OGH 1Ob191/75

OGH1Ob191/758.10.1975

SZ 48/102

Normen

ABGB §871
ABGB §1295
ABGB §871
ABGB §1295

 

Spruch:

Mögliche Geschäftspartner treten schon mit der Kontaktaufnahme in ein beiderseitiges vorvertragliches Schuldverhältnis, das sie insbesondere verpflichtet, einander über die Beschaffenheit der in Aussicht genommenen Leistungsgegenstände aufzuklären und Umstände mitzuteilen, die einem gültigen Vertragsabschluß entgegenstehen; eine Verletzung dieser Verpflichtungen macht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1295 ABGB schadenersatzpflichtig

Wer den Irrtum eines anderen schuldhaft und rechtswidrig, wenn auch bloß fahrlässig, veranlaßte, ist diesem gegenüber schadenersatzpflichtig

OGH 8. Oktober 1975, 1 Ob 191/75 (OLG Wien 1 R 111/75; HG Wien 11 Cg 303/74)

Text

Der Kläger ist Inhaber eines medizinisch-diagnostischen Laboratoriums, das über Zuweisung durch andere Ärzte Befunde (z. B. über Blut- und Harnuntersuchungen) erstellt. Da diese Untersuchungen immer mehr zunahmen und Mangel an geschultem Personal bestand, erwog der Kläger die Anschaffung einer Datenverarbeitungsanlage von der beklagten Partei, die nach tagelanger Beobachtung der Arbeitsvorgänge im Laboratorium des Klägers durch ihre Angestellten Dr. Helmut H und Dipl.-Kfm. Erich P dem Kläger im März 1970 einen Organisationsvorschlag und ein Angebot (Beilage B) übermittelte. Die beklagte Partei bot dem Kläger zur Bewältigung des im Organisationsvorschlag erwähnten Datenanfalles eine Datenverarbeitungsanlage GE 53 an und sicherte ihm zu, daß sie durch weitgehende Organisations- und Programmierungsunterstützung die reibungslose und kurzfristige Übernahme der geplanten Arbeitsgebiete durchführen werde. Am 29. April 1970 (Beilage II) unterbreitete die beklagte Partei dem Kläger als Nachtrag zu ihrem Angebot über die Datenverarbeitungsanlage GE 53 ein neues, ebenfalls eine solche Anlage betreffendes Angebot mit einem etwas verringerten Kaufpreis und verringerten monatlichen Wartungskosten, auf Grund dessen dann ein Kaufvertrag vom Mai 1970 (Beilage 2) abgeschlossen wurde. Mit der Behauptung, die gelieferte Anlage habe nicht die zugesicherte Leistung erbracht, begehrte der Kläger die Aufhebung des Kaufvertrages aus dem Titel der Gewährleistung und focht ihn auch wegen Irreführung und von der beklagten Partei veranlaßten Irrtums an. Mit dem in diesem Rechtsstreit ergangenen rechtskräftigen Teilurteil des Erstgerichtes vom 19. Dezember 1973 wurde der zwischen dem Kläger als Käufer und der beklagten Partei als Verkäuferin im Mai 1970 abgeschlossene Kaufvertrag samt Nachtrag zum Kaufvertrag sowie der Wartungsvertrag vom Mai 1970 betreffend eine Datenverarbeitungsanlage GE 53, bestehend aus den im Maschinenverzeichnis angeführten Geräten, die für das medizinischdiagnostische Laboratorium des Klägers bestimmt waren, wegen Irrtums als nichtig aufgehoben. In diesem Urteil wurde festgestellt, der Kläger habe, durch das Verhalten der beklagten Partei veranlaßt, irrtümlich angenommen, daß auch die in der Beilage II angebotene Anlage die gleiche Leistungskapazität habe wie diejenige, die in Beilage B angeboten worden sei; die gelieferte Anlage sei nicht in der Lage gewesen, den im Organisationsvorschlag angeführten Datenanfall zu bewältigen.

Der Kläger begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung von 103.093.30 S samt Anhang. Da die beklagte Partei den Kläger auf das Nichtvorhandensein der von ihr behaupteten Eigenschaften der gelieferten Anlage GE 53 und damit auf die Nichteignung der Anlage für das Laboratorium des Klägers nicht hingewiesen habe, habe sie den Kläger zur Einstellung eines Programmierers in der Zeit vom 1. November 1970 bis 30. Juni 1971 zum Ankauf von Endlospapier für Druckwerk und zur Vornahme der entsprechenden baulichen Veränderungen bzw. Instandsetzung der Räume einer freigewordenen Wohnung veranlaßt. Die durch die Einstellung eines Programmierers aufgelaufenen Gehaltskosten hätten 50.957.30 S, die Kosten für den Ankauf von Papier für die EDV-Anlage 34.136 S und die Kosten der Instandsetzung der für die Unterbringung der Anlage in Aussicht genommenen Räume und die erforderlichen baulichen Veränderungen 18.000 S betragen. Die Verpflichtung zum Schadenersatz ergebe sich aus § 932 ABGB, aber auch aus der listigen Irreführung des Klägers durch die beklagte Partei.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, daß der Anspruch des Klägers zu Recht bestehe. Der Kläger habe den Programmierer Gerhard G angestellt und EDV-Papier erworben, das für den Kläger nicht mehr den vollen Wert besitze. Die Verkäufer der beklagten Partei hätten allerdings nicht arglistig gehandelt. Für denjenigen, der den Vertragspartner bloß fahrlässig in Irrtum geführt habe, bestehe keine Schadenersatzpflicht. Wohl aber bestehe nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes eine Pflicht zum Ersatz des mittelbaren Schadens, der durch eine mangelhafte Lieferung, die unter die Gewährleistungspflicht falle, verursacht werde. Der Kläger habe zulässig auch Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Weil die verkaufte Anlage die zugesicherte Leistung nicht erbringen habe können, habe nach Lieferung auch ein Anspruch auf Gewährleistung bestanden.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil, soweit es auch den Anspruch auf Ersatz der dem Kläger erwachsenen Kosten für bauliche Veränderungen usw. von 18.000 S als dem Gründe nach zu Recht bestehend anerkannte, unangefochten auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an die erste Instanz zurück; im übrigen bestätigte es die erstgerichtliche Entscheidung mit Teilurteil. Die Rechtsansicht, daß bloß fahrlässige Irreführung nicht zum Schadenersatz verpflichte, sei von Welser mit Recht abgelehnt worden. Die Redaktoren des § 874 ABGB hätten die Verantwortlichkeit des fahrlässig irreführenden Kontrahenten für selbstverständlich gehalten. Das von Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 145 gebrauchte acontrario-Argument aus § 874 ABGB führe zu einem Wertungswiderspruch mit § 875 ABGB, wonach bei Irreführung durch einen außenstehenden Dritten die §§ 870 bis 874 ABGB anzuwenden seien, wenn der Gegner des Irrenden an der Handlung des Dritten teilgenommen hatte oder von ihr offenbar wissen mußte. Der Partner des Irrenden werde schon dann schadenersatzpflichtig, wenn er die Irreführung durch den Dritten habe kennen müssen, diesbezüglich also fahrlässig gewesen sei. Hafte der Partner somit schon bei Kennenmüssen einer fremden Irreführung, müsse er umsomehr für das Kennenmüssen eines eigenen irreführenden Verhaltens verantwortlich sein. Es sei der Auffassung, daß aus einem nichtigen Vertrag keinerlei Ansprüche und folglich auch nicht solche aus positiver Vertragsverletzung hergeleitet werden können, mit Recht entgegengetreten worden. Bereits vor dem Vertragsabschluß bestunden Schutzpflichten, insbesondere Sorgfalts-, Obhuts- und Aufklärungspflichten, deren schuldhafte Verletzung als "culpa in contrahendo" oder als "Verschulden beim Vertragsschluß" bezeichnet werde. Die Verpflichtung zur Aufklärung des Vertragspartners werde auch durch eine ex-tunc-Vernichtung des Vertrages nicht beseitigt. Der Kläger habe der beklagten Partei die Anforderungen, die er an die Datenverarbeitungsanlage gestellt habe, bekanntgegeben. Die Beklagte habe durch die Entsendung zweier Angestellter die genauen Verhältnisse im Laboratorium des Klägers erforscht und auf Grund ihrer Angaben den Organisationsvorschlag Beilage B erstellt. Der Kläger habe darauf vertrauen können, daß die ihm von der beklagten Partei angebotene Anlage den gegebenen Anforderungen gerecht werden könnte. Es habe ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien bestanden, das der beklagten Partei Schutzpflichten, insbesondere Aufklärungspflichten, auferlegt habe. Für den aus der Verletzung dieser Pflichten entstandenen Schaden habe die beklagte Partei zu haften. Aber selbst wenn an sich fahrlässige Irreführung allein keine Schadenersatzpflicht nach sich zöge, müßte sie doch anerkannt werden, wenn andere Umstände, die die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Schadenersatzpflicht begrunden, hinzuträten. Im vorliegenden Fall ergebe sich eine Verpflichtung der beklagten Partei zur Schadenersatzleistung aus § 932 Abs. 1 letzter Satz ABGB. Dafür, daß dieser ausgeschlossen sein solle, wenn nicht nur Gewährleistung geltend gemacht wird, sondern auch der Vertrag wegen Irrtums angefochten werden könne, bestehe kein Anhaltspunkt. Irrtums- und Gewährleistungsansprüche könnten nebeneinander bestehen. Der Anspruch des Klägers bestehe daher dem Gründe nach zu Recht. Nur für das Begehren auf Bezahlung der 18.000 S fehle jede Feststellung, daß der Kläger für Adaptierungsarbeiten überhaupt Aufwendungen gemacht habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei gegen das bestätigende Teilzwischenurteil des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Rechtskräftig und daher bindend ist festgestellt, daß der zwischen den Streitteilen über den Kauf einer Datenverarbeitungsanlage GE 53 abgeschlossenen Vertrag wegen von der beklagten Partei veranlaßten Irrtums aufgehoben wurde. Damit steht fest, daß rechtlich zwischen den Parteien keinerlei Vertragsverbindlichkeiten als bestehend anzusehen sind, so daß sich, wie das Berufungsgericht richtig darlegte, zunächst die Frage stellt, ob der beklagten Partei dem Kläger gegenüber dennoch Verpflichtungen oblagen, die wie Vertragsverletzungen zu behandeln sind. Lehre und Rechtsprechung gehen dabei vor allem von der Bestimmung des § 878 Satz 3 ABGB aus, wonach derjenige, der bei Abschluß eines Vertrages die Unmöglichkeit (seiner Durchführung) kannte oder kennen mußte, also vorsätzlich oder fahrlässig handelte, dem anderen Teil, falls von diesem nicht dasselbe gilt, den Schaden zu ersetzen hat, den er durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages erlitten hat. Wenn auch das ABGB keine generelle Regelung vorvertraglicher Pflichten enthält, wird dennoch aus der erwähnten und ähnlichen Bestimmungen (z. B. §§ 248, 866, 869, 874, 932 Abs. 1 letzter Satz ABGB) das Bestehen solcher Verbindlichkeiten abgeleitet (SZ 46/22; JBl. 1932,

586) und damit begrundet, daß mögliche Geschäftspartner schon mit der Aufnahme eines Kontaktes zu geschäftlichen Zwecken in ein beiderseitiges Schuldverhältnis treten, das sie zu gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Vorbereitung und beim Abschluß des Geschäftes verpflichtet. Dieses vorvertragliche Schuldverhältnis besteht unabhängig davon, ob es später zu einem Vertragsabschluß kommt. Es handelt sich, wenn der in Aussicht genommene Vertrag nicht zustandekommt oder als nicht zustande gekommen gilt, um ein Schuldverhältnis ohne Hauptleistungspflicht, das vor allem in Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten besteht. In Erfüllung dieser Verbindlichkeit haben die Beteiligten insbesondere die Verpflichtung, einander über die Beschaffenheit der in Aussicht genommenen Leistungsgegenstände aufzuklären und Umstände mitzuteilen, die einem gültigen Vertragsabschluß entgegenstehen (Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[3] I, 153; in diesem Sinne auch Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 174 und in Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 160; Ehrenzweig[2] II/1, 160; Welser in ÖJZ 1973, 282, 288). Das in der Verletzung dieser Verpflichtungen zu erblickende sogenannte Verschulden beim Vertragsschluß (culpa in contrahendo) macht den pflichtwidrig handelnden Teil unabhängig davon, ob es später zum Vertrag kommt oder der formell abgeschlossene Vertrag ungültig ist, seinem Partner gegenüber schadenersatzpflichtig. Zu ersetzen ist der Vertrauensschaden, das negative Vertragsinteresse; der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stunde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre (Koziol - Welser, 154; Gschnitzer in Klang 175 bzw. in Allgemeiner Teil, 160; Ehrenzweig, 160; Welser, 287). Die Ersatzpflicht beschränkt sich je nach dem Grad des Verschuldens (§§ 1324, 1331 ABGB) auf die eigentliche Schadloshaltung oder umfaßt auch den wegen der Vertragschließung entgangenen Gewinn (SZ 46/22).

Diese grundsätzliche Verschuldenshaftung für culpa in contrahendo wird zum Teil in der Lehre, aber auch in der Rechtsprechung für den Fall der Nichtigkeit eines Vertrages wegen fahrlässig veranlaßten Irrtums unter Berufung auf § 874 ABGB abgelehnt. Nach dieser Gesetzesbestimmung muß in jedem Fall derjenige, welcher einen Vertrag durch List oder ungerechte Furcht bewirkt hat, für die nachteiligen Folgen Genugtuung leisten. Hiezu lehrt Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 145, daß § 874 ABGB nur bei vorsätzlicher Irreführung den anderen Vertragsteil, aber auch einen Dritten zum Schadenersatz verpflichte; gewiß könne durch Erregung eines Irrtums ein Vertrag auch fahrlässig und ohne jedes subjektive Verschulden veranlaßt werden, jedoch knüpfe § 874 ABGB, wie aus dem Wort "List" erhelle, eine Schadenersatzpflicht nur an die dolose Irreführung; bloß fahrlässige, für den Vertragswillen erhebliche Irreführung verpflichte also nicht zum Schadenersatz, weder einen Dritten noch den Vertragsgegner des Irrenden; dafür spreche schon ein Umkehrschluß aus § 874 ABGB. Dieser Auffassung Gschnitzers schlossen sich mehrere Entscheidungen des OGH an, ohne allerdings erkennen zu lassen, sich der Problematik dieser Rechtsmeinung im Zusammenhalt mit der übrigen Rechtsordnung bewußt zu sein. Die Entscheidungen SZ 36/22 und 7 Ob 175/66 schlossen unter Berufung auf Gschnitzer, 145, jedoch ohne weitere Begründung, in einem Irrtumsfall ein Begehren nach den allgemeinen Schadenersatzgrunden (§ 1295 ABGB) aus, weil der Umkehrschluß aus § 874 ABGB, ergebe, daß bloß fahrlässige Irreführung nicht zum Schadenersatz verpflichte. Die Entscheidung SZ 39/56, die einen Fall der angemessenen Vergütung bei einem behebbaren Mangel betraf, erwähnt ganz kurz, daß ein Schadenersatz nach § 874 ABGB nur im Fall von List oder ungerechter Furcht in Betracht komme. Die Entscheidung 8 Ob 166/65 sagt schließlich: "Nur eine vorsätzliche Irreführung berechtigt den Irregeführten zum Begehren auf Schadenersatz; bloß fahrlässige, wenn auch für den Vertragswillen erhebliche Irreführung verpflichtet nicht zum Schadenersatz." Schon Gschnitzer, 145 selbst, vor allem aber, wie das Berufungsgericht richtig erwähnte, Welser (Vertretung ohne Vollmacht, 61 und in ÖJZ 1973, 282) taten jedoch dar, daß die zuletzt erwähnte Auffassung bei weitem nicht unbestritten ist. Besonders ins Gewicht fallen muß dabei die Rechtsmeinung Zeillers, eines Kommentators, der bei der Gesetzwerdung selbst wesentlich mitgewirkt hat. Dieser vertrat (Comm. 3/1, 38) ummißverständlich die Auffassung, daß bei Irreführung und Irrtum die Grundsätze des Schadenersatzrechtes allgemein zu gelten hätten; dem Bedrohten oder listig Irregeführten und damit vorsätzlich Beschädigten gebühre, selbst wenn er den Vertrag bestehen lassen wolle, volle Genugtuung (§ 1324 ABGB); wer unvorsätzlich, aber doch durch Verschulden den anderen irreführe, hafte für die einfache Schadloshaltung (§ 1323 ABGB). Pfersche, Die Irrtumslehre des österreichischen Privatrechtes, 175 vertrat ebenfalls die Auffassung, daß auf Grund des § 1295 ABGB in den Irrtumsfällen jede Partei, welche schuldhaft an dem Abschluß eines ungültigen Vertrages mitgewirkt hat, der anderen Partei den positiven Schaden ersetzen müsse, welchen sie durch den Abschluß des Vertrages und durch die weiteren Konsequenzen desselben, etwa die Vorbereitung der Erfüllung, erlitten hat (178); man müsse dabei berücksichtigen, daß das ganze Verhalten beim Vertragsabschluß als ein zusammengehöriges anzusehen sei und die Herbeiführung eines Vertragsschlusses als Ganzes die wirtschaftlichen Interessen des Gegners unmittelbar berühre; daher könne mit Fug jeder der Regel des Lebens nach als nachlässig zu bezeichnender Vorgang bei einem Vertragsschluß als Verschulden und als Verletzung der im § 1295 ABGB ausgesprochenen Norm angesehen werden (179 f.). Auch Pfaff, Zur Lehre von Schadenersatz und Genugtuung nach österreichischem Recht, ist nicht, wie Gschnitzer dartut, seiner Auffassung, sondern ging sogar so weit, daß er bei Irrtum einen Entschädigungsanspruch ohne Verschulden zulassen wollte (64; wenn Gschnitzer, 145 in FN 6; Pfaff, 66 zitiert, wonach eine nur culpose Irreführung im allgemeinen nicht verantwortlich mache, übersah er, daß in diesem Zusammenhang Pfaff - siehe 65 - nur falsche Angaben behandelte, die ohne Verschulden des Partners von einem Dritten herrührten). Und Ehrenzweig, 666 erklärt sich durchaus mit Pfersche, den er in FN 11 zitiert, einig, wenn er lehrt, die Vertragshaftung trete auch dann ein, wenn eine Auskunft vor Abschließung eines Vertrages erteilt wurde und sich auf den abzuschließenden Vertrag beziehe. Dem entspricht die Meinung Wolffs in Klang[2] VI, 51 f., der lehrt, daß die Haftung für Irreführung und unrichtige Auskunft einfach nach den allgemeinen Schadenersatzbestimmungen zu beurteilen sei, wonach jede Schädigung durch vorsätzliche oder fahrlässige Irreführung bzw. Erteilung unrichtiger Auskunft zu Schadenersatz verpflichte. Auch Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 83 befürwortet offensichtlich Schadenersatzansprüche bei (vom anderen Teil) verschuldetem Irrtum. Mit Recht verweist schließlich Welser, 282 darauf, daß sich Gschnitzer selbst widerspreche, hält er doch in Klang[2] IV/1, 174 bei seinen Ausführungen zu § 878 ABGB eine analoge Anwendung der Grundsätze dieser Bestimmung für culpa in contrahendo als empfehlenswert und befürwortet u. a. den Zuspruch von Schadenersatz auch bei Irrtum, indem er die Entscheidung des OGH EvBl. 1951/109 zitiert, die einen Irrtumsfall mit Fahrlässigkeit betraf und im Gegensatz zur oben dargestellten Rechtsprechung unter diesen Voraussetzungen ebenfalls einen Schadenersatzanspruch anerkannte. Gschnitzer in Klang, 145 hat seine Thesen im übrigen wörtlich den Ausführungen Piskos in Klang[1] II/2, 146 entnommen, der seine Darlegungen jedoch wie folgt ergänzte: "Aber auch dann, wenn man den erwähnten Umkehrschluß nicht für zwingend erachtet, ließe sich eine Haftung für bloß fahrlässige Irreführung nicht begrunden, insbesondere nicht aus der allgemeinen Regel des § 1295 ABGB. Diese setzt ja Verursachung eines Schadens durch schuldhaftes rechtswidriges Verhalten voraus. Es besteht aber kein allgemeiner Rechtssatz, aus dem sich die Widerrechtlichkeit der Irreführung als solcher oder der fahrlässigen Irreführung ableiten läßt." Während also Gschnitzer bei fahrlässiger Irreführung eine Schadenersatzpflicht grundsätzlich ablehnt, stellt Pisko wohl darauf ab, daß sich ein Schadenersatzanspruch aus einer erfolgreichen Irrtumsanfechtung nicht selbstverständlich ergibt, weil nicht jeder Irrtum schuldhaft und rechtswidrig veranlaßt worden sein muß; er trägt damit nur dem Umstand Rechnung, daß die Anfechtung eines Vertrages wegen Irrtums weder eine vorsätzliche noch eine fahrlässige Irreführung durch den anderen Teil voraussetzt, sondern ein für das Entstehen des Irrtums ursächliches Verhalten genügt (EvBl. 1971/11; SZ 28/103). Auch Pisko dürfte aber Schadenersatzansprüche wegen fahrlässiger Irreführung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1295 ABGB nicht ausschließen. Es wäre auch nicht einzusehen, daß gerade fahrlässige Irreführung entgegen den Grundsätzen des allgemeinen Schadenersatzrechtes keine Folgen nach sich ziehen sollte. Ohne den Umkehrschluß aus § 874 ABGB würde auch Gschnitzer, wie er in Fußnote 6 in Klang[2] IV/1, 145 bemerkt, die allgemeine Regel des § 1295 ABGB bzw. der culpa in contrahendo eingreifen lassen. Mit Recht weist Welser, Vertretung ohne Vollmacht, 63 darauf hin, daß der Umkehrschluß Gschnitzers aus § 874 ABGB unvereinbar mit dessen eigener zu § 875 ABGB (153) vertretenen These ist, wonach ein Vertragschließender dem von dritter Seite listig irregeführten Partner nicht nur dann volle Genugtuung zu leisten hat, wenn er an der Handlung des Dritten teilnahm oder von ihr wußte, sondern auch dann, wenn er von ihr offenbar wissen mußte. Wenn das Gesetz den Gegner schon für die Anfechtung schlechter stellt, wenn er den Irrtum selbst veranlaßt hat, als wenn der Irrtum von einem Dritten ausging, muß auch bei einer Schadenersatzpflicht der Gegner des Irrenden, der den Irrtum veranlaßte, zumindest ebenso hart angefaßt werden wie im Fall, in dem die Irreführung von einem Dritten ausging. Nichts anderes ergibt sich auch aus einem Vergleich mit § 932 Abs. 1 letzter Satz ABGB. Diese Bestimmung stellt klar, daß neben dem Gewährleistungsanspruch auch Anspruch auf Schadenersatz besteht, wenn der Schaden vom Übergeber verschuldet wurde (Amtliche Begründung zur Kaiserlichen Verordnung über die III. Teilnovelle 42 bei Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 545 und Ehrenzweig, 225; in diesem Sinne auch SZ 40/31 u. a.). Der Schlußsatz des ersten Absatzes des § 932 ABGB will dem Erwerber zwar nicht einen Schadenersatzanspruch gewähren, behält aber ausdrücklich einen sich bereits aus der allgemeinen Regel des § 1295 ABGB ergebenden und an die allgemeinen Voraussetzungen einer Schadenersatzpflicht gebundenen Schadenersatzanspruch neben den Gewährleistungsansprüchen vor (JBl. 1974, 477; EvBl. 1973/216; SZ 29/76 u. a.). Trotz des Versuches, Irrtum und Gewährleistung voneinander klar abzugrenzen (Haselberger in ÖJZ 1968, 315), kann nun aber kein Zweifel bestehen, daß insbesondere ein Eigenschaftsirrtum beim Kauf sowohl die Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung als auch für Gewährleistungsansprüche erfüllen kann (Kram er in JBl. 1971, 299; vgl. auch Pisko, Gewährleistungs-, Nichterfüllungs- und Irrtumsfolgen bei Lieferung mangelhafter Ware, 80). Da die Rechtsprechung Gewährleistungs- und Irrtumsansprüche nebeneinander bestehen läßt (JBl. 1969, 147; EvBl. 1965/302 u. a.; dagegen allerdings Kramer, 301) und die Voraussetzungen vielfach gleichartig sind, kann nicht in einem Fall bei fahrlässigem Handeln Schadenersatz bejaht, im anderen verneint werden. In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht und Koziol - Welser, 104 bejaht der OGH damit eine Schadenersatzpflicht des bloß fahrlässig irreführenden Partners und anerkennt damit Schadenersatzansprüche des Irrenden gegenüber demjenigen, der den Irrtum schuldhaft und rechtswidrig, also unter den Voraussetzungen des § 1295 ABGB, veranlaßte. Unter Beachtung des für die Haftung aus culpa in contrahendo geltenden Grundsatzes ist der Schadenersatzanspruch allerdings auf das negative Vertragsinteresse beschränkt. Auch unter diesen Voraussetzungen erhält der Irrende jedoch insbesondere den im Hinblick auf den Vertrag nutzlos gemachten Aufwand ersetzt (Koziol - Welser, 154). Der OGH ist nicht der Auffassung, daß er damit § 874 ABGB seinem Wortlaut zuwider auslegt. Welser, Vertretung ohne Vollmacht, 62 begrundete bereits aus der historischen Entwicklung, daß "List" im § 874 ABGB "Irreführung" bedeuten kann und nur die Haftung des Dritten im Auge hatte. Gewiß können aber die Worte "In jedem Falle" im § 874 ABGB nicht ohne Bedeutung sein. Liest man sie, was keineswegs ferne liegt, als "jedenfalls", dann ist klargestellt, daß aus anderen Gesetzesbestimmungen ableitbare Ansprüche dadurch keineswegs ausgeschlossen werden sollten.

Im vorliegenden Fall bestand der von der beklagten Partei veranlaßte Irrtum des Klägers darin, daß er nach dem Organisationsvorschlag der beklagten Partei, die den Bedarf des Klägers zuvor durch zwei Angestellte erheben hatte lassen, der Überzeugung sein konnte, daß die gelieferte Datenverarbeitungsanlage den Datenanfall im Laboratorium des Klägers reibungslos bewältigen werde können, was jedoch nicht einmal annähernd der Fall war. Da die beklagte Partei ein einschlägiges Fachunternehmen ist, ist es ihr als Verschulden anzurechnen, daß sie die mangelnde Eignung der Anlage für die Zwecke des Klägers nicht erkannte bzw. ihm nicht mitteilte und damit den Irrtum des Klägers über die Leistungsfähigkeit der gelieferten Datenverarbeitungsanlage veranlaßte. Der beklagten Partei ist es vorzuwerfen, daß sie sich anders verhalten hätte sollen und auch anders verhalten hätte können (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, 70). Wenn die Revision darauf verweist, das gegenständliche Geschäft sei erstmalig in Österreich durchgeführt worden, auf beiden Seiten habe ein erhöhtes Risiko bestanden, geht sie nicht von den getroffenen Feststellungen über die Zusicherung eines reibungslosen Arbeitens aus. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der beklagten Partei ergibt sich aus der Verletzung der oben erwähnten Aufklärungspflicht. Daß der Kläger, der einen Programmierer zur Erarbeitung von Programmen für diese Anlage angekauft hatte, hiedurch zumindest irgendeinen Schaden erlitten hat, der ihm, wenn er sogleich eine geeignete Anlage erhalten hätte, nicht entstanden wäre, steht außer Frage. Den im Hinblick auf den Vertrag nutzlos gemachten Aufwand muß die beklagte Partei dem Kläger ersetzen.

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