächlich erfolglos bleiben muß.

Bei der allseitigen rechtlichen Prüfung der Sache auf Grund der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge ist aber wahrzunehmen, daß die Klage entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ungeachtet der darin enthaltenen Behauptung des Eigentums an den strittigen Fahrnissen nicht ausschließlich auf diesen Rechtstitel gestützt wurde. Der Kläger hat vielmehr ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Rechtsgrund zusätzlich vorgebracht, daß die Beklagte ihm den weiteren Zutritt in ihre Wohnung verwehrt und trotz seines Ersuchens die Herausgabe der Fahrnisse verweigert habe. Diese Behauptung, zu der die Untergerichte Feststellungen nicht getroffen haben, ist rechtserheblich. Aus der Verletzung vertraglicher Rückstellungspflichten (SZ 27/220) oder einer widerrechtlichen Entziehung der Streitgegenstände (SZ 25/98 ua) folgt nämlich ein vom Eigentum unabhängiger obligatorischer Herausgabeanspruch, von dem sich der Beklagte nicht schon durch die Einwendung befreien kann, er wisse nicht, wo sich die Sachen befinden, sondern behaupten und nachweisen muß, daß die Streitgegenstände nicht mehr existieren oder nicht mehr beschafft werden können. Hier begründete zwar die Einbringung von Fahrnissen in eine Lebens- und Wohnungsgemeinschaft noch keine Verwahrungspflicht.

Mangels Behauptung einer gegenteiligen Vereinbarung war die Beklagte aber verpflichtet, nach der aus welchen Gründen immer erfolgten Auflösung der Lebensgemeinschaft dem Kläger die Mitnahme seines Eigentums zu gestatten. Im Falle des Zutreffens der Klagebehauptung, daß sie trotz Ersuchens des Klägers die Herausgabe seiner Fahrnisse verweigert habe, hätte die Beklagte also rechtswidrig gehandelt, sich unberechtigterweise eines Besitztitels angemaßt (§ 319 ABGB) und die Fahrnisse des Klägers in der Folge unrechtmäßig (§ 316 ABGB) und unredlich (§ 326 ABGB) besessen. Eine solche Aneignung nicht zustehender Verfügungsgewalt würde eine widerrechtliche Entziehung der Streitgegenstände im oben genannten Sinn darstellen, sodaß zur Abwehr des Herausgabeanspruches nicht mehr wie bei der Eigentumsklage der Nachweis genügte, daß die Beklagte im Zeitpunkte der Klagszustellung (oder des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz) nicht mehr im Besitze der Streitgegenstände war. Auch die Feststellung, daß die Sachen „wahrscheinlich“ bei einem Diebstahl weggekommen seien, genügt nicht der der Revisionsgegnerin bei Zutreffen der Klagsbehauptungen obliegenden Beweislast, daß die Sachen tatsächlich nicht mehr vorhanden sind und auch nicht mehr beschafft werden können. Soferne der Beklagten der letztgenannte Beweis nicht gelingen wird trägt der Revisionswerber bloß die Gefahr, daß seine Exekutionsführung auf die herauszugebenden Sachen ergebnislos bleiben kann und er dann allenfalls einen zweiten Prozeß auf Leistung des Interesses führen muß (SZ 25/98), das er nach dem oben Gesagten auch jetzt schon begehren könnte.

Es erweist sich daher eine Ergänzung der Feststellungen dahin als notwendig, ob einerseits die Beklagte die Ausfolgung der Streitgegenstände verweigerte (dies hat der Revisionswerber zu beweisen) und andererseits ob (bei diesbezüglicher Beweislast der Beklagten) eine Rückstellung der Streitgegenstände im oben genannten Sinn unmöglich ist. Beide Fragen bedürfen einer Erörterung mit den Parteien und sodann der Vornahme ergänzender Feststellungen.

Entgegen der Meinung des Rekurswerbers trifft hingegen die Beurteilung des Berufungsgerichtes zu, daß das Klagebegehren – allerdings bis auf die Bücher – derzeit noch zu wenig bestimmt im Sinne des § 226 Abs. 1 ZPO ist, weil die herauszugebenden Fahrnisse nicht in einer solchen Weise näher beschrieben sind (§ 7 Abs. 1 EO), daß keine Zweifel über die Art und Güte auftreten können (vgl. Heller-Berger-Stix in Neumann-Lichtblau EO4 I/192) und keine Verwechslung möglich wäre (MietSlg 23.549/16 ua), andererseits aber auch die sogenannte lokale Individualisierung (vgl. SZ 23/157) beim festgestellten Nichtbesitz der Beklagten nicht mehr in Betracht kommt. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch keine sofortige Klagsabweisung. Wenn ein Rechtsmittelgericht im Gegensatz zum Erstrichter das Klagebegehren für zu wenig bestimmt hält, muß es das Urteil erster Instanz aufheben und dem Erstgericht die Anleitung des Klägers nach § 182 ZPO auftragen. Das Berufungsgericht war hiezu allerdings infolge seiner materiell‑rechtlichen Beurteilung der Sache nicht veranlaßt, sodaß ein sonst gegebener Mangel des Berufungsverfahrens (SZ 41/148 ua) hier nicht vorliegt. Der Oberste Gerichtshof muß aber den nun erheblich gewordenen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens wahrnehmen. Der Erstrichter wird also auch auf eine Verdeutlichung des Klagebegehrens hinzuwirken haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO

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