OGH 1Ob207/75

OGH1Ob207/758.10.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Walter Brunhuemer, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen 45.000,‑‑ S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1975, GZ. 5 R 46/75‑39, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 27. Dezember 1974, GZ. 6 Cg 26/73‑32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt bzw. beschlossen:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00207.75.1008.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird, soweit ein Klagebegehren auf Bezahlung von 15.000,‑‑ S samt 4 % Zinsen seit 27. 1. 1973 abgewiesen wurde, nicht Folge gegeben.

Im übrigen, soweit also auch ein weiteres Klagebegehren auf Bezahlung von 30.000,‑‑ S samt 4 % Zinsen seit 27. 1. 1973 abgewiesen wurde, wird der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache in ihrem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstückes 1207/9 der EZ. * KG. *, ihre Schwester M* Eigentümerin des vom erstgenannten Grundstück abgetrennten, etwa 50 m breiten Grundstückes 1207/16. Die Beklagte, deren verstorbener Ehegatte mit dem Kläger wiederholt Holzgeschäfte getätigt hatte, bot im Jahre 1972, als ihr durch den Tod ihres Mannes größere Auslagen erwachsen waren, dem Kläger ihr Grundstück zum Kauf an. Darauf fand eine Besichtigung des Grundstückes statt, an der ua die Streitteile und Bezirksoberförster A*, der von der Forstinspektion mit der Teilnahme beauftragt worden war, weil die Bundesforste in diesem Bereich angrenzen, teilnahmen. Von den Beteiligten kannte niemand den genauen Grenzverlauf; auch A* hatte nur eine alte Forstkarte mit, auf der die Unterteilung des Grundstückes 1207/9 noch nicht eingetragen war. Obwohl der genaue Grenzverlauf des zu verkaufenden Grundstückes nicht feststand, wurde etwa 14 Tage nach der Besichtigung am 8. 7. 1972 ein schriftlicher Kaufvertrag errichtet, mit dem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehegattin J* das Waldgrundstück 1207/9 KG. * im Ausmaß von 1.4285 ha verkaufte. Im Vertrag heißt es weiter: „Ein Betrag von 50.000,‑‑ S wird für das auf gegenständlicher Parzelle stockende Holz errichtet, der Restbetrag von 50.000,‑‑ S entfällt auf den Grundwert.“ 50.000,‑‑ S waren bis 15. 7. 1972, der Rest bis 23. 7. 1972 zu entrichten und wurden bezahlt. Der Vertrag wurde von der Grundverkehrskommission bisher noch nicht genehmigt und auch nicht in verbücherungsfähiger Form ausgefertigt und unterschrieben. Bald nach Unterzeichnung des Vertrages begann der Kläger mit Schlägerungsarbeiten und schlägerte dabei, da er die Lage des M* gehörigen Grundstreifens an anderer Stelle vermutete, auch 42 Bäume im Ausmaß von 36 fm auf deren Grundstück; dieses zu Unrecht geschlägerte Holz verkaufte M* selbst, ohne dem Kläger die Schlägerungskosten zu bezahlen. Auf dem Grundstück der Beklagten schlägerte der Kläger 18,45 fm; vorhanden sind noch rund 17 fm schlagbares Nadelholz und rund 6 fm schlagbares Laubholz. Auf dem Grundstück der M* befinden sich noch 55 fm schlagbares Nadelholz und 8 fm schlagbares Laubholz.

Der Kläger begehrt mit der am 23. 1. 1973 überreichten Klage von der Beklagten die Bezahlung von 45.000,‑‑ S samt Anhang. Er habe von der Beklagten gemeinsam mit seiner Ehegattin das Grundstück 1207/9 und gleichzeitig allein das Stockholz um einen Pauschalpreis von 50.000,‑‑ S, wie es ihm von der Beklagten und einem von ihr zugezogenen Forstorgan in der Natur angezeigt worden sei, gekauft. Es habe sich herausgestellt, daß von dem ihm irrtümlich ausgezeigten Holz sich mindestens 70 fm auf dem Nachbargrundstück der M* befanden. Durch den Verlust des Holzes und der Arbeitsleistung habe er einen Ausfall von mindestens 45.000,‑‑ S erlitten, den ihm die Beklagte ersetzen müsse, da sie ihm auf Grund des Kaufvertrages die ausgezeigte Holzmenge zu gewährleisten habe. In der Folge stützte der Kläger seinen Anspruch auch auf ungerechtfertigte Bereicherung und jeden sich aus dem Sachverhalt ergebenden Rechtsgrund, insbesondere auch auf Irrtum. Die Beklagte bestritt insbesondere die Klagslegitimation des Klägers, da der Vertrag auch mit seiner Ehegattin abgeschlossen worden sei; mangels Einigung über das Kaufobjekt, ohne verbücherungsfähige Ausfertigung des Vertrages und grundverkehrsbehördliche Genehmigung sei der Vertrag auch nicht rechtswirksam.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Bezahlung eines Betrages von 30.000,‑‑ S samt Anhang und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest: Dem Kläger sei bei der Besichtigung vor Abschluß des Kaufvertrages von A* das Grundstück der M* an der Ostseite des Grundstückes 1207/9 gezeigt worden, wogegen es in Wirklichkeit an der Westgrenze liege. In dem Kaufpreis von 50.000,‑‑ S seien rund 60 fm auf dem Grundstück der M* stehendes Holz einbezogen gewesen, das gesamte gekaufte schlagbare Holz sei mit rund 100 fm angenommen worden. Holzgeschäfte habe immer der Kläger ohne seine Gattin getätigt; auch mit dem gegenständlichen Kaufvertrag sei das Holz nur vom Kläger gekauft worden. Dem Vertrag liege ein offenkundiger Irrtum zugrunde, der von dritter Seite (A*) veranlaßt worden sei. Da der Kläger mit 100 fm gerechnet habe, auf dem Grundstück der Beklagten aber nur 40 fm gestanden seien, müsse das Nachbargrundstück der M*, das mit rund 100 fm Holz bestockt gewesen sei, in die Betrachtung einbezogen gewesen sein. Aus dem von A* veranlaßten Irrtum habe der Kläger rund 60 fm Holz bezahlt, die der Beklagten nicht gehört hätten. Ein Vertrag sei wegen Irrtums nur anfechtbar; da Irrtum nicht eingewendet worden sei, könne er von Amts wegen nicht wahrgenommen werden. Für die Rückforderung des zuviel bezahlten Kaufpreises von 30.000,‑‑ S kämen als Rechtstitel Gewährleistung, Schadenersatz und ungerechtfertigte Bereicherung in Betracht. Das Begehren des Klägers sei nach § 1431 ABGB, aber auch nach § 923 ABGB gerechtfertigt. Dem Kläger sei allerdings nur der Holzwert zuzusprechen, die Schlägerungskosten könne er nur von M* begehren. Das Holzgeschäft sei separat vom Kaufvertrag über das Grundstück geschlossen worden, der Kläger habe es allein getätigt, so daß er auch allein zur Klageführung legitimiert sei.

Das Berufungsgericht, das mit ausführlicher Begründung die Mängelrüge des Klägers, es hätte zwischen Blochholz und Faser- bzw. Schleifholz unterschieden werden müssen, verwarf, gab der gegen den abweisenden Teil des Klagebegehrens gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge und änderte über Berufung der Beklagten das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es hielt die Feststellung, auf dem Grundstück der Beklagten seien mindestens 40 fm schlagbares Holz vorhanden gewesen, für unbedenklich und bemerkte zur Rüge der Beklagten, es seien größere Mengen vorhanden gewesen, deren Erledigung könne offen bleiben, da dem Klagebegehren bereits aus rechtlichen Gründen keine Berechtigung zukomme. Ein gültiges Rechtsgeschäft liege vor, weil trotz der Differenz zwischen der vorhandenen und der in Aussicht genommenen Holzmenge von der Beklagten keine geradezu unmögliche Leistung versprochen worden sei; das fehlende Holz hätte sie unter Umständen auch beschaffen oder das vom Kläger auf dem Nachbargrundstück geschlägerte Holz ablösen können. Der Kläger halte am Vertrag, insbesondere durch weitere Inanspruchnahme des bereits auf dem Grundstück der Beklagten geschlägerten Holzes, fest, so daß er im Rahmen der Gewährleistung Minderung des Entgelts verlange. Da die in Aussicht genommene Holzmenge von 100 fm aus dem Grundstück 1207/9 der Beklagten nicht aufgebracht werden könne, sei dieser Mangel an der Substanz als unbehebbar anzusehen, so daß dem Kläger nur ein Wandlungsanspruch zustünde. Ein Wahlrecht zwischen Wandlung und Preisminderung stehe aber dem Kläger in seiner Eigenschaft als Erwerber nicht zu, er sei also nicht berechtigt, gegen den Willen des Veräußerers die mit einem unbehebbaren Mangel behaftete Sache zu bezahlen und das Entgelt verhältnismäßig zu mindern. Da es sich zudem um den Kauf von Holz am Stock und damit von beweglichen Sachen gehandelt habe, hätte der Kläger Gewährleistungsansprüche binnen sechs Monaten vom Tage der Ablieferung der Sache an gerichtlich geltend machen müssen (§ 933 ABGB). Da der Vertrag am 8. 7. 1972 abgeschlossen und bald nach Unterzeichnung des Vertrages mit den Schlägerungsarbeiten begonnen worden sei, sei die Gewährleistungsfrist im Zeitpunkt der Klagseinbringung als bereits verstrichen anzusehen. Das Rechtsinstitut des § 918 ABGB scheide aus, weil der Kläger Vertragsrücktritt nicht geltend mache. Schadenersatzansprüche entfielen mangels Verschuldens der Beklagten. Aktenwidrig habe das Erstgericht dargetan, der Kläger habe Irrtum nicht behauptet. Dieser könne unabhängig von der Gewährleistung geltend gemacht werden. Im vorliegenden Fall handle es sich um einen gemeinsamen Irrtum der Parteien, weil ihnen im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt vernünftigerweise unterstellt werden könne, daß sie bei Erkennen der Regelungslücke in Ansehung der Holzmenge vom Vertrag abgestanden wären oder ihn anders abgeschlossen hätten. Damit trete aber die Beschränkung des Anfechtungsrechtes des § 871 ABGB außer Kraft, so daß der Kläger an sich die Aufhebung oder Teilaufhebung des Kaufvertrages und die Rückzahlung des Kaufpreises aus dem Titel des Irrtums verlangen könnte. Dieses Verlangen, also die Irrtumsanfechtung des Vertrages, mache der Irrende gerichtlich geltend, wenn er unter Behauptung der Ungültigkeit des Geschäftes auf Rückstellung der von ihm bewirkten Leistung klage. Ein derartiges Verlangen sei vom Kläger aber nie gestellt worden; es sei von ihm nie erklärt worden, daß er den Vertrag wegen Irrtums anfechte, also dessen Rückgängigmachung verlange, ganz abgesehen davon, daß mangels irgendeiner diesbezüglichen Erklärung auch in keiner Weise erkennbar sei, ob eine gänzliche Anfechtung des Vertrages oder nur eine Teilanfechtung allenfalls beabsichtigt gewesen sei. Mangels einer solchen Erklärung oder Behauptung seitens des Irregeführten könne aber die Anfechtbarkeit des Geschäftes nicht wahr genommen werden, so daß Irrtum gleichfalls als rechtliche Begründung für den Klagsanspruch ausscheide, zumal aus dem Vorbringen des Klägers eindeutig zu erkennen sei, daß er durchaus auf dem Vertragsboden stehe und lediglich einen Teil des Kaufpreises aus Gewährleistungs-, Schadenersatz- bzw. Bereicherungsansprüchen heraus rückerstattet haben wolle. Auch aus der Lehre von den Geschäftsgrundlagen könne für den Klagsanspruch nichts gewonnen werden, da in Wahrheit ein Geschäftsirrtum vorliege. Ebensowenig könne der Kläger sein Begehren auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen, weil das österreichische Recht einen allgemeinen Bereicherungstatbestand nicht kenne und ein Bereicherungsanspruch zur Voraussetzung habe, daß nicht Sondervorschriften für allfälliges Rückforderungsrecht bestehen. Dies sei hier der Fall (Gewährleistung), so daß, wenn auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus möglicherweise von einer Bereicherung der Beklagten gesprochen werden könnte, damit noch keineswegs einer jener Tatbestände verkörpert sei, wie sie das bürgerliche Recht als Bereicherung im Rechtssinn erkläre und zu einem selbständigen Verpflichtungsgrund erhebe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers, die die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag geltend macht, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; in eventu wolle das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste oder zweite Instanz zurückverwiesen werden.

Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Zunächst sei auf die Ausführungen der Revisionsbeantwortung eingegangen, die weiterhin auf dem Standpunkt steht, der Kläger sei allein nicht berechtigt, den geltend gemachten Anspruch zu erheben, weil der Vertrag auch mit der Ehegattin des Klägers abgeschlossen worden sei. Der Beklagten sei zugegeben, daß der Wortlaut des schriftlichen Vertrages für diesen Standpunkt sprechen könnte. Sie geht aber nicht von den Feststellungen der Untergerichte aus, wonach das Holz allein der Kläger gekauft habe. Diese Feststellung trafen die Untergerichte auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens. Nur die Auslegung einer Urkunde als solcher ist rechtliche Beurteilung; wenn dagegen die Bedeutung einer Urkunde auf Grund der Aussagen von Zeugen oder Parteien erhoben wurde, handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist (EvBI 1975/146; SZ 41/33; SZ 26/49 uva). War aber der Kläger – im Gegensatz zum Grundstück – allein Käufer des Holzes, waren dann auch die Vereinbarungen über Grund und Holz keine Einheit. Da der Kläger ohne weiteres das Holz erwerben konnte, auch wenn er und seine Ehegattin nicht auch Eigentümer des Grundstückes werden sollten, können auch keine Zweifel am Zustandekommen des Vertrages über den Kauf des Holzes bestehen.

Das Erstgericht stellte auf Grund eines Sachverständigengutachtens genau fest, welche Mengen schlagreifen Holzes aus den Grundstücken der Beklagten und ihrer Schwester tatsächlich vorhanden waren. Die Mängelrüge des Klägers, der zwischen Blochholz und sogenanntem Schwachholz unterschieden wissen wollte, hielt das Berufungsgericht nicht für berechtigt, weil diese Unterscheidung in erster Instanz nie gemacht worden war. Das Berufungsgericht erklärte ausdrücklich, daß es die Feststellung des Erstgerichtes über das Vorhandensein von (mindestens) rund 40 fm schlagbaren Holzes auf dem Grundstück der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für zutreffend und unbedenklich erachte. Es übernahm aber auch die Feststellung, daß das gesamte Holz, das der Kläger zu kaufen vermeint hatte, mit rund 100 fm anzunehmen sei. Es verwies ausdrücklich darauf, daß der Begriff „Blochholz-Festmeter“ erstmals in der Berufung gebraucht worden sei. Das Berufungsgericht ging damit davon aus, daß die Qualität des schlagreifen Holzes auf dem Grundstück der Beklagten und der dem Kläger irrtümlich ausgezeigten Fläche etwa gleichwertig war. Die Revision wiederholt nun die vom Berufungsgericht verworfene Mängelrüge. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch ein in erster Instanz angeblich unterlaufener Verfahrensmangel, der vom Berufungsgericht nicht als gegeben angenommen wurde, nicht den Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO bilden (ZVR 1975/49; JBl 1972, 312 und 569; SZ 41/8 uva). Wenn das Berufungsgericht noch darauf verwies, daß die Feststellung darüber hinaus aus rechtlichen Gründen entbehrlich sei, war dies nur eine zusätzliche Bemerkung, die an der abschließenden negativen Erledigung der Mängelrüge durch das Berufungsgericht nichts änderte.

Berechtigt ist die Rüge der Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, es stehe fest, daß die Schlägerungsarbeiten des Klägers mehr als sechs Monate vor der Klagseinbringung begonnen worden seien. Nicht strittig ist nur, daß die Schlägerungsarbeiten „bald“ nach dem Abschluß des Kaufvertrages vom 8. 7. 1972 begonnen wurden. Der Begriff „bald“ ist viel zu unbestimmt, um daraus mit Sicherheit schließen zu können, der Kläger hätte mit seinen Arbeiten vor dem 23. 7. 1974 begonnen. Dies ist jedoch aus rechtlichen Gründen unerheblich, weil es darauf, ob der Kläger die sechsmonatige Gewährleistungsfrist versäumte, nicht ankommt. Wie das Berufungsgericht bereits richtig dar stellte, hatte der Kläger seinen Anspruch nämlich nicht nur auf Gewährleistung, sondern auch auf Irrtum gestützt. Man könnte dies, auch wenn in der Klage das Wort „gewährleisten“ verwendet wurde, schon aus der Klage schließen, erwähnte der Kläger doch, daß von der ihm irrtümlich verkauften Holzmenge mindestens 70 fm auf Nachbargrund gestanden seien. Späterhin erklärte der Kläger zudem ohnehin auch ausdrücklich, Irrtum geltend zu machen.

Es ist herrschende Auffassung, daß in den Fällen, in denen sowohl Gewährleistungsansprüche als auch Ansprüche aus Irrtum gestellt werden können, zwischen beiden Rechtsbehelfen gewählt und sogar bei Verzicht auf Gewährleistungsansprüche noch immer Irrtum geltend gemacht werden kann (SZ 42/180; SZ 41/33 ua; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts3 I 195; Gschnitzer in Klang IV/1, 516 und in Schuldrecht Allgemeiner Teil 89; Bydlinski in Klang IV/2, 155; Ehrenzweig II/1, 217). Es ist aber auch möglich, einen Anspruch sowohl aus Gewährleistung abzuleiten als auch auf Irrtum zu stützen. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht mit Recht aus dem unbestrittenen Sachverhalt und den getroffenen Feststellungen den rechtlichen Schluß gezogen, daß die Parteien bei Abschluß des Kaufvertrages einem gemeinsamen Irrtum unterlagen, indem sie die Lage des Grundstückes, das im Eigentum der Beklagten steht und aus dem der Kläger das Holz beziehen sollte, an Ort und Stelle irrtümlich falsch beurteilten. Der Kläger war daher der Meinung, daß er etwa 100 fm schlagreifes Holz kaufe, wogegen sich auf dem Grundstück der Beklagten weniger schlagreifes Holz befanden. Die Bestimmung des § 871 ABGB erwähnt zwar gemeinsamen Irrtum als Grundlage für die Erhebung von Irrtumsansprüchen nicht, jedoch ist es herrschende Rechtsauffassung, daß auch gemeinsamer Irrtum die Erhebung von Irrtumsansprüchen rechtfertigt (SZ 44/59; EvBl 1969/258; EvBl 1966/352; EvBl 1965/302; SZ 36/22 ua; Koziol-Welser aaO 97; Mayer-Maly in Klang 2  IV/2, 218; Gschnitzer in Klang aaO 133 und in Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts 185).

Der Irrende muß keineswegs den gesamten Vertrag anfechten; handelt es sich nämlich nicht um einen wesentlichen Irrtum, so bleibt der Vertrag immer noch gültig; der Urheber des Irrtums hat dem Irregeführten angemessene Vergütung zu leisten (§ 872 ABGB). Ein Irrtum ist wesentlich, wenn der Erklärende das Geschäft ohne ihn nicht geschlossen hätte; er ist hingegen unwesentlich, wenn er sich auf einen Nebenpunkt bezieht, wenn also ohne ihn das Geschäft nur anders geschlossen worden wäre; die Parteien hätten zwar auch bei Kenntnis der wahren Sachlage kontrahiert, jedoch unter anderen Bedingungen. Es muß daher die Feststellung des hypothetischen Willens der Parteien versucht werden; ist dies unmöglich, so ist zu fragen, wie normale Parteien redlicherweise gehandelt hätten. Hätte die Kenntnis der wahren Sachlage den Abschluß des Rechtsgeschäftes in keiner Weise beeinflußt, so ist der Irrtum unerheblich; bedeutsam ist also ein Irrtum nur, wenn er für den Abschluß des Rechtsgeschäftes in seiner konkreten Gestalt|kausal war (Koziol-Welser aaO 95). Auch ob bei einer Gattungssache ein Irrtum über die Menge als wesentlich oder unwesentlich anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Irrende ohne Irrtum den Vertrag entweder gar nicht oder doch nicht so geschlossen hätte (Gschnitzer in Klang aaO 125). Maßgebend ist die Verkehrsauffassung nach einem objektiven Maßstab (EvBl 1971/117). Im vorliegenden Fall hat der Kläger trotz des Mengenunterschiedes den Irrtum offenbar nicht als wesentlich erachtet, da er nicht die Rückgängigmachung des Vertrages, sondern nur den Verlust des nicht erhaltenen Holzes – und dazu allerdings noch die Vergütung seiner Arbeitsleistung für das irrtümlich auf dem Grundstück der Schwester der Beklagten geschlägerte Holz – begehrt. Er hätte den Vertrag also, wenn auch mit geringerem Entgelt, auch geschlossen, wenn er gewußt hätte, daß auf dem Grundstück der Beklagten weniger Holz stand. Dieser Auffassung kann auch nach objektiven Maßstäben zugestimmt werden. Der Irrtum war für beide Teile unwesentlich, weil er den Vertrag nicht verhinderte, sondern nur mit anderem Inhalt, den man ermitteln kann, zustande gekommen wäre; es kann, also der Störungsfaktor Irrtum eliminiert und die im § 872 ABGB. vorgesehene Vertragskorrektur vorgenommen werden; hiedurch wird dem Parteiwillen soweit entsprochen, wie dies unter den wahren Verhältnissen möglich ist; der vereinbarte Gesamtkaufpreis wird der wirklich erworbenen Menge angepaßt (Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes 183). Auch die Beklagte hätte offensichtlich den Vertrag so geschlossen, war sie doch daran interessiert, Geld aus der Verwertung des schlagreifen Holzes auf ihrem Grundstück zu erlangen.

Auch gemeinsamer Irrtum rechtfertigt den Anspruch auf angemessene Vergütung (Gschnitzer in Klang aaO 141, und in Allgemeiner Teil 185). Zudem wird anerkannt, daß der Irrende auch einen als wesentlich zu beurteilenden Irrtum als unwesentlichen behandeln, und statt Aufhebung des Vertrages angemessene Vergütung fordern kann (SZ 45/58 unter ausführlicher Stellungnahme zu gegenteiligen Auffassungen; SZ 37/143; SZ 26/71; SZ 18/99 ua). Das wurde zwar von Koziol in JBl 1967, 67 für den gemeinsamen Irrtum bezweifelt, vor allem weil man dem ebenfalls irrenden Partner einen ungewollten Vertrag nicht aufzwingen könne; angemessene Vergütung soll aber doch verlangt werden können, wenn beide Parteien einverstanden sind. Ein solches Einverständnis kann der Beklagten insoferne unterstellt werden, als sie den Anspruch des Klägers zwar aus verschiedenen Gründen bekämpft, aber gewiß nicht die Absicht hat, den Vertrag ihrerseits wegen Irrtums zur Gänze aufzuheben und die erhaltenen Vorteile herauszugeben.

Der Anspruch auf angemessene Vergütung ist allerdings kein Anspruch auf Ersatz des Schadens, den der Irrende durch den Irrtum erlitten hat; es ist nur die aus dem Irrtum entspringende Ungleichheit zu verbessern und der dadurch Benachteiligte verhältnismäßig zu entschädigen. Die Änderung besteht darin, daß die dem Irrenden obliegende Leistung verhältnismäßig gemindert wird (Gschnitzer in Klang aaO 142). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes rechnete der Kläger nach der irrigen Auszeigung durch A* mit rund 100 fm schlagbaren Holzes, erhielt tatsächlich aber nur 40 fm. Es wäre dann, wie das Erstgericht auch ausführte, gerechtfertigt, daß der Kläger als angemessene Vergütung von der Beklagten von den bezahlten 50.000,‑‑ S die Summe von 30.000,‑‑ S zurückerhält. Die Darlegung des Berufungsgerichtes, warum dieser Anspruch aus den Prozeßbehauptungen des Klägers nicht abgeleitet werden könnte, sind dem Obersten Gerichtshof unverständlich. Der Kläger wollte offenbar den Vertrag nicht anfechten, sondern primär eine angemessene Vergütung für die Holzmenge, die er auf Grund des Irrtums erwarten, aber nicht erhalten konnte, zugesprochen bekommen. Mehr als 30.000,‑‑ S stehen dem Kläger auf keinen Fall zu. Schadenersatz und insbesondere Ersatz der Schlägerungskosten könnte er von der Beklagten höchstens verlangen, wenn diese schuldhaft gehandelt hätte; ein solches Handeln kann jedoch rechtlich aus den getroffenen Feststellungen nicht geschlossen werden. Auch der Kläger wußte vielmehr, daß die Beklagte die Lage ihres Grundstückes selbst nicht genau kannte, verließ man sich doch beiderseits auf die unpräzisen Angaben des A*. Daß dem Kläger mehr als 60 fm schlagbaren Holzes entgingen oder für den Kläger nachteilige Wertdifferenzen bestünden, ist nicht erwiesen. Soweit also ein 30.000,‑‑ S übersteigendes Klagebegehren abgewiesen wurde, ist die Rechtssache dahin entscheidungsreif, daß das darüber hinausgehende Klagebegehren abgewiesen wird. Insoweit ist der Revision mit Teilurteil ein Erfolg zu versagen.

Im übrigen sah sich das Berufungsgericht nicht in der Lage, die Feststellung des Erstgerichtes zu übernehmen, daß auf dem Grundstück der Beklagten nicht mehr als 40 fm schlagreifes Holz vorhanden gewesen wären. Das Berufungsgericht hielt eine Stellungnahme hiezu aus rechtlichen Gründen für entbehrlich. Da der Feststellung, wie viel schlagreifes Holz der Kläger tatsächlich erhalten hatte, nach dem Rechtsstandpunkt des Obersten Gerichtshofes nun aber ausschlaggebende Bedeutung zukommt, bedarf es hiezu einer klaren Feststellung. Insoweit das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes abänderte, ist demnach das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 52, 392 ZPO.

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