European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0070OB00167.75.0925.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobene Rekurs der ehelichen Mutter zurückgewiesen wird.
Der Kostenbestimmungsantrag wird abgewiesen.
Begründung:
Die * 1960 geborene Minderjährige ist die eheliche Tochter des F* H* und der W*, wiederverehelichte B*. Sowohl die Eltern als die Minderjährige sind britische Staatsangehörige und besitzen ihren Wohnsitz und Aufenthaltsort in England. Nach der Scheidung dieser Ehe und einer sodann eingegangenen zweiten, inzwischen wieder geschiedenen Ehe ist die Mutter seit 6. April 1972 in dritter Ehe mit dem britischen Staatsangehörigen A* verehelicht, der die Minderjährige nach britischem Recht adoptiert hat. Die Minderjährige, ihre Mutter und ihr Adoptivvater haben ihren Wohnsitz und ständigen Aufenthalt in England. Nach dem im Jahre 1961 erfolgten Tode ihrer mütterlichen Großmutter erbte die Minderjährige von dieser eine in G* gelegene Liegenschaft mit dem Haus in G*. Am 31. Oktober 1962 erschien der mütterliche Großvater der Minderjährigen, der in dem genannten Hause wohnhafte R*, vor dem Erstgericht, gab die in diesem Zeitpunkt bestandenen oben erwähnten persönlichen Verhältnisse sowie die gleichfalls erwähnte Erbfolge zugunsten der Minderjährigen zu Protokoll und erklärte sich zur Fortführung der Verwaltung des Hauses, dessen einzige Wohnung er benützte, zugunsten der Minderjährigen bereit. Er gab weiters bekannt, daß seine Tochter, die Mutter der Minderjährigen, in finanziellen Angelegenheiten eine leichte Hand habe, sodaß Gefahr bestehe, daß die der Minderjährigen gehörigen Erträgnisse des Hauses, falls sie in die Verfügungsgewalt der Mutter gelangen würden, für die Minderjährige verloren wären.
Das Erstgericht erteilte daraufhin dem R* den Auftrag, das zugunsten der Minderjährigen bestehende Spareinlagebuch weiterhin in seiner treuhändigen Verwahrung zu behalten und bei der Sparkasse die Vornahme „der gerichtlichen Sperre zu bewirken“. In den Jahren 1964 bis 1967 hat der in Entscheidungen des Erstgerichtes als Kurator bezeichnete, formell dazu jedoch nicht bestellte R* jährlich Rechnung gelegt, die vom Erstgericht jeweils genehmigt wurden. Eine Verständigung des Vaters oder der Mutter von der für die Minderjährige auf diese Weise geführten Vermögenskuratel ist nicht erfolgt. Am 31. Mai 1967 erschien die Mutter in Begleitung der Minderjährigen beim Erstgericht, gab den am 18. März 1967 erfolgten Tod ihres Vaters R* bekannt und beantragte die Bestellung eines Vermögenskurators für die Minderjährige in bezug auf das in G* gelegene Haus. Mit Beschluß vom 1. Juni 1967 (ON. 19) bestellte das Erstgericht den * K* zum „Vermögensverwalter“ der Minderjährigen hinsichtlich dieser Liegenschaft. Dieser Beschluß wurde nur der Mutter der Minderjährigen und dem Vermögenskurator, nicht aber dem Vater zugestellt. Der Vermögenskurator führt seither unter der Aufsicht des Erstgerichtes die Verwaltung des Hauses, ohne daß ein Einverständnis des Vaters aktenkundig wäre. Am 31. Juli 1974 erschien die Mutter in Begleitung ihres dritten Ehegatten, ihrer Tochter sowie des Ing. * F* vor dem Erstgericht und setzte dieses von ihrer Wiederverehelichung sowie von der im Jahre 1974 nach britischem Recht erfolgten Adoption ihrer Tochter durch den dritten Ehegatten in Kenntnis. Ferner teilte sie mit, daß die Familie weiterhin in England wohnen werde und gab schließlich eine Vollmacht zu Protokoll, mit welcher sie den anwesenden Ing. * F* ermächtigte, sie „in den Angelegenheiten ihres Kindes in der gegenständlichen Pflegschaftssache zu vertreten, Anträge zu stellen sowie Beschlüsse und Entscheidungen entgegenzunehmen“.
Am 31. Jänner 1975 beantragte der Vermögenskurator die Erteilung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung eines bezüglich der freigewordenen Wohnung des gegenständlichen Hauses abgeschlossenen Mietvertrages. Ing. F* hat als Vertreter der Mutter der Minderjährigen am 14. Februar 1975 vor dem Erstgericht die Erklärung abgegeben, dem Mietvertrag grundsätzlich zuzustimmen, doch müßten seiner Meinung nach die Kosten der von den neuen Mieter (in der Wohnung) beabsichtigten Bauführung vor Erteilung der Genehmigung durch Einholung von Kostenvoranschlägen geklärt werden. Der Mietvertrag wurde hierauf durch einen Nachtrag vom 17. Februar 1975 dahin ergänzt, daß die Kosten der in der gemieteten Wohnung durchzuführen beabsichtigten Reparaturen den Betrag von S 35.000, nicht übersteigen dürfen und daß den Mietern, wenn sie vor dem Ablauf von 12 Jahren vom Tage der Vertragsunterfertigung an gerechnet die Wohnung räumen sollten, für jedes den Mietvertrag früher beendende Jahr ein Zwölftel der Reparaturkosten gebühre.
Das Erstgericht hat hierauf den Mietvertrag in der ergänzten Fassung pflegschaftsbehördlich genehmigt.
Das Rekursgericht gab dem von der Mutter (vertreten durch Ing. F*) gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs Folge, hob den Genehmigungsbeschluß des Erstgerichtes auf und trug dem vom Obersten Gerichtshof gemäß dem § 28 JN zu bestimmenden Gericht erster Instanz gegebenenfalls die Fällung einer neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht prüfte zunächst die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit. Ausgehend von der Auffassung, daß die inländische Gerichtsbarkeit immer dann gegeben sei, wenn sie nicht durch eine positive Vorschrift, durch Völkerrechtsnormen oder durch allgemeine Rechtsgrundsätze ausgeschlossen werde, gelangte das Rekursgericht zunächst zur Verneinung der Zuständigkeitsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 der 4. DVzEheG, weil diese Bestimmung nur auf eigentliche Vormundschaftssachen und Kuratelen im Sinne der §§ 187 bis 284 ABGB, nicht aber auf die Fälle des im vorliegenden Fall maßgeblichen § 149 ABGB anzuwenden sei. Ungeachtet des ausländischen Aufenthaltes der Minderjährigen und der erfolgten Adoption stelle jedoch die im Inland befindliche, der Minderjährigen gehörige Liegenschaft einen Anknüpfungspunkt für die inländische Gerichtsbarkeit dar. Da die Behörde des Heimatstaates der Minderjährigen die Fürsorge für deren inländisches Vermögen nach der Aktenlage bisher nicht übernommen haben, sei die Fürsorgebedürftigkeit der Mj. im Rahmen des § 149 ABGB gegeben. Das Rekursgericht gelangte schließlich zu der Auffassung, daß eine örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts derzeit mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 109 f JN nicht gegeben seien, sodaß der Oberste Gerichtshof gemäß dem § 28 JN ein Gericht zu bestimmen haben werde. Schließlich bejahte das Rekursgericht die Rechtsmittelbefugnis der Mutter der Minderjährigen mit der Begründung, daß die Mutter die Verletzung von Interessen ihrer Tochter durch die erstgerichtliche Entscheidung behauptet habe und daß sie nach britischem Recht in Angelegenheiten, die die Minderjährige angehen, das gleiche Recht auf Anrufung der Gerichte besetze wie der Vater.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der durch ihren Vermögenskurator vertretenen Minderjährigen, mit dem Antrag, den angefochtenen Aufhebungsbeschluß dahin abzuändern, daß die erstgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Die Minderjährige wendet sich in ihren Rechtsmittelausführungen gegen die vom Rekursgericht bejahte Rekurslegitimation der Mutter und verweist auf die von deren Vertreter erklärte Zustimmung zum Mietvertrag. Im übrigen müsse angenommen werden, daß die Mutter dem Ing. F* die Vollmacht nicht erteilt hätte, wenn ihr der erst jetzt hervorgekommene Umstand bekannt gewesen wäre, daß Ing. F* anläßlich der Aufgabe seiner Mietrechte im gegenständlichen Haus von seiner Rechtsnachfolgerin einen Ablösebetrag von S 60.000 für sich verlangt habe, um den die Minderjährige geschädigt worden sei.
Wenngleich die Rechtsmittelwerberin das Vorliegen der Voraussetzungen der inländischen Gerichtsbarkeit nicht in Zweifel zieht, soll doch zunächst diese Frage einer Prüfung unterzogen werden. Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Lehre bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, ist die Vorschrift des § 14 Abs. 1 der 4. DVzEheG betreffend die Anordnung einer Vormundschaft oder Kuratel überwiegend eine internationale Zuständigkeitsnorm, die jedoch aus den ausführlich dargelegten Gründen nur auf eigentliche Vormundschafts- und Pflegschaftssache (§§ 187 bis 284 ABGB) und daher nicht auf Maßnahmen nach dem § 149 ABGB Anwendung findet (7 Ob 218/74; SZ 43/288, EvBl 1968/235; EvBl 1972/188 u.v.a., Chlanda, ÖJZ 1950, 413; Mähr, ÖJZ 1974, 477 ff; Schwind, dStA 1972, 57, ff, insbesondere 59 und 63; Mänhardt, Das internationale Personen- und Familienrecht Österreichs, 57, 63). Die inländische Gerichtsbarkeit ist auch im Außerstreitverfahren bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung ohne weitere Voraussetzung allein von der örtlichen Zuständigkeit des inländischen Gerichts abzuleiten. Das örtlich zuständige österreichische Gericht kann daher in Ansehung ausländischer ehelicher Kinder grundsätzlich Anordnungen im Sinne des § 149 ABGB treffen, sofern nicht das für das ausländische Kind zuständige ausländische Gericht seine ausschließliche Zuständigkeit in Anspruch genommen hat (Schwimann, JBl 1960, 46; Schwind, a.a.O.; Fasching I, 19; Mänhardt a.a.O., 63; Mähr a.a.O.; 7 Ob 218/74; SZ 43/228; EvBl 1973, 200; JBl 1967, 208 u.a.). Eine derartige Inanspruchnahme ist nach der Aktenlage im Gegenstand nicht erfolgt.
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes ist die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes jedoch gegeben. Wenn auch die Zuständigkeitsvoraussetzungen der §§ 109 f. JN mangels inländischen Wohnsitzes oder inländischen Aufenthaltes der Minderjährigen und ihrer Mutter nicht vorliegen, so ist im Hinblick darauf, daß der für die Minderjährige bestellte Kurator nur hinsichtlich der Verwaltung der im Inland gelegenen Liegenschaft, somit zur Führung einzelner Geschäfte und nicht zur laufenden Wahrung der persönlichen und vermögensrechtlichen Interessen der Minderjährigen bestellt wurde, die Bestimmung des § 112 JN in Betracht zu ziehen. Eine im Sinne des § 149 ABGB erfolgende Bestellung eines Vermögenskurators zur Besorgung einzelner Geschäfte fällt unter diese subsidiäre Zuständigkeitsnorm (Fasching I, 540). In Ermangelung einer anderen Zuständigkeitsvorschrift ist gemäß dem § 112 Abs. 2 JN für die Bestellung eines solchen Kurators jenes Bezirksgericht zuständig, bei welchem die um die Bestellung eines Kurators ansuchende Partei zur Zeit des Ansuchens ihren allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat. Wenn nun auch der mütterliche Großvater der Minderjährigen, R*, nach dem Inhalt des beim Erstgericht aufgenommenen Protokolles einen ausdrücklichen Antrag auf Bestellung zum Kurator nicht gestellt hat, so kann in seiner unter Darlegung der persönlichen Verhältnisse der Minderjährigen und der für eine Kuratel sprechenden Gründe abgegebenen Erklärung, zur Fortführung der Verwaltung des Hauses zugunsten der Minderjährigen bereit zu sein, nur ein derartiger Antrag verstanden werden. Es wäre Sache des Erstgerichtes gewesen, den Antragsteller entsprechend zu belehren und zu einer mit der Bestimmung des § 149 ABGB übereinstimmenden formellen Antragstellung anzuhalten. Daß das Erstgericht den Antrag des mütterlichen Großvaters aber richtig verstanden hat, zeigt der Umstand, daß es, wenngleich ohne den Großvater formell zum Kurator zu bestellen, eine Vermögenskuratel hinsichtlich des Hauses zugunsten der Minderjährigen geführt und R* in diesem Rahmen als Kurator angesehen und behandelt hat. Da der Wohnsitz des mütterlichen Großvaters in G* lag, ist das Erstgericht zur Führung der Kuratel örtlich zuständig, sodaß für ein Vorgehen nach dem § 28 JN die Voraussetzungen fehlen. Mangels Inanspruchnahme der ausschließlichen Zuständigkeit des Heimatstaates der Minderjährigen durch das zuständige ausländische Gericht und infolge Vorliegens eines für die Führung der Vermögenskuratel örtlich zuständigen Gerichtes ist somit die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, ohne daß es noch notwendig wäre, das Vorliegen eines weiteren Anknüpfungspunktes, wie etwa das Vorhandensein einer inländischen Liegenschaft der Minderjährigen (vergleiche dazu aber zustimmend Chlanda a.a.O. und Walker, Internationales Privatrecht5, 861) zu prüfen.
Dem Rekursgericht kann jedoch hinsichtlich der Zulässigkeit des ihm zur Entscheidung unterbreiteten Rekurses der Mutter der Minderjährigen nicht beigestimmt werden. Ein Rekursrecht steht im Verfahren Außerstreitsachen nur demjenigen zu, dessen rechtliche geschützte Interessen durch den angefochtenen Beschluß beeinträchtigt worden sind (SZ 45/50; SZ 42/176; SZ 21/160 u.v.a.). Voraussetzung eines Rekursrechtes ist daher die Beschwer des Rechtsmittelwerbers. Diese Voraussetzung liegt hinsichtlich eines Antragstellers dann nicht vor, wenn seinem der Parteiendisposition unterliegenden Antrag stattgegeben wurde (SZ 10/195; 5 Ob 156/74; 5 Ob 154, 161/74 u.v.a.). Sie fehlt aber hinsichtlich des Antragsgegners ebenso, wenn dieser einem solchen Antrag ausdrücklich zugestimmt hatte. Auch in einem solchen Falle mangelt dem Rechtsmittelwerber das Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der mit der Erklärung des Antragsgegners übereinstimmenden angefochtenen Entscheidung.
Im vorliegenden Fall hat der von der Mutter bevollmächtigte Vertreter dem Mietvertrag, dessen Genehmigung vom Vermögenskurator der Minderjährigen beantragt wurde, grundsätzlich zugestimmt. Er hat nur einen Einwand erhoben, dem jedoch in einem Nachtrag zum Mietvertrag grundsätzlich entsprochen wurde. In den Rekursausführungen wird daher folgerichtig dieser die Hohe der von den Mietern zu tragenden Reparaturkosten betreffende Einwand mit keinem Wort mehr erwähnt. Die Mutter strebt, wie den Rekursausführungen zu entnehmen ist, im wesentlichen eine Beschränkung der Mietdauer auf vier Jahre und die Vereinbarung eines monatlichen Mietzinses von S 1.500 statt eines solchen von S 600 an. Da ihr Vertreter jedoch dem zur Erteilung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrag bereits zugestimmt hat, wurde sie durch die damit übereinstimmende Entscheidung des Erstgerichtes in ihren Rechten nicht beeinträchtigt. Dem dennoch erhobenen Rekurs der Mutter fehlte somit die Beschwer, sodaß er vom Rekursgericht als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre. Der Rekurs war daher in Abänderung der angefochtenen Entscheidung zweiter Instanz zum Obersten Gerichtshof selbst zurückzuweisen, ohne daß es erst einer Aufhebung dieser Entscheidung bedurft hätte und ohne daß auf die weitere Frage einzugehen war, ob die Mutter überhaupt zur Erhebung eines Rekurses im Interesse ihrer Tochter an sich berechtigt war.
Der Antrag auf Zuerkennung von Rekurskosten war abzuweisen, weil im Außerstreitverfahren von den im Gesetz bestimmten hier nicht vorliegenden Ausnahmsfällen abgesehen, ein Kostenersatz nicht stattfindet.
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